SH:Landtagsfraktion/Redenarchiv PB/WirtschaftVerkehr
Quelle: Plenarprotokolle
Stand: Dezember 2014
Inhaltsverzeichnis
- 1 Wirtschaft
- 1.1 Glücksspiel
- 1.2 Bäderregelung
- 1.3 Subventionen/Förderprogramme
- 1.4 Tourismus
- 1.5 Tariftreuegesetz
- 1.6 Korruptionsregister/Mindestlohn
- 1.7 Westküste
- 1.8 Offenlegung der Bezüge von Vorständen öffentlicher Unternehmen
- 1.9 Wohnraum
- 1.10 Bürokratieabbau
- 1.11 Wirtschaftsmarketing
- 1.12 Verbraucherzentrale
- 1.13 PROKON/Unternehmensrettung
- 1.14 Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge
- 1.15 Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen
- 1.16 Soziale Unternehmen
- 1.17 Freihandelsabkommen
- 1.18 Meisterpflicht
- 1.19 Provinzial
- 1.20 Jugendberufsagenturen
- 2 Verkehr
Wirtschaft
Glücksspiel
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Stegner, man kann mit Fug und Recht das Zustandekommen des schleswig-holsteinischen Glücksspielrechts kritisieren. Das haben auch wir mit deutlichen Worten getan. Um den Anschein einer Einflussnahme zu vermeiden, haben wir, als ich mich diese Woche mit dem Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Spielbanken getroffen habe, das Gespräch aufgezeichnet. Es wird im Internet für jeden zum Nachhören bereitge- stellt, um nachvollziehen zu können, was wir da genau besprochen haben. Auch ist es sicherlich richtig, dass eine bundeseinheitliche Vorgehensweise Sinn macht, gerade im Zeitalter des Internets, wobei wir natürlich auch innerhalb der EU über 20 Insellösungen, wenn Sie es so nennen wollen, haben. Dennoch kann das nicht Vorrang vor dem Inhalt der einheitlichen Lösung haben. (Beifall PIRATEN, CDU und Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP]) Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag ist für mich nicht akzeptabel, weil er fast eine totale Prohibition von allem Internet-Glücksspiel vorsieht, die einfach nicht durchsetzbar und kontraproduktiv ist. Sie zwingt nämlich Spieler im besten Fall zur Nutzung ausländischer Angebote, wo Rückerstattungsansprüche, Spielersperren oder die Bekämpfung von Geldwäsche durch deutsche Behörden nicht mehr möglich sind. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Außerdem bezweifele ich, ob der Staatsvertrag einer Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof standhalten würde, unabhängig von der Frage, was die EU-Kommission da veranlassen wird. Nachholbedarf besteht aus meiner Sicht aber gerade auch bei der Suchtprävention. Denn die Arten von Glücksspiel, die für die Spielsucht das größte Problem darstellen, werden vernachlässigt, nämlich Spielhallen und Spielautomaten. Da treten wir PIRATEN für eine Verlangsamung des Spiels ein, um Spielsucht entgegenzuwirken, aber auch um deren Einsatz zum Zwecke der Geldwäsche entgegenzuwirken. Was wir für völlig kontraproduktiv halten, ist das Spielhallengesetz, das eine totale Videoüberwachung vorsieht. Videoüberwachung hilft weder gegen Spielsucht noch gegen Geldwäsche. Das ist der falsche Weg. Ich kann dem Glücksspielstaatsvertrag deswegen nicht zustimmen. Was die Frage angeht, die wir hier diskutiert haben, den Anschein einer Einflussnahme der Lobby zu vermeiden, ist es natürlich gerade der falsche Weg, eine Anwaltskanzlei zur Vorbereitung hoheitlicher Aufgaben einzuschalten. Das ist eine hoheitliche Aufgabe, die vom Staat gemacht werden muss. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den beabsichtigten Beitritt des Landes zum Glücksspielstaatsvertrag. Dieses Regelungswerk ist nun einmal so untauglich und in sich widersprüchlich, dass es den Autoren dieses Vertrages wirklich nicht um Suchtprävention gegangen sein kann. Ich nenne dazu ein paar Beispiele: Die Landesstelle für Suchtfragen, ein wahrlich unverdächtiges Gremium, stellt fest, dass die geplante Vorgehensweise, Lotto im Monopol zu behalten, Sportwetten aber teilweise zu liberalisieren, suchtpräventiv nicht begründet werden kann, da Sportwetten bekanntlich suchtrelevanter sind als Lotto. Dieselbe Landesstelle stellt fest, dass das gefährlichste Glücksspiel, nämlich die Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen und in der Gastronomie, nicht in vergleichbarem Maße eingeschränkt wird wie zum Beispiel die Spielautomaten in den Spielbanken. Nicht nur unter der aktuellen schwarz-gelben Regierung, sondern auch unter der vorherigen rot-schwarzen und der rot-grünen Regierung sind diese Kanäle über die Spielautomaten nicht eingeschränkt worden. Umgekehrt mussten wir aus der Zeitung erfahren, dass die Automatenindustrie - namentlich um Herrn Gauselmann - seit Jahren Politiker aller etablierten Parteien mit Großspenden schmiert, FDP-Parteitage sponsert und sich sogar an FDP-Tochterunternehmen beteiligt haben soll. Möglicherweise mehr als 1 Million € sollen an Politiker von Union, SPD, FDP und Grüne geflossen sein. Mitarbeiterschecks von unter 10.000 € wurden verteilt, um die Regelungen der Parteispenden zu umgehen und weil sämtliche etablierte Fraktionen seit Jahren eine echte Transparenz von Spenden verweigern. Das ist doch der eigentliche Skandal an der Sache. (Beifall PIRATEN) Seit Jahren werden die Empfehlungen des GRECO Antikorruptionsgremiums des Europarates in Deutschland nicht umgesetzt. Wir PIRATEN gehen freiwillig voran und veröffentlichen alle Spenden ab einer Bagatellgrenze von 1.000 € mitsamt dem Namen des Spenders. Ich kann Ihnen auch sagen: Wenn mir Mitarbeiterschecks angeboten werden, nehme ich die nicht an, auch keine 50-€-Scheine. An die Adresse der damaligen schwarz-gelben Koalition will ich gar nicht auf die im „Spiegel“ so betitelte „Sylt-Sause“ zu sprechen kommen, zu der Boris Becker eingeflogen wurde mit Business Dinner und Cocktail-Rezeption. (Hans-Jörn Arp [CDU]: Sie sind ja nur neidisch, weil Sie nicht eingeladen worden waren!) - Ich glaube, Herr Arp, inzwischen ist bekannt, dass ich solche Einladungen nicht annehme. (Zuruf FDP: Ja, weil Sie eben nicht eingeladen werden!) Zu dem Glücksspielstaatsvertrag ist zu sagen, dass sich der Staat damit das Lottomonopol sichert und selbst vom Glücksspiel profitiert. Das Land betreibt sogar über seine Spielbanken selbst Glücksspiele, und es betreibt Werbung dafür. Die Suchtprävention bei dieser Sache ist doch eigentlich nur vorgeschoben. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Winter? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Lars Winter [SPD]: Herr Kollege Dr. Breyer, habe ich das eben richtig verstanden, dass Sie sagten, wenn Ihnen Mitarbeiterschecks angeboten werden würden, dann würden Sie die nicht annehmen? Verstehe ich das so, dass Sie behaupten wollen, dass es hier im Hause andere Personen gibt, denen Mitarbeiterschecks angeboten wurden, die sie angenommen haben? - Das verstehen Sie falsch, Herr Kollege. Ich habe gesagt, dass Politiker aller etablierten Parteien nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ solche Schecks im Wert von insgesamt mehr als 1 Million € angenommen haben. Dass es nicht um Suchtprävention geht, zeigt sich auch daran, wie die Mittel nach Ihrem Ausführungsgesetz verwendet werden sollen. Anders als zum Beispiel für die Sportförderung ist nämlich gerade keine feste finanzielle Beteiligung der Suchtpräventionsstellen vorgesehen, sondern die sollen mit den verbleibenden Mitteln abgespeist werden. Das zeigt doch den geringen Stellenwert, den die Suchtprävention bei diesem Regularium hat. Dass Sie außerdem einen Betrag von summenmäßig mindestens 7 Millionen € in diesem Ausführungsgesetz festlegen, verstärkt weiter den Eindruck, dass es hier primär um die Erzielung von Einnahmen geht und überhaupt nicht um die Prävention von Sucht. Wahrscheinlich am unlogischsten ist, dass Sie das Internetglücksspiel insgesamt verbieten, Sportwetten über das Internet aber zulassen wollen. Zur Rechtfertigung werden abenteuerliche Gründe vorgebracht, zum einen natürlich das Argument der Spielsucht, die angeblich im Internet durch fehlenden unmittelbaren Kontakt, ständige Zugangsmöglichkeit, durch die Häufigkeit der Angebote und die Isolation des Spielers durch fehlende soziale Kontrolle begünstigt werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie, wie das in Spielhallen aussieht, in denen Menschen vor Spielautomaten sitzen. Sind die vielleicht nicht sozial isoliert? Fehlt denen vielleicht nicht der unmittelbare Kontakt? Können die nicht auch Tag und Nacht in Spielhallen spielen und ihr Geld verlieren? - Es ist unglaubwürdig, das Internet hier auszusondern und völlig anders zu behandeln. (Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU) Wir haben in Deutschland 200.000 pathologische Spieler. Wir haben aber eben auch Millionen von Spielern, die nicht pathologisch spielen, sondern zum Vergnügen. Da ist es insbesondere auch für die Grünen - das muss ich hier sagen - ein Armutszeugnis, das sie hier hinter alle Erkenntnisse der modernen Suchtprävention zurückfallen. Dass nämlich eine Illegalität des Angebots von Suchtgefährdungen eben keinem Süchtigen hilft, ist international längst anerkannt. Dass Sie da trotzdem zustimmen, kann ich überhaupt nicht verstehen. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? kungen - und dass, was die Spielverordnung angeht, auch eine rot-grüne Bundesregierung damals keine Einschränkung vorgenommen hat. (Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU]) Vizepräsident Bernd Heinemann: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dolgner? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte. Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ich habe mich auf die letzte Wahlperiode bezogen. Da gab es keine rot-grüne Landesregierung. Das noch einmal zur Erinnerung. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Bundesregierung! Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön. Dr. Kai Dolgner [SPD]: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, da Sie ein bisschen den Eindruck erwecken, als ob sich dieses Haus noch nie mit der Spielhallenproblematik beschäftigt hätte, möchte ich Sie gern fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass sowohl der Glücksspielstaatsvertrag als auch das in der letzten Wahlperiode hier beschlossene Spielhallengesetz eine starke Einschränkung der Tätigkeiten in Spielhallen, unter anderem die Abschaffung von Mehrfachkonzessionen und so weiter, vorgesehen hat. Es ist mitnichten so, dass sich außerhalb der Piratenpartei niemand bewusst wäre, dass auch das Spielautomatenspiel nicht nur ein hohes Suchtpotenzial hat, sondern auch ganz viele Leute betrifft. (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Verehrter Herr Kollege! (Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wir hätten es ja noch weiter einschränken können!) Mir ist bekannt, dass Spielhallen heute überall rund um die Uhr verfügbar sind - trotz aller Einschrän- Aber es gab hier ein neues Gesetz, das uns in den Einschränkungen nicht weit genug ging bezüglich der Spielhallen, aber was wir von der Grundtendenz gelobt haben. Ich darf Ihnen anempfehlen, sich dieses Gesetz einmal anzusehen. Nur weil Sie noch nicht dabei waren, ist es nicht so, dass andere sich nicht auch Gedanken gemacht und gehandelt hätten. (Anita Klahn [FDP]: Da hat er recht!) - Auf die Spielhallen komme ich später in meiner Rede gern noch zu sprechen, Herr Kollege. Ich will aber jetzt aus dem Koalitionsvertrag zitieren, in dem es interessanterweise heißt: „Wir bekennen uns zu einer modernen, effektiven Sucht- und Drogenpolitik, die sich an der Lebenswirklichkeit der Adressaten orientiert und auf Aufklärung, niedrigschwellige Angebote ... und qualifizierte Hilfen für Suchtkranke setzt.“ Hier tun Sie das genaue Gegenteil. Deswegen geht dieser Vertrag komplett an der Lebenswirklichkeit vorbei. Sie gaukeln vor, mit einem Verbot von Internetglücksspiel wäre das Problem weg. Tatsächlich ist es aber doch so, dass mehr als 90 % des Glücksspiels im unregulierten Markt getätigt wird, wo es in der Regel überhaupt keine Vorkehrungen zur Suchtprävention gibt. Die Landesstelle für Suchtfragen fordert doch als wichtige Vorkehrung ein Sperrsystem, das im Ausland und im unregulierten Markt gerade nicht realisierbar ist. Deswegen muss bei der Eindämmung der Spielsucht eine möglichst hohe Kanalisierung in den regulierten Markt oberste Priorität haben - gerade um Spieler zu schützen. (Beifall PIRATEN) Es tut mir sehr leid, dass hier in diesem Staatsvertrag wieder die alte rot-grüne Verbotslogik zum Vorschein kommt, die wir schon bei den schilyschen Überwachungsgesetzen zu beklagen hatten: Weil ein Freiheitsrecht von Einzelnen missbraucht wird oder Einzelne darunter leiden, schaffen Sie es für alle ab. Genau dieser Mechanismus war auch beim Jugendmedienschutzstaatsvertrag zu beobachten, dem etliche rot-grüne Regierungen zugestimmt hatten, Landesregierung zu dem Zeitpunkt und auch jetzt noch zusammengesetzt hat? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ich kann erklären, dass der Jugendmedienschutzstaatsvertrag von rot-grünen Regierungen mit ausgehandelt worden ist und dann nach einem enormen Aufstand der Bürger, der Zivilgesellschaft und des Internets tatsächlich aufgehalten werden konnte durch Zufall, weil es einen Regierungswechsel in einem Bundesland, das dann tatsächlich rot-grün regiert wurde, gegeben hatte. (Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das ist kein Zufall, das sind Wahlen!) Vizepräsident Bernd Heinemann: Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Kollege? (Beifall PIRATEN) aber auch beim Internetzensurgesetz, dem die SPDAbgeordneten ebenso zugestimmt hatten wie nicht alle grünen Abgeordneten es abgelehnt hatten. Die Freiheit ist leider, wie wir heute sehen, bei rotgrünen Regierungen in Gefahr. Wir PIRATEN sind die einzigen zuverlässigen Garanten für unsere Bürgerrechte im digitalen Zeitalter. (Lachen Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe) Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Andresen? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön, Herr Abgeordneter. Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zunächst eine Zwischenbemerkung: Den letzten Satz scheint Ihnen Ihr Pressesprecher aufgeschrieben zu haben, er hat aber mit der aktuellen politischen Realität in Deutschland wenig zu tun. Zur Frage: Können Sie mir erklären, an welcher Landesregierung der Jugendmedienschutzstaatsvertrag vor allem gescheitert ist, aus welchen beiden Parteien sich diese Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist Ihnen auch bekannt, dass es in diesem Haus in der letzten Legislaturperiode ohne Anwesenheit der PIRATEN sowohl in der Landtagsopposition als auch in der FDP-Fraktion einen großen Konsens darüber gab, diesen Jugendmedienschutzstaatsvertrag scheitern zu lassen? - Das ist mir nicht bekannt. (Lars Harms [SSW]: Aber jetzt! - Hans-Jörn Arp [CDU]: Man kann nicht alles wissen! Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das kann man im Internet nachlesen!) Klar ist, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Spielsucht eben nur im regulierten Markt greifen können, während Spieler im unregulierten Markt völlig ungeschützt bleiben. Deswegen rügt die EUKommission in ihrer Stellungnahme auch völlig zu Recht, dass keinerlei Daten vorgelegt wurden, die einen Nachweis betreffend des tatsächlichen Vorhandenseins der von Ihnen behaupteten Gefährdung erbringen. Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Nachweis, dass es zum Beispiel in Ländern, die Internetglücksspiel verbieten, weniger Süchtige gäbe als in Schleswig-Holstein. Das ist eine bloße Mutmaßung und Vermutung. Auf dieser Grundlage machen wir keine Politik.1232 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 17. Sitzung - Donnerstag, 24. Januar 2013 Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das ist eine Zwischenbemerkung. Ich bemühe mich immer, genügend Informationen bereitzustellen. Das ist hoffentlich auch in Ihrem Sinne. Diese ist übrigens auch transparent verfügbar, übrigens auch die ganze Zeit schon. Ist Ihnen bekannt, dass der Jugendmedienschutzstaatsvertrag im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags - und zwar vor der Entscheidung in NRW - bei Stimmengleichheit abgelehnt worden ist und deshalb gar nicht mehr auf die Tagesordnung genommen wurde, sodass er gar nicht mehr unterzeichnet werden konnte, dass er völlig unabhängig von NRW, nämlich drei Stunden vor NRW schon in Schleswig-Holstein damit nichtig war? - Falls Ihnen das nicht bekannt gewesen sein sollte, möchte ich Sie bitten, das dringend nachzuarbeiten, denn nicht alles, was außerhalb Ihrer Wahrnehmungssphäre passiert, ist Zufällen oder Sonstigem geschuldet, sondern manchmal auch politischer Willensbildung und langen Diskussionen von anderen Kolleginnen und Kollegen. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) - Lieber Herr Kollege Dr. Dolgner, mir ist bekannt, dass vor dem Hintergrund einer massiven Öffentlichkeitskampagne und viel Engagement im Internet tatsächlich die Politik teilweise dazu bewegt werden konnte, sich zu besinnen. Ohne das habe ich große Befürchtungen, dass es niemals zu diesem Widerstand gekommen wäre. Es darf nicht sein, dass es des Engagements von Hunderttausenden von Internetnutzern bedarf, um die Politik zur Räson zu bringen. Wir wollen die Räson in die Politik bringen. Dafür sind wir PIRATEN da. (Beifall PIRATEN - Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Weitere Zurufe) Es werden weitere Argumente für dieses „Totalinternetverbot“ vorgebracht, zum Beispiel dass Spiele über das Internet leichter manipulierbar seien. Man muss Menschen nicht vor sich selbst schützen, weil Spiele gezinkt werden können. Das ist auch bei Kartenspielen und Pokerspielen so, deswegen muss man sie noch lange nicht verbieten. Das dritte Argument ist die Geldwäschegefahr. Ich sage Ihnen, dass Internetglücksspiel denkbar ungeeignet ist, um Geldwäsche zu betreiben, weil beim unbaren Zahlungsverkehr alle Zahlungen nachvollzogen werden können, was zum Beispiel in Spielhallen nicht der Fall ist, wo es um Bareinsätze geht. Die sind viel geeigneter und damit viel gefährdeter für Geldwäsche. Schließlich zu dem Argument des Sonderwegs, das Sie eigentlich nur noch als Kernargument vorbringen: Dazu kann ich nur sagen, dass Einheitlichkeit für uns kein Selbstzweck und kein Wert an sich ist. (Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU) Wenn sich 15 aus dem Fenster stürzen, wollen Sie dann hinterherspringen? (Beifall PIRATEN und CDU) Für uns PIRATEN sind Vielfalt und Individualität Kerne unseres Selbstverständnisses. Uns sind unterschiedlich gute Regelungen allemal lieber als eine deutschlandweit gleich schlechte und kontraproduktive. (Beifall PIRATEN, CDU und Wolfgang Kubicki [FDP]) Wir machen einen sinnvollen Alternativvorschlag: Anstatt die Gefahren des Internets zu verteufeln, lassen Sie uns das gefährlichste aller Glücksspiele, nämlich die Glücksspielautomaten, angehen. Wir PIRATEN fordern eine Absenkung der Spielfrequenz und des maximalen Gewinns und Verlusts pro Spieleinsatz, übrigens genauso wie die Verbraucherzentrale und die Landesstelle für Suchtfragen. Wir wollen eine Verlängerung der effektiven Spielzeit pro Einsatzleistung und ein Verbot von süchtig machender Spielgestaltung wie etwa der Umwandlung von Bargeld in symbolische Spieleinsätze. Dadurch wird der durchschnittliche Ertrag eines Spielautomaten so weit gesenkt, dass Missbrauch zur Geldwäsche unattraktiv wird und dass ordnungsgemäß betriebene Spielhallen keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Einzelhandelsgeschäften haben. Auch das ist nämlich ein strukturelles Problem in der Konkurrenz um gute Standorte. Das ist ein sinnvoller Ansatz, aber nicht der Versuch eines Totalverbots, der vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Noch schlimmer: Wenn er nur nichts bringen würde, wäre es ja gut, aber er schadet den Menschen, die glücksspielabhängig sind,Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 17. Sitzung - Donnerstag, 24. Januar 2013 1233 (Dr. Patrick Breyer) weil sie in die Illegalität, in ungeschützte Angebote getrieben werden. Das ist nicht zu verantworten. (Beifall PIRATEN)
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Mit diesem Gesetzentwurf setzt die rot-grün-blaue Koalition ihren Kreuzzug gegen das Glücksspiel fort. Nicht genug damit, was schon vorher in Kraft war, dass sämtliche Spieler in Spielhallen flächendeckend videoüberwacht werden. Neu kommt eine erstmalige Befristung unbefristet erteilter Konzessionen hinzu. Ich teile die Meinung des Kollegen Kubicki, dass es verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaft ist, ob das durchgehen kann. Sie machen aber noch weiter. Es kommt dazu eine Sperrung von Internetglücksspiel einschließlich übrigens völlig legaler Angebote für Sportwetten im Internet. Das ist im Glücksspielstaatsvertrag zugelassen. Warum sollen diese völlig legalen Angebote in Spielhallen gesperrt und zensiert werden? Das kann keiner erklären. Der Gipfel ist sicherlich, dass Sie Menschen, die in Spielhallen spielen, das Rauchen ebenso verbieten wollen wie das Trinken von Alkohol und sogar den Verzehr von Speisen einschließlich mitgebrachter Speisen. (Heiterkeit PIRATEN, CDU und FDP) Begründung: Wenn die Leute rausgehen müssen zum Rauchen, Trinken, Essen, können sie in der Zeit nicht spielen und kommen vielleicht nicht mehr zurück. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich, warum in dem Gesetzentwurf kein Toilettenverbot enthalten ist. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP - Zuruf SPD: Das ist eine gute Idee!) Wenn man rausgehen müsste, um sich zu erleichtern, kann man auch nicht spielen. Warum lassen Sie keinen Burggraben mit Krokodilen um Spielhallen bauen, um bloß niemanden mehr hineinzulassen? Sie wollen doch in Wahrheit diese Spielhallen überhaupt nicht haben und verbieten. Weil Sie das nicht können, versuchen Sie durch die Hintertür, das so unattraktiv zu machen, dass keiner mehr hingeht. Das ist wirklich ein unwürdiges Verhalten. (Beifall PIRATEN und CDU - Zuruf von der FDP: Wir leben eben in einem Rechtsstaat!) Das ist nicht nur unwürdig, sondern auch unglaubwürdig, weil Sie nämlich bei Ihren eigenen Spielmöglichkeiten, (Weitere Zurufe - Glocke Präsident) an denen Sie als Land selbst verdienen, bei den Spielbanken nämlich, völlig regulierungsloses Spiel zulassen - und zwar gerade das Automatenspiel, was besonders suchtgefährdend ist. Sie lassen Werbung für Spielhallen zu. Sie fordern keine Beschränkung - was den Einsatz angeht - bei diesen Automaten, die dort aufgestellt sind. Sie sind nicht einmal mehr zertifiziert, wie das bei Spielhallen vorgeschrieben ist. Es gibt keine Beschränkung der Spielfrequenz. Außerdem sind der Ausschank von Alkohol und übrigens auch der Verkauf von Speisen völlig uneingeschränkt zugelassen; der Kollege Arp hat es richtig gesagt. Die Spielbanken bieten sogar an, zu Personen nach Hause zu kommen, um ein Spiel zu arrangieren. Was Sie hier machen, ist völlig scheinheilig. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!) Entscheidend unter dem Aspekt des Spielerschutzes ist es, dass das dem Schutz pathologischer Spieler sogar schadet, weil sie nämlich in unregulierte Glücksspielangebote im Internet verdrängt werden, an die Sie gar nicht herankommen. Wenn Sie einen Burggraben um Spielhallen bauen, wird das keinem Süchtigen helfen, sondern ihn im Gegenteil in unregulierte Kanäle verdrängen. Wenn Sie wirklich etwas für den Spielerschutz tun wollen, kann ich Ihnen nur empfehlen, endlich einmal über den Bundesrat an die Spielverordnung2444 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 30. Sitzung - Dienstag, 18. Juni 2013 (Dr. Patrick Breyer) heranzugehen, endlich einmal die Spielfrequenz oder die Höhe der zulässigen Einsätze abzusenken. Das wäre ein sinnvolles Mittel. Sie müssen endlich die Regulierungen, die für Spielhallen schon seit Langem gelten, auf die eigenen Spielbanken übertragen, wo bisher nämlich überhaupt nichts gilt. jede Spielform für sich gewisse Risiken für den Konsumenten. Hier ist und bleibt der Staat in der Verantwortung. Er muss diese Risiken ordnungsrechtlich eindämmen. Deswegen können wir als SSW eine stärkere Ausdünnung der Spiellandschaft in unserem Land nur befürworten. Dieses Gesetz ist kein Spielerschutz, sondern ein Spielbankenschutzgesetz auch für nicht pathologische Spieler, die von ihrem Recht Gebrauch machen, Spielhallen zu benutzen. Dabei machen wir nicht mit. Das muss aber natürlich immer vor dem Hintergrund der verfassungsmäßigen Grundlagen geschehen. Das muss sicherlich auch in den Ausschussberatungen eine gewichtige Rolle spielen. Mehrfachspielhallen, also einzelne Spielhallen, die baulich zu einer größeren Spielhalle verbunden sind, wird es mit diesem Gesetz nicht mehr geben. Zudem gelten neue Mindestabstände zwischen den einzelnen Spielhallen. Für die Umsetzung dieser Regel haben wir für die Betreiber der Spielhallen eine Übergangsphase von fünf, im Härtefall sogar bis zu zehn Jahren eingerichtet. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Seit Beginn meiner Mitgliedschaft in diesem Hohen Haus hatte ich schon mehrfach Gelegenheit, zum Thema Glücksspiel und zum Kreuzzug der Koalition dagegen zu sprechen. Ich will das heute nicht alles wiederholen. In der letzten Tagung haben wir die Schikanierung von Spielhallen debattiert, die Sie mit Ihrem neuen Spielhallengesetz planen. Ich habe schon damals mehrfach angemerkt, wie inkonsequent Sie gegen die Gefahren der Spielsucht vorgehen. Sei es im Bereich Internet, sei es im Bereich Lotto, sei es im Bereich Sportwetten oder Spielbanken - es ist überhaupt keine Konsistenz zu erkennen. Insbesondere wenn es um die eigenen Einnahmen geht, wird auf einmal ganz anders abgewogen. Eben haben wir es beim Beitrag des Kollegen Andresen gehört. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Ich habe schon in der letzten Tagung die Frage gestellt, ob die Regelungen, die für Spielhallen beabsichtigt sind, auch für Spielbanken gelten sollen, was bejaht worden ist. Insofern ist es nur konsequent, dass die Fraktionen von CDU und FDP Sie jetzt auf die Probe stellen und Sie dazu Farbe bekennen müssen. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Wenngleich die Gleichbehandlung konsequent ist, muss ich aber auch ganz klar sagen, dass ich Ihre Gängelung von Spielern weder in Spielhallen noch in Spielbanken gut finde. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Insofern sind wir PIRATEN vielleicht die einzige Partei, die keine Verbotspartei auf diesem Gebiet sein wird. Die rot-grüne Verbotslogik, die in diesem Bereich bei Ihnen durchscheint, hat mit Suchtprävention wenig zu tun. Sie haben in anderen Bereichen der Suchtprävention, nämlich bei der Dro-2954 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 36. Sitzung - Mittwoch, 25. September 2013 (Dr. Patrick Breyer) gensucht, längst erkannt, dass Verbotslogik und Kriminalisierung kontraproduktiv wirken. Setzen Sie das endlich auch im Bereich des Glücksspiels um! (Beifall PIRATEN, CDU und FDP - Zurufe)
