SH:Landtagswahl 2012/Wahlprogramm/Kapitel16
Inhaltsverzeichnis
- 1 Verkehr
- 1.1 Erweiterung des länder- und staatenübergreifenden Nahverkehrs
- 1.2 Straßeninformationsdatenbank
- 1.3 Das Verkehrskonzept »Shared Space«
- 1.4 Modellversuch für einen fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr
- 1.5 Kreative Lösungen für einen modernen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
- 1.6 Fairer Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
- 1.7 Verkehrsbeschränkungen hinterfragen
- 1.8 Vermeidung von schweren Verkehrsunfällen
- 1.9 Ausbau und Reaktivierung von Bahnstrecken
- 1.10 Fahrradfahren fördern
- 1.11 Planung Flughafen
- 1.12 Fluglärm einschränken
- 1.13 Fehmarnbelt-Querung
- 1.14 Förderung des Nord-Ostsee-Kanals
- 1.15 Gigaliner verhindern
Verkehr
- Nah und Fern -
Durch die wirtschaftliche Entwicklung, den demographischen Wandel und die Besiedelung in einem Flächenland, unter anderem mit zahlreichen Inseln, ergeben sich für den Verkehr in Schleswig-Holstein besondere Herausforderungen. Diese können nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten bewältigt werden. Zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik gehört unter anderem der Ausbau klimafreundlicher Verkehrsangebote und die Schaffung städtischer und ländlicher, vor allem flächendeckenden Verkehrsinfrastrukturen, welche die Lebensqualität verbessern. Die Zusammenarbeit über kommunale und regionale Grenzen, mit den Nachbarländern Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern und mit Dänemark ist dabei zu intensivieren.
Erweiterung des länder- und staatenübergreifenden Nahverkehrs
Die Verkehrsbedürfnisse im Umfeld regionaler Zentren enden nicht an Länder- oder Staatsgrenzen. Wir wollen länder- und staatenübergreifende Nahverkehrsverbindungen ebenso fördern wie abgestimmte Ausschreibungen überregionaler Verkehrsleistungen und den Ausbau bestehender Verbindungen.
Straßeninformationsdatenbank
Obwohl in vielen Städten und Gemeinden Berichte über den Zustand von Straßen vorliegen, werden sie nicht oder unzureichend öffentlich zur Verfügung gestellt.
Wir wollen diese Informationen in einer kostenlos zugänglichen Straßeninformationsdatenbank unter einer freien Lizenz veröffentlichen, damit eine vielfältige Nutzung beispielsweise für Straßenkarten und Stadtpläne möglich ist. Für solche Zustandsbeschreibungen existiert bereits ein bundeseinheitliches Datenaustauschformat.
Der öffentliche städtische Raum wird von Autos und Verkehrsschildern dominiert. Andere Teilnehmer am städtischen Leben müssen sich notgedrungen anpassen. Wir möchten diese Dominanz einschränken. Das Konzept des sog. Shared Space ist eine geeignete Basis dafür: Ohne Verkehrszeichen und auf gemeinsam genutzten Verkehrsflächen wird die Achtsamkeit der Verkehrsteilnehmer aufeinander gefördert. Shared Spaces, also die dafür geeigneten Bereiche, werden nur dort eingerichtet, wo sie vom Durchgangsverkehr gut umfahren werden können.
Modellversuch für einen fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr
Die Mobilität der Menschen und damit ihre Teilhabe am öffentlichen und kulturellen Leben hängen wesentlich von der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs ab. Wir wollen daher mittelfristig eine unentgeltliche Nutzung des ÖPNV einführen, um das soziale Recht der Mobilität vom Einkommen des Einzelnen abzukoppeln. Mit Hilfe von drei großen Feldversuchen wollen wir feststellen, ob sich ein fahrscheinloser, gemeinschaftlich finanzierter ÖPNV auch konkret umsetzen lässt. Diese Untersuchungen sollen jeweils in einem Oberzentrum, einem Mittelzentrum und einer Region des ländlichen Raumes in Schleswig-Holstein wissenschaftlich begleitet durchgeführt werden.
