Ultrafeinstaub-Diskussion-Frankfurt

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'4. UFP-Bericht des HLNUG: 'Nichts Neues, nichts Brauchbares - wem nutzt das ?'

Am 13. Januar dieses Jahres hat das 'Hessi­sche Landes­amt für Natur­schutz, Umwelt und Geo­wissen­schaften' (HLNUG) den 4. Bericht "zur Unter­suchung der regio­nalen Luft­qualität auf ultra­feine Partikel im Bereich des Flug­hafens Frank­furt" veröf­fent­licht - laut Presse­mittei­lung mit der Kern­aussage "Bei Wind aus Rich­tung Frank­furter Flug­hafen steigt die Konzen­tration ultra­feiner Partikel in der Luft stark an". Es handele sich um eine " Gesamt­auswer­tung", für die "alle bishe­rigen Mess­reihen zu ultra­feinen Partikeln (UFP) seit 2017 zusammen­gefasst" wurden. Sind damit alle offenen Fragen bezüg­lich der Ausbrei­tung ultra­feiner Partikel aus dem Flug­betrieb in der Region, und im Umfeld von Flug­häfen allge­mein, geklärt? Leider nein. Der Bericht präsen­tiert weder Meß­ergeb­nisse, aus denen neue Erkennt­nisse abzu­leiten wären, noch halten die vorge­legten Auswer­tungen einiger weniger ausge­wählter Daten einer wissen­schaft­lichen Über­prüfung stand.

Tatsäch­lich wäre dieser Anspruch ohne­hin zu hoch, denn der Bericht präsen­tiert nur mehr oder weniger plau­sible Über­legungen, aber keiner­lei statis­tische Auswer­tungen, die über einfache Auf­summie­rung und Mittel­wert­bildung hinaus gingen. Etliche der vorge­tragenen Aus­sagen bestehen aber auch eine Plausi­bilitäts­prüfung nicht.

Kern­problem ist aller­dings, dass garnicht mehr versucht wird, die Ausbrei­tung der ultra­feinen Partikel aus den möglichen Quellen zu disku­tieren und die gewählten Annahmen zu begründen. Viel­mehr wird als Ergebnis vorher­gehender Berichte fest­gestellt: "Die Emis­sionen aus Trieb­werken erzeugen sehr viele sehr kleine Partikel (< 30 nm). Diese führen im Umfeld des Flug­hafens zu Zeiten mit Flug­betrieb und bei Wind aus Richtung Flug­hafen zu einer deut­lichen Erhöhung der UFP-Konzen­tration. Hierbei wurden Emis­sionen auf dem Flug­hafen­gelände und in unmittel­barer Umgebung des Flug­hafens als dominante Quelle für UFP identi­fiziert". Daraus wird dann ohne weitere kritische Betrach­tung: "Den Emis­sionen aus dem Flug­betrieb und den damit assozi­ierten Prozessen können an unter­schied­lichen Mess­stellen jeweils sehr ähn­liche charak­teris­tische Merk­male zuge­ordnet werden. Neben der deut­lichen Wind­richtungs­abhängig­keit, die sich aus­schließ­lich zu Zeiten des Flug­betriebs ein­stellt, ist vor allem die typische Partikel­anzahl-Größen­vertei­lung mit ausge­prägtem Maximum für Partikel kleiner als 30 nm kenn­zeichnend. Dieser charak­teris­tische „Finger­abdruck“ konnte bislang an allen HLNUG-Mess­stellen mit größen­aufge­lösten UFP-Messungen ein­deutig nach­gewiesen werden."

Kurz zusammen­gefasst: Die Emis­sionen auf dem Flug­hafen­gelände haben einen einfach nachweis­baren "Finger­abdruck", und wo der gemessen werden kann, ist auch der Ein­fluss des Flug­betriebs bewiesen. Und das ist sogar an einem durch­gehend regne­rischen Tag in 14 km Entfer­nung vom Flug­hafen kein Problem. Die Emissionen kommen dabei nicht nur von den startenden und landenden Fliegern, sondern auch aus "mit dem Flug­betrieb assozi­ierten Prozessen" die dazu führen, dass die Partikel-Konzen­trationen nach Ende des Flug­betriebs nur "langsam abklingen". Was das sein soll, wird nicht erläutert. Soll man wirk­lich davon ausgehen, dass am Tag vor Heilig­abend nach 23:00 Uhr noch in großem Stil Trieb­werks­probe­läufe statt­finden, oder ist der Boden­verkehr da soviel emis­sions-inten­siver als der Straßen­verkehr in der Haupt­verkehrs­zeit?

Der Bericht ist voll von derar­tigen unsin­nigen Aussagen und anderen wilden Spekula­tionen. Um diesen Beitrag nicht mit tech­nischen Details zu über­frachten, haben wir die Kritik zu den einzel­nen Aussagen in einem eigenen Beitrag zusammen­gefasst (als Webseite oder PDF-Dokument). Daraus wird deut­lich, dass dieser Bericht im Gegen­satz zu den ersten beiden, die über weite Strecken über­wiegend seriös argumen­tiert haben, ein ganz anderes Niveau hat. Hier findet sich keine einzige fun­dierte Auswer­tung, und die Qualität der Argumen­tation reicht von ober­flächlich bis absurd.