Bäderregelung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir PIRATEN treten für eine Liberalisierung der Regelung über die Ladenöffnungszeiten ein. Wie schon erwähnt worden ist, zeigt der Blick auf das benachbarte Dänemark, was in einem Land möglich ist, in dem 80 % der Bürger einer christlichen Kirche angehören. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Was das Juristische anbelangt, sehe ich jedenfalls dann, wenn der Kreis der erfassten Bäder sich sachlich abgrenzen lässt, keinen Konflikt der eng begrenzten schleswig-holsteinischen Bäderregelung mit dem verfassungsrechtlichen Feiertagsschutz. Allerdings dürfen die zum Sonntagsverkauf zugelassenen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs nicht ausufernd - im Sinne von Autohäusern oder Baumärkten - ausgelegt werden. (Zuruf Abgeordneter Peter Eichstädt [SPD]) Dass die anhängigen Verfahren durch eine Einigung zu erledigen seien, sehe ich eher kritisch, denn man muss sehen, dass die Verfahren von einer Seite angestrengt worden sind, während aber die Betroffenen im Bereich der Bürger, des Tourismus und der Wirtschaft keine Klagemöglichkeit haben, das heißt kein Druckmittel, um eine ähnliche Einigung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Deswegen ist das Gewicht an der Stelle etwas ungleich verteilt. An anderer Stelle dieser Tagesordnung war eine Debatte zum Thema Wirtschaftspotenzial der Westküste vorgesehen. Gerade bei der Bäderregelung müssen wir sehen, dass sie einen wichtigen Wirtschaftsfaktor gerade in der Tourismusregion Westküste darstellt und auch den berechtigten Erwartungen von Touristen im 21. Jahrhundert Rechnung trägt. Deswegen spreche ich mich gegen Einschränkungen aus.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bäderverordnung ist für das Urlaubsland Schleswig-Holstein von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Gerade an den Nachsaisonwochenenden kommen Tagesgäste und Kurzurlauber gezielt in den Norden. Genau dann beleben die Sonntagsöffnungen die Tourismusorte, die wir hier haben. (Zuruf SPD: Zum Beispiel Lübeck!) In der Nebensaison oder bei schlechtem Wetter ist eben das Einkaufen eine zentrale Urlaubsaktivität. In Timmendorfer Strand zum Beispiel werden an einem Wochenende höhere Umsätze erzielt als innerhalb einer Woche. Liberale Ladenöffnungszeiten sind eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des schleswig-holsteinischen Tourismus. Da verwundert mich an der Stelle die Argumentation der Landesregierung auch sehr. Wenn Sie sagen, dass Ihr jetziger Kompromiss den Sonntagschutz angemessen berücksichtigt, wollen Sie dann etwa den Gerichten unterstellen, dass deren Entscheidung ihn nicht angemessen berücksichtigt hätte, dass die weitergegangen wären, als es eine angemessene Berücksichtigung des Sonntagsschutzes zulässt? Da unterstellen Sie den Gerichten doch eine falsche Entscheidung. Ich glaube, es ist auch falsch, den Gerichten vorzuwerfen, hier Politik zu machen, wenn sie einfach die Verfassung anwenden. Das ist ihr ureigenstes Handwerk. Dazu sind sie verpflichtet. Diesen Vorwurf der Politik zu machen, kann ich nur entscheidend zurückweisen. (Beifall CDU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir einmal über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus. In Nordrhein-Westfalen dürfen touristische Orte sonntags acht Stunden lang öffnen, ebenso im nahen Niedersachsen, wo im Übrigen nur sechs Wochen im Jahr von der Bäderregelung ausgenommen sind, ganz zu schweigen von Dänemark, wo der Sonntag weitgehend freigegeben ist. Es stellt sich also heraus, dass unsere Seebäder, zum Beispiel in der Konkurrenz um Hamburger Gäste, ins Hintertreffen geraten. Dafür ist diese Landesregierung verantwortlich. (Zurufe SPD) Nun haben die evangelische und die katholische Kirche in Schleswig-Holstein eine massive Einschränkung der bisher geltenden Bäderregelung gefordert und Klage eingereicht. Ohne nun die Entscheidung des Gerichts abzuwarten, will die Landesregierung mit den Kirchen einen Kompromiss schließen, der - der Vorwurf bleibt - intransparent, hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der betroffenen Orte ausgehandelt worden ist. Die geplante Schließung in den Wintermonaten und die Verkürzung der Öffnungszeiten auf sechs Stunden wird Einbußen in den Tourismusregionen nach sich ziehen. Aus Sicht der PIRATEN tut ein Kompromiss an dieser Stelle nicht Not. Da Sie sich aber bereits festgelegt haben, unbedingt einen Kompromiss schließen zu wollen, sollten Sie wenigstens die Initiative der Ostseebäder, die jetzt eine Nachbesserung fordern, ernst nehmen. Diejenigen Bäder, die fast ausschließlich vom Tourismus leben, sind eben auch im Winter auf Tagestouristen angewiesen, und die angekündigte Sonntagsschließung in den Wintermonaten führt dort zu besonderen Härten. Deshalb sind die Landesregierung und die Kirchen aufgerufen, zumindest an den Verhandlungstisch zurückzukehren und diese Regelung nachzubessern. - Danke. Der Klage der Kirchen messe ich keine hinreichenden Erfolgsaussichten zu; denn die Urteile in anderen Ländern, die Sie genannt haben, sind auf Schleswig-Holstein nicht übertragbar. Wir sollten die Kirchen im 20. Jahrhundert nicht Politik machen lassen; das sage ich ganz klar. Ich möchte auch sagen, dass bei den Gerichten die Frage allemal besser aufgehoben ist als bei einer Glaubensgemeinschaft. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: (Beifall PIRATEN)
Subventionen/Förderprogramme
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unterstütze das ursprüngliche Ziel der Koalition, die einzelbetriebliche Förderung, soweit es möglich ist, abzuschaffen, und dementsprechend auch den ordnungspolitischen Ansatz der FDPFraktion. Der CDU-Antrag, der das Gegenteil vorsieht, kann deswegen nicht meine Unterstützung finden. Aus meiner Sicht ist es widersprüchlich, dass man gestern noch kritisiert hat, dass die Hamburger Messe, die mit öffentlichen Geldern subventioniert wird, einen Wettbewerb mit der Messegesellschaft in Husum aufnimmt, heute aber die einzelbetriebliche Förderung verteidigt. Das ist ja genau das Problem, der Subventionswettlauf, den wir nicht wollen. Die PIRATEN sind allgemein der Meinung, dass Subventionen auf den Prüfstand gehören, dass sie regelmäßig auf ihren Sinn überprüft werden müssen und vor allem auf ihre Wirksamkeit im Vergleich mit Regionen, die nicht subventioniert werden. Es wäre interessant, einen systematischen Vergleich anzustellen. Allerdings habe ich auch mit dem FDP-Antrag ein Problem, und zwar dass Sie die Förderung ausschließlich in die Bereiche Innovation und Infrastruktur umlenken wollen. Das scheint mir zu kurz gesprungen, denn gerade die Mittel, die für die Regionalentwicklung vorgesehen sind, können zum Beispiel auch ins Bildungswesen oder Gesundheitswesen investiert werden, aber auch für Umweltschutz oder Informationsgesellschaft eingesetzt werden. Es ist eindeutig zu kurz gesprungen, sich auf die zwei Einzelbereiche zu beschränken. Deswegen kann ich auch diesen Antrag so nicht unterstützen. Vielleicht finden wir im Ausschuss eine andere Formulierung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem der Kollege Voß die Debatte ein bisschen zugespitzt und angeschoben hat, will ich gern mitmachen und dem Minister ein paar Anregungen mitgeben. Selbst wenn die Ausrichtung sich sehen lassen kann und die Schwerpunkte sich definitiv in die richtige Richtung bewegt haben, so lässt dies doch einiges vermissen. Wir alle haben die Auswertung des letzten ELER-Programms durch den Landesrechnungshof vorliegen. Der Landesrechnungshof hat bemerkenswerterweise kritisiert, dass in diesem Rahmen Mittel, die eigentlich für strukturschwache ländliche Regionen gedacht sind, in beträchtlicher Höhe auch in Regionen wie dem Hamburger Randgebiet ausgegeben werden, den ich nicht als strukturschwache ländliche Region ansehen würde. Deshalb fordert der Rechnungshof, die ländliche Entwicklung müsse räumlich und inhaltlich stärker auf ihre Ziele ausgerichtet werden. Dies sei effizienter und erfordere weniger Fördermittel. Mitnahmeeffekte in nicht bedürftigen Regionen und für nicht unbedingt notwendige Projekte würden reduziert. Ich sehe nicht, dass das neue Programm darauf eingeht. Ich glaube, wenn wir die Mittel weiterhin mit der Gießkanne nach dem Regionsschlüssel verteilen, dann bleibt zu wenig für die einzelnen Projekte und Regionen übrig. Es wäre wirksamer, wenn wir uns tatsächlich auf die Regionen konzentrieren würden, in denen die Mittel gebraucht werden. Ein weiterer Punkt: Ein ständiger Kritikpunkt bei allen EU-Strukturfonds ist die Art und Weise, wie Sie zu der Verteilung gelangen, die hier vorgestellt worden ist. Diese sieht sehr wenig Transparenz und kaum Bürgerbeteiligung vor. Andere Bundesländer haben zum Beispiel das Internet genutzt, um die Menschen zu fragen: Wie würden Sie die Schwerpunkte setzen? Wie soll die prozentuale Verteilung aussehen? Wir fordern in unserem Wahlprogramm, einen Bürgerhaushalt aufzustellen. Dies könnte ein Ansatz sein, in dem man die verschiedenen Möglichkeiten darstellt und die Menschen fragt, wie sie die Mittel verteilen würden. Dabei würden vielleicht andere Schwerpunkte herauskommen, zum Beispiel im Bereich der Förderung nachhaltiger städtischer Mobilität. Hier sehen die EU-Rahmenbedingungen Fördermöglichkeiten vor. Ich könnte mir vorstellen, in Schleswig-Holstein in den Bereichen Radverkehr, E-Mobilität, Bürgerbusse oder auch fahrscheinloser Nahverkehr endlich 4243 einmal ein Modellprojekt auf den Weg zu bringen. Diese Möglichkeit gibt es im Rahmen von LEADER, aber es gibt kein dezidiertes, schwerpunktmäßiges Programm, das speziell diese Bereiche fördert. Gerade im Bereich Bürgerbusse sind Länder wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schon sehr viel weiter; die haben konkrete Programme dazu. Ich würde mir wünschen, dass die Bürger bei der Ausgestaltung der Strukturfonds gefragt und ernst genommen werden. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat, einzelne Unternehmen zu subventionieren, ist falsch. Das hat sich nicht bewährt, denn es hat sich herausgestellt, dass davon zu einem großen Teil ohnehin geplante Projekte profitieren. Das heißt, es gibt enorme Mitnahmeeffekte. Erstens. Untersuchungen haben ergeben, dass der Einfluss der Zuschüsse auf das Zustandekommen von Investitionen sowie auf deren Höhe und den Standort allenfalls gering sei. Eine Untersuchung des Brandenburger Rechnungshofs hat ergeben, dass in 85 % von 54 untersuchten Fällen zumindest teilweise Mitnahmeeffekte aufgetreten sind. Zweitens. Es entstehen ein Subventionswettlauf zwischen Bundesländern und eine Standortkonkurrenz, die wir nicht gebrauchen können. Drittens. Es profitieren von solchen Subventionen überproportional sogar Großunternehmen oder Konzerne, die eine Förderung am allerwenigsten nötig haben. Viertens. Es wird bemängelt, dass strukturstarke Regionen von solchen Subventionen profitieren, obwohl sie oftmals der Stärkung des ländlichen Raums dienen sollen. Fünftens. Die Subventionen führen zu einer Beihilfeproblematik, nämlich zu einem verzerrten Wettbewerb. Die Evaluierung des EFRE-Förderprogramms hier in Schleswig-Holstein hat ganz konkret ergeben - und ich zitiere; Herr Wirtschaftsminister, das ist vielleicht auch für Sie interessant - Die Förderung der betrieblichen Investitionen sei kaum problemadäquat erfolgt, und die Entwicklung der Tourismuswirtschaft sei ebenfalls kaum problem- und zieladäquat gefördert worden. Aus dem Bericht geht hervor, dass zum Beispiel Subventionen an das Atlantik-Hotel in Höhe von 1,8 Millionen € und an Dräger Medical in Höhe von 2,2 Millionen € gezahlt wurden. (Christopher Vogt [FDP]: Dräger ist ein notleidendes Unternehmen!) Ein Themenbad in Damp erhielt über 7 Millionen €, und es gab 5 Millionen € für die berüchtigte Dünentherme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen, dass die Ansiedlung und Erweiterung von Betrieben oder die Änderung von Produktionsverfahren mit Millionenbeträgen gefördert wurden, obwohl sie sowieso geschehen wären. Hier haben sich also massive Mitnahmeeffekte ergeben, und das lehnen wir ab. Nun wollen Sie sich leider keineswegs generell von dieser Praxis der Unternehmenssubventionierung verabschieden. Der Umweltminister hat in der letzten Tagung sogar angekündigt, demnächst sogar Wohlfühlställe für Schweine zu subventionieren. Wir PIRATEN erteilen dem ganz klar eine Absage und fordern eine Abschaffung der Subventionszahlungen an Einzelbetriebe. (Beifall PIRATEN) Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege Dr. Breyer, es käme beispielsweise die Firma Vosloh zu Ihnen und sagte: Wir haben ein interessantes Entwicklungskonzept, um elektrische Bahnen zu betreiben und um Innovationen zu fördern. Wenn Sie wüssten, der schleswigholsteinische ÖPNV wäre in zehn Jahren frei von Diesel betreibbar, würden Sie dann sagen: Ich zahle diese Investition nicht, ich hel- 4526 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 55. Sitzung - Donnerstag, 10. April 2014 (Christopher Vogt) fe nicht dabei? Ich möchte das versagen. Wäre das Ihre Position? - Lieber Herr Kollege Dr. Tietze, ich glaube nicht, dass Unternehmenssubventionen das richtige Mittel sind, um solche Innovationen zu befördern. Sinn macht, zum Beispiel in den Ausschreibungsverfahren bestimmte Anforderungen zu stellen. Natürlich bezahlen wir mit, wenn wir solche Anforderungen in Ausschreibungen stellen, zum Beispiel im Zusammenhang mit umweltfreundlicher Technik und so weiter. Es sollten aber nicht einzelne Unternehmen durch einzelbetriebliche Subventionen begünstigt werden. (Beifall FDP) Wenn Sie mir weiter zugehört hätten, dann hätten Sie auch erfahren, was Sinn macht. Investiert werden sollte nämlich in die öffentliche Infrastruktur, in Gründer- und Forschungszentren, sodass die Mittel nicht nur einzelnen Unternehmen, sondern allen zugutekommen. (Beifall PIRATEN und FDP) Wir PIRATEN fordern, alle Subventionen systematisch auf den Prüfstand zu stellen. Sie müssen degressiv angelegt oder enger als bisher zeitlich befristet werden und zudem regelmäßig auf ihren Sinn hin überprüft werden. Das ist bisher in Schleswig- Holstein überhaupt nicht erkennbar. Wir arbeiten daran, einen Antrag dazu auf den Weg zu bringen. Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Verständnis dafür, dass auf der einen Seite zu wenig Geld für Bildung und andere Zukunftsinvestitionen da ist, auf der anderen Seite aber Millionen Subventionen an Großunternehmen quasi verschenkt werden. Das muss ein Ende haben. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN und FDP)
Tourismus
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch bei dem Thema Tourismus ist es gut, dass wir PIRATEN einen kritischen Blick sowohl auf die Aktivitäten der alten wie auch der neuen Landesregierung werfen können, ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf Große Koalitionen und frühere oder aktuelle Regierungsbeteiligungen. Das ist gerade beim Thema Tourismus auch nötig. (Christopher Vogt [FDP]: Das wird auch in Zukunft so bleiben!) Denn die Bilanz ist durchwachsen. Herr Minister, Sie haben vieles Richtige gesagt. Was die Bedeutung des Tourismus für Schleswig-Holstein angeht, will ich ergänzen: Die regionale Bedeutung ist teilweise sehr viel höher als die genannten 6 %. An der Westküste haben wir zum Beispiel 37,5 % des Volkseinkommens, das sich aus dem Tourismus schöpft, auf den Inseln liegt es sogar bei einer Größenordnung von 80 bis 90 %. Richtig ist aber auch, dass wir im Vergleich zu anderen Bundesländern zurückliegen. Deshalb müssen wir über die Ausrichtung der Landesaktivitäten streiten. Sie haben es angesprochen, auch über die Strukturen müssen wir streiten. Das Gutachten sagt ganz klar, was ich unterstreichen will: Es fehlen verbindliche Vereinbarungen zur Aufgabenteilung zwischen TASH und Tourismusverband einerseits und den lokalen Organisationen und dem Tourismusverband andererseits. Wer ist eigentlich für den Vertrieb zuständig? Wer ist für welche Märkte zuständig? Dieses Vier-Ebenen-Modell, bestehend aus örtlicher Organisation, lokaler Organisation, Tourismusverband und Tourismusagentur, ist für ein kleines Bundesland wie Schleswig-Holstein kaum zukunftsfähig. Deshalb könnte das optimierte Konzept der TASH in der Tat eine Lösung sein. Diese wird jedoch offensichtlich auf die lange Bank geschoben. Wenn ich Sie heute richtig verstehe, dann wird dieses Konzept dann, wenn Sie von einer dauerhaften Förderung in gleicher Höhe sprechen, überhaupt nicht mehr umgesetzt. Dies kann unter dem Gesichtspunkt der Strukturen nicht die richtige Lösung sein. Ein weiteres Problem besteht bei den Inhalten der Tourismusförderung. Sie haben richtig gesagt, dass der Start mit einem Gutachten, das bei einer Beratungsfirma in Auftrag gegeben wurde, die vorher im Auswahlverfahren aussortiert worden war, unglücklich war. Ich frage mich: Welchen Sinn macht die Auswahl dann überhaupt? - Aber auch innerhalb der Leitprojekte wurden Gutachten an ein Unternehmen vergeben, bei dem personelle Verflechtungen der Entscheidungsträger bestanden. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Vergaberecht. So geht das nicht. Es gab erfolgreiche Projekte, es gab aber auch erfolglose Projekte wie zum Beispiel das Ansiedlungsmanagement. An dieser Stelle möchte ich un-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 13. Sitzung - Mittwoch, 12. Dezember 2012 885 (Dr. Patrick Breyer) terstreichen, was die Gutachter uns ganz klar ins Stammbuch geschrieben haben: Die Projekte sollten in ihrem definierten Leistungs- und Aufgabenspektrum so angelegt werden, dass am Ende der Förderperiode ein konkretes Ergebnis erzielt und die Maßnahme abgeschlossen werden kann. Es sollten keine Folgekosten entstehen. Strukturen und Netzwerke sind sinnvoll, dürfen vom Land aber nur eine Startfinanzierung benötigen. In diesen Fällen muss es von Beginn an Bestandteil des Aufgabenkatalogs sein, eine von Landesförderung unabhängige Fortsetzung der Aktivitäten zu gewährleisten. Das gilt zum Beispiel für Projekte wie das Gastronomiekonzept, das Designkontor oder Servicequalität Deutschland. All das sind Dinge, die sich selbst tragen müssen, zum Beispiel aus Zertifizierungsgebühren. Das ist im Moment noch nicht der Fall. Es wurde ebenfalls richtig gesagt: Wichtige Themen sind noch nicht Gegenstand dieser bisherigen Strategie gewesen. Ein Beispiel dafür ist nachhaltiger Tourismus, dieser umfasst nicht nur Naturtourismus. Dazu gehört aber auch der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf den Tourismus. Die Zielgruppen wie Städtetouristen, Geschäftsreisende oder auch jugendliche Gäste sind bisher noch nicht berücksichtigt worden. Auch das ist bereits gesagt worden. In einem Punkt bin ich ganz bei den Kollegen von der CDU: Nicht überzeugt hat mich die Idee einer übergreifenden Dachmarke für Tourismus und Wirtschaft. Hier wurde kein Konzept vorgelegt, das den Mehrwert wirklich darlegen würde. Es gibt andere Ideen, die ich interessant finde, zum Beispiel, die Marke Schleswig-Holstein auf Produkten aus der Region anzubringen. Das ist bisher aber leider noch nicht aufgegriffen worden. Herr Dr. Tietze, Sie haben es kurz angerissen: Auch im Tourismusbereich muss gelten, dass wir eine Stärkung von Strukturen statt eine Subventionierung einzelner Betriebe brauchen. Bäder oder gar Ruinen in die Landschaft zu setzen, bringt uns im Zusammenhang mit dem Tourismus nicht weiter. Hier steht die Umsetzung des Koalitionsvertrags leider genauso aus wie in anderen Bereichen. Ich sehe nämlich nicht, dass auf die einzelbetriebliche Förderung verzichtet werden soll. Es wurde schon gesagt: Die Einschränkung der Bäderregelung ist nun wirklich das Gegenteil von einer Tourismusförderung. (Beifall PIRATEN und SSW) Herr Minister, mit Ihnen haben wir jetzt einen Fachmann am Ruder. Damit sind natürlich sehr große Erwartungen verknüpft. Wir PIRATEN werden Sie konstruktiv, aber auch kritisch begleiten, denn zu einem gut abgestimmten und nachhaltig trägfähigen Tourismuskonzept, wie es SchleswigHolstein als Urlaubsland braucht und verdient, ist es doch noch ein weiter Weg. (Beifall PIRATEN und SSW)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat unterliegt mein Zeitbudget dem Datenschutz. (Heiterkeit - Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD - Lars Winter [SPD]: Fragen Sie Obama, er weiß das! - Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deswegen verzichte ich an dieser Stelle auf einen Werbeblock; das hat der Kollege schon zur Genüge gemacht. Passend zur Urlaubszeit unterhalten wir uns über den Tourismus in Schleswig-Holstein. Das ist ein schönes Thema, bei dem erfreulicherweise große Einigkeit herrscht. Die ersten Anträge betreffen die Entzerrung der Ferientermine, um unserem Tourismus zu helfen, eine längere Ferienzeit hinzubekommen. Da ist es in der Tat sehr bedauerlich, dass sowohl das schwarz-gelb regierte Bayern als auch das grün-rot regierte Baden-Württemberg diese Entzerrung blockieren. Ich hoffe in der Tat, dass wir hier zu Fortschritten kommen können.2522 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 31. Sitzung - Donnerstag, 20. Juni 2013 (Dr. Patrick Breyer) Da beide Anträge aus meiner Sicht begrüßenswert sind, beantrage ich, sie für selbstständig zu erklären und darüber abzustimmen. Auch zur Förderung des barrierenfreien Tourismus liegen uns zwei Anträge vor. Sie zielen genau in die richtige Richtung. Denn wir alle kennen die Zahlen: Erst etwa 1 % der Hotelbetten hierzulande sind barrierefrei zugänglich, obwohl 10 % der Menschen in Deutschland ein körperliches Handicap haben. Der Nachholbedarf ist also enorm, gleichzeitig auch das wirtschaftliche Potenzial dieses Tourismuszweiges. Leider geschieht in der Praxis allzu oft das Gegenteil der Förderung barrierefreien Tourismus. Ich kann aus Dithmarschen berichten, dass ein Bahnübergang, der ursprünglich barrierefrei war, indem man die Gleise überqueren konnte, dichtgemacht worden ist. Man soll jetzt eine Treppe benutzen. Einem Rollstuhlfahrer, der das bei der Bahn beanstandete, wurde gesagt: Fahren Sie doch einen Halt weiter. Dann können Sie in der Gegenrichtung eine halbe Stunde später wieder zurückfahren. - Das ist keine Barrierefreiheit und kein Vorbild für barrierefreien Tourismus in Schleswig-Holstein. (Zuruf Peter Eichstädt [SPD]) Da beiden Anträge aus meiner Sicht in die richtige Richtung weisen, beantrage ich, auch sie für selbstständig zu erklären und darüber abzustimmen. Schließlich haben wir das Thema „Kreuzfahrttourismus“ auf der Agenda. In der Tat ist es richtig, dass das ein wachsender Tourismuszweig ist. Richtig ist aber auch, was der Kollege Andreas Tietze gesagt hat, dass nämlich leider heutzutage die allermeisten Kreuzfahrtschiffe noch eine katastrophale Klima- und Umweltbilanz aufweisen. (Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deswegen ist mir die pauschale Forderung der CDU nach Förderung zu undifferenziert. Ich finde, dass ökologische Kriterien auch bei der Tourismusförderung eine Rolle spielen müssen. Wir müssen besonders ökologisch günstige Angebote promoten und sollten keine Werbung für Dreckschleudern machen. (Zuruf CDU: Oh!) Insofern freue ich mich über die weitere Beratung und hoffe, dass wir an diesem Antrag noch einiges verbessern können. - Danke schön. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftsminister Meyer hat uns eine Tourismusstrategie vorgelegt, mit der Schleswig- Holstein in zehn Jahren unter die Top 3 in Deutschland aufrücken soll. Das Dumme ist nur: Bis heute Morgen lag uns diese Strategie gar nicht vor. (Lachen Dr. Heiner Garg [FDP]) Wir kennen überhaupt nur ein Eckpunktepapier, das - jetzt sage ich es mit den Worten der PIRATEN - die IHK „geleakt“ hat, was also auch nicht offiziell von Ihnen veröffentlicht worden ist, sondern anders an die Öffentlichkeit gelangt ist. So viel zum Thema Transparenz, Herr Kollege Tietze. Man kann den Wirtschaftsminister an vielen Stellen kritisieren, aber beim Tourismus zeigt er auch tatsächlich einmal persönlichen Einsatz. (Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Er ist auch Präsident des Deutschen Tourismusverbandes und als solcher Cheflobbyist der Tourismuswirtschaft. Auf die damit verbundene Problematik bin ich schon an anderer Stelle eingegangen. Wir müssen jedenfalls feststellen, dass hier in Schleswig-Holstein die Tourismusförderung mit der Bäderregelung einen Fehlstart hingelegt hat. Davon ist schon die Rede gewesen. Aber auch die feste Fehmarbelt-Querung wird für den Tourismus in Ostholstein ein Desaster werden. Herr Minister, wir ziehen gern mit Ihnen an einem Strang, aber nicht, wenn dadurch der Tourismus in Schleswig-Holstein stranguliert wird. Deswegen kommt es immer darauf an, was an der anderen Seite des Stranges hängt. Wenn wir uns die Tourismusstrategie ansehen, die Sie hoffentlich noch vorlegen, ist die in Teilen durchaus gut, zum Beispiel wenn es um die Neuausrichtung der Zielgruppen geht, die Sie ansprechen wollen. In wesentlichen Punkten lässt sie aber alte Mängel fortbestehen und schafft sogar neue Probleme. Ich will nur drei Punkte nennen. Erstens. Sie führen eine irre teure Dachmarke ein - ohne jeden belegbaren Effekt oder Nutzen für das Land. Zweitens. Sie lassen die für ein so kleines Land wie Schleswig-Holstein viel zu kleinteilige Vier-Ebenen- Struktur der Tourismusorganisation unangetastet, obwohl selbst unabhängige Gutachter das längst kritisieren. Leider gibt es keine Spur einer Zusammenarbeit bei der Vermarktung von Nordsee und Ostsee, stattdessen definieren Sie als Ziel, „besser als andere“ zu werden, das heißt, wir gehen in Konkurrenz, statt gemeinsam vorankommen zu wollen. Das ist der falsche Weg. Ein dritter Kritikpunkt: Subventionen in Millionenhöhe für Privatunternehmen wie zum Beispiel Hotels oder Spaßbäder sollen einfach fortgesetzt werden, obwohl doch die Probleme bekannt sind, die damit einhergehen: Wettbewerbsverfälschungen, Standortwettbewerb anheizen, vielfache Mitnahmeeffekte. Die EU hat aus guten Gründen verboten, EU-Fördermittel für solche einzelbetrieblichen Subventionen des Tourismus einzusetzen. Sie greifen einfach in den anderen Topf der Bundesmittel. Das ist der falsche Weg. Deswegen können wir weder dem Antrag der Koalition noch der FDP zustimmen. (Beifall PIRATEN) Zum zweiten Teil, nämlich dem Gesetzentwurf zur Einführung einer Tourismusabgabe, der heute zur Abstimmung steht: Die Kommunen sollen künftig zusätzlich zu den bisherigen Abgaben eine Tourismusabgabe erheben können. Das lehnen wir PIRATEN ebenfalls als Fehlschlag ab, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens. Reisen nach Schleswig-Holstein werden dadurch trotz jetzt schon hoher Preise in Deutschland weiter verteuert. Die Tourismusabgabe soll neben der Kurabgabe erhoben werden können, sodass es zu einer Doppelbelastung der Besucher kommt. Zweitens. Es ist unsicher, ob überhaupt irgendwie zusätzliches Geld beim Tourismus ankommt, weil die Kommunen die bisher dafür aufgebrachten Mittel - sozusagen freiwillig - in gleicher Höhe reduzieren können. Auch Unternehmen haben schon damit gedroht, ihre freiwilligen Beiträge zu reduzieren. Dementsprechend sagt zum Beispiel die IHK Lübeck, es sei kaum realistisch, dass damit zusätzliche Mittel mobilisiert werden können. Drittens. Was wirklich Sinn machen würde und was Sie auch als Ziel formuliert haben, Herr Minister, nämlich die Erhebung der Kurtaxe an unseren Stränden abzuschaffen und stattdessen von einer Direkterhebung auf eine Gastgeberkurabgabe umzustellen, was gerechter wäre, was effektiver wäre 4914 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 60. Sitzung (neu) - Mittwoch, 18. Juni 2014 und Tagestouristen entlasten würde, was DEHOGA und Tourismusverband fordern, genau das packen Sie nicht an. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf nur eine Absage erteilen. (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Darunter leiden wir jetzt!) Herr Minister, der Deutsche Tourismusverband, dem Sie vorstehen, fordert einen Nationalen Tourismusentwicklungsplan. Wäre das nicht einmal ein Projekt, bei dem Sie Initiative ergreifen können, um von der Kirchturmpolitik im Tourismusbereich wegzukommen und hin zu einer koordinierten Tourismusförderung zu kommen? - Ich fürchte, dass Sie mit diesen Plänen eine echte Neuaufstellung der Tourismusförderung nicht anpacken. Der Weg dieser Landesregierung ist leider mehr Geld statt mehr Mut. Ich finde aber: Wir brauchen den Mut, Tourismus in Schleswig-Holstein neu zu denken. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Tariftreuegesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gar keinen Irrtum darüber aufkommen lassen: Der Grundansatz eines Tariftreuegesetzes und der Grundansatz, Verantwortung dafür zu übernehmen, welche Waren und Produkte man einkauft und welche Aufträge man vergibt, ist richtig. Es ist wichtig, dass das Land darauf achtet, wenn es Aufträge vergibt, wie die Menschen, die damit beschäftigt sind, bezahlt und behandelt werden. Es ist auch anzuerkennen, Herr Kollege Dr. Tietze, dass im Laufe des Gesetzgebungsprozesses kritische Punkte verbessert worden beziehungsweise dass sie beseitigt worden sind. Das betrifft zum Beispiel Durchsuchungen oder die Praktikabilität der Regelungen zu vergabefremden Kriterien. Das alles ist richtig. Trotzdem bleiben Kritikpunkte; es sind sogar neue hinzugekommen. Der massivste Kritikpunkt liegt sicherlich darin, dass sich auf einmal auch die2014 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 25. Sitzung - Donnerstag, 25. April 2013 (Dr. Patrick Breyer) Kommunen verbindlich an das Gesetz halten müssen, ohne dass, wie in der Landesverfassung gefordert wird, eine Regelung über die Deckung der Kosten vorhanden ist. Wir gehen mit diesem Gesetz unabsehbare Kostenrisiken ein, die sich entweder erst in Verhandlungen oder vor Gerichten herausstellen werden. (Beifall Volker Dornquast [CDU]) Ich glaube: So können wir in Anbetracht der finanziellen Lage des Landes, aber auch, wenn wir eine Übernahme des Tarifabschlusses für Beamtinnen und Beamten verweigern, nicht miteinander umgehen. (Beifall PIRATEN und Volker Dornquast [CDU]) Deswegen schlagen wir mit unseren Änderungsanträgen vor, die Kommunen zunächst außen vor zu lassen und sie nach Prüfung der Kostenfolgen und der Regelungen zur Kostenübernahme gegebenenfalls einzubeziehen. Ein weiteres Problem liegt darin, dass Sie Überprüfungen vor Ort vorsehen. Ich habe mich gewundert, Herr Kollege Lars Harms, dass das offensichtlich Durchsuchungen einschließen soll. Das geht aus dem Begriff nicht hervor. Aus meiner Sicht ist auch nicht mit der erforderlichen Klarheit geregelt, was die Worte „Überprüfungen vor Ort” bedeuten sollen. Wir schlagen eine andere Fassung dieses Begriffs vor. Wir halten es auch für rechtsstaatlich erforderlich, klar zu sagen, was das einschließen soll. (Beifall PIRATEN und Volker Dornquast [CDU]) Auf der anderen Seite ist für diejenigen, die den Grundansatz des Gesetzes begrüßen, der Punkt besonders schmerzlich, an dem Sie zu kurz springen. Es gibt in diesem Gesetz keine Sanktionen, wenn Unternehmen keine Unterlagen vorlegen, die nachweisen, ob sie sich an die Tariftreueregelungen und an den Mindestlohn halten. Diese Unterlagen können sanktionslos zurückgehalten werden. Was ist dieses Gesetz wert, wenn Sie dies nur für zukünftige Aufträge von Unternehmen ausschließen können, die vielleicht aus Osteuropa kommen und in der Zukunft gar keinen Auftrag annehmen wollen? Was ist diese Regelung wert? Wir schlagen vor: Wenn Unterlagen schuldhaft nicht vorgelegt werden, dann gilt der Verstoß als nachgewiesen. Das ist eine Sanktion, die im Mittelstandsförderungsgesetz auch so vorgesehen ist. Das sieht ein Sonderkündigungsrecht vor, wenn Nachweise nicht erbracht werden. Ein weiterer Punkt: Das Mittelstandsförderungsgesetz bezieht in seinen Anwendungsbereich öffentliche Verkehrs- und Versorgungsunternehmen ein. Sie haben diese Unternehmen nicht einbezogen. Das heißt, dass diese Unternehmen nicht mehr an die Bestimmungen zu den Vertragsbedingungen, zur Korruptionsbekämpfung und zu den ökologischen und sozialen Aspekten gebunden sind. Diese Unternehmen müssen Aufträge auch nicht mehr elektronisch öffentlich bekannt machen. Das heißt, Sie machen, gemessen an dem Ziel, das Sie selbst verfolgen, einen Schritt zurück. Der vielleicht gravierendste Punkt ist dieser: Die Bestimmung im jetzigen Gesetz, wonach die unterlegenen Bieter 15 Tage vor der Vergabe von Bauaufträgen zu informieren sind, damit sie Rechtsschutz suchen können, soll ersatzlos wegfallen. Dagegen protestieren sogar die Wirtschaftsverbände. Dies kommt von einer Regierung, die sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen schreibt. Das, was Sie an dieser Stelle tun, ist das genaue Gegenteil. Daher sagen wir: Dieses Gesetz ist Murks und kann nicht unsere Zustimmung finden. (Beifall PIRATEN und FDP) Wir haben wirklich konstruktive Vorschläge gemacht und aufgezeigt, wo man nachbessern kann. Der Grundansatz ist gut. Mich hat enttäuscht, dass wir uns nicht die einzelnen Vorschläge ansehen, bei denen wir uns Mühe gegeben haben, unter dem gleichen Grundansatz, den auch Sie verfolgen, nachzubessern. Ich bitte wirklich darum, sich sachlich mit den Einwänden auseinanderzusetzen und diejenigen mitzunehmen, die den Grundansatz eigentlich gut finden, jedoch sagen: So, wie Sie das machen, geht es nicht. So können wir nicht zustimmen. (Beifall PIRATEN)
Korruptionsregister/Mindestlohn
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch keine Frage, dass Bestechung und Vorteilnahme das volkswirtschaftliche Wohlstandsniveau unseres ganzen Landes mindern und jedes Jahr zu hohen materiellen und immateriellen Schäden führen, die letztlich dann bei öffentlichen Vergaben vom Steuerzahler oder von den Verbrauchern aufgebracht werden müssen. Deswegen ist der Grundansatz auch richtig, von Vergaben Unternehmen auszuschließen, von denen zu befürchten ist, dass es dort zu solchen irregulären Verstößen gegen die Grundsätze des fairen Wettbewerbs kommt. Da verstehe ich auch die Empörung auf der Seite des Hauses nicht wirklich, denn schon heute ist es so, dass unzuverlässige Unternehmen von den Vergaben auszuschließen sind. Im Übrigen haben auch schwarz-gelb regierte Länder wie Hessen oder Bayern ähnliche Informationsstellen, die solche Tatbestände führen und miteinander austauschen. Wichtig ist, dass ein solches Register rechtsstaatlichen Kriterien genügt und dass auf den Datenschutz geachtet wird. Das werden wir auch in weiteren Verfahren tun. Wichtig ist auch, dass jedes Unternehmen eine Chance auf Selbstreinigung bekommt. Denn nur so setzt man einen Anreiz für die Unternehmen, gegen Korruption einschreiten zu können. Dieser Tatbestand der Selbstreinigung ist im Übrigen schon im Gesetzentwurf angesprochen worden, aber teilweise nur als Kannbestimmung vorgesehen. Man kann Einträge löschen, wenn sich Sachverhalte ändern. Dieser Punkt ist noch einmal aufzugreifen und klar zu regeln, um zu verdeutlichen, dass es bei diesem Register nicht um eine Doppelbestrafung von Unternehmen oder Geschäftsführern geht, die sich strafbar gemacht haben, sondern darum, eine reguläre Auftragsabwicklung sicherzustellen. Deswegen kann allein der Verstoß in der Vergangenheit nicht ausreichen, um einen Ausschluss zu begründen, sondern nur, wenn zu befürchten ist, dass es in Zukunft bei dem bestehenden Vergabeverfahren wieder zu einem Verstoß kommt. Und weil es nicht um eine Doppelbestrafung geht, Herr Kubicki, hat die Unschuldsvermutung in diesem Kontext eigentlich nichts zu suchen. Denn diese gilt nur im Strafrecht. Hier handelt es sich nicht um eine Bestrafung, sondern um eine Maßnahme2258 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 28. Sitzung - Donnerstag, 30. Mai 2013 (Dr. Patrick Breyer) zur Sicherung der ordnungsgemäßen Auftragsvergabe. Im Übrigen, was Rechtsmittel angeht, müssen diese nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt werden, sondern der Verwaltungsrechtsschutz gilt immer, auch wenn im Gesetz nichts ausdrücklich erklärt ist. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Der Abgeordnete Breyer gestattet eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Vogt. Christopher Vogt [FDP]: Herr Kollege Dr. Breyer, Sie haben gesagt, dass es nur eine Unschuldsvermutung ist, die im Strafrecht zwar notwendig ist, doch bei dieser Sache keine Anwendung findet. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass es durch Fehler zu einer Eintragung kommen kann, was zu massiven wirtschaftlichen Folgen führen kann, nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sodass diese darunter leiden müssen, wenn beispielsweise ein Beamter dort einen Fehler macht? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ich stimme Ihnen zu, dass es genauso wie bei sonstigen staatlichen Maßnahmen immer auch zu Fehlern und zu Fehlentscheidungen kommt. Wir müssen das im Kopf behalten und genau prüfen, ob der Nutzen dieser Maßnahme deutlich den Schaden, den wir durch Fehlentscheidungen im Einzelfall anrichten können, überwiegt. Worauf wir auch noch einmal achten sollten, ist meines Erachtens die Frage, ob nicht auch private Auftraggeber die Möglichkeit haben sollten, sich aus diesem Register zu informieren, wenn sie Unternehmen von Geschäftsbeziehungen ausschließen wollen. Ich denke, darüber sollten wir auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren nachdenken. Ich muss aber auch sagen, dass die Rhetorik des fairen Wettbewerbs seitens dieser Koalition doch denkbar fehl am Platze ist, weil Sie selbst mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz eine Regelung gestrichen haben, dass unterlegene Bieter von Bauaufträgen vor der Vergabe zu informieren sind, sie somit gegen Korruption vorgehen können. Diese Regelung zu streichen, ist das genaue Gegenteil von Korruptionsbekämpfung. Wir brauchen eine Veröffentlichung aller Verträge mit der öffentlichen Hand, auch um Wettbewerbern zu ermöglichen, Auffälligkeiten zu erkennen. Wo keine Transparenz herrscht, kommt es leicht dazu, dass zum Beispiel eine ganze Stadt wie Glückstadt von einer Bahnverbindung abgehängt wird, weil niemandem aufgefallen ist, dass in der Vergabe eine Exklusivitätsklausel vorgesehen war. (Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]) Was wir brauchen, sind Maßnahmen, um gegen das große Dunkelfeld im Bereich der Korruption vorzugehen. Wir haben ein geschätztes Dunkelfeld von etwa 95 %. Deswegen brauchen wir in der Tat einen Schutz von Whistleblowern und auch ein anonymes Hinweisgebersystem, wie es das zum Beispiel in unserem Nachbarland Niedersachsen schon längst gibt. Dort sind schon über 1.000 Meldungen über dieses System eingegangen; über 1.000 Meldungen konnten weiterverfolgt werden; über 400 mündeten in gerichtliche Verfahren. Wir brauchen ein solches anonymes Hinweisgebersystem endlich auch für Schleswig-Holstein. (Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben wir bereits! Wir haben sogar einen Korruptionsbeauftragten!) - Die Grundsätze des Korruptionsbeauftragten besagen, dass sich die Personen ihm gegenüber identifizieren müssen, dass anonyme Hinweise nicht möglich sind. Drittens. Es ist ein Skandal, dass in Deutschland die Bestechung ausgerechnet von Abgeordneten noch immer nicht strafbar ist. Die UN-Konvention gegen Korruption hat Deutschland seit inzwischen zehn Jahren nicht umgesetzt, und zwar egal in welcher Regierungskonstellation von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP oder CDU. Da befinden wir uns in Gesellschaft mit Staaten wie Syrien, dem Sudan, Saudi-Arabien oder Nordkorea. Wir PIRATEN sagen ganz klar: Abgeordnete dürfen nicht käuflich sein. Wir werden dafür kämpfen, dass diesem Versagen der Politik in diesem Punkt endlich ein Ende gesetzt wird. - Danke. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir diskutieren heute über das Landesmindestlohngesetz und das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters. Lassen Sie mich zunächst zum Ersten kommen. Für uns PIRATEN ist immer klar gewesen, dass eine menschenwürdige Bezahlung Voraussetzung dafür ist, ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können; denn nur wer abgesichert ist, kann sich ohne Existenzängste frei entfalten. (Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP]) Deswegen ist ein Mindestlohn als Brückentechnologie auch richtig und wichtig. Aber der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf, der sicherlich gut gemeint ist, ist nicht gut gemacht, und zwar hinsichtlich der Bestimmung der Höhe des Mindestlohns. Zunächst einmal ist es so, dass ein Landesgesetz überhaupt nur eine Krücke sein kann. Sie haben sich hinsichtlich der Höhe des Mindestlohns ja nicht einmal mit dem Nachbarland Hamburg einigen können. Der Flickenteppich von Landesgesetzen muss enden, sobald wir endlich eine Bundesregelung zum Mindestlohn haben. (Beifall PIRATEN) Während Sie beim Tariftreuegesetz von den Arbeitgebern noch verlangen, allgemein verbindliche Tarifverträge anzuwenden, verlangen Sie jetzt von Subventionsempfängern, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, der ja auch vom allgemein verbindlichen Tarifvertrag abweichen kann. Zwar ist der Wert in der Ausgangsstufe im öffentlichen Dienst ausgehandelt worden, aber eben nicht von denjenigen, für die er gelten soll. Er soll nämlich außerhalb des öffentlichen Dienstes gelten. Wir haben vorgeschlagen, eine „Landesmindestlohnkommission“ einzurichten, die von den Tarifparteien getragen wird, wie es übrigens auch die Landesregierung in ihrer Bundesratsinitiative zur Einführung eines bundesgesetzlichen Mindestlohns vorgeschlagen hatte. Alternativ denkbar wäre für uns PIRATEN auch eine Koppelung an einen bestimmten Anteil des Durchschnittsverdienstes, der nicht unterschritten werden darf. Nicht überzeugend ist aber eine Koppelung an das Eingangsgehalt im öffentlichen Dienst für ganz andere Bereiche. Überhaupt nicht überzeugend ist eine gänzlich freie Lohnbestimmungsermächtigung, die die Landesregierung durch Verordnung erhält. (Beifall PIRATEN und Heike Franzen [CDU]) Selbst im Tariftreue- und Vergabegesetz haben Sie diese Verordnungsermächtigung eingeschränkt. Diese Einschränkung finde ich in diesem Gesetz nicht mehr vor. Was den Änderungsantrag der CDU-Fraktion angeht, ist die Sache vorliegend so, dass Betriebe, die behinderte Menschen beschäftigen, vom Gesetz ausgenommen sind. Was Integrationsbetriebe angeht, bin ich der Meinung, dass auch Menschen in solchen Betrieben ordnungsgemäß und menschenwürdig bezahlt werden müssen, dass sie nicht diskriminiert werden dürfen, nur weil sie eine Integrationshilfe in Anspruch nehmen. Ich glaube, es kann nicht gelten: Besser Sklave als arbeitslos. Keine Arbeit um jeden Preis. Der richtige Weg ist, für diese Betriebe einen Ausgleich vorzusehen. Für einen Ausgleich ist wiederum der Haushaltsplan und nicht ein Gesetz der richtige Ort. Mir sind im Übrigen auch keine Freibäder und Badestellen bekannt, die von diesem Gesetz betroffen wären.Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 38. Sitzung - Freitag, 27. September 2013 3081 (Dr. Patrick Breyer) Ich komme nun auf das Wettbewerbsregister zu sprechen. Auch hier ist es leider so, dass Sie eine gute Idee, eine vom Ausgangspunkt her richtige Idee schlecht umgesetzt haben. Ich nenne einmal ein paar Beispiele. Schon in der ersten Bestimmung des Gesetzes heißt es, sein Zweck sei die Korruptionsverhütung. Dabei gehen aber die Tatbestände, die im Register erfasst werden sollen, weit über diesen Bereich hinaus. Dann divergiert die Zuständigkeit für Auftragssperren und Vergabesperren. Die Rechte der Betroffenen sind unzureichend. Es gibt kein Recht auf Akteneinsicht. Eine Aufhebung der Vergabesperre bei Wegfall der Voraussetzungen ist in das Ermessen der Behörde gestellt und nicht zwangsläufig. Das Gesetz sieht eine ganz überbordende Bürokratie vor, zum Beispiel Mitteilungspflichten für Anklageerhebungen, ohne dass diese eine Eintragung zur Folge haben könnten. Allgemein sind die Mitteilungspflichten viel zu weit und unbestimmt gefasst. Sie greifen ohnehin nur innerhalb unseres Landes. Schließlich sind ganz klare handwerkliche Fehler in dem Gesetzentwurf enthalten, wie zum Beispiel, dass überhaupt keine Tilgungsfrist für bestimmte Eintragungen vorgesehen ist. Ich finde es sehr traurig, dass Sie im Ausschuss und auch hier den Rat derjenigen ignorieren, die Ihren Grundansatz richtig finden, die aber Fehler beheben und Ihr Gesetz besser machen wollen. Das hat auch mit Ihrer neuen Dialogkultur, die Sie angekündigt haben, nichts mehr zu tun. (Beifall PIRATEN - Johannes Callsen [CDU]: Wo ist eigentlich die Justizministerin bei dieser ganzen Problematik?) - Leider hat sich auch die Justizministerin im Ausschuss nicht zur Sache einlassen wollen, weil der Wirtschaftsminister die Federführung habe. (Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP]) Das Grundübel bei diesem Gesetz ist, dass Sie es mit Hamburg zusammen ausgehandelt haben, es aber getrennt in beiden Parlamenten behandelt worden ist. Vizepräsident Bernd Heinemann: Kommen Sie bitte zum Ende. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ich habe vergeblich beantragt, das gemeinsam mit der Hamburgischen Bürgerschaft zu beraten. Dem sind Sie leider nicht gefolgt. Insofern kann ich mich nur den Anträgen anschließen, beide Gesetze - einschließlich des Änderungsantrags - an die Ausschüsse zur sorgfältigen Beratung und zur Durchführung einer mündlichen Anhörung zurückzuüberweisen. - Danke. (Beifall PIRATEN)