Kreative Lösungen für einen modernen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
Unsere Politik soll es den Menschen leichter machen den ÖPNV zu benutzen. Bei Veränderung der Infrastruktur ist die Kundenfreundlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Umsteigewege sind bspw. möglichst zu verkürzen.
Da der ÖPNV ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil der Mobilität in Schleswig-Holstein ist, wird dieser von der öffentlichen Hand finanziell gestützt. Diese Unterstützung muss zielgerichtet und transparent eingesetzt werden.
Wir fordern daher kreative Lösungen für die Verkehrsnetze.
Fairer Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
Für einen Wettbewerb der Verkehrsbetreiber im ÖPNV: Für den Betrieb des ÖPNV fordern wir einen funktionierenden Wettbewerb unter den Verkehrsbetreibern. Um dies sicherzustellen, sind die Verkehrsleistungen entsprechend den Ergebnissen von Gestaltungswettbewerben auszuschreiben und den Ergebnissen der Ausschreibung folgend zu vergeben.
Ein Verzicht auf eine Ausschreibung ist nicht akzeptabel, genauso wie eine anschließende politische Entscheidung gegen den Gewinner der Ausschreibung. Derartige nachträgliche Einflüsse auf das Ausschreibungsverfahren führen zu Intransparenz und Lobbyismusvorwürfen.
Zweifel an der fachlichen Qualifikation eines Bewerbers müssen frühzeitig angemeldet werden und bereits in die Bewertung des Angebots einfließen.
Wir fordern Transparenz bei den Entscheidungsprozessen und nach Ausschreibungen im ÖPNV.
Verkehrsbeschränkungen hinterfragen
Verkehrsbeschränkungen sollen nur nach sorgfältiger Prüfung der Voraussetzungen angeordnet werden. Es darf nicht der Verdacht entstehen, dass sie nur dazu dienen, die Kassen an der Strecke liegender Städte und Gemeinden durch Bußgelder zu füllen.
Wir stehen für ein umwelt- und verkehrspolitisches Konzept aus einem Guss und lehnen Aktionismus ab. Maßnahmen wie Fahrverbote für einzelne Fahrzeugtypen und die Einführung neuer Tempolimits auf autobahnähnlich ausgebauten Straßen erfüllen den vorgeblichen Zweck der Verkehrslenkung zumeist nicht und besitzen ökologisch nur eine Alibifunktion. Den Menschen, die auf die Benutzung dieser Verkehrsräume angewiesen sind, werden dabei keine Alternativen geboten.
Stattdessen setzen wir auf Lösungen, die die Interessen aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigen. Dazu gehört eine vorausschauende Verkehrsplanung genauso wie Verbesserungen im Angebot des öffentlichen Personenverkehrs.
Vermeidung von schweren Verkehrsunfällen
Wir setzen uns für die Einführung des Konzepts Vision Zero ein, das seit Jahren erfolgreich im skandinavischen Raum Anwendung findet. Verkehrssicherheit im Sinne der Vision Zero bedeutet, dass Straßen und Fahrzeuge in höherem Maße an die Voraussetzungen des Menschen angepasst werden müssen. Diejenigen, die das Straßenverkehrssystem gestalten und nutzen, müssen sich die Verantwortung für öffentlichen Raum teilen. Nach Einführung dieses Konzepts sollte Niemand im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt werden. Ziel von Vision Zero ist es, die Mobilität lebenswert zu sichern und unfallfrei zu gestalten und dadurch das Sicherheitsbedürfnis der Menschen zu befriedigen.
Ausbau und Reaktivierung von Bahnstrecken
Wir werden uns nachdrücklich beim Bund und der Bahn dafür einsetzen, dass Bahnstrecken reaktiviert oder ausgebaut werden.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden Bahnstrecken aus unterschiedlichen Gründen stillgelegt. Dort, wo es technisch möglich ist, sollten Bahnstrecken reaktiviert werden. Es ermöglicht den Bürgern der betroffenen, zumeist ländlichen Regionen wieder eine bessere Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Wir gehen davon aus, dass sich die Reaktivierung einiger Strecken auch wirtschaftlich lohnen wird. Deshalb wollen wir weitere Kosten-Nutzen-Analysen zur Reaktivierung stillgelegter Strecken durchführen lassen, sowie den gegebenenfalls sinnvollen Ausbau unterstützen.