Eine mögliche Erklä­rung für diese selt­same Verän­derung findet sich in einem Satz im abschlies­senden Kapitel "Ausblick": "Aufbauend auf den Ergeb­nissen des Hessischen Landes­amtes für Natur­schutz, Umwelt und Geo­logie (HLNUG) führt das Forum Flughafen und Region (FFR) eine umfas­sende Unter­suchung der Belas­tung durch UFP und deren poten­ziell gesund­heit­licher Wirkung in der Rhein-Main-Region durch". Auch das Konzept dieser Unter­suchung wirft Fragen auf und weckt den Verdacht, dass es nicht um Erkenntnis­gewinn, sondern um die Verhin­derung unlieb­­samer Schluss­folge­rungen geht. Wäre es anders, würde man aus den bishe­rigen, geschei­terten Projekten entspre­chende Schluss­folge­rungen ziehen, aber genau das vermeidet dieser HLNUG-Bericht sehr konse­quent. Handelt es sich also um eine Auftrags­arbeit, die helfen soll, das ange­kündigte Projekt in ungefähr­liche Bahnen zu lenken? Dagegen spricht, dass sich wohl niemand mit halb­wegs wissen­schaft­lichem Anspruch auf so dünnes Eis begeben und eine Studie auf derart schwache Ergeb­nisse stützen würde.

Wahr­schein­licher erscheint da schon, dass es darum geht, mög­lichst wenig deut­lich werden zu lassen, dass mit dem Meßpro­gramm der vergang­enen zwei Jahre ziem­lich viel Geld in den Sand gesetzt wurde und der Nach­weis, dass die UFP-Emis­sionen haupt­säch­lich vom Flug­hafen­gelände ausgehen, nicht nur wegen der Pandemie-bedingten Reduzie­rungen im Flug­verkehr nicht erbracht werden konnte. Man behauptet einfach das Gegen­teil und hofft, dass in ein paar Jahren niemand mehr darüber redet. Wenn es so wäre, sollte das HLNUG diesen Bericht umgehend zurück­ziehen. Es ist keine Schande, eine Hypo­these aufzu­stellen und dann festzu­stellen, dass sie falsch ist. Auch das trägt zum Erkennt­nis­fort­schritt bei. Aber es ist extrem pein­lich, unseriös und behindert weitere Erkennt­nisse, zu versuchen, eine falsche Hypo­these mit untaug­lichen Mitteln zu vertei­digen, um Projekt­gelder nicht zu verlieren.

Hier muss dringend gegen­gesteuert werden, denn weitere Messungen sind unbe­dingt not­wendig. Zwar muss man davon aus­gehen, dass die im Bericht vorge­stellten Meß­werte an den vom Flughafen weiter entfernten Stationen durch andere Effekte besser erklärt werden können und ein Einfluss des Flug­hafens, zumindest unter den Beding­ungen deutlich redu­zierter Flug­bewegungen während der Pandemie, dort nicht nach­weisbar ist. In Raunheim und Schwan­heim sieht man diesen Einfluss aller­dings deutlich, und, da hat der Bericht ausnahms­weise recht, es "ist zu vermuten, dass bei zuneh­mend stei­genden Flug­bewegungs­zahlen der Einfluss weiter steigen wird" (S.22) und dort und an vielen anderen Stellen gesund­heit­liche Schäden verur­sacht.

Hoffen lässt die Ankün­digung: "Drei der UFP-Mess­stellen sollen darüber hinaus als perma­nente UFP Mess­stellen (Raunheim, F-Schwan­heim, F-Fried­berger Land­straße) einge­richtet und perspek­tivisch auch in das German Ultra­fine Aerosol Network inte­griert werden. Ziel ist es, harmonisierte und kontinuierliche UFP-Messungen hoher Qualität für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung zu stellen". Es wäre ein großer Fort­schritt, die hier präsen­tierten dilletan­tischen Spekula­tionen durch solide wissen­schaft­liche Analysen zu ersetzen und die bisher gesam­melten Daten endlich in vernünf­tiger Weise zu nutzen. GUAN bietet beste Voraus­setzungen dafür. Auch der geplante Einsatz eines "Mobili­täts­partikel­spektro­meter mit beson­ders hoher zeit­licher Auf­lösung ... zur Anwen­dung insbe­sondere im Umfeld schnell veränder­licher UFP-Konzen­trationen" wäre dringend notwendig, um den Einfluss der Flug­bewe­gungen genauer zu unter­suchen. Wichtig wäre aller­dings, dass sich im HLNUG endlich wieder jemand seriös um dieses Projekt kümmert, ein realist­isches Meß­programm auflegt und dafür sorgt, dass dieses Gerät da zum Einsatz kommt, wo ein Einfluss des Flug­verkehrs in grösseren Entfer­nungen an anderen Flug­häfen tatsäch­lich gemessen wurde und auch hier zu erwarten ist: unter den Anflug­routen im Osten und Westen des Flug­hafens. Wenn die Daten umfassend präsen­tiert werden, kann man sich auch wieder fach­lich über die Inter­preta­tionen streiten.