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebes Mikrofon! (Dr. Heiner Garg [FDP]: Mit Zinssicherung!) Denn Ihre Kritik am Tariftreue- und Vergabegesetz, am Landesmindestlohngesetz und am Korruptionsregistergesetz ist nur in Teilen gerechtfertigt und geht im Übrigen zu weit. Vom Grundgedanken her sind Tariftreue, Mindestlohn und Korruptionsregister durchaus Instrumente, die wirtschaftsverträglich ausgestaltet und umgesetzt werden können. Wir haben dazu konkrete Vorschläge vorgelegt. Nur leider hat die Landesregierung diese Vorschläge nicht aufgegriffen. Insofern ist die Kritik durchaus berechtigt. Ihr Ministerpräsident höchstpersönlich hat am 21. Januar dieses Jahres im Landtag erklärt, dass wir mehr Steuereinnahmen nicht über höhere Steuersätze, sondern über mehr Wachstum generieren können. Stärken Sie Ihrem Ministerpräsidenten den Rücken, unterstützen Sie Initiativen für Wachstum und Fortschritt, und ermöglichen Sie damit, dass das Wohlstandsniveau für alle Menschen in Ihrem Lieblingsland wieder wächst! (Beifall FDP) Meine Damen und Herren, wenn Sie keinen Mut zum Konsolidieren haben und den Haushalt vor allem über Steuern und Abgabenerhöhungen und Kürzungen bei den Investitionen sanieren wollen, dann erzeugen Sie im Land keine Aufbruchstimmung. Mit Ihrem bisherigen Kurs in der Wirtschaftspolitik werden keine Investitionen ausgelöst und erst recht keine neuen Unternehmen angelockt. Auch das Lohnniveau wird nicht steigen. Vergessen Sie nicht Folgendes: Eine positive Wirtschaftsentwicklung führt zu mehr Chancengerechtigkeit und zu einer Gesundung der öffentlichen Kassen. Ich bitte Sie ganz herzlich: Wachen Sie einfach endlich auf! (Beifall FDP und CDU) Vizepräsident Bernd Heinemann: Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort. (Unruhe) - Herr Abgeordneter Dr. Breyer, ich bitte Sie jetzt zum Mikrofon. (Zurufe) (Heiterkeit) Ein starker Mittelstand ist für unser Land wichtig und hat sich gerade in der Wirtschaftskrise bewährt. Deshalb ist Schleswig-Holstein recht gut durch die Krise gekommen. Der Antrag der CDU-Fraktion kann trotzdem nicht die volle Zustimmung vonseiten der PIRATEN finden. (Tobias Koch [CDU]: Die Hälfte reicht schon!) (Unruhe) Da der Antrag der Koalitionsfraktionen die drei Gesetze, die Sie in sehr problematischer Form umgesetzt haben, völlig undifferenziert lobt, ist er ebenfalls nicht zustimmungsfähig. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, Sie sprechen an, dass Bürokratie abgebaut werden müsse, verkennen aber, dass die Landesregierung doch recht wenig Einfluss auf den Bürokratieaufwand der Unternehmen hat. Hauptsächlich sind Bund und Europäische Union dafür verantwortlich. Im Übrigen glaube ich, dass man Bürokratie nicht durch ein Programm, das in sechs Monaten vorgelegt werden soll, reduzieren kann, sondern dass das ein kontinuierlicher Prozess sein muss. Deswegen habe ich schon mehrmals die Idee eines Normenkontrollrats ins Gespräch gebracht. Die Piratenpartei teilt die in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommende Ablehnung der Grunderwerbsteuererhöhung. Insbesondere ist aus meiner Sicht die geplante Verwendung der Mittel für allgemeine Haushaltszwecke zu kritisieren. Wenn Sie Mittel aus der Grunderwerbsteuererhöhung zum Beispiel verwenden würden, um auf der anderen Seite den Grunderwerb für Menschen zu fördern, die wirtschaftlich schlechtergestellt sind, könnte3296 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 40. Sitzung - Donnerstag, 21. November 2013 (Dr. Patrick Breyer) man die abschreckenden Effekte eher neutralisieren, oder wenn Sie die Mittel zum Abbau der Schulden verwenden würden. Aber nichts davon ist geplant und in Sicht. Daher nehmen wir unsere Aufgabe ernst, wenn es darum geht, den Mittelstand bei uns im Land zu sichern, weiter zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Ihre Kritik am Verbandsklagerecht kann ich nur zurückweisen. Sie können Rechtsverstöße nicht dadurch heilen, dass Sie den Menschen einfach den Weg zu Gerichten abschneiden. (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall PIRATEN und SPD) Ebenso ist es richtig, dass die EU die Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie überarbeitet hat. Wir PIRATEN freuen uns sehr, dass hier erstmals Vorgaben zum Thema Fracking enthalten sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestern Abend konnten wir im Fernsehen in einem Beitrag über geplanten Quarzabbau in Schleswig-Holstein wieder einmal sehen: Die Industrie gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land durchzusetzen, funktioniert auf Dauer einfach nicht. Ein starker Mittelstand in Schleswig-Holstein kann von einem starken Umweltschutz durchaus profitieren. In Zeiten des Fachkräftemangels wissen wir, wie wichtig es ist, dass unser Land lebenswert ist, und die Natur in unserem Land trägt dazu bei. (Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Anhaltende Unruhe) Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner leben laut Glücksatlas 2013 am glücklichsten in ganz Deutschland, und darauf kann unser Land, auch unsere Wirtschaft, stolz sein. (Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zur Erinnerung: Wir haben im letzten Jahr das Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs abgelehnt, weil zwar die Intention eines Korruptionsregisters gut und auch wichtig ist, Ihr Gesetz aber weit über das Ziel hinaus schießt. Sie erfassen zum Beispiel Straftaten, die überhaupt keine Korruption sind, zum Beispiel Urkundenfälschung. Herr Kollege Schulze, was die Justizministerkonferenz nun fordert, ist ein Korruptionsregister und kein Register von Straftaten, die mit Korruption nichts zu tun haben. Sie haben in diesem Gesetz auch das Problem, dass es keinen Anspruch gibt, dass die Sperre aufgehoben wird, wenn die Voraussetzungen wegfallen. Das liegt im Ermessen der entsprechenden Stelle. Und wir haben das Problem überbordender und sinnloser Mitteilungspflichten, die gar nicht zu einer Eintragung führen können. All das habe ich bereits ausgeführt. Die FDP, die diesen Gesetzentwurf eingebracht hat, will diese Probleme gar nicht lösen, sondern - ohne dass ich irgendeinen Anlass erkennen könnte und leider auch ohne jegliche Gesetzesbegründung - einen einzigen Punkt ändern. Sie bleibt damit weiterhin auf ihrer Linie, siehe Bäder-Regelung, siehe Tariftreuegesetz, siehe Straßenausbaubeiträge. Es erinnert an die Sau, die Sie schon mehrfach durchs Dorf getrieben haben. (Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) Ich denke, wenn die Sau immer Kreis herumläuft, kommt man damit auch nicht weiter. Aber lassen Sie mich nun auf den Gesetzentwurf eingehen: Nach dem jetzt gültigen Gesetz darf eine Eintragung in das Register erfolgen, wenn nach einer endgültigen Einstellung gemäß § 153 a Strafprozessordnung oder bereits während der Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel am Vorliegen einer schweren Verfehlung verbleibt. Die FDP will, dass nur noch eine rechtskräftige Verurteilung zur Eintragung führen kann. (Christopher Vogt [FDP]: Genau!) Richtig an der Kritik ist, dass weder durch Gesetz noch durch Erlass geregelt ist, in welchen Fällen denn eigentlich die registerführende Stelle von einem Nachweis einer Verfehlung ausgehen soll. Mich würde auch interessieren - jetzt ist der Minister gerade nicht da -, wer darüber entscheidet und ob die entsprechenden Personen eine juristische Ausbildung haben oder nicht. Allerdings sind entgegen dem Gesetzentwurf der FDP durchaus Fälle denkbar, in denen für Zwecke eines Registers legitimerweise auch ohne rechtskräftige Verurteilung von einem Nachweis ausgegangen werden kann, zum Beispiel im Falle eines Geständnisses. Wenn der Betroffene gesteht, dass er ein schweres Korruptionsdelikt begangen hat, soll er dann jahrelang weitere Millionenaufträge des Landes bekommen, nur weil das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen ist? - Ich denke nicht. (Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Minister dürfte man aber bleiben!) Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger das nicht nachvollziehen können. Deswegen halte ich den Gesetzentwurf für falsch. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege Dr. Breyer, kann es sein, dass es in Ihrer beruflichen Tätigkeit auch schon einmal vorgekommen ist, dass ein Geständnis gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft abgegeben, aber in der Hauptverhandlung widerrufen worden ist, sodass anschließend ein Freispruch erfolgte? Ist es Ihnen schon einmal untergekommen, dass es ein falsches Geständnis gegeben hat? (Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das steht doch hier gar nicht zur Diskussion!) - Es ist genauso denkbar wie Fehlurteile allgemein, die immer wieder erfolgen. Das ändert aber nichts daran, dass der Nachweis als erbracht angesehen werden kann, wenn ein solcher Fall vorliegt. Im Übrigen dient dieses Register nicht der Bestrafung. Deswegen findet auch diese Unschuldsvermutung keine Anwendung. Es hilft bei der Entscheidung über die Zuverlässigkeit eines Bieters in einem Vergabeverfahren. Und diese Zuverlässigkeit wird nicht erst nach einer Verurteilung infrage gestellt, sondern auch in sonstigen Fällen, wenn der Nachweis einer Verfehlung erbracht ist. (Beifall PIRATEN, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Umgekehrt könnte man allerdings sagen, dass das geltende Gesetz sogar zu eng ist. Denn eine Einstellung von Strafverfahren ist auch nach ganz anderen Vorschriften als nach § 153 a möglich. Nehmen wir einmal an, dass jemand einen Mord zur Verdeckung einer Bestechung begeht - hier würde die Justiz üblicherweise den Bestechungsvorwurf gar nicht weiter verfolgen, weil er neben dem Mord nicht ins Gewicht fällt -, dann könnte trotzdem nach Ihrem Gesetz eine Eintragung nicht erfolgen, selbst wenn derjenige geständig ist. Strafverfahren können auch ansonsten an Verfahrenshindernissen oder persönlicher Schuldunfähigkeit scheitern, obwohl die Verwirklichung des Tatbestandes unzweifelhaft ist. Das Gesetz ist tatsächlich verunglückt, nur kann man dem nicht so abhelfen, wie es der Gesetzentwurf der FDP versucht. Sofern Sie die Nummer 4 streichen wollen, würde es dadurch weitgehend unmöglich, Fälle falscher Erklärung im Vergabeverfahren, zum Beispiel bezüglich der Einhaltung von Kernarbeitsnormen, überhaupt einzutragen. Da solche Falscherklärungen nicht bußgeldbewehrt sind, kann es in solchen Fällen nicht zu rechtskräftigen Verurteilungen beziehungsweise Bußgeldbescheiden kommen. Sie haben schließlich auch nicht die Problematik gelöst, dass Hamburg, wenn man diese beiden Nummern streichen würde, weiterhin nach denselben Nummern eintragen würde. Wie damit umgegangen wird, ist nicht geklärt. (Christopher Vogt [FDP]: Wir können die Hamburger Gesetze schlecht ändern!) Vor dem Hintergrund muss ich sagen, dass der Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorliegt, unausgegoren ist. Auf der einen Seite schießt er über das Ziel hinaus, und auf der anderen Seite geht er aber die grundlegenden Probleme des Registers nicht an. Trotzdem sollte die Landesregierung, Herr Minister, wie wir bereits seit dem letzten Jahr sagen, anerkennen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Wir sollten Nachbesserungen gemeinsam mit Hamburg in Angriff nehmen. Das Vorgehen gegen Korruption ist für uns PIRATEN ein genauso wichtiges Anliegen wie die Rechtsstaatlichkeit dieses Vorgehens. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Oppositionsfraktionen, über den wir heute beraten, sieht unter Nummer 1 die Forderung vor, Integrationsbetriebe vom Bundesmindestlohngesetz auszunehmen. Das gibt mir Anlass klarzustellen, dass die Piratenpartei insgesamt und auch meine Person für einen gesetzlichen Mindestlohn eintreten, ohne Integrationsbetriebe auszunehmen, und zwar auch dann, wenn durch den Mindestlohn Geschäftsmodelle, die auf einer Unterschreitung des Existenzminimums aufbauen, nicht mehr renta- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 71. Sitzung - Donnerstag, 9. Oktober 2014 5887 (Heike Franzen) bel sind und neu entwickelt werden müssen. Warum vertreten wir diese Position? (Unruhe) Erstens. Wir sehen in Schleswig-Holstein, dass die allermeisten unserer Integrationsbetriebe offensichtlich schon heute einen höheren als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Das zeigt, dass man Integrationsbetriebe auch nach dem Bundesmindestlohngesetz wirtschaftlich betreiben kann. Zweitens. Eine weitere große Gruppe ist offenbar betroffen und muss Löhne anheben, spricht deswegen aber keine Kündigungen aus. Das zeigt, dass es möglich ist, in einem gewissen Spielraum Lohnkostensteigerungen infolge des Mindestlohns aufzufangen. Drittens. Wir haben in Schleswig-Holstein einen Betrieb, der das nicht kann, der Kündigungen ausgesprochen hat. Dort ist aber eine Umstellung mit Unterstützung einer Unternehmensberatung in Gang. Ziel ist, dass auch in diesem Betrieb alle Arbeitsplätze erhalten werden und der Mindestlohn gezahlt werden kann. Vor dem Hintergrund müssen wir, wie es auch der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Herr Dr. Hase, tut, bei dieser Frage alle Menschen mit Behinderung im Blick haben und können nicht wegen einzelner Fälle allen Menschen mit Behinderung oder anderen Beschäftigten in den Integrationsbetrieben den Mindestlohn vorenthalten, auf den alle Menschen zum nächsten Jahr hoffen und wirtschaftlich angewiesen sind. Eine Ausnahme zu ermöglichen, würde - wie gesagt - für diesen Sektor die Möglichkeit einer Dumpinglohnkonkurrenz eröffnen, die wir nicht wollen. Das Argument, dass Arbeitsplätze gefährdet werden könnten, ist ein altes Argument gegen den Mindestlohn insgesamt. Untersuchungen in EU-Staaten zeigen aber, dass nicht bestätigt werden konnte, dass Ob und Höhe des Mindestlohns Einfluss auf die Beschäftigungsquote hat. Dass ein Unternehmen, das bisher unterhalb des Mindestlohns zahlt, im Einzelfall nicht rentabel in dem Geschäftsfeld weiterarbeiten kann, kann überall passieren. Wollen Sie deswegen das gesamte Mindestlohngesetz infrage stellen? - Das glaube ich nicht. Vizepräsident Bernd Heinemann: Kommen Sie bitte zum Schluss. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ich komme zum Schluss. - Ein Aspekt, der in der Debatte noch gar nicht angeklungen ist, ist das Argument von Herrn Dr. Hase, dass eine Ausnahme nach der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung eine unzulässige Diskriminierung darstellen würde. (Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW]) Wenn es so ist, dass wir gar keine Ausnahme machen dürfen nach Bundesrecht - die Konvention ist Bundesrecht -, dann stellt sich diese Frage doch gar nicht. Vor dem Hintergrund ist es richtig, dass wir im Ausschuss weiter beraten, wie wir da eine andere Lösung finden können. Die Piratenpartei steht für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn auch für die Beschäftigten in Integrationsbetrieben. - Vielen Dank. (Vereinzelter Beifall SPD)
Westküste
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Wirtschaftsminister, ich möchte auf ein paar Punkte Ihres Berichts eingehen. Erstens, zum Westküstenbeirat, der eingerichtet worden ist: Da haben Sie nichts wirklich Konkretes nennen können, was bisher dabei herausgekommen ist. Ich habe auch aus dem Teilnehmerkreis gehört, dass es bis jetzt eher eine unverbindliche Plauderstunde gewesen sein soll. Insofern hoffe ich sehr, dass man demnächst noch zu konkreteren Ergebnisse kommen kann. Zweitens: Westküstentrasse. Dafür ist der Energiewendeminister zuständig. Der hat sich leider bei den Konferenzen, bei denen ich dabei war, mit einem vorschnellen Ausschluss jeder Erdverkabelung vor Ort hervorgetan, die in anderen Ländern wie zum Beispiel der Schweiz längst praktiziert wird, die übrigens auch zu dem Ergebnis kommen, dass über die gesamte Laufzeit dadurch Kostenersparnis möglich ist. Sie verweigern sich leider auch konkret jeglichen verbindlichen Regelungen zu Abstandsflächen. Wir wissen doch aus den einschlägigen Studien, dass bei einer Mehrbelastung elektromagnetischer Art einige Studien zum Ergebnis eines erhöhten Risikos von Leukämie kommen. Ich finde es sehr bedenklich, dass andere Länder verbindliche Abstandsflächen oder auch 100-fach geringere Grenzwerte als wir haben, dass es bei uns bei unserem eigenen Energieleitungsausbau aber keine verbindlichen Grenzwerte dieser Art oder auch Abstandsflächen geben soll. Ich kann nur sagen: Energiewende, ja, sie ist wichtig. Aber man darf nicht so schnell wenden, dassSchleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 28. Sitzung - Donnerstag, 30. Mai 2013 2311 (Dr. Patrick Breyer) man dabei ins Schleudern kommt und in den Abgrund fährt. (Beifall PIRATEN) Insofern geht Energiewende eben nur mit Akzeptanz der Betroffenen vor Ort und kann nicht gegen sie gelingen. Drittens: Friedrichskooger Hafen. Man kann sicherlich darüber streiten, ob das Konzept, das vorgelegt worden ist, tragfähig ist oder nicht. Aber ich glaube, die Menschen vor Ort haben schon einen Anspruch auf eine ehrliche Antwort, (Beifall PIRATEN und FDP) dass ihnen ehrlich gesagt werden soll, wie es weitergehen soll und ob es weitergehen kann. Ich glaube, dass um ein Jahr zu vertagen, erweckt doch sehr den Anschein, als ob man hier nur die Kommunalund Bundestagswahl hinter sich bringen wollte. Ich glaube, man muss auch den Mut haben, ehrliche Antworten zu geben, wenn es nicht tragfähig sein sollte. Viertens: Windmesse. Hierzu ist schon viel gesagt worden. Die Windmesseeinigung halte ich für falsch. Es ist zwar sicherlich vernünftig, einen jährlichen Wechsel mit Hamburg vereinbart zu haben, aber die internationale Leitmesse aufgegeben zu haben, ohne die Aussteller überhaupt befragt zu haben - eine Ausstellerbefragung war unser Vorschlag -, ist sicherlich ein Fehler. (Oliver Kumbartzky [FDP]: Beschlossen!) Sich einvernehmlich zu einigen, ist zwar gut, aber es kann doch nicht in eine Art Harmoniesucht führen, die wir beispielsweise bei der Bäderregelung schon bemerkt haben, dass nur, um überhaupt irgendeine Einigung zu erreichen, alles mitgemacht wird. Das ist nicht der richtige Weg. (Beifall PIRATEN und FDP) Die Offshore-Messe ist auch kein Ersatz für die Region, weil die Zukunft der teuren Offshore-Energie ungewiss ist. Sie wissen, dass der Bau stockt. Infolgedessen unterstütze ich den Antrag der FDPFraktion, hier neue Verhandlungen vorzunehmen. (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Na super!) Zum letzten Punkt: Hafenschlick. Ich glaube, dass den Menschen vor Ort dieser Hafenschlick, zumal im Zusammenhang mit der Windmesse, mit der er nichts zu tun hat, nicht vermittelbar ist. Hamburg sagt schon seit Jahren, dass es ein Sedimentmanagement machen will. Seit Jahren ist rein gar nichts passiert. Sie sagen, das hätte keine Nachteile für die Region. Auch da gibt es unterschiedliche Meinungen. Es ist nicht nachweisbar, worauf Versandung und so weiter zurückzuführen sind, aber es gibt durchaus das Risiko, dass es Nachteile haben könnte. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass in einem offenen transparenten Verfahren - ohne Verquickung mit Windmesse - unter Beteiligung der Menschen vor Ort darüber entschieden wird, ob man einer weiteren Verklappung zustimmt. Denn die Westküste darf nicht zum Spielball politischer Deals werden. - Danke. (Beifall PIRATEN und FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ausgerechnet FDP und CDU fordern heute eine kritische Überprüfung der Schließung des Hafens Friedrichskoog. Dabei ist es doch Schwarz-Gelb gewesen, die die Schließung mit einem Federstrich beschlossen haben, ohne Dialog, ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung und ohne nach Alternativen zu suchen. Deshalb ist der Antrag von Ihrer Seite total unglaubwürdig. (Vereinzelter Beifall PIRATEN - Oliver Kumbartzky [FDP]: Ist der Hafen denn geschlossen? Wir haben das doch verlängert, um das alles zu prüfen! Erzählen Sie hier doch keinen Schrott!) Dennoch ist die Forderung, die Entscheidung zu überdenken, inhaltlich richtig; denn vor einer Entscheidung über die Schließung muss Klarheit über die Wirtschaftlichkeit dieser Pläne geschaffen werden. Das heißt einerseits: Wie viel würde es wirklich kosten, den Hafen weiter zu betreiben? Da gibt es eben viele gute Vorschläge dazu, wie man einsparen könnte, wie man sich etwas bei anderen kleinen Häfen abgucken könnte, die vor ähnlichen Problemen stehen. Man müsste diese Kosten den Kosten gegenüberstellen, die im Falle einer Schließung entstehen, und zwar nicht nur den Kosten für das Land, sondern den Gesamtkosten, also auch denen für die Region und für die Menschen vor Ort. Eine solche Gegenüberstellung, Kollege Tietze, ist weder in dem Wisch, den wir heute Morgen bekommen haben, enthalten, noch sonst irgendwie gemacht worden. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Dazu wäre es auch erforderlich, eine unabhängige Überprüfung dieser Berechnung vornehmen zu lassen, weil es nicht glaubwürdig ist, wenn man als Land, das sich schon vor langer Zeit festgelegt zu haben scheint, solche Vorschläge einfach abbügelt. Es hat keinen Dialog mit den Menschen vor Ort gegeben, um alle Vorschläge und Optionen ernsthaft und auch ergebnisoffen zu prüfen und zu diskutieren. An der Stelle will ich einmal den Umweltminister Robert Habeck lobend erwähnen. Er hat nämlich an der Westküste, als es um die Stromtrasse ging, einen ehrlichen Dialog geführt, im Rahmen dessen alle Fragen auf den Tisch gekommen sind, denen in mehreren Veranstaltungen nachgegangen worden ist. Auch wenn das Ergebnis nicht befriedigend ist, sind alle Vorschläge zur Sprache gekommen und ernsthaft und mit Fachleuten zusammen diskutiert worden. Genau das haben Sie in Friedrichskoog nicht gemacht. Wenn ich mir diesen Zettel angucke, muss ich sagen: Es reicht eben nicht, einfach nur zu sagen, wie es nicht geht. Sagen Sie doch, wie es mit Friedrichskoog weitergehen soll. (Beifall PIRATEN und Oliver Kumbartzky [FDP]) Sie sagen, wir führen den Hafen nicht als Landeshafen fort, und lassen die Menschen allein. Was ihr damit macht, ist eure Sache. - So kann es nicht gehen. Wenn Sie den Hafen schon schließen wollen, dann muss doch die Zukunft Friedrichskoogs im Mittelpunkt aller unserer Bemühungen stehen. Deswegen erwarte ich, dass gleichzeitig mit der Entscheidung über die Schließung des Hafens eine klare Zukunftsperspektive aufgezeigt wird. Sie ist überhaupt nicht in Sicht. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gerne. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege Breyer, eine kurze Zwischenbemerkung. Es ärgert mich schon4044 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 49. Sitzung - Donnerstag, 20. Februar 2014 (Vizepräsident Bernd Heinemann) etwas, dass Sie hier Unterstellungen in den Raum stellen, die so nicht von mir intendiert worden sind. Wir haben heute Morgen gehört, es gibt hydromorphologische Untersuchungen. Sie haben auch gehört, wie schwierig die Situation vor Ort ist. Es ist angeboten worden, Experten zu hören. Das sind ja nicht Leute, die erst seit gestern daran arbeiten, sondern sie arbeiten seit Jahren an diesem Thema. Sie unterstellen hier, dass keine Fachlichkeit im Spiel ist. Das ist etwas unfair; denn es ist heute Morgen sehr klar und sehr deutlich vom Staatssekretär dargestellt worden. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege Tietze, wie ernst kann ein Dialogprozess gemeint sein, der Ende des Monats stattfinden soll, wenn in der darauffolgenden Woche schon die Entscheidung bekannt gegeben werden soll? Wie ernst kann das gemeint sein? (Beifall PIRATEN, FDP und vereinzelt CDU - Serpil Midyatli [SPD]: Der Dialog läuft seit einem Jahr! - Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht wahr!) Wenn das Land bei diesem Landeshafen schon Millionen einsparen will, obwohl diese Hafenschließung die Region sehr teuer zu stehen kommen würde, dann wäre es doch nur fair, zumindest einen Teil von diesen Ersparnissen an die Betroffenen vor Ort zurückzugeben. Und es geht nicht darum, einfach zu sagen, entweder trägt sich euer Konzept vollständig selbst, oder zu sagen, wir machen insgesamt gar nichts. Die Landesregierung muss jetzt zeitnah - falls sie eine Schließung vornehmen will - Informationen über die angekündigte territoriale Investitionsstrategie vorlegen, über die nutzbaren EU-Förderprogramme, um dann auch die wirtschaftliche und juristische Zukunft Friedrichskoogs zu sichern. Den Menschen vor Ort ist das eine solche Herzensangelegenheit, dass sie sich seit Jahren für den Erhalt des Hafens einsetzen. Zuletzt haben sie heute Morgen hier vor dem Landeshaus gestanden. Ich finde es übrigens auch traurig, dass die Landesregierung das Gespräch mit den Menschen überhaupt nicht gesucht hat. (Serpil Midyatli [SPD]: Das stimmt gar nicht! Wir waren doch draußen! Sagen Sie einmal, was erzählen Sie denn hier? - Weitere Zurufe SPD) - Liebe Frau Kollegin, ich habe gesagt: die Landesregierung. (Serpil Midyatli [SPD]: Der Ministerpräsident war da! - Weitere Zurufe SPD) - Als ich da war, war er nicht da. Aber das freut mich. (Serpil Midyatli [SPD]: Das nächste Mal meldet er sich bei Ihnen an und ab, damit Sie das mitbekommen! - Weitere Zurufe SPD) - Es freut mich, dass er nachher noch gekommen ist. (Glocke Präsident) Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit läuft weiter, Sie haben das Wort. - Ich bitte um etwas Konzentration auf den Redner. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Den Menschen ist die Sache so wichtig, dass sie sogar eigene Klamotten bedruckt haben. Ich zeige Ihnen das einmal hier. - Ich glaube, wenn Sie die Friedrichskooger vor Ort und ihre Sorgen um die Zukunft ihrer Heimat nicht ernst nehmen, dann zerstören Sie Vertrauen, und zwar weit über Friedrichskoog hinaus. (Serpil Midyatli [SPD]: Sie haben das mit unterstützt!) Den Antrag der Koalition, der eine schnelle Entscheidung um jeden Preis fordert, egal, was dabei herauskommt, lehnen wir ab. Wir machen keine Schlussstrichpolitik. Wir können aber auch dem Antrag der CDU nicht zustimmen, weil darin eine Kommunalisierung vorausgesetzt wird, die von der Region selbst nicht so gewollt und gesehen wird. Infolgedessen sind wir da bei der FDP und fordern mit ihr, eine kritische Überprüfung und einen ergebnisoffenen Prozess endlich nachzuholen. Es ist wirklich Zeit. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Midyatli, wenn Sie meinen, dass die Menschen in Friedrichskoog wünschen, dass es auf der Grundlage, die jetzt vorliegt, schnell zu einer Entscheidung kommt, dann haben Sie nie mit ihnen gesprochen. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt!)