Oft ist eine Unterbrechung stillgelegter Strecken irreversibel. Zukünftig sollen Strecken nicht mehr stillgelegt und zurückgebaut, sondern als »ruhend« definiert werden. Ein Rückbau findet nicht statt, die Strecken werden lediglich mit ihren Bauwerken gesichert oder übergangsweise anderer Nutzung zugeführt (z. B. Radwegesysteme). Wenn die ruhenden Strecken innerorts durch Baumaßnahmen unterbrochen werden, so sind in den Bauleitplanungen Ersatzmaßnahmen für eine spätere Reaktivierung vorzusehen. Wir setzen uns dafür ein, wo es sinnvoll ist, auch stillgelegte Haltepunkte zu reaktivieren bzw. neu einzurichten.
Fahrradfahren fördern
Fahrradfahrer gehören neben den Fußgängern zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern. Gleichzeitig ist Fahrradfahren ein attraktives und vor allem innerstädtisch zukunftsweisendes Verkehrsmittel. Wir setzen uns dafür ein, dass die Infrastruktur für Radfahrer verbessert wird, etwa durch breitere Fahrradstreifen auf den wichtigsten Straßen oder die vermehrte Aufstellung eigener Fahrradampeln. Das Radwegenetz ist konsequent auszubauen. Eine Mitnahme von Fahrrädern in öffentlichen Verkehrsmitteln muss verbessert werden.
Wir unterstützen die Errichtung von sicheren Fahrradgaragen an Bahnhöfen und anderen Umsteigepunkten. Fahrradwege müssen konsequent und deutlich ausgeschildert werden.
Planung Flughafen
Der Hamburg Airport ist der Flughafen für gesamt Schleswig-Holstein. Wir lehnen den Ausbau oder den Weiterbetrieb weiterer regionaler unrentabler Flughäfen wie in Lübeck-Blankensee und Kiel-Holtenau ab, da diese langfristig nur durch die öffentliche Hand finanziert werden können. Wir fordern, alle Pläne für einen neuen Großflughafen in Kaltenkirchen aufzugeben. Wir setzen uns für eine bessere Anbindung des Hamburg Airports an die bestehenden Straßen- und Schienennetze ein.
Fluglärm einschränken
Fluglärm bei Nacht wirkt nachhaltig schädigend u.a. auf die berufliche Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit und schränkt die Lebensqualität deutlich ein. Wir fordern daher die technische Umsetzung zur Lärmminimierung voran zu treiben und die Auslastung der Flughäfen zu optimieren.
Fehmarnbelt-Querung
Wir sprechen uns gegen den Bau der Festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ) zwischen der Ostseeinsel Fehmarn auf deutscher und Lolland auf dänischer Seite sowie der damit auf deutscher Seite einhergehenden sog. »Hinterlandanbindung« aus. Wir werden darauf hinwirken, dass von Artikel 22 Abs. 1 a.E. des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung vom 3. September 2008 Gebrauch gemacht wird.
Förderung des Nord-Ostsee-Kanals
Die Passagen durch den Nord-Ostsee-Kanal verkürzen den Seeweg tausender Frachtschiffe und helfen, Treibstoff zu sparen. Wir setzen uns daher auf Landes- und Bundesebene für günstige Kanalgebühren ein, damit nicht auf längere Seewege um Skagen ausgewichen wird. Wir unterstützen den kontinuierlichen Ausbau des NOK als umweltfreundliche Wasserstraße und fordern, dass Planung und Umsetzung der Ausbaumaßnahmen (zum Beispiel Ablagerung von Baggergut) transparent gestaltet und unter Beteiligung aller betroffenen Anliegergemeinden durchgeführt werden.
Gigaliner verhindern
Durch den geplanten Test der Riesen-LKW »EuroCombi« (auch bekannt als Gigaliner) auch auf Schleswig-Holsteins Straßen wird die gefährliche und umweltschädliche Verkehrsverlagerung von der Schiene auf die Straße gefördert. Wir setzen uns nachdrücklich für die Stärkung des Schienengüterverkehrs ein und wollen diese Testfahrten in Schleswig-Holstein nicht zulassen.