SH:Landtagswahl 2012/Wahlprogramm/Kapitel11

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Steuerpolitik und Finanzen

- Einfach ist besser -

Die Piratenpartei versteht sich weder als »Steuersenkungs-« noch als »Steuererhöhungspartei«. Fakt ist, dass wir ein gerechteres und transparentes Steuersystem benötigen, das unsere Infrastruktur verbessert, damit unser Land auch weiterhin als attraktiver Wirtschaftsstandort bestehen kann.

Das jetzige System der Steuergesetzgebung ist weder reformier- noch vermittelbar und hat die Folge, dass »Steuersparen« zu einem Volkssport geworden ist, so dass wir einen Schnitt und einen Neuanfang wagen müssen.

Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass nicht nur bezahlte Lobbyisten der Wirtschaft und andere Gruppen die Leitlinien der Politik und hier insbesondere das Steuersystem bestimmen. Gerade der Bürger, das Volk als Souverän muss in Zukunft mehr direkten Einfluss nehmen können.

Die Piratenpartei wird alles daran setzen, sich auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene für die Etablierung eines einfachen verständlichen Steuersystems im Sinne des Landes stark zu machen.

Schuldenfreies Schleswig-Holstein

Ein Drittel aller Einnahmen muss Schleswig-Holstein an Banken und Finanziers weiterleiten, allein um seine Schulden zu bedienen. Diese Mittel fehlen für die Zukunftsaufgaben unseres Landes wie Bildung, was der Generationengerechtigkeit widerspricht, ebenso wie für soziale Zwecke und andere Landesaufgaben. Außerdem macht der Schuldenberg unser Land von Zinsschwankungen und damit von Finanzmärkten und Ratingagenturen abhängig. Die beschlossene Schuldenbremse ändert an diesen Problemen nichts, sondern schließt lediglich ein weiteres Anwachsen des Schuldenbergs aus.

Wir wollen Schleswig-Holstein zum Vorreiter in Deutschland für eine nachhaltige Staatsfinanzierung machen, indem wir die Schuldenbremse durch einen Schuldenstopp ergänzen: Wir wollen in der Landesverfassung festschreiben, dass Schleswig-Holstein seine Schulden bis 2050 schrittweise zurückzahlen muss. Indem wir die bis 2020 infolge der Schuldenbremse ohnehin erforderliche Stärkung des Verhältnisses der Nettoeinnahmen zu den Ausgaben des Landes fortsetzen, verringern wir die Abhängigkeit des Landes von den Finanzmärkten und erobern finanzielle Gestaltungsspielräume für die Zukunft unseres Landes zurück.

Finanzierungsvorbehalt

Das Ziel eines schuldenfreien Schleswig-Holsteins im Blick, stellen wir alle kostenverursachenden Vorschläge in diesem Wahlprogramm unter den Vorbehalt, dass wir eine Gegenfinanzierung finden. Wohltaten auf Pump lehnen wir ab.

Bürgerhaushalt für Schleswig-Holstein

Wir wollen, dass die Bürger den Weg zu einer zukunftssicheren Finanzierung des Landes mitbestimmen können. Ein Bürgerhaushalt kann dazu beitragen, den Willen aller Bürger zur Geltung zu bringen und den Einfluss lautstarker Interessengruppen zurückzudrängen, wobei die eingeschränkte Repräsentativität auch von Bürgerhaushalten zu berücksichtigen ist.

Mithilfe eines unter anderem über das Internet zugänglichen Bürgerhaushalts wollen wir jedem Schleswig-Holsteiner die Möglichkeit geben, zu diskutieren und anzugeben, welche Prioritäten er im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes setzen und welche Einnahmen oder Ausgaben er erhöhen oder kürzen würde. Auch teure Großvorhaben sollen so auf den Prüfstand gestellt werden. Der Landtag soll sich mit den Ergebnissen des Bürgerhaushalts auseinander setzen und etwaige Abweichungen davon begründen.

Neues Denken beim Verschuldungsdilemma Schleswig-Holsteins

Wir setzen uns dafür ein, dass in der kommenden Legislaturperiode im Kieler Landtag ernsthaft über die Einführung eines kommunalen Insolvenzrechts diskutiert wird.

Nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen ist eine Insolvenz einer Kommunen oder eines Bundeslandes schlichtweg nicht möglich.

Wir lehnen das sog. »Public Private Partnership« ab. Die etablierten Parteien halten die in der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse für ein adäquates Instrument, um die Verschuldung Schleswig-Holsteins in den Griff zu bekommen. Die sog. Schuldenbremse wird u.a. zu einer extremen Ausweitung des »Public Private Partnership« führen. Die Idee der Schuldenbremse, nämlich eine Schutzwirkung für kommenden Generationen und zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit des Staates zu ermöglichen, kann die Schuldenbremse allerdings nicht erreichen, wenn die Landespolitik weiterhin die Möglichkeit hat, durch willkürliche Kürzungen des Finanzausgleichs oder andere Verschiebungen von Finanzlasten auf die Kommunen zwar die Verschuldung des Landeshaushaltes zu begrenzen, andererseits aber die Verschuldung der Kommunen zu erhöhen. Genau diese Gefahr ist in der Schuldenbremse zu sehen. Dem Grunde nach wäre eine Verfassungsänderung aufgrund der Verfassungsänderung zur Einführung der Schuldenbremse erforderlich, denn nur so können die Kommunen vor der Finanzlastenverschiebung vom Land auf sie geschützt werden. Die Kommunen in Schleswig-Holstein hatten eine entsprechende Verfassungsänderung vorgeschlagen, die bundesweit von den kommunalen Landesverbänden im Deutschen Städte- und Gemeindebund getragen wurde. Leider hat die Landesregierung Schleswig-Holsteins keinerlei Notwendigkeit gesehen, die Frage einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen zum Gegenstand der Schuldenbremse zu machen. Vielmehr wurde ein solches Ansinnen der Kommunen zurückgewiesen.

Aus diesem Grunde betrachten wir die Schuldenbremse in der Landesverfassung nicht für den einzig gangbaren Weg der Bewältigung der Verschuldung des Landes Schleswig-Holsteins.

Außer dem Land stehen die Kommunen ebenfalls vor einem gewaltigen Schuldenberg, in Schleswig-Holstein in Höhe von insgesamt 6,953 Mrd. Euro (Stand 31.12.2010). Wir berücksichtigen bei diesem Zahlenwert, dass die Statistik als Gesamtschulden momentan (noch) nicht den tatsächlichen Kommunalschuldenstand ausweist. Dies ist aus technischen Gründen bisher nicht möglich, da noch immer nicht alle Schulden der Kommunen statistisch erfasst werden. Das gilt etwa für Rückstellungen wie Pensionsverpflichtungen, Aufwendungen für unterlassene Instandhaltungen, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, Sanierung von Altlasten usw…

Seit geraumer Zeit wird in der Wissenschaft die Möglichkeit der Schaffung eins Insolvenzrechts für Kommunen diskutiert. Diese Diskussion stößt in der Politik bisher auf taube Ohren, dabei könnte ein kommunales Insolvenzrecht eine Art Befreiungsschlag für zahlreiche Kommunen in Schleswig-Holstein darstellen. Wir scheuen uns nicht davor, neue und unkonventionelle Wege zur Problemlösung zu gehen und hierzu gehört auch die Möglichkeit eines Insolvenzrechts für Kommunen.

Reformierung des Rechnungswesens

Der Landeshaushalt wird maßgeblich durch das verwendete Rechnungswesen bestimmt. Schleswig-Holstein verwendet noch die Kameralistik (Kameralbuchwesen), während der Großteil der Kommunen und der Nachbar Hamburg die Doppik (doppelten Buchführung) eingeführt haben. Die Kameralistik bietet keinen Überblick über den Ressourcenverbrauch, eine Kosten- Leistungsrechnung kann nicht durchgängig implementiert werden. Es erscheint zweifelhaft, dass in Zeiten knapper Kassen das bisherige Rechnungswesen den neuen Anforderungen gewachsen ist. Darüber hinaus ist es wenig sinnvoll, wenn Land und Kommunen in unterschiedlichen Systemen wirtschaften. Wir befürworten daher eine Reformierung des Rechnungswesens mit der Zielrichtung, den Wechsel von der Kameralistik zur Doppik umzusetzen.