Offenlegung der Bezüge von Vorständen öffentlicher Unternehmen
Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gibt es eigentlich etwas Selbstverständlicheres als dass ein Unternehmer weiß, wie viel er seinen Mitarbeitern zahlt? Ist es nicht selbstverständlich, dass bei öffentlichen Unternehmen die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu wissen, wie viel sie Aufsichtsrats- und Geschäftsführungsmitgliedern zahlt? - In Hamburg ist das selbstverständlich. Dort gibt es einen Corporate Governance Kodex, demzufolge die Verfügung der Mitglieder der Geschäftsführung einzeln, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen, erfolgsbezogenen und anderen Komponenten offenzulegen sind. (Volker Dornquast [CDU]: Aber in Lübeck nicht!) In Nordrhein-Westfalen gibt es seit Jahren ein Offenlegungsgesetz. Auf internationaler Ebene gibt es seit 2006 OECDLeitsätze zur Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen, in denen es heißt: In Bezug auf die Vergütung der Board-Mitglieder und der Geschäftsführung gilt die Offenlegung personenbezogener Daten als gute Praxis. In Schleswig-Holstein gibt es bisher keine individualisierte Veröffentlichung, und deswegen ist es gut, dass es uns PIRATEN gibt, um die Landesregierung zu veranlassen, tätig zu werden. (Beifall PIRATEN - Zurufe) Wir haben in den letzten Jahren immer wieder beobachten dürfen: Wo es an einer öffentlichen Kontrolle der Höhe der Bezüge fehlt, kommt es immer wieder zu sprunghaften Anstiegen der Vergütung. Beispiel Hamburger Hafengesellschaft: Vom Jahr 2010 bis 2011 stieg das Jahresergebnis um 4 %, die Vergütungen bei den Vorständen explodierten aber um bis zu 117 %. Beispiel UKSH: Der Landesrechnungshof kritisiert seit Jahren eine ungewöhnlich hohe und stark ansteigende Höhe der Vorstandsgehälter trotz bekannt schlechter Finanzlage. In allen anderen Bundesländern sei es möglich gewesen, deutlich niedrigere Gehaltsvereinbarungen vorzunehmen. Trotz Beschluss des Landtages sei die Vergütung nicht reduziert worden. Wir haben in öffentlichen Unternehmen teilweise höhere Vergütungen, die teilweise ein Vielfaches der Vergütung von Bürgermeistern oder des Ministerpräsidenten betragen. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Unerhört!) Deswegen muss klar sein: Wir brauchen zwar gute Manager auch für öffentliche Unternehmen, aber die Höhe ihrer Bezüge muss dem kritischen Auge der Öffentlichkeit standhalten. (Beifall PIRATEN) Das letzte Wort muss immer der Eigentümer haben, also in dem Fall die Bürger. Die haben eine klare Meinung dazu. Laut Meinungsumfragen halten 91 % der Bürgerinnen und Bürger Managergehälter für zu hoch. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wundert nicht!) Wir PIRATEN fordern mit unserem Antrag an dieser Stelle eine verbindliche und individualisierte Veröffentlichung der Bezüge der Aufsichtsratsund Geschäftsführungsmitglieder öffentlicher Unternehmen des Landes und der Kommunen. Veröffentlicht werden sollen auch Erfolgsbeteiligungen, Boni, was für Altersvorsorge gezahlt wird und welche Vereinbarungen für den Trennungsfall getroffen sind - siehe HSH Nordbank. (Christopher Vogt [FDP]: Und das Alter!) Wir wollen, dass das nicht irgendwo in Geschäftsberichten versteckt wird, sondern auf einem zentra-2390 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 29. Sitzung - Freitag, 31. Mai 2013 (Dr. Patrick Breyer) len Internetportal abrufbar und weiter verwendbar ist. Es freut mich, dass die Landesregierung angekündigt hat, diesen Ball aufzunehmen. Allerdings halte ich es andererseits nicht für akzeptabel, dass meine Anfrage nach der Höhe der Bezüge gegenwärtig überhaupt nicht beantwortet worden ist. Die Frau Finanzministerin ist nicht mehr da. Sie hat gesagt: Bei Unternehmen mit nur einem oder zwei Geschäftsführern geht eine anonymisierte Veröffentlichung nicht. Wie ist es mit den anderen öffentlichen Unternehmen? Da wäre eine Veröffentlichung sehr wohl möglich. Ansonsten hätte ich doch erwartet, die Information zumindest nicht öffentlich zu erhalten. Ich werde da noch einmal nachfragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher, dass die von uns jetzt angestoßene gesetzliche Grundlage für eine Veröffentlichung der Bezüge die Transparenz über die Verwendung von Steuergeldern verbessern und die Akzeptanz öffentlicher Unternehmen stärken wird. Für uns PIRATEN muss klar sein: Wir wollen einen transparenten Staat und keine gläsernen Bürger. - Danke. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann natürlich aus Sicht der PIRATEN nur begrüßen, dass die Landesregierung und insbesondere die Finanzministerin ein Anliegen von uns aus dem vergangenen Jahr mit diesem Gesetzentwurf umgesetzt hat, nämlich das Anliegen, die Bezüge der Manager öffentlicher Unternehmen offenzulegen. Ich möchte mich bei der Finanzministerin bedanken - auch für die Ehrlichkeit, dass sie uns die Initiative zu Recht zugeschrieben hat. (Beifall PIRATEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht bei dieser Transparenz nicht darum, irgendwie die Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder unter einen Generalverdacht zu stellen. Es geht auch nicht darum, ihnen pauschal vorzuwerfen, dass ihre Bezüge überhöht seien oder dass sie unlauter handeln würden. Transparenz an diesem Punkt zu fordern, ist auch kein Populismus. Da kann ich deutliche Parallelen zum vorigen Tagesordnungspunkt - Stichwort: Karenzzeiten - erkennen. Wenn in der Öffentlichkeit teilweise exorbitante Bezüge oder unangemessen hohe Boni beziehungsweise Versorgungsbezüge in der Kritik stehen, ist doch nicht die Kritik an diesem Missstand für das schwindende Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verantwortlich, sondern dafür sind eben diese erhöhten Bezüge verantwortlich. Wir müssen bei all diesen Debatten aufpassen, dass wir nicht den Bock zum Gärtner machen und den Boten dafür verurteilen, dass er diese Botschaft überbringt. Wenn wir Vorschläge machen, um Missstände anzugehen und Transparenz zu schaffen, treten wir für die Sicherung von Vertrauen ein. Wir sind nicht dafür verantwortlich, dass dieses Vertrauen schwindet. An dieser Stelle schafft Transparenz mit Blick auf die Bezüge Vertrauen. Ich bin auch ganz grundlegend der Meinung: Öffentliche Unternehmen gehören der öffentlichen Hand. Der Inhaber eines Betriebs hat ein Recht darauf zu wissen, was in seinem Betrieb vorgeht. Bei öffentlichen Unternehmen in öffentlicher Hand hat jedes Mitglied der Öffentlichkeit das Recht zu erfahren, was in seinen beziehungsweise ihren Betrieben gezahlt wird. Wir haben ohne öffentliche Kontrolle teilweise durchaus ein sprunghaftes Ansteigen der Vergütungen feststellen müssen, etwa bei der Hamburger Hafengesellschaft. Es kommt aber immer wieder auch zu Kritik des Landesrechnungshofs mit Blick auf den UKSH-Vorstand. Nur Transparenz kann vor abgehobenen Gehältern und Boni schützen, die in keinem Verhältnis zur finanziellen Lage des Landes und zur finanziellen Situation der allermeisten seiner Bürger stehen. Teilweise übersteigen Bezüge in öffentlichen Unternehmen um ein Vielfaches diejenigen der Bürgermeister - bei kommunalen Unternehmen - oder diejenigen des Ministerpräsidenten - bei Landesanstalten. Ob das gerechtfertigt ist, muss durchaus der kritischen Betrachtung der Öffentlichkeit standhalten. Zu dem Argument, das würde zu einer Abschreckung der qualifizierten Bewerber führen, hat Lars Winter eigentlich alles schon ganz richtig ausgeführt und Kritik geübt. Es gibt eine Offenlegung in anderen Bereichen, unter anderem in der Politik. Ich glaube, niemand würde behaupten, dass wir qualifizierte Abgeordnete, Minister oder Ministerpräsidenten dadurch nicht gewinnen, dass ihre Bezüge transparent sind. 5832 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 71. Sitzung - Donnerstag, 9. Oktober 2014 (Dr. Heiner Garg) Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage beziehungsweise -bemerkung des Herrn Abgeordneten Torge Schmidt? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Torge Schmidt [PIRATEN]: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, geben Sie mir recht, dass die Angemessenheit von Gehältern sich nicht daran orientieren sollte, ob jemand mehr als ein anderer bekommt oder ob jemand gegebenenfalls deutlich mehr bekommt als ein anderer? Die Vergütung sollte doch vielmehr der Verantwortung für die Tätigkeit angemessen sein, die derjenige ausübt. Ist nicht ein exorbitantes Gehalt dann vorhanden, wenn es nicht der ausgeübten Tätigkeit entspricht? - Es ist richtig, dass das Maß der Vergütung die Tätigkeit sein sollte und das Maß der Verantwortung, die damit einhergeht. Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Letztlich ist es Sache der Öffentlichkeit zu beurteilen, ob Gehälter angemessen sind oder nicht. Dazu hat jeder eine andere Meinung. Dieses Gesetz schafft die Voraussetzungen dafür, dass sich die Öffentlichkeit überhaupt erst einmal damit auseinandersetzen und eine Meinung über die Angemessenheit bilden kann. Denn solange die Bezüge geheim sind, kann man sich nicht damit auseinandersetzen. Ich bin der Meinung, dass der Ministerpräsident die Aufgabe hat, ein gesamtes Land zu führen. Das bildet einen Maßstab - auch gegenüber denjenigen, die einen kleineren Verantwortungsbereich haben. Wenn man bejaht, dass es dort eine Diskrepanz gibt, kann man sich immer noch darüber streiten: Ist der Ministerpräsident unterbezahlt, oder ist der Manager überbezahlt? Aber ich finde: Wer ein ganzes Land regiert - das gilt auch für die Bundeskanzlerin -, hat ein Höchstmaß an Verantwortung. Das bildet den Maßstab. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wird dann teuer, wenn wir sie wie in DAX-notierten Unternehmen bezahlen!) Frau Ministerin, Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir uns die Details Ihres Gesetzentwurfs im Ausschuss sehr kritisch ansehen möchten und dass dazu eine Anhörung erforderlich ist. Wir haben in unserem ursprünglichen Antrag konkrete Eckpunkte vorgesehen, wie wir uns das Gesetz wünschen würden. Soweit ich Ihren Gesetzentwurf richtig verstehe, ist zum Beispiel keine Offenlegung von Altersvorsorgebezügen und -zusagen enthalten. Weiterhin sind, wie ich den Entwurf verstehe, auch keine Vereinbarungen für den Trennungsfall enthalten. Gerade diese Punkte sind in der Vergangenheit immer wieder in der öffentlichen Kritik gewesen: Oft seien überhöhte Pensionszusagen oder auch Abstandszahlungen im Trennungsfall gezahlt worden. - Deswegen sollte das in der Offenlegungspflicht unbedingt enthalten sein. (Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Uns ist auch ganz wichtig, dass diese Bezüge nicht irgendwo in Geschäftsberichten versteckt werden, wo man sie nicht findet, sondern vielmehr sollten wir, wie es in unserem Antrag enthalten ist, eine zentrale Veröffentlichung auf einem Internetportal haben, das gern von der Landesregierung betrieben werden kann. (Zuruf Ministerin Monika Heinold) - Ja klar, aber dann müssen wir schauen, dass wir im Gesetz festhalten, dass es eine Pflicht gibt, diese Angaben maschinenlesbar abzuliefern. Denn dann können wir sie aufbereiten und bereitstellen. Es kann nicht sein, dass sich die Regierung das irgendwie zusammensuchen muss. Da sollten wir in den Ausschussberatungen noch einmal prüfen, wie wir das gesetzlich absichern können. (Beifall Uli König [PIRATEN] und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich darauf, dass wir diesen Entwurf noch gemeinsam verbessern werden, damit wir wirklich eine echte öffentliche Kontrolle hinbekommen, um überzogenen Managergehältern und -renten entgegenzuwirken und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die angemessene Bezahlung der Manager dieser Unternehmen zu sichern. - Vielen Dank.
Wohnraum
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Jeder Bürger, jede Bürgerin in Schleswig-Holstein hat ein Recht auf Wohnraum, den sie oder er sich leisten kann. So steht es im Sozialpakt der UNO. Wenn wir uns unser Land ansehen, finden wir in bestimmten Bereichen einen entspannten Wohnungsmarkt vor - Westküste, Neumünster -, in anderen Bereichen aber einen sehr angespannten Wohnungsmarkt. Das ist auf Sylt extrem der Fall, das ist im Hamburger Umland der Fall, das ist aber auch in den Universitätsstädten Kiel und Lübeck der Fall. Hier haben wir überdurchschnittlich hohe Mieten und auch überdurchschnittlich stark noch weiter ansteigende Mieten in Schleswig-Holstein. Woran liegt das? Erstens ist ein Faktor für diese Entwicklung, dass in bestimmten Bereichen Wohnraum umgenutzt oder auch zweckentfremdet wird. So wird zum Beispiel Dauerwohnraum auf Sylt als Ferienwohnung oder zur Zimmervermietung genutzt. Wenn solcher Dauerwohnraum wegfällt, führt das dazu, dass eine Insel wie Sylt ausstirbt. Das merkt man an der Freiwilligen Feuerwehr, bei der Menschen fehlen; das merkt man an Schulen, die geschlossen werden müssen. Wir PIRATEN fordern deswegen von der Landesregierung, die Zweckentfremdung von Wohnraum in diesen Mangelgebieten von einer Ausnahmegenehmigung abhängig zu machen. (Beifall PIRATEN) In Hamburg gibt es ein solches Gesetz schon längst, in Berlin ist es geplant, in Bayern schon umgesetzt. Wir brauchen das auch in Schleswig-Holstein. Zweite Ursache für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum sind übermäßig hohe Mieterhöhungen. Wo Menschen durch zu stark ansteigende Mieten aus ihrer Heimat, aus ihren Wohnungen, verdrängt werden, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, kommt es zum Phänomen der so genannten Gentrifizierung, das heißt, dass bestimmte Wohngegenden nur noch von Menschen mit hohem Einkommen zu bezahlen sind. Das ist eine ungesunde Entwicklung. Deswegen fordern wir PIRATEN, den bundesgesetzlichen Spielraum bezüglich der Begrenzung von Mieterhöhungen auszuschöpfen und die Kappungsgrenze von 20 % auf 15 % abzusenken, soweit es geht. (Beifall PIRATEN) Auch wenn das unzureichend ist, müssen wir doch wenigstens diese Möglichkeit, die wir als Land konkret haben, ausschöpfen, wie es auch andere Bundesländer schon längst tun. Unser Innenminister fordert öffentlich eine bundesweite Absenkung der Kappungsgrenze von 20 auf 15 %. Dann müssen Sie doch wenigstens hier in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, die wir haben, ausschöpfen und das in den Gebieten tun, wo wir eine besondere Mangellage haben. (Beifall PIRATEN) Die dritte Ursache ist, dass wir teilweise sogar einen Wohnungsleerstand haben oder auch einen Verfall von Wohnraum, der sich nicht mehr nutzen lässt. Wir PIRATEN fordern seit Monaten ein Wohnungsaufsichtsgesetz. Aber Herr Innenminister Breitner ist über eine Ankündigung, über ein Versprechen zu diesem Punkt, leider bisher nicht hinausgekommen. Ich muss schon sagen, es ist ein sehr starker Kontrast zu Ihrem Wahlkampf, den Sie als Rot-Grün mit der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum machen, dass es eine rot-grüne Koalition gewesen ist, die das Wohnungsgesetz im Jahr 2004 aufgehoben hat. Auf andere kontraproduktive Aktionen wie Privatisierung öffentlicher Wohnungen will ich gar nicht zu sprechen kommen. Aber wenn Sie mit einem solchen Thema in den Wahlkampf ziehen, müssen Sie auch das tun, was wir hier als Land tun können. Leider bewegt sich die Landesregierung bei diesem Thema bisher nur auf Ramsauer Niveau: Bauen, bauen, bauen. - Das reicht nicht aus. (Beifall PIRATEN) Neu bauen dauert lange; es ist teuer; und es wird nach Ihren Plänen gerade einmal rund 1.300 Wohnungen schaffen. Das geht doch an den Sorgen der allermeisten Mieterinnen und Mieter hier in Schleswig-Holstein vorbei. Uns geht es mit unserer Initiative darum, den Tausenden oder Zehntausenden von Menschen zu helfen, die nicht in den Genuss dieser Wohnungen werden kommen können. Deswegen bitte ich Sie heute alle: Lassen Sie uns heute beschließen, alle unsere Möglichkeiten als Land Schleswig-Holstein zu nutzen und auszuschöpfen,2748 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 34. Sitzung - Donnerstag, 22. August 2013 (Dr. Patrick Breyer) um auch in den besonders nachgefragten Gebieten unseres Landes bezahlbaren Wohnraum zu sichern und zu erhalten. Wir hatten jetzt viel Zeit zu reden, und jetzt ist die Zeit zu handeln. - Danke. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, zur Aufklärung nicht nur der beiden älteren Herrschaften im Hause beizutragen. Der Innenminister hat in seinem Bericht zu Recht darauf hingewiesen, dass in verschiedenen Gebieten in unserem Land die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum durchaus gefährdet ist. Dazu gehört insbesondere die Insel Sylt, dazu gehört das Hamburger Umland und, gerade bezogen auf kleine Wohnungen, durchaus auch die Universitätsstädte Kiel und Lübeck. Wir haben hier überdurchschnittlich hohe oder überdurchschnittlich ansteigende Mieten zu verzeichnen. Ich rede hier übrigens über Kaltmieten. Es geht hier nicht um die Nebenkosten. (Beifall Detlef Matthiessen 90/DIE GRÜNEN]) [BÜNDNIS Das trifft gerade Menschen mit geringem Einkommen besonders hart. Das sind Studierende, das sind Rentenbezieher, das sind Empfänger sozialer Transferleistungen, das sind kinderreiche Familien. Nun allerdings als Lösung dieses Problems die Offensive für bezahlbares Wohnen zu verkaufen, finde ich sehr überraschend. Bei dieser Offensive ist bisher nur wenig rumgekommen. Das höre ich aus-4300 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 52. Sitzung - Donnerstag, 20. März 2014 (Dr. Patrick Breyer) gerechnet vom Mieterbund, der diese Initiative ja selber mitträgt. Dort ist man enttäuscht von den bisherigen Ergebnissen. Ich kann das sehr gut verstehen; denn der Neubau von einigen tausend Wohnungen ist ja doch, auf die Menge betrachtet, gerade mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Bauen, bauen, bauen hilft eben nicht, wenn gleichzeitig der vorhandene Wohnraum immer teurer wird. Das hilft nicht an den Orten, an denen einfach kein Platz mehr ist, um neu hinzuzubauen. (Beifall Detlef Matthiessen 90/DIE GRÜNEN]) [BÜNDNIS Wenn von vielleicht 100 Menschen, die in Schleswig-Holstein zur Miete wohnen - es sind ja mehr als 600.000 -, einer von diesem neuen Wohnraum profitieren kann, dann bleiben immer noch 99 übrig, denen durch diese Initiative nicht geholfen wird. Von früher einmal 220.000 Sozialwohnungen sind heute gerade mal 65.000 übrig. Die Tendenz fällt weiter. Allein in diesem Jahr sollen weitere 15.000 wegfallen. Darüber, wie hier gegengesteuert werden soll, habe ich nichts gehört. Sie helfen mit Ihrer Initiative ein paar tausend Glücklichen. Wir PIRATEN möchten aber auch den restlichen 650.000 Mieterinnen und Mietern helfen, die mit steigenden Mieten zu kämpfen haben. Deswegen fordern wir erstens - das haben wir schon seit einem Jahr beantragt -, die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen abzusenken, wie es drei andere Bundesländer schon längst getan haben. Der Kreis Pinneberg fordert das, der Mieterbund fordert das, die Studierenden fordern das. Deswegen freut es mich - deshalb auch Dank an die Koalition -, dass der Innenminister nach einem Jahr endlich auch veranlasst werden konnte zuzusagen, dass die Verordnung noch bis zur Sommerpause kommen soll. Das ist ein gutes Zeichen. Vielleicht an die Kollegen von der CDU, die das angegriffen haben: Es geht an der Stelle um Vertrauensschutz. Wenn ich als Vermieter eine Wohnung unter dem durchschnittlichen Mietpreis vermiete, dann kann ich nicht erwarten, jederzeit aus einem bestehenden Vertragsverhältnis wieder herausgehen zu können. Dann muss ich mich an dem Vertrag, den ich selbst geschlossen habe, festhalten lassen. Deswegen finde ich es völlig in Ordnung, die Erhöhungsmöglichkeiten auf ein angemessenes Maß zu begrenzen. Wir brauchen zweitens gerade auf Sylt eine Verordnung zum Zweckentfremdungsverbot. Der Gemeinderat Sylt hat dies ausdrücklich gewünscht. Wir haben hier eine Sondersituation. Die Mieten dort sind dreimal so hoch wie anderswo im Land und steigen noch weiter an. Es gibt auf Sylt praktisch überhaupt keinen bezahlbaren Dauerwohnraum mehr. Immer mehr vorhandene Wohnungen werden umgewandelt in Ferienwohnungen oder verkauft als Zweitwohnung. Die Hälfte der Sozialwohnungen auf Sylt wird in den nächsten Jahren wegbrechen. Das führt dazu, dass immer weniger Menschen überhaupt noch auf Sylt wohnen, dass es immer weniger Nachwuchs gibt. Das führt dazu, dass die Infrastruktur wegfällt. Mehrere Schulen haben schon schließen müssen. Die Schließung weiterer Schulen steht an. Soziale Angebote müssen zurückgefahren werden. Die Betreuung und Pflege alter Menschen ist nicht mehr möglich, weil es sich Pflegekräfte nicht mehr leisten können, auf Sylt zu wohnen. Das hat auch wirtschaftliche Folgen. Die Wirtschaft hat einen Mangel an Arbeitskräften zu verzeichnen, weil die Menschen es sich einfach nicht mehr leisten können, dort zu wohnen. Das betrifft auch den Bereich der Daseinsfürsorge, nämlich die Polizei und die Feuerwehr. Inzwischen müssen die meisten Polizisten und Feuerwehrleute schon vom Festland aus pendeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zumindest Sylt braucht ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum. Setzen Sie es endlich um! (Beifall PIRATEN und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Herr Kollege Tietze, das freut mich sehr. Vielleicht können wir zusammen eine Anhörung dazu beantragen oder anders den Innenminister überzeugen. Das versuchen wir schon seit einem Jahr. Ich hatte sogar einmal angeboten, mit dem Ausschuss nach Sylt zu fahren, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Vielleicht hilft das ja. Die Situation ist wirklich dramatisch. Wir brauchen außerdem eine Vereinbarung über die verfügbaren Flächen und Wohnungen des Bundes und des Landes, um diese der Kommune zur Verfügung zu stellen. Schließlich hätten wir drittens die Möglichkeit, gegen Leerstand vorzugehen. Über die Grenze in Hamburg gibt es solche gesetzlichen Regelungen gegen den Leerstand von Wohnungen. Bei uns gibt es eine solche Regelung nicht. Ich finde, die Landesgrenze macht keinen Unterschied. Im Hamburger Umland haben wir genau dieselbe Situation.Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 52. Sitzung - Donnerstag, 20. März 2014 4301 (Dr. Patrick Breyer) Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Im Fußball sagt man: Durch eine Offensive verkauft man Karten. Durch Verteidigung gewinnt man die Meisterschaft. (Serpil Midyatli [SPD]: Du hast doch überhaupt keine Ahnung von Fußball!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns deswegen Offensive für bezahlbaren Wohnraum um eine Verteidigung des vorhandenen bezahlbaren Wohnraums ergänzen. Dann können die Menschen in Schleswig-Holstein, die auf Wohnungssuche sind, auf einen Aufstieg hoffen. - Danke schön. (Beifall PIRATEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion! Schön, dass auch Sie endlich das Problem des bezahlbaren Wohnraums entdeckt haben, das wir schon seit Tagen behandeln und diskutieren. Leider muss ich mich Frau Kollegin Midyatli anschließen, (Zuruf Serpil Midyatli [SPD]: Leider?) dass bei dem Potpourri Ihrer verschiedenen Forderungen kaum etwas Konkretes und Brauchbares dabei ist. (Beifall PIRATEN) Sie fordern bereits im Ausgangspunkt viel zu undifferenziert die verstärkte Schaffung von Wohnraum, obwohl der Bedarf je nach Region in unserem Land sehr unterschiedlich ist. Es kommt auch darauf an, welchen Wohnraum wir schaffen: Handelt es sich um bezahlbaren Wohnraum, oder geht es vielleicht um noch weitere Luxuswohnungen auf Sylt, von denen wir wohl nicht mehr gebrauchen können? (Beifall PIRATEN) In unserem Land ist der Flächenverbrauch durchaus ein Problem. Deswegen müssen wir auch einem unbegrenzten und ziellosen Bauen eine Absage erteilen. (Beifall PIRATEN und SSW) Die Unterschutzstellung von Denkmälern hat mit der Schaffung von Wohnraum kaum etwas zu tun. Die allgemeine Forderung nach einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist so nicht sinnvoll, weil Sie nicht dazusagen, was in diesen Verfahren wegfallen soll. Manchmal führt mehr Bürgerbeteiligung bei einer Gesamtbetrachtung zu insgesamt kürzeren Verfahren. Deshalb ist eine pauschale Beschleunigungsforderung hier nicht zielführend. (Beifall PIRATEN und SSW) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 54. Sitzung - Mittwoch, 9. April 2014 4431 (Detlef Matthiessen) Ich meine auch, dass die pauschale Ablehnung steigender Anforderungen an den Bau nicht sinnvoll ist. Denn Sie selber sind dafür, in Teilbereichen nachzusteuern, zum Beispiel im Bereich des barrierefreien Bauens. Deswegen kann man einer solchen Forderung so pauschal nicht zustimmen. Außerdem machen Sie Stimmung für eine Verordnung gegen die Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen, gegen das geplante Wohnungsaufsichtsgesetz und gegen eine Zweckentfremdungsverordnung. Dabei sind doch gerade das die Instrumente, die für den Schutz bezahlbaren Wohnraums sorgen sollen. Am Bauen hindern Sie auch niemanden, denn bei Neubauten können Miete und Verwendungszweck völlig frei festgelegt werden. Mit der Ermöglichung von Wohnungsbau hat Ihre Opposition gegen diese Maßnahmen nichts zu tun. Lesen Sie übrigens einmal Ihren eigenen Koalitionsvertrag auf Bundesebene durch. Dort steht geschrieben, dass die Regelung zur Absenkung der Kappungsgrenze bestehen bleiben soll, dass die Neuvermietungskosten begrenzt werden sollen, dass die Umlage der Modernisierungskosten begrenzt werden soll, dass wirksame Instrumente gegen grobe Vernachlässigung von Wohnraum durch den Eigentümer notwendig seien und geprüft werden sollen. Haben Sie eigentlich Ihren eigenen Koalitionsvertrag auf Bundesebene gelesen? Ich habe den Eindruck, dass Sie das nicht getan haben. Wenn wir schon über Wohnungsbau sprechen, warum blenden Sie in Ihrem Antrag den sozialen Wohnungsbau völlig aus? Wir haben doch das Problem, dass es gerade da, wo es um die bedürftigen Menschen in unserem Land geht, der Bestand an Sozialwohnungen immer weiter absinkt. Während es früher einmal 220.000 Wohnungen in Schleswig-Holstein gewesen sind, sind jetzt gerade noch 65.000 solcher Wohnungen übrig. Weitere 15.000 Sozialwohnungen werden im Laufe dieses Jahres aus der Bindung herausfallen. In Anbetracht der steigenden Zahl einkommensschwacher Haushalte muss hier dringend eine Trendwende her. Der gesamte Wohnungsbau nutzt auch dann nichts, wenn die Wohnungen am Ende leer stehen. Deswegen sollten wir hier im Landtag die Möglichkeit nutzen, Leerstände zu verbieten, gerade in Mangelgebieten wie auf den Inseln, im Hamburger Umland, in Kiel und in Lübeck. Leider tut die Regierung auf diesem Gebiet noch gar nichts. Die Menschen erwarten aber, dass die Landesregierung beim Thema bezahlbarer Wohnraum endlich in die Gänge kommt. Wir PIRATEN haben schon Verordnungen zur Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen und gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum beantragt. Außerdem arbeiten wir gerade - das kann ich an dieser Stelle ankündigen - an einem Gesetzentwurf gegen Wohnungsleerstand, Wohnungsumwandlung und Wohnungsabriss in Mangelgebieten. Denn Wohnen ist das Recht eines jeden Menschen. Dafür setzen wir PIRATEN uns ein. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Erlauben Sie mir heute, unseren Gesetzentwurf zur Sicherung von Dauerwohnraum in Schleswig-Holstein vorzustellen. Ich denke, ich brauche die Zeit, um auf alle Argumente einzugehen. Wir haben in Schleswig-Holstein ein sehr unterschiedliches Bild, was die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum angeht. Wir haben leider immer noch zu viele Städte und Gemeinden, in denen Menschen vergeblich nach Wohnraum suchen, der ihren Bedürfnissen gerecht wird. Allein das Innenministerium hat in seiner Untersuchung, die schon sehr harte Kriterien anlegt und zu lückenhaft ist, 24 Städte und Gemeinden in Schleswig-Holstein identifiziert, in denen es an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Das betrifft die Inselgemeinden, das betrifft die Bädergemeinden, das betrifft das Hamburger Umland, aber auch Kiel und Flensburg. Wenn bezahlbarer Wohnraum fehlt, dann trifft das in erster Linie Menschen, die kleine Wohnungen benötigen. Das fängt bei Studenten an, geht weiter mit den Berufstätigen und endet bei den Menschen, die in Rente sind. Ausgerechnet diese Menschen suchen häufig vergeblich nach bezahlbarem Wohnraum in diesen Regionen. Besonders hart ist die Lage auf der Insel Sylt. Auf Sylt gibt es praktisch überhaupt keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Die Mieten sind dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt. Ein Gutachten des ifs- Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass schon heute 1.700 bezahlbare Wohnungen auf der Insel fehlen. Bis zum Jahr 2025 sollen es 2.800 sein. Schon 36 % des Wohnungsbestands wird touristisch vermietet, weitere 25 % als Zweitwohnungen genutzt. Das heißt, dass nur noch der kleinere Teil der Wohnungen als Dauerwohnraum zur Verfügung gestellt wird. Die Folge davon ist, dass es auf Sylt immer weniger Menschen gibt, die noch auf der Insel wohnen, dass es vor allem immer weniger junge Menschen und Familien gibt. Und wenn die Nachfrage abnimmt, sinkt auch das Angebot, was die Daseinsvorsorge angeht: Schulen müssen schließen, es gibt Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 69. Sitzung - Freitag, 12. September 2014 5617 weniger Kitas, die Anzahl der Sportvereine nimmt ab, und auch die Feuerwehr hat Schwierigkeiten, überhaupt noch genügend Nachwuchs zu finden. Das führt aber auch zu einem drastischen Arbeitskräftemangel auf der Insel, und das wiederum kann dazu führen, dass zum Beispiel für die Altenpflege nicht genügend Menschen zur Verfügung stehen, weil die es sich einfach nicht leisten können, auf der Insel zu wohnen, um jemanden zu pflegen. Insgesamt droht wirklich ein Sterben dieser Insel. In Anbetracht dieser dramatischen Situation genügt es nicht, Herr Innenminister, wenn Sie mit Ihrem Masterplan einige Millionen zur Wohnraumförderung bereitstellen. Das wird vielleicht - ich habe es einmal ausgerechnet - 400 zusätzliche Wohnungen finanzieren können. Wenn aber heute schon 1.700 fehlen, und der Gutachter Ihnen sagt, bis 2025 werden noch einmal über 900 Wohnungen im Bestand wegfallen, dann reicht es nicht aus, ein paar Wohnungen mehr zu bauen. Vor diesem Hintergrund haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein neues Instrument vorsieht. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank, Herr Kollege, ich bin doch etwas stutzig geworden. Herr Innenminister Breitner hat das Wohnraumkonzept des Landes auf der Insel Sylt vorgestellt. Ich war persönlich dabei. Alle Gemeindevertreter sämtlicher Parteien waren sehr beeindruckt - auch der Vertreter der Piratenpartei, der jetzt Ihr Vorsitzender ist, war anwesend -, und es herrschte eine einmütige Stimmung, dass das Land hier das Richtige tut. Es ist auch zum ersten Mal deutlich geworden, dass hier das Land nur gemeinsam mit den Sylter Gemeinden Hand in Hand arbeiten kann. Es ist unmissverständlich klar geworden, dass dieses Konzept wirklich nachhaltig dazu beiträgt, dass wir junge Familien, die Beschäftigte des Landes sind, Lehrerinnen, Lehrer, Polizistinnen und Polizisten, auf die Inseln holen. Ich will die Stimmung wiedergeben, die im Sommer vorhanden war: Es wurde einvernehmlich gesagt, dies ist ein gutes Konzept und hilft sehr, die Wohnraumfrage auf Sylt zu lösen. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege, ich will dies gar nicht schmälern oder bestreiten. Diese Initiative hilft sicherlich in der Tat, sie ist ein wichtiger Beitrag und geht in die richtige Richtung, sie reicht aber bei Weitem nicht aus. Wenn der Innenminister selbst ausrechnet, dass in der Gemeinde Sylt dadurch etwa 270 Wohnungen neu gefördert werden können, kommt das nicht annähernd an den Bedarf heran, der wie gesagt auf 2.800 Wohnungen geschätzt wird. Außerdem haben Sie das Problem, dass der Bestand an Dauerwohnraum immer weiter wegbricht, weil es aus finanziellen Gründen viel attraktiver ist, Ferienwohnungen zu vermieten. Die Gutachter schreiben dazu in ihrem Gutachten: Wer neu baut, wird freiwillig keinen Dauerwohnraum bauen. Zudem sorgt das jetzt aufgelegte Programm nur für die Dauer der Bindungsfrist dafür, dass es sich um Wohnraum handelt. Danach kann das weiterhin genutzt werden, wenn man nicht gegensteuert. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, neben Ihrem Programm auch gegen die ausufernde Ferienwohnungsvermietung vorzugehen. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine weitere Anmerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank, Herr Kollege Breyer. - Ich bitte Sie, auch hierbei nicht mit pauschalen Bewertungen zu kommen. Ich lebe auf dieser Insel und kenne einen großen bekannten Bauunternehmer, der soeben in ein Gewerbegebiet gezogen ist und der nun auf seinem alten Grundstück Mietwohnungen baut. Es gibt also auch auf der Insel immer wieder Menschen, die sich dazu verpflichtet fühlen, Wohnraum für Sylter zu schaffen. Gleich- 5618 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 69. Sitzung - Freitag, 12. September 2014 (Dr. Patrick Breyer) wohl haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass die Situation angespannt ist. Ich bitte Sie aber auch zur Kenntnis zu nehmen, dass sehr viel Fläche des Inselgrundes Naturschutzgebiet ist. Das heißt, es lassen sich kaum neue Flächen erschließen. Auch das müssen wir bedenken. Deshalb möchte ich Ihnen sagen, dass es bereits Lösungen auf der Insel gibt, die umgesetzt werden. Wir werden aber nicht umhin kommen, auch einmal wertzuschätzen, dass es Menschen aller gesellschaftlichen Schichten gibt, die sich dem Problem annehmen, Wohnraum auf Sylt zu schaffen. Dies sind übrigens auch Menschen, die ein Haus geerbt, es aber nicht verkauft haben, sondern dem Wohnungsmarkt weiter zur Verfügung stellen. Ich finde, auch das müssen wir wertschätzen. Das ist wichtig. Das ist Wohnraum, den wir dringend brauchen. (Angelika Beer [PIRATEN]: Das war die Wahlkreisrede!) - Meine Wertschätzung findet das durchaus, wie ich es bereits ausgedrückt habe, Herr Kollege Dr. Tietze. Wie Sie es bereits gesagt haben, besteht das Problem aber auch im Bereich des Naturschutzes. Es gibt nicht beliebig viele Flächen. Das kann man nicht durch Neubau ausgleichen. Das geht allein wegen der Flächenproblematik schon nicht. Ein Neubau nutzt auch nichts, wenn gleichzeitig der bestehende Dauerwohnraum immer weiter abnimmt. Das Gutachten, das im Übrigen von Sylt in Auftrag gegeben worden ist, bescheinigt Ihnen ja, dass die Zahl der Wohnungen, die als Dauerwohnraum überlassen werden, in den vergangenen Jahren ständig abgenommen hat und weiter zurückzugehen droht. Daher wird dieses Konzept allein nicht reichen. Wir sagen: Wenn eine ganze Insel vor dem Aussterben steht oder wenn dieses Problem in geringerem Maße auch in anderen Regionen vorhanden ist, dann brauchen wir Vorfahrt für die Menschen vor Ort, die dort leben und arbeiten wollen. Deswegen sieht unser Gesetzentwurf Folgendes vor: Die Städte und Gemeinden sollen das Recht erhalten, durch eine Satzung festzulegen, dass Wohnungen nicht mehr ohne Genehmigung zu anderen Zwecken umgenutzt, leer stehen gelassen oder gar abgerissen werden dürfen. Nach unserem Vorschlag soll jede Gemeinde und jede Stadt selbst darüber entscheiden, ob sie von diesem Instrument Gebrauch machen will. Das heißt letztendlich, Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Kommunalparlamenten sollen das in der Hand haben. Wir wollen das niemandem aufzwingen. Ich glaube aber, wir sollten allen Gemeinden und Städten die Möglichkeit geben, vor Ort selbst zu entscheiden, ob dieses Instrument für sie Sinn macht. Wir haben Ausnahmen vorgesehen. Nicht tangiert wird zum Beispiel die Nutzung als Zweitwohnung. Hierbei ist die Zweitwohnungssteuer meines Erachtens das bessere Instrument. Es bleibt möglich, Wohnungen weiterhin zu anderen Zwecken zu verwenden, wenn dies zum Bestreiten des Lebensunterhalts gegenwärtig oder im Alter notwendig ist. Auch sonst können überwiegende private Interessen eine Ausnahmegenehmigung ermöglichen. Dieser Gesetzentwurf ist ausdrücklich verfassungskonform. Das Bundesverfassungsgericht hat sich schon vor Jahrzehnten mit einer entsprechenden Bundesregelung befasst und festgestellt, dass dadurch kein Eingriff in das Eigentum gegeben ist, sondern dass dies eine zulässige Ausgestaltung ist. Dies ist jedenfalls so, wenn die Eigentümer durch Dauervermietung ihr Eigentum einsetzen können und wenn für Sonderfälle Ausnahmegenehmigungen möglich sind. Genau das sieht unser Gesetzentwurf vor. Solche Gesetze haben sich bereits in vielen Bundesländern bewährt. Dies gilt etwa für unser Nachbarland Hamburg, aber auch für Berlin, Bayern, Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es sind durchaus auch Länder mit SPD-, CDU- oder CSUFührung dabei. Das ist also keine Frage der Parteizugehörigkeit. Der Neubau von Wohnungen wird durch dieses Gesetz nicht erschwert. Wenn Sie Wohnraum neu bauen wollen, bleibt das nach unserem Gesetzentwurf voll und ganz möglich. Wenn Sie Ferienwohnungen neu bauen wollen, bleibt das nach unserem Gesetzentwurf möglich, weil dies keine Zweckentfremdung ist. Bei unserem Gesetz geht es darum, dass Wohnraum, der als Wohnraum genehmigt und gebaut worden ist, nicht mehr ohne Genehmigung zu anderen Zwecken entfremdet werden darf. Auch die Unterhaltung von solchen Gebäuden bleibt voll umfänglich möglich. Angesichts der Tatsache, dass die Mieten auf Sylt dreimal so hoch sind wie sonst im Land, kann niemand bestreiten, dass es sich lohnt, dort dauerhaft Wohnraum zu vermieten. Viele tun das ja. Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Alternative wird diskutiert, neu zu bauen. Das nützt Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 69. Sitzung - Freitag, 12. September 2014 5619 (Dr. Patrick Breyer) aber nichts, solange der Bestand an Dauerwohnraum in größerem Umfang abnimmt, wie dies zum Beispiel auf Sylt der Fall ist. Außerdem wird diskutiert, mithilfe des Baurechts gegen die Ferienwohnungsvermietung vorzugehen. Es ist gerichtlich nicht geklärt, ob das möglich ist. Außerdem kann man so nicht gegen Leerstand vorgehen. Das Baurecht hilft an dieser Stelle nicht. Außerdem wird eine Milieuschutzverordnung diskutiert, die der Innenminister ins Spiel gebracht hat. Eine solche hätte aber andere Voraussetzungen und hilft deshalb auch nicht gegen den Leerstand. Ferner wird eine Mietpreisbremse diskutiert, über die auch auf Bundesebene debattiert wird. Diese hilft aber nur dann, wenn überhaupt noch dauerhaft vermietet wird. Wenn eine Wohnung als Ferienwohnung vermietet wird, hilft die beste Mietpreisbremse nicht, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist unser Gesetzentwurf ein wirksames zusätzliches Instrument zu den vorhandenen Plänen. Er ist moderat und ausgeglichen. Er lehnt sich an das Gesetz in Berlin an, das von einem schwarz-roten Senat auf den Weg gebracht worden ist und das auch Ausnahmen vorsieht, die die Versorgung der örtlichen Bevölkerung zulässt und so weiter. Dieser ermöglicht vor allem auch eine schnelle Abhilfe. Eine schnelle Abhilfe brauchen wir, weil wir ganz akut die Lage haben, dass Arbeitskräfte auf Sylt nach Wohnungen suchen, dass Studierende zum neuen Semester nach Wohnungen suchen werden. In Kiel und Flensburg ist dies zum Beispiele der Fall. Diejenigen, die die Stellungnahmen zu unserem Gesetzentwurf gegen die Zweckentfremdung gelesen haben, werden wissen, dass nicht nur der Mieterbund unseren Ansatz unterstützt. Auch die Studierendenvertreter aus Kiel und Lübeck haben ausdrücklich geschrieben, dass sie sich dieses Instrument wünschen. Zudem hat uns die Gemeindevertretung in Sylt gebeten, zu prüfen, ob man durch ein solches Zweckentfremdungsverbot Abhilfe schaffen kann. Ferner hat sich der Bauamtsleiter der Gemeinde Sylt in der Zeitung so geäußert, dass er jedes Instrument begrüßt, das in diese Richtung geht. Ich habe mich deswegen sehr gefreut, dass nach anfänglicher Verweigerungshaltung des Innenministers, der uns noch im März dieses Jahres erklären ließ, es bestehe kein Bedarf nach einem solchen Instrument, überraschend auf dem Verbandstag des Mieterbundes erklärt hat, er wolle einen Wohnraumpflegegesetzentwurf vorlegen, der auch eine Zweckentfremdungsregelung vorsehen soll. Das freut mich. Da sind Sie sozusagen in die richtige Richtung umgefallen. (Beifall PIRATEN) Ich hoffe, dass wir das zügig in Angriff nehmen können. Ich glaube, dass man beide Fragen trennen kann, dass Sie an einem Wohnraumpflegegesetzentwurf arbeiten und wir gleichzeitig das Problem der Zweckentfremdung durch unseren Gesetzentwurf lösen können, sodass eine Lösung nicht mehr so lange auf sich warten lässt. Ich schlage deswegen vor, dass wir unseren Gesetzentwurf im Ausschuss weiter behandeln und eine Anhörung dazu durchführen und dann zügig zu einer Lösung kommen; denn die Menschen, die in Schleswig-Holstein bisher vergeblich nach bezahlbarem Wohnraum gesucht haben, sind dringend darauf angewiesen. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über die konstruktive Beratung unseres Gesetzentwurfs. Ich nehme mit Respekt zur Kenntnis, dass sich SPD und Grüne einen umfassenderen Ansatz wünschen, der auch Wohnraumpflege des vorhandenen Bestands umfasst. Das ist eine durchaus respektable Position. Das Problem ist nur, dass Sie bisher überhaupt keinen von diesen beiden Ansätzen verfolgt haben. (Beifall PIRATEN) Wir legen zumindest auf dem Gebiet des Zweckentfremdungsverbots endlich einen konkreten Ansatz vor. Frau Kollegin Midyatli, wir sollten die Reihenfolge nicht durcheinanderbringen. Es war ja nicht so, dass Ihr Innenminister vorgeprescht ist und wir jetzt handeln. Es war so, dass wir bereits im letzten Jahr einen Antrag vorgelegt haben, der ein Zweckentfremdungsverbot gefordert hat. Herr Kollege Kubicki, der Antrag ist im Ausschuss nicht abgelehnt worden. Nachdem sich bis heute nichts getan hat, sind wir in Vorlage gegangen und haben einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt. Herr Kollege Kubicki, ich möchte noch etwas zu den Studierenden sagen. Sie haben ja etwas leichtfertig gesagt, die sollen sich nicht so haben, die können auch einmal weiter weg von der Uni wohnen. Sie wissen, dass es in Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländern unterdurchschnittlich wenig Wohnheimplätze gibt. Studierende, die weiter weg von der Uni wohnen wollen, sind darauf angewiesen, dass es zur Universität eine Anbindung gibt. In vielen Gegenden von Kiel oder Lübeck ist es zum Beispiel abends so, dass man gar nicht mehr zu Abendveranstaltungen der Universität kommen kann. Das heißt, dass nicht jede Wohnung auch für Studierende geeignet ist und dass bei kleinen Wohnungen ein besonderes Mietproblem vorhanden ist. Das Mietgutachten des Innenministeriums hat ergeben, dass bei Wohnungen mit einer Größe von weniger als 40 m2 die Mieten in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren im Schnitt um 5 % gestiegen sind. In Kiel oder Lübeck sind sie aber um 8 oder 9 % gestiegen. Wir haben somit durchaus ein besonderes Problem bei den kleinen Wohnungen, wie sie insbesondere Studierende benötigen. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage der Frau Abgeordneten Midyatli? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Serpil Midyatli [SPD]: Herr Kollege Breyer, soll ich Ihre Ausführungen so verstehen, dass die Studierenden an der FH Kiel in Dietrichsdorf dort keinen bezahlbaren Wohnraum finden und wir die Studentenwohnheime noch 5628 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 69. Sitzung - Freitag, 12. September 2014 (Lars Harms) weiter ausbauen sollten? Ihre Aussage ist sehr interessant. - Frau Kollegin Midyatli, ich habe von dem speziellen Fall, den Sie nennen, gar nicht gesprochen, sondern von der allgemeinen Situation. - Sie haben von Sylt gesprochen. Dann kann ich auch für die Studierenden sprechen. - Das können Sie sehr gern. Allgemein ist die Situation für Studierende schwierig, wie Sie auch in den Stellungnahmen gegenüber unserem Landtag angegeben haben. Die Studierendenvertretungen in Lübeck und Kiel haben unseren Vorstoß ausdrücklich begrüßt und gefordert. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordneten Kubicki? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Wolfgang Kubicki [FDP]: Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege, würden Sie mir zugestehen, dass erstens die möglichen Probleme im Personennahverkehr der Städte Kiel, Lübeck und Flensburg mit der Wohnraumsituation überhaupt nichts zu tun haben? Würde es Ihnen zweitens einleuchten, dass wir es bei über 20.000 Studierenden an der Uni Kiel schwer hinbekommen würden, die alle um den Blücherplatz herum unterzubringen? - Erstens. Nein, das gestehe ich Ihnen nicht zu - - (Zurufe PIRATEN, SPD und SSW) Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, Sie dürfen dazu jetzt gern etwas sagen, wenn Sie möchten. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Für Studierende kommen von vornherein nur Wohnungen infrage, von denen sie auch ihre Universität erreichen können. Das liegt doch auf der Hand, Herr Kollege Kubicki. Wenn Sie kritisieren, wir bräuchten keine generelle Lösung für ein regionales Problem, bitte ich Sie, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass unser Gesetzentwurf genau das vorsieht. Lars Harms, deswegen haben wir applaudiert, als Sie sagten, die kommunale Ebene solle entscheiden. Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass jede Stadt und jede Gemeinde selber entscheiden soll, ob sie diese Probleme haben und ob sie dieses Instrument nutzen wollen. (Beifall PIRATEN) Herr Kollege Kubicki, ich kann nur sagen, Sie können gern Politik für Manhattan machen. (Heiterkeit PIRATEN und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir machen Politik für Sylt, für die Städte im Hamburger Rand, für Lübeck, Kiel und Flensburg. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Bürokratieabbau