Fraktionsfinanzierung begrenzen

In Anbetracht immer mächtiger werdender Regierungen wollen wir die Rolle der Bürger und ihrer Vertreter im Landtag bei der Gesetzgebung und der Kontrolle der Landesregierung stärken. Dies bedingt eine ausreichende Finanzierung der Parlamentsarbeit. Eine Selbstbedienung der Fraktionen durch ständige, intransparente Mittelerhöhungen lehnen wir demgegenüber ab. In Zeiten steigender Landesschulden und den Bürgern zugemuteter Mittelkürzungen muss auch die Politik ihren Einsparbeitrag leisten.

Entsprechend der Vorschläge des Bundes der Steuerzahler wollen wir die Höhe der Geld- und Sachzuwendungen an Fraktionen im Fraktionsgesetz festschreiben. Die Geldzuwendungen sind in Form eines festen Grundbetrags pro Fraktion und eines degressiv bemessenen Mehrbetrags pro Fraktionsmitglied festzulegen. Um eine öffentliche Kontrolle zu ermöglichen, wollen wir die Fraktionen zudem verpflichten, am Ende jedes Jahres eine differenzierte Aufstellung ihrer einzelnen Einnahme-, Ausgaben-, Vermögens- und Schuldpositionen zu veröffentlichen.

Wir wollen der Praxis ein Ende setzen, dass überfinanzierte Fraktionen aus Steuermitteln hohe Guthaben anhäufen, während sich das Land immer tiefer verschuldet. Nicht mehr als 10 Prozent der in einem Jahr gewährten Fraktionsmittel sollen in das Folgejahr übertragen oder zurückgelegt werden dürfen. Solche Rücklagen sind bis zur Inanspruchnahme unverzinslich bei der Landeskasse zu hinterlegen. Die missbrauchsanfälligen Fraktionsausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen wollen wir auf 10 Prozent der zugewiesenen Fraktionsmittel begrenzen. Weil die Arbeit der Fraktionen voll von den Bürgern finanziert wird, wollen wir Zuwendungen von Fraktionen an Dritte und von Dritten an Fraktionen verbieten. Die verfassungswidrigen Zulagen an die parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer, die das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Abgeordneten verboten hat, wollen wir abzuschaffen.

Verbesserte Steuerprüfung

Den öffentlichen Haushalten gehen durch Steuerbetrug Milliarden an Einnahmen verloren, da Steuerhinterziehung häufig nicht aufgedeckt und geahndet wird. Neben dem Personalmangel bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung sind dafür auch die kurzen Prüfzeiten verantwortlich, zu denen die Betriebsprüfer angehalten sind.

Wir setzen uns dafür ein, dass Steuerprüfer wirklich unabhängig arbeiten können. Die Prüfzeiten sollen in Großbetrieben ausgeweitet werden, um eine ausreichende Prüfung zu gewährleisten. Die Umsatzsteuerprüfungen sollen durch Bereitstellung von Steuerprüfern des Landes gestärkt werden. Bereits existierende Zusagen und Vereinbarungen mit dem Bund sollen konsequent umgesetzt werden.

Elektronische Steuererklärung (ELSTER)

Die Anwendung »ElsterFormular« für die elektronische Einkommenssteuererklärung ist bisher nur mit Windows nutzbar. Wir wollen, dass Angebote wie ELSTER systemunabhängig für alle Bürger bereitgestellt werden. Wenn Software von allen Steuerzahlern finanziert wird, muss sie auch von allen genutzt werden können und unter einer freien Lizenz verfügbar sein.

Ankauf von Steuer-CDs

Wir lehnen den Ankauf von Hinweisen auf Steuerhinterziehung durch die öffentliche Hand strikt ab. Stattdessen fordern wir eine qualifizierte und personell ausreichend ausgestattete Steuerfahndung und -prüfung.