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, was eigentlich den Anlass gegeben hat zu diesem Bericht, den Sie angefordert haben, nämlich die Aussage des Herrn Ministerpräsidenten im Mai ich zitiere -: „Ich will mit meiner Regierung die Bürokratiekosten für Unternehmen in Zeit und in Geld bis Ende des Jahrzehnts halbieren, indem wir E-Government-Lösungen entwickeln, weiterentwickeln und für sie werben.“ Was bedeutet Bürokratiekosten? Der Begriff Bürokratiekosten ist gesetzlich definiert als Kosten, die durch Informationspflichten entstehen. Informationspflichten sind zum Beispiel, dass man eine Steuererklärung abgeben muss, dass Unternehmen Informationen aufbewahren müssen, damit Steuernacherhebungen im Falle von Steuerhinterziehung möglich sind. Informationspflichten sind aber auch die Energiekennzeichnung von Haushaltsgeräten oder auch die Pflicht, Radioaktivitätsmessungen bei Atomkraftwerken vornehmen zu müssen. Zu den Informationspflichten gehört auch, Genehmigungen beantragen zu müssen für Großvorhaben wie die feste Fehmarnbelt-Querung, und auch, videoüberwachte Bereiche ausweisen zu müssen. Wir sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine pauschale Halbierung sämtlicher Informationspflichten wäre grundfalsch, weil sie gar nicht nach sinnvollen und nicht sinnvollen Informationspflichten differenziert. Sie ist im Übrigen auch unmöglich, weil das Land für die allermeisten Informationspflichten gar nicht zuständig ist. Herr Ministerpräsident, einfach die Informationspflichten zu digitalisieren, wird keine Halbierung bringen. Das sehen Sie am Beispiel der Einkommensteuererklärung. Sie haben hier Estland als Vorbild genannt, wo man die Steuererklärung in drei Minuten abgeben kann. Allein dadurch, dass es bei uns das Elster-Verfahren gibt, durch das man die Steuererklärung über das Internet abschicken kann, sparen Sie nicht die Zeit, die Sie brauchen, um die Daten zu sammeln, zusammenzutragen, zu organisieren. Sie sparen nur die Zeit des Ausdruckens und des Zur-Post-Bringens. Das wird keine Halbierung bringen. (Beate Raudies [SPD]: Das stimmt! Aber es trägt zum Bürokratieabbau bei!)Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 38. Sitzung - Freitag, 27. September 2013 3103 (Dr. Patrick Breyer) Insofern finde ich es schade, dass Sie das systematische Instrument, das es auf Bundesebene zur Reduzierung von Bürokratie gibt, nämlich den Normenkontrollrat, auf Landesebene nicht in Erwägung ziehen. Ich glaube, ohne eine Institutionalisierung werden wir keine systematische Herangehensweise an die Reduzierung des Bürokratieabbaus hinbekommen. (Beifall PIRATEN) In anderen Ländern gibt es längst eine systematische Gesetzesfolgenabschätzung, durch die nicht nur die Bürokratiekosten, sondern insgesamt die Auswirkungen von Gesetzen systematisch bewertet und evaluiert werden. Ich glaube, so etwas brauchen wir auch in Deutschland. (Beifall PIRATEN) So, wie E-Government bisher in Deutschland angefasst wird, wird es nicht funktionieren. Ich nenne ein paar Beispiele. Erstes Beispiel: Der elektronische Personalausweis, der schon, bevor der erste Personalausweis ausgegeben worden ist, vom ChaosComputerClub gehackt war. Wenn Sie derart unsichere Technik in die Welt setzen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass nur die wenigsten Menschen überhaupt bereit sind, solche Produkte einzusetzen. Zweites Beispiel: Das Verfahren De-Mail zur Kommunikation mit Behörden ist so gläsern ausgestaltet, erhebt so viele Daten und speichert sie so lange, scannt alle E-Mails angeblich auf Schadsoftware, bietet keine Verschlüsselung am Ende an selbst bei sensibelsten Daten wie Steuerdaten oder Gesundheitsdaten -, dass es kein Wunder ist, dass auch dieses Verfahren keinen Erfolg haben wird. Im Moment ist es so, dass Behörden in SchleswigHolstein verschlüsselte Kommunikationen nicht einmal mehr annehmen. (Uli König [PIRATEN]: Unerhört!) Das heißt, es gibt keine Möglichkeit, geschützt vor Spionage und Datenmissbrauch zu kommunizieren, was gerade in Zeiten des NSA-Spionage-Skandals dringend notwendig wäre. Ich hoffe, dass wir da zu einem Fortschritt kommen werden. Drittes Beispiel und vorläufig letzter Akt: Das EGovernment-Gesetz sieht eine elektronische Aktenführung vor, gewährt aber den Bürgerinnen und Bürgern gar keine Einsicht in ihre elektronischen Akten und sieht erst recht keine Transparenzveröffentlichung von Amts wegen vor, wie das in Hamburg längst der Fall ist. Das heißt, es ist ein sehr intransparentes Gesetz und ist deswegen auch falsch gemacht. Um aus der Vergangenheit auch noch ein besonders schlechtes E-Government-Gesetz aufzugreifen, was übrigens auch viel mehr Bürokratie gebracht hat, als es jemals einsparen konnte: das Projekt ELENA, der elektronische Einkommensnachweis, der noch heute von der SPD auf Bundesebene für richtig gehalten und verteidigt wird. Dabei wäre hier ein Datenmonster entstanden, wo die Einkommensdaten der gesamten deutschen Arbeitnehmer zentral gesammelt worden wären. Es ist gut, dass dieses Projekt beerdigt worden ist. (Beifall PIRATEN) Übrigens auf eine Verfassungsbeschwerde von Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern hin, will ich hier ausdrücklich noch einmal sagen. In Ihrem Bericht finde ich sehr kritisch, dass Sie die öffentliche Beteiligung am Planungsverfahren über das Internet in den Kontext von Bürokratieabbau stellen. Das finde ich überhaupt nicht angemessen. Mitbestimmung ist doch keine Bürokratie, sondern Demokratie, und wir brauchen mehr davon und nicht weniger. (Beifall PIRATEN) Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Raudies? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Beate Raudies [SPD]: Herr Kollege Dr. Breyer, gestatten Sie mir folgende Frage. Sie haben vorhin auf die Abgabe der Steuererklärung in Estland hingewiesen und gesagt, wie toll das da funktioniert. In drei Minuten ist da alles erledigt. Könnte das damit zusammenhängen, dass in Estland die Einkommensdaten zentral gesammelt werden, was Sie eben kritisiert haben? Könnte das eine vielleicht mit dem anderen zusammenhängen, dass es dann so schnell geht? (Beifall Lars Winter [SPD]) - Frau Kollegin, vielen Dank für diese Frage. Was ich vorhin zu Estland angeführt habe, ist ein Zitat gewesen aus der Rede des Ministerpräsidenten, als er den Bürokratieaufwand halbieren wollte. Da sagte er:3104 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 38. Sitzung - Freitag, 27. September 2013 (Dr. Patrick Breyer) „Wenn Sie in Estland Ihre Steuererklärung in drei Minuten abgeben können, dann ist das der Weg, auf den wir uns konzentrieren müssen.“ Das ist also genau Ihre Forderung, das so zu machen, wie das in Estland geschieht. Wenn das mit einer zentralen Datenerfassung verbunden ist, können wir das natürlich auf gar keinen Fall unterstützen. Ich habe aber auch gesagt: Selbst wenn das nicht der Fall ist, wird allein durch eine elektronische Übertragung der Steuererklärung keine Halbierung des Bürokratieaufwands machbar sein. Das Ziel ist so und so unrealistisch. (Beifall PIRATEN) Ist die Frage beantwortet? (Beate Raudies [SPD]: Ja, die ist beantwortet. Ich würde aber gern noch eine weitere stellen.) reden, worum es geht, welche Kosten entstehen und welche Auswirkungen das für die jeweiligen Bürger hat; und zwar noch bevor man sich darauf festgelegt hat, ob man ein Vorhaben will, und bevor man zwischen verschiedenen Alternativen entschieden hat. Wir brauchen diese frühe Bürgerbeteiligung über das Internet. Wenn damit Pflichten für Unternehmen verbunden sind, dann sind diese richtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Eine chinesische Weisheit besagt: Der Narr tut, was er nicht lassen kann. Der Weise lässt, was er nicht tun kann. - Ich glaube, in diesem Sinne sollten wir mit der Ankündigung einer Halbierung des gesamten Bürokratieaufwands von Unternehmen verfahren und stattdessen lieber kleinere, aber konkrete und systematische Schritte einleiten. Vielen Dank. (Beifall PIRATEN) Präsident Klaus Schlie: Präsident Klaus Schlie: Wenn Sie das sichtbar machen würden, dann haben Sie, weil ich davon ausgehe, dass der Abgeordnete Dr. Breyer das genehmigt, das Recht zu einer weiteren Frage. Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort. (Beate Raudies [SPD]: Entschuldigung, Herr Präsident. Ich habe das noch nicht so oft gemacht.) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren wird allgemein darüber geklagt, dass unser Gesellschaftssystem und insbesondere die Wirtschaft mit zu viel Bürokratie überfrachtet sind. Daher ist die Debatte, die wir heute führen, nicht neu. Sie ist aber auch nicht out. Seit Jahren wird der Abbau von Bürokratie von der Politik immer wieder in Angriff genommen. Doch wir müssen leider feststellen, dass dies nicht so einfach ist. - Kein Problem. Beate Raudies [SPD]: Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Breyer, könnte es sein, dass allein schon die elektronische Übermittlung von Bilanzdaten zum Beispiel für die Unternehmen eine erhebliche Erleichterung an Bürokratieaufwand ist, ganz abgesehen vom Einsparen von Papier? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Frau Kollegin, ich stimme Ihnen gern zu, dass es Zeit spart, wenn man Formulare nicht mehr ausdrucken, unterschreiben und zur Post bringen muss. Aber eine Halbierung werden Sie damit beileibe nicht hinbekommen. Ich war bei der Bürgerbeteiligung über das Internet stehen geblieben, die in keinem Fall als Bürokratie angesehen werden darf. Wir PIRATEN haben einen Antrag vorgelegt, um eine Charta für eine Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturvorhaben durchzusetzen, die beinhaltet, bei Vorhaben schon ganz früh mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber zu
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! FDP und CDU möchten, dass die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ohne Beitragsänderung aufgehoben wird. Wir wissen, dass die Handwerksverbände sich sehr dafür einsetzen. Ich glaube, dass dieser Vorschlag einer differenzierten Beurteilung bedarf; denn es gibt Argumente dafür und dagegen. Für den Vorschlag spricht zunächst einmal, dass man sicherlich eine gewisse Vereinfachung im Verfahren hätte, wenn diese Vorauszahlung wegfiele. Dafür spricht sicherlich auch, dass man die Liquidität in den Unternehmen und in den Handwerksbetrieben stärken würde - es ist schon oft die Zahl von 20 Milliarden € erwähnt worden -, indem sich der Zahlungstermin verschieben würde. Ein dritter Grund, der noch nicht genannt worden ist, der aber für mich ganz wichtig ist, ist, dass Anlass für die Einführung der Vorfälligkeitsregelung die knappen Sozialkassen gewesen sind, dass dieser Anlass jetzt weggefallen ist, weil sich die Kassenlage verbessert hat, und dass damals, als man diese Vorfälligkeitsregelung eingeführt hat, von der Politik versprochen worden ist, die Regelung aufzuheben, wenn sich die Kassenlage wieder bessert. (Beifall PIRATEN und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP] und Christopher Vogt [FDP]: So ist es!) Ich finde, wir haben keinen Überschuss an Glaubwürdigkeit der Politik. Wenn man ein solches Versprechen abgibt, dann täte es, glaube ich, der Politik gut, wenn man es nach Möglichkeit einhalten würde. Auf der anderen Seite gibt es gewichtige Gegenargumente. Auch diese sind schon angesprochen worden. Das Erste ist: Was den Bürokratieabbau angeht, so muss man zugeben, dass der Vorschuss, der gezahlt werden muss, sich leicht automatisch ermitteln lässt, weil man ihn nämlich nach dem Betrag bemessen kann, der im Vormonat gezahlt worden ist. Ein wesentlicher Bürokratieabbau würde dadurch also sicherlich nicht eintreten. Umgekehrt auch das hat der Kollege Winter schon genannt würde die Umstellung des Zahlungsverfahrens selbst einen Mehraufwand und einen gewissen Bürokratieaufwand bedeuten. Wichtig ist für mich wiederum: Die Überschüsse der Sozialkassen, die wir im Moment haben, sind leider Gottes von der Großen Koalition schon fürSchleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 48. Sitzung - Mittwoch, 19. Februar 2014 3959 (Dr. Patrick Breyer) diverse andere Projekte und Erhöhungen verplant worden. Das heißt, wenn wir zusätzlich zu diesen Projekten, an denen Sie ja nichts ändern wollen, noch diese Vorfälligkeitsregelung aufheben würden, dann stellt sich die Frage, wie Sie das finanzieren wollen. Vor dem Hintergrund finde ich es schade, dass Sie von der Koalition es ablehnen, dass wir im Ausschuss noch einmal darüber beraten - ich hätte es mir gewünscht -, ob diese Sache denn machbar und finanzierbar wäre, und zwar auch nach Rücksprache mit den Sozialkassen; denn wenn die Streichung der Vorfälligkeit auch in Kombination mit den anderen Beschlüssen der Großen Koalition aus den Sozialkassen selbst finanzierbar wäre, dann wäre ich durchaus der Meinung, dass sie vorgenommen werden sollte, allein deswegen, weil wir es damals so versprochen haben. Aber ich finde, zuerst muss die Finanzierbarkeit durch Anhörung der Betroffenen geklärt werden. Ohne Klärung können wir dem Vorschlag nicht verantwortlich zustimmen. Wir müssen deswegen, auch weil Sie bedauerlicherweise keine Ausschussüberweisung vornehmen - ich wäre gern der Frage der Finanzierbarkeit nachgegangen -, dem Antrag so die Zustimmung verweigern. - Besten Dank. (Beifall PIRATEN und Hartmut Hamerich [CDU])
Wirtschaftsmarketing
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion beantragt die sofortige Einstellung der Kampagne „Der echte Norden“. Wir PIRATEN waren schon viel früher viel weiter. Wir haben nämlich immer schon, in allen Haushaltsberatungen, beantragt, die Mittel des Wirtschaftsministeriums für das Standortmarketing komplett zu streichen. In Anbetracht der Verschuldung des Landes und der dringenden Bedarfe an anderen Stellen, zum Beispiel für die Verbraucherzentrale, ist es nicht gerechtfertigt, eine halbe Million Euro jedes Jahr für Werbung auszugeben. Messbare Effekte für die Wirtschaft durch die durchgeführten und weiter geplanten Maßnahmen sind überhaupt nicht erkennbar und nicht zu erwarten. (Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]) Die Wirtschaftsförderung erfolgt ausreichend durch die Wirtschaftsförderer vor Ort. Bis 2012 ist die schleswig-holsteinische Wirtschaft auch ohne Marketing seitens des Landes sehr gut gefahren. Umgekehrt stößt die geplante Dachmarke „Der echte Norden“ in der Öffentlichkeit auf massive Kritik und Ablehnung, sowohl innerhalb von SchleswigHolstein wie auch in den anderen nördlichen Bundesländern. Bei uns im Land zeigen Meinungsumfragen, dass zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger mit dieser Kampagne überhaupt nichts anfanMeine sehr verehrten Damen und Herren, Sie planen mit Hunderttausenden von Euro, nicht nur einen Slogan zu entwickeln, mit dem sich die Menschen überhaupt nicht identifizieren können, Sie wollen damit auch noch Werbeträger bepflastern, Züge besprühen, und auch das für Hunderttausende von Euro. Dabei sind die Kritikpunkte bekannt: Der Slogan ist missverständlich, das Logo, das Sie benutzen wollen, ist missverständlich. Herr Ministerpräsident, wir PIRATEN stehen für Transparenz und Mitbestimmung. Auch Ihre Landesregierung schreibt sich immer die Dialogkultur auf die Fahnen. Aber was hat das Verfahren, in dem dieser Slogan festgelegt worden ist, mit Dialogkultur zu tun? (Ministerpräsident Torsten Albig: Nichts! Heiterkeit und Beifall) Es ist ja bekannt, dass die Dialogkultur im Ressort des Herrn Wirtschaftsministers noch nicht richtig angekommen ist. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Unerhört! - Unruhe) Das läuft höchstens einmal darauf hinaus, dass Sie zu Veranstaltungen, die von anderen organisiert werden, einen Staatssekretär hinschicken. (Birgit Herdejürgen [SPD]: Das ist ja unerhört! - Olaf Schulze [SPD]: Dafür sind Staatssekretäre wirklich nicht da!) Bei dem Slogan „Der echte Norden“, mit dem sich unser Land nach außen präsentieren soll, geht es doch um eine Identitätsfrage. Die Menschen beschäftigt das. Wir sehen doch in den Medien, wie wichtig das ist. (Zuruf SPD: Volksabstimmung! - Unruhe) Sie können doch nicht einfach über die Köpfe der Menschen hinweg bestimmen, wie sich unser Land nach außen präsentieren soll. Wenn Dialogkultur, dann doch hier. Was Sie an der Stelle gemacht haben, wie Sie den Slogan festgelegt haben, ist kein Ausdruck einerSchleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 49. Sitzung - Donnerstag, 20. Februar 2014 4031 (Dr. Patrick Breyer) Kultur des Dialogs und des Zuhörens, sondern Ausdruck einer Kultur des Monologs und des Wegsehens. Herr Dr. Stegner, schon Konfuzius hat gesagt: (Zuruf Olaf Schulze [SPD]) „Die eigenen Fehler entdeckt man am besten mit den Augen anderer.“ Bei diesem Slogan sollten Sie sich anhören, was die Bürgerinnen und Bürger davon halten, und dem Rechnung tragen. Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Peter Eichstädt [SPD]: Herr Kollege, wo wir gerade bei den eigenen Fehlern sind: (Heiterkeit SPD) Wie passt es zusammen, dass Sie auf der einen Seite sagen, Sie wollten die Mittel für derartige Kampagnen im Ministerium komplett streichen, und auf der anderen Seite für die Schaffung solcher identitätsstiftenden Maßnahmen eine Identitätskultur organisieren? - Das kann ich Ihnen gern erklären, Herr Kollege Eichstädt: Aus unserer Sicht ist das ganze Standortmarketing sinnlos und Geldverschwendung. Wenn man es aber schon macht, dann doch bitte zusammen mit den Menschen in diesem Land. Peter Eichstädt [SPD]: Wollen Sie es, oder wollen Sie es nicht, wenn ich mir die Nachfrage noch erlauben darf? Präsident Klaus Schlie: Ich denke, das war eine weitere Frage, Herr Eichstädt. (Peter Eichstädt [SPD]: Ja!) Dann erteile ich Ihnen gern das Wort, sie zu stellen. Das haben Sie gemacht. - Dann können Sie jetzt die Antwort geben, Herr Dr. Breyer. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Wir wollen es nicht. (Torge Schmidt [PIRATEN]: Das hast du eben auch schon gesagt!) - Ja, aber vielleicht wollte dasselbe noch einmal gefragt werden. Präsident Klaus Schlie: Nun darf es mit Ihrer Rede weitergehen, Herr Dr. Breyer. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden den Antrag auf Einstellung dieser Dachmarke unterstützen. Er geht uns aber nicht weit genug. Wir sollten die gesamte verfehlte und bis heute nicht ordentlich konzeptionierte Marketingkampagne streichen und die Mittel für dringend anderweitig anstehende Aufgaben in unserem Land ausgeben. - Besten Dank! (Beifall PIRATEN und Oliver Kumbartzky [FDP])
Verbraucherzentrale
Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus aktuellem Anlass und als Antwort auf die Demonstration von heute Morgen vor dem Landeshaus möchte ich gern etwas zu der Situation der Verbraucherzentralen in unserem Land sagen. Bei der Verbraucherberatung haben wir die Situation, dass der Zuschuss im Bereich der institutionellen Förderung schon unter der schwarz-gelben Koalition überproportional stark gekürzt worden ist. Gleichzeitig steigen jedoch die Kosten der Verbraucherzentrale jedes Jahr, weil Tarifanpassungen weiterzugeben sind und der Beratungsbedarf sehr stark ansteigt. Schon heute können unsere Verbraucherzentralen 30 % der eingehenden Anrufe nicht mehr beantworten, weil es ihnen an Personalkapazitäten fehlt. In diesem Jahr haben die Verbraucherzentralen ein Defizit von 92.000 € zu verzeichnen. Wenn es also bei dem eingeplanten Zuschuss bleibt, dann wird man in den Beratungsstellen Personal abbauen müssen, und zwar über 10 % der Menschen, die in den fünf Beratungsstellen in Schleswig-Holstein beschäftigt sind. Ganz konkret bedeutet dies kürzere Öffnungszeiten. Weiterhin steht die Unterstützung der Kommunen vor Ort infrage, weil diese sich fragen, warum sie eine Verbraucherzentrale bezuschussen sollen, die nur noch an einem oder zwei Tagen in der Woche geöffnet ist. Hier droht der Beginn eines Teufelskreises, wenn keine Anpassungen vorgenommen werden. Besonders überzeugt hat mich der Vergleich der Bundesländer untereinander. Im Vergleich der Zahlungen der einzelnen Bundesländer an ihre Verbraucherzentralen im Bereich der institutionellen Förderung liegt Schleswig-Holstein schon im Jahr 2011, als der Zuschuss noch bedeutend höher war, im ganzen Bundesgebiet an drittletzter Stelle. Das heißt, dass wir im Ländervergleich sehr wenig Geld für die Verbraucherberatung ausgeben. Das kann nicht sein, weil der Beratungsbedarf nicht zurückgeht. Immer mehr Menschen brauchen Informationen, wenn sie sich zum Beispiel um Finanzanlagen kümmern. In der Vergangenheit haben einige Finanzanlagen dazu geführt, dass Menschen ihr gesamtes angespartes Vermögen verloren haben. Auch im Bereich des Internets gibt es Probleme, zum Beispiel mit Abzocke. Es gibt infolge unserer Wirtschaft viele Unsicherheiten, die einen Beratungsbedarf auslösen. Eine ordentliche Beratung ist im Übrigen auch ein Beitrag zur Wirtschaftsförderung. Es kann unsere Wirtschaft unterstützen, wenn Menschen die Sicherheit gegeben wird, dass das, was gekauft werden soll oder worüber ein Vertrag abgeschlossen werden soll, richtig ist. Daher sprechen viele Gesichtspunkte dafür, die Verbraucherberatung zu3416 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 42. Sitzung - Mittwoch, 11. Dezember 2013 (Dr. Patrick Breyer) stärken, nämlich das Transparenzinteresse, aber auch die Wirtschaftsförderung. Ich verstehe nicht, dass in diesem Haushalt kein Geld vorhanden sein soll, um den Zuschuss an die Verbraucherzentralen zu erhöhen. Im letzten Jahr war mehr Geld vorhanden, als in diesem Jahr eingeplant ist. Wir haben das Projekt DachmarkenStandortförderung gekürzt. Dies haben - wie ich es sehe - alle Oppositionsfraktionen zu Recht beantragt. Wir stellen deshalb heute separat zur Abstimmung, den Zuschuss an die Verbraucherzentralen im nächsten Jahr um den Fehlbetrag, den sie in diesem Jahr aufweisen, nämlich um 92.000 €, zu erhöhen, und zwar gegenfinanziert aus dem Projekt Standortmarketing. reicht nicht, in Aussicht zu stellen, hier und da etwas beantragen zu können. Dafür haben die Stellen gar nicht genügend Personal. Die Beratungsstellen vor Ort können auch nicht mit Energieberatern für die energetische Beratung von sozialschwachen Haushalten besetzt werden. Das hilft nicht weiter. Daher appelliere ich noch einmal: Schauen Sie sich unseren Antrag noch einmal genau an. Ich finde, er ist seriös gegenfinanziert. Über die Höhe der Summe können wir gern noch einmal sprechen. Ich finde aber, wir brauchen ein Signal in diese Richtung, das besagt, dass uns die Verbraucherberatung in Schleswig-Holstein etwas wert ist. (Beifall PIRATEN) Ich glaube, dass ein aufgeklärter Verbraucher und Transparenz am Markt wichtiger sind als Werbung für unseren Standort. Für einen Standort, an dem Menschen, die es nötig haben, am wenigsten Hilfe und Beratung erhalten, sollte man nicht werben. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung Ihres Kollegen Dudda? Ja. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Wolfgang Dudda [PIRATEN]: Herr Kollege Breyer, sind Sie wie ich besonders überrascht darüber, dass das Geld für die Verbraucherzentralen angesichts des Inhalts des Koalitionsvertrages dieser Regierung weiter gekürzt wird? - Das ist genau richtig. Im Koalitionsvertrag ist das genaue Gegenteil versichert worden, nämlich dass das Beratungsangebot in Schleswig-Holstein erhalten und sogar noch ausgebaut werden soll. Davon ist nicht einmal im Ansatz die Rede. Wenn man den Verbraucherzentralen über Jahre hinweg sinkende und den Kostensteigerungen nicht angepasste Zuschüsse zuweist, dann beschweren sich die Menschen zu Recht darüber, dass es ein Wortbruch ist, wenn man im Koalitionsvertrag Ankündigungen macht, jedoch keinen einzigen Euro in diese Richtung der Verbraucherberatung lenkt. Es reicht nicht aus, für die Beratung immer auf Projektmittel zu verweisen. Die Verbraucherberatung und die Beratungsstellen vor Ort sind kein Projekt. Das ist eine ständige Einrichtung, bei der die Menschen die Sicherheit brauchen, nicht jedes Jahr Projektmitteln hinterherlaufen zu müssen. Es Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Breyer, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass wir bereits über die Presse mitgeteilt haben, dass wir im Rahmen des nächsten Haushalts eine langfristige Lösung suchen? Wir finden es unsinnig, Projektmittel zu fordern. Ihre Gegenfinanzierung ist keine strukturelle Gegenfinanzierung. Es macht keinen Sinn, eine strukturelle Maßnahme einzubringen, ohne eine strukturelle Gegenfinanzierung zu haben. Genau diese werden wir zum nächsten Haushalt hin suchen. - Ich nehme das zur Kenntnis. Ich will aber auch sagen, dass es den Verbraucherzentralen wenig hilft, wenn etwas für die Zukunft angekündigt wird. Es geht jetzt darum, dass in diesem Jahr ein Fehlbetrag von 92.000 € vorhanden ist. Wenn die entsprechenden Personalkapazitäten erst einmal abgebaut sind, dann kann für die abgebauten Fehlstunden nicht unmittelbar wieder Teilzeitpersonal eingestellt werden. Die Leute sind ja nicht auf Abruf bereit. Daher geht es uns auch darum, eine Übergangslösung für das nächste Jahr zu schaffen, damit das Personal nicht entlassen werden muss. Für die Folgejahre muss natürlich eine Regelung gefunden werden. Die Verpflichtungsermächtigung und die eingeplanten Mittel für die Verbraucherzentralen müssen angepasst werden. Daher glaube ich, dass wir eine Übergangsregelung brauchen.Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 42. Sitzung - Mittwoch, 11. Dezember 2013 3417 (Dr. Patrick Breyer) Wenn nichts unternommen wird, dann wird schon so wurde es mir versichert - zum nächsten Jahr ein entsprechender Personalabbau stattfinden, denn die Verbraucherzentrale kann nicht aufgrund von Ankündigungen für die Zukunft ein Defizit von 92.000 € auflaufen lassen. Wir brauchen eine Übergangsregelung. Daher appelliere ich noch einmal daran, unserem Antrag zuzustimmen. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Minister Meyer, ich danke Ihnen für Ihren Bericht. Es hat mich gefreut, in Ihrem letzten Satz zu hören, dass wir darüber reden könnten, wenn Übergangsmaßnahmen erforderlich sein sollten. Zum ersten Teil Ihrer Aussage kann ich sagen: Ja, es sind Übergangsmaßnahmen erforderlich; denn es trifft zu, dass wir einen Strategieorganisationsentwicklungsprozess durchlaufen und dass der auch seine Zeit brauchen wird. Aber wenn es bei Ihrem Haushaltsentwurf bleibt, dann steht die Verbraucherzentrale vor der Situation, im nächsten Jahr eine Unterdeckung von 85.000 € zu haben, und sie deshalb Personal entlassen, Arbeitszeiten verkürzen und Öffnungszeiten reduzieren muss. Wir wissen aus dem Gutachtenentwurf, dass eine interventionslose Fortschreibung die Verbraucherzentrale mittelfristig sogar die Existenz kosten wird. Was aber ist Ihr Haushaltsentwurf anderes als eine interventionslose Fortschreibung? Das ist doch genau eine Fortsetzung der bisherigen Planung. Und wenn Sie nicht wollen, dass die Existenz der Verbraucherzentrale aufs Spiel gesetzt wird, dann brauchen wir Übergangsmaßnahmen, um zumindest den Status quo zu sichern. (Beifall PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP]) Jetzt komme ich zum zweiten Teil Ihrer Aussage, wonach wir darüber reden könnten. Das ist mir zu wenig, Herr Minister. Zunächst können Sie darüber nicht mehr reden; denn der Haushaltsentwurf liegt jetzt in den Händen des Parlaments. Das heißt, nun müssen die regierungstragenden Fraktionen darüber reden. Sie müssen aber nicht nur darüber reden, sondern sie müssen vor allem handeln. (Beifall PIRATEN) Wenn Sie das nicht tun, wollen Sie dann, dass vor der nächsten Haushaltsberatung wieder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbraucherzentrale vor dem Landeshaus stehen und gegen Ihre Politik demonstrieren werden? Wollen Sie, dass Anfang des nächsten Jahres wieder eine Kürzungsrunde bei den Öffnungszeiten passiert? Ich glaube, das wünscht hier niemand von uns. Zu dem Wort meines Kollegen Uli König, dass Sie der Verbraucherzentrale auch ein Stück weit die Beine wegtreten, kann ich nur sagen: Das Gutachten stellt fest, dass die Verbraucherzentrale mit einer real abnehmenden Finanzierung zu kämpfen hat. Das heißt, es ist durchaus so, dass die Finanzierung real zurückgeht. Da reicht es eben nicht, Frau Kollegin Poersch, wenn Sie beklagen, dass die Zuschüsse teilweise zur Kofinanzierung von Projektmitteln eingesetzt würden. Wenn die Verbraucherzentrale das nicht tun würde, dann könnte sie noch weniger an Beratung anbieten. Allein die Diagnose reicht also nicht. Wir brauchen auch die Linderung und die Besserung. Es ist deshalb gut, dass wir einen Organisationsentwicklungsprozess haben, der seine Zeit brauchen wird. Aber in der Zwischenzeit muss die Beratung gesichert werden. Es kann nicht sein, dass es mit dem Niedergang so weitergeht. (Beifall PIRATEN und FDP) Deswegen appelliere ich an Sie, im Rahmen der Haushaltsberatungen hier nachzulegen. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
PROKON/Unternehmensrettung
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 75.000 Anlegerinnen und Anleger, 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon mehrere 100 in Itzehoe, bangen um die Zukunft von PROKON. Nach eigenen Angaben kann ein Insolvenzantrag nur abgewendet werden, wenn 95 % des Kapitals gehalten werden können. Nach dem Stand von Montag ist dieses Ziel nicht erreicht worden. Wir entnehmen der Zeitung, dass der Wirtschaftsminister, Herr Meyer, und der Ministerpräsident, Herr Albig, Gespräche mit dem Unternehmen führen, um ihm zu helfen. Heute lesen wir in der Zeitung, Hilfe sei fast ausgeschlossen, kaum möglich. Wir fragen uns natürlich, verehrte Mitglieder der Landesregierung: Was wollen Sie tun? Wie wollen Sie helfen? Ich glaube, durch Worte, durch Gespräche allein, werden sich die Kassen des Unternehmens kaum füllen lassen. Jedenfalls ist das einzige mir bekannte Lebewesen, das Gold speien kann, ein Esel. (Heiterkeit PIRATEN) Wir PIRATEN fordern Sie auf: Meine Herren, seien Sie ehrlich und fragen Sie die Öffentlichkeit ganz klar: Soll der Steuerzahler mit Krediten oder Garantien für PROKON einstehen müssen? Für uns PIRATEN kann ich ganz klar sagen: Rettungsaktionen auf Kosten der Allgemeinheit zugunsten einzelner Unternehmen sind mit uns nicht zu machen. (Beifall PIRATEN - Zurufe SPD) Wir haben in der Vergangenheit genügend Millionen- und Milliardengräber durch politische Rettungsversuche zugunsten von Großunternehmen und Großbanken gesehen. Die finanziellen Probleme einzelner Unternehmen dürfen nicht länger zulasten der Allgemeinheit gehen. Es kann nicht angehen, dass Gewinne privat ausgezahlt werden, dass Verluste aber von der Allgemeinheit getragen werden. Davon haben wir genug gesehen. (Beifall PIRATEN - Zurufe SPD) Anders als offenbar diese Landesregierung sehen wir ein mögliches Insolvenzverfahren auch nicht als Gefahr, die um jeden Preis abgewendet werden muss. In einem Insolvenzverfahren kann doch auch eine Chance für das Unternehmen liegen, um sich auf neue Füße zu stellen, um ein neues und tragfähiges Geschäfts- und Finanzierungsmodell für das Unternehmen zu finden, um den Standort Itzehoe und die Arbeitsplätze möglichst auch auf tragfähige und nachhaltig weiterführungsfähige Beine zu stellen. Insofern sind wir der Überzeugung, dass die Zukunft von PROKON von den Beteiligten selbst gestaltet werden muss und nicht durch staatliche Intervention gesteuert werden darf. (Beifall PIRATEN) Wenn es dem Land wirklich darum geht, zu helfen und sich zu engagieren, dann müssen doch die Region und die Menschen vor Ort im Vordergrund stehen, dann müssen wir der gesamten Region helfen und nicht einem einzelnen Unternehmen. Um das zu tun und um wirklich tragfähige Strukturen aufzubauen, geht es darum, die Wirtschaftsinfrastruktur in der Region zu stärken, es geht darum, die Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur vor Ort zu stärken. Gerade insoweit haben wir doch in Itzehoe gute Voraussetzungen mit dem Innovationszentrum IZ, das unter anderem einen Forschungsschwerpunkt im Bereich erneuerbare Energien hat. (Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD]) Man überlegt, die Aktivitäten unter dem Dach des IZ im Bereich erneuerbare Energien in einem Innovatorium zu bündeln. Daran arbeitet gerade der Kreis. Deshalb ist es lohnenswert, darüber nachzudenken, ob sich das Land in diesem Bereich engagieren sollte, um der Region wirklich nachhaltig zu helfen. Infolgedessen sagen wir PIRATEN: Finger weg von Rettungsexperimenten auf Kosten der Allgemeinheit. Retten Sie Regionen und nicht einzelne Unternehmen. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! FDP und CDU möchten, dass die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ohne Beitragsänderung aufgehoben wird. Wir wissen, dass die Handwerksverbände sich sehr dafür einsetzen. Ich glaube, dass dieser Vorschlag einer differenzierten Beurteilung bedarf; denn es gibt Argumente dafür und dagegen. Für den Vorschlag spricht zunächst einmal, dass man sicherlich eine gewisse Vereinfachung im Verfahren hätte, wenn diese Vorauszahlung wegfiele. Dafür spricht sicherlich auch, dass man die Liquidität in den Unternehmen und in den Handwerksbetrieben stärken würde - es ist schon oft die Zahl von 20 Milliarden € erwähnt worden -, indem sich der Zahlungstermin verschieben würde. Ein dritter Grund, der noch nicht genannt worden ist, der aber für mich ganz wichtig ist, ist, dass Anlass für die Einführung der Vorfälligkeitsregelung die knappen Sozialkassen gewesen sind, dass dieser Anlass jetzt weggefallen ist, weil sich die Kassenlage verbessert hat, und dass damals, als man diese Vorfälligkeitsregelung eingeführt hat, von der Politik versprochen worden ist, die Regelung aufzuheben, wenn sich die Kassenlage wieder bessert. (Beifall PIRATEN und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP] und Christopher Vogt [FDP]: So ist es!) Ich finde, wir haben keinen Überschuss an Glaubwürdigkeit der Politik. Wenn man ein solches Versprechen abgibt, dann täte es, glaube ich, der Politik gut, wenn man es nach Möglichkeit einhalten würde. Auf der anderen Seite gibt es gewichtige Gegenargumente. Auch diese sind schon angesprochen worden. Das Erste ist: Was den Bürokratieabbau angeht, so muss man zugeben, dass der Vorschuss, der gezahlt werden muss, sich leicht automatisch ermitteln lässt, weil man ihn nämlich nach dem Betrag bemessen kann, der im Vormonat gezahlt worden ist. Ein wesentlicher Bürokratieabbau würde dadurch also sicherlich nicht eintreten. Umgekehrt auch das hat der Kollege Winter schon genannt würde die Umstellung des Zahlungsverfahrens selbst einen Mehraufwand und einen gewissen Bürokratieaufwand bedeuten. Wichtig ist für mich wiederum: Die Überschüsse der Sozialkassen, die wir im Moment haben, sind leider Gottes von der Großen Koalition schon fürSchleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 48. Sitzung - Mittwoch, 19. Februar 2014 3959 (Dr. Patrick Breyer) diverse andere Projekte und Erhöhungen verplant worden. Das heißt, wenn wir zusätzlich zu diesen Projekten, an denen Sie ja nichts ändern wollen, noch diese Vorfälligkeitsregelung aufheben würden, dann stellt sich die Frage, wie Sie das finanzieren wollen. Vor dem Hintergrund finde ich es schade, dass Sie von der Koalition es ablehnen, dass wir im Ausschuss noch einmal darüber beraten - ich hätte es mir gewünscht -, ob diese Sache denn machbar und finanzierbar wäre, und zwar auch nach Rücksprache mit den Sozialkassen; denn wenn die Streichung der Vorfälligkeit auch in Kombination mit den anderen Beschlüssen der Großen Koalition aus den Sozialkassen selbst finanzierbar wäre, dann wäre ich durchaus der Meinung, dass sie vorgenommen werden sollte, allein deswegen, weil wir es damals so versprochen haben. Aber ich finde, zuerst muss die Finanzierbarkeit durch Anhörung der Betroffenen geklärt werden. Ohne Klärung können wir dem Vorschlag nicht verantwortlich zustimmen. Wir müssen deswegen, auch weil Sie bedauerlicherweise keine Ausschussüberweisung vornehmen - ich wäre gern der Frage der Finanzierbarkeit nachgegangen -, dem Antrag so die Zustimmung verweigern. - Besten Dank. (Beifall PIRATEN und Hartmut Hamerich [CDU])
Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir sind uns über die große Bedeutung dieses Gesetzes zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikation gerade in Zeiten des Fachkräftemangels einig. Uns ist bei der Beratung wichtig gewesen, dass wir das sogenannte Gegenseitigkeitserfordernis durchgehend gestrichen bekommen, denn aus meiner Sicht kann die Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses nicht davon abhängen, wie das andere Land in dieser Frage verfährt. Die Menschen, die zu uns kommen, können nichts dafür, wie das in ihrem Heimatland geregelt ist, zum Beispiel wenn jemand aus Nordkorea kommt. Ich glaube auch, dass wir das große Interesse haben, qualifizierte Leute zu uns zu holen, und vielleicht niemand von uns dorthin möchte. (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN]) Insofern macht es auch gar keinen Sinn, die Gegenseitigkeit an der Stelle zur Voraussetzung zu machen. Es freut mich, dass der Wirtschaftsminister und das Ministerium angekündigt haben, (Hans-Jörn Arp [CDU]: Meyer heißt der!) diese Gegenseitigkeitserfordernisse bis Anfang des nächsten Jahres systematisch zu streichen. Insofern konnten wir unseren an der Stelle punktuellen Antrag zurückziehen. Noch einige Worte zu dem Anerkennungsfonds, den Sie vorschlagen: Im Grundsatz finde ich das durchaus richtig und begrüßenswert. Wir haben in den schriftlichen Stellungnahmen von vielen Seiten gelesen, dass es oft eher an praktischen als an rechtlichen Grenzen scheitert, was die Anerkennung angeht, und dass in diesem Zusammenhang viele Kosten anfallen. Da geht es um Übersetzungskosten und Kosten des Verfahrens bis hin zu Prüfungskosten und Weiterqualifizierungskosten. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 55. Sitzung - Donnerstag, 10. April 2014 4479 (Christopher Vogt) Wir haben schon festgestellt, dass der Antrag so, wie er im Moment formuliert ist, noch recht unscharf dahin gehend ist, welche Kosten erfasst werden sollen, weil es an der einen Stelle heißt „Kosten aus dem Anerkennungsverfahren“ und an anderer Stelle „Kosten des Anerkennungsverfahrens“. Das wäre aus meiner Sicht klarzustellen. Ich habe eben auch die Sorge wie die Kollegen von CDU und FDP, dass ein solcher Fonds, wenn er denn generell die Kosten tragen würde, auch viele Mitnahmeeffekte nach sich ziehen würde, gerade bei Menschen, die aus dem nahen europäischen Ausland kommen und sehr gut verdienen, Architekten zum Beispiel. Da frage ich mich schon, ob wir bei sehr gut verdienenden Personen den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern alle Kosten aufbürden sollten oder ob es nicht zum Beispiel sinnvoll sein kann, unter bestimmten Voraussetzungen eine Rückzahlung in Fonds zu vereinbaren, gegebenenfalls ratenweise. Deswegen freue ich mich sehr, dass Sie auch zugesagt haben, dass wir das im Ausschuss näher beraten können. Das sollten wir mit dem Ministerium tun. Sie haben eine Prüfung angekündigt. Das sollten wir auch mit dem Landesrechnungshof besprechen, wie wir das gemeinsam machen. Es freut mich, dass sich an der Stelle der gemeinsame Geist beim Anerkennungsgesetz fortsetzt. Wir werden dem Gesetzentwurf natürlich auch zustimmen, denn die Fachkräfte, die zu uns kommen, haben unsere Anerkennung verdient. - Besten Dank. (Beifall PIRATEN, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Beifall Hartmut Hamerich [CDU] und Heiner Rickers [CDU])
Soziale Unternehmen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Anders als der Kollege Vogt beginne ich mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen die Europäische Initiative zum sozialen Unternehmertum betreffend. Ich möchte bekräftigen, dass die Sozialwirtschaft viele Bereiche in unserer Gesellschaft umfasst. Sie ist beispielsweise aktiv in den Bereichen Pflege, Jugendhilfe oder Arbeitsmarktintegration aktiv. Im weiteren Sinne könnte man zum Bereich Sozialwirtschaft auch Einrichtungen wie freie Kindergärten oder auch Organisationen zählen, die im Bereich Fairtrade, also nachhaltigem Konsum, tätig sind. Die Besonderheit sozialer Unternehmen ist, dass sie nicht das Ziel der Gewinnerzielung verfolgen, sondern gemeinnützig tätig sind. Die EU-Kommission will nun insbesondere den Zugang dieser Unternehmen zu Kapital stärken, was natürlich zu begrüßen ist. Man muss allerdings sehen, dass die EU-Kommission aus Kompetenzgründen nur den Bereich der sozialen Unternehmer, also soziales Unternehmertum, behandelt. Dieser Bereich umfasst nicht die gesamte Sozialwirtschaft. Zum Beispiel bleiben hierbei Selbsthilfeorganisationen außen vor. Man sollte dazu sagen, dass soziale Unternehmen oder der Bereich der Sozialwirtschaft nicht gänzlich unumstritten sind, wie dies vielleicht aus dem Antrag herausgelesen werden könnte. Es wird zum Beispiel davor gewarnt, dass soziale Unternehmen als Eisbrecher zur Privatisierung sozialer Dienstleistungen genutzt werden könnten, was natürlich unerwünscht wäre. Überhaupt ist nicht alles gut im Bereich der Sozialwirtschaft. Wir erinnern uns an die medial sehr intensiv geführten Diskussionen zum Thema Arbeitsbedingungen. Gerade die zum Teil im Bereich der kirchlichen Unternehmen herrschenden Arbeitsbedingungen werden sehr scharf kritisiert. Tarifverträge können dort teilweise nicht durchgesetzt werden. Kritiker bemängeln - so ist in der Presse zu lesen -, dass sich soziale Einrichtungen vielfach in kapitalistische Musterbetriebe verwandelt hätten, die sich kaum noch von echten Shareholder-Value-Größen an der Börse unterscheiden ließen. Das heißt, sie sind nicht mehr Kleinunternehmen, sondern teilweise wirklich Konzerne geworden. In demselben Artikel ist sogar die Rede von einer Behindertenindustrie, die von Exklusion lebe und sie zementiere. Für die Träger lohne sich der dauerhafte Verbleib behinderter Menschen in Einrichtungen und Maßnahmen. Ich finde, auch solche Kritik muss man an dieser Stelle ernst nehmen. (Beifall PIRATEN und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Interessant ist auch der Blick über die deutschen Grenzen hinweg nach Europa, gerade im Rahmen eines europäischen Programms. In vielen europäischen Ländern gehört nämlich schon definitionsgemäß zum Begriff der sozialen Unternehmen, dass diese Organisationen partizipativ und demokratisch von einem Gremium gesteuert werden, in dem die verschiedenen Anspruchsgruppen repräsentiert sind. Dieses Element, dass zu einem sozialen Unternehmen auch eine demokratische Governance gehört, ist bisher in Deutschland noch nicht angekommen. Hier können wir, meine ich, sehr viel von unseren europäischen Nachbarstaaten lernen. Gleiches gilt für den Bereich der Wirkungsmessung. In anderen Ländern werden teilweise schon sehr eingehende Verfahren eingesetzt, um das, was ein soziales Unternehmen bewirkt, auch quantitativ darstellen zu können. Auch eine Schärfung dieser Instrumente kann den Zugang zum Kapitalmarkt stärken. Insgesamt geht der Antrag der Koalitionsfraktionen in die richtige Richtung. Mir wäre noch wichtig, dass, soweit Sie eine Unterstützung aus EU-Mitteln fordern, dies nicht in Richtung einzelbetrieblicher Förderung geht, sondern dass es darum geht, zum Beispiel im Bereich von Aus- und Fortbildung soziale Unternehmen insgesamt zu unterstützen und allen den Zugang dazu zu ermöglichen. Meine Beurteilung des Antrags der CDU-Fraktion, mit dem laut Titel der schleswig-holsteinische Mittelstand fitgemacht werden soll, ist genau entgegengesetzt zu Ihrer, Herr Kollege Vogt. Ich kann dazu eigentlich nur sagen, dass ich darin nur Allgemeinplätze finden kann. Dort lesen wir Allgemeinplätze wie „mehr Investition in Bildung“. Da ist die Rede von einer Vervollkommnung des dualen Ausbildungssystems, was auch immer das ist. Ich denke, mit einer Förderung unternehmerischer Innovationstätigkeit wollen Sie gerade die einzelbetriebliche Förderung fortsetzen, obwohl bekannt ist, dass das mit enormen Mitnahmeeffekten verbunden ist. Das läuft auch Ihrem eigenen Ziel in dem Antrag zuwider, nämlich dem Subventionswettlauf entgegenzuwirken. Gerade durch einzelbetriebliche Förderung kommt es doch dazu, dass die Bundesländer untereinander darum konkurrieren, wer die höchsten Subventionen zahlt, um Unternehmen zu sich zu holen. Diese einzelbetriebliche Förderung läuft auch Ihrem eigenen Ziel entgegen, endlich den Investitionsstau bei der Infrastruktur abzubauen. Im Übrigen erscheint es mir doch sehr fragwürdig, wenn Sie eine neue Willkommenskultur fordern, aber gleichzeitig auf Bundesebene zum Beispiel durch eine Pkw-Maut für Ausländer alles dafür tun, damit sich Menschen aus anderen Ländern bei uns nicht willkommen fühlen. Infolgedessen kann dieser Antrag nicht auf unsere Zustimmung treffen. Ich denke auch nicht, dass er dem Mittelstand an dieser Stelle weiterhilft. Ich freue mich aber darüber, beide Anträge in den entsprechenden Ausschüssen näher zu beraten. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN und Lars Harms [SSW])
Freihandelsabkommen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen Voß und Meyer, Sie können CETA so viel kritisieren, wie Sie wollen. Fakt bleibt, dass Ihr Antrag CETA nicht ablehnt. Ihr Antrag positioniert sich nicht gegen CETA. Die Bedingungen, die Sie angeblich definieren, sind erstens keine und zweitens nicht erfüllbar. Erstens. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass das CETA- Abkommen das parlamentarische Selbstbestimmungsrecht, freie Standards setzen zu dürfen, nicht einschränken darf. Wofür ist das Abkommen denn da? - Ein Abkommen ist eine verbindliche Vereinbarung, die es verbietet, später als nationales Parlament einseitig davon abzuweichen. Das heißt, Ihre Bedingung richtet sich gegen den Kern dessen, wozu das Abkommen überhaupt da ist. Sie werden nie ein Abkommen mit Kanada aushandeln können, das das parlamentarische Selbstbestimmungsrecht nicht einschränkt. Von daher ist diese Bedingung nicht erfüllbar. Zweitens. Sie wenden sich dagegen, dass Klagen von Investoren vor privaten Schiedsgerichten zugelassen werden. Dabei wissen Sie längst, wie die Position der Bundesregierung dazu ist. Die Bundesregierung sagt dazu: Wir haben die Verhandlungen mit Kanada vor Jahren aufgenommen. In dem Mandat steht, dass eine solche Schiedsgerichtsklausel aufgenommen werden soll. Daher wird sie auch kommen. Die Bundesregierung tritt auf EU-Ebene nicht dafür ein, diese Klausel herauszustreichen, und das wird ihr auch nicht gelingen. (Beifall Uli König [PIRATEN]) Deshalb könnten Sie schon heute sagen, dass Sie dieses Abkommen insgesamt ablehnen. Drittens prangern Sie die Intransparenz der Verhandlungen an. Für Sie sind die vollkommenen Blackbox-Verhandlungen jedoch kein Grund dafür, aus den Verhandlungen auszusteigen. Umgekehrt, sie seien ein Grund dafür weiterzumachen, weil wir noch gar nicht wüssten, was darin stehe. Das heißt, Sie fordern geradezu intransparente Verhandlungen, um weiter verhandeln zu können. Das ist absurd und widerspricht dem Grundgedanken von Transparenz. Wie der Kollege König es gesagt hat, dient die Transparenz doch dazu, sich einbringen zu können. (Beifall PIRATEN) Soll man bloß verlangen, sich dafür einzusetzen, dass dies veröffentlich wird? Am Ende wird es veröffentlicht. Dann haben wir die Ja/Nein-Entscheidung. Das ist viel zu spät. Infolgedessen sind es auch keine Bedingungen, die Sie in Ihrem Antrag definieren. Es steht lediglich windelweich drin: Die Landesregierung möge sich dafür einsetzen, darauf hinzuwirken, dass und so weiter. Das sind keine Bedingungen. Da steht nicht drin: Die Landesregierung wird aufgefordert, das abzulehnen, wenn nicht. Das haben Sie gerade nicht so formuliert, und zwar mit Absicht. Deswegen ist Ihr Antrag auch falsch. (Beifall PIRATEN) Noch ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Herr Kollege Vogt hat schon gesagt, warum das Argument, bisher seien diese Abkommen kein Problem gewesen, keines ist. Die Anwendung dieser Investitionsschutzklauseln hat sich in den letzten Jahren verändert, sie ist viel weiter geworden. Vor allem aber müsste Ihnen doch die Inländerdiskriminierung, die mit dieser Klagemöglichkeit verbunden ist, am Herzen liegen. Unsere eigenen Unternehmen und Konzerne haben keine Möglichkeit, gegen Regelungen vor Privatgerichte in den USA zu ziehen. Vizepräsident Bernd Heinemann: Kommen Sie bitte zum Ende. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Nur internationale Investoren erhalten diese Möglichkeiten. Das ist doch eine Ungerechtigkeit unserer eigenen Wirtschaft gegenüber. Deswegen ist dieses Abkommen fatal und abzulehnen. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! „TTIP und CETA, bereuen tut ihr später!“ Solche Slogans haben wir vor einem Monat von Zehntausenden von Menschen europaweit gehört, die gegen internationale Handelsabkommen demonstriert haben. Wie kam es dazu? 6118 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 74. Sitzung - Donnerstag, 13. November 2014 Im Jahr 2009 haben die EU-Mitgliedstaaten der EU-Kommission das Mandat erteilt, ein Handelsabkommen mit Kanada auszuhandeln. In Deutschland war damals eine Große Koalition an der Regierung. Schon in dem Mandat enthalten war ein Kernpunkt der Kritik, der jetzt an das fertige Abkommen, das uns seit einigen Wochen vorliegt, gerichtet wird. Das Abkommen sieht vor, dass ausländische Investoren, also insbesondere ausländische Konzerne, quasi ein Sonderrecht bekommen sollen, Entschädigungen vor privaten Schiedsgerichten zu fordern. Das heißt, dass eine Art Privatjustiz für ausländische Konzerne eingeführt werden soll. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Schiedsgerichte sind üblich!) Solche Schiedsgerichtsverfahren führen unabhängig vom Ausgang zu Millionenkosten für die beteiligten Parteien. Stellen Sie sich vor, dass zum Beispiel eine Stadt beklagt wird und dann Kosten von 8 Millionen € drohen, allein durch das Verfahren, welche Abschreckungswirkung auf Regulierungen und Begrenzungen von Investitionsvorhaben davon ausgeht! Wir haben das weitere Problem, dass bei diesen Schiedsgerichten internationale Anwälte zu Richtern ernannt werden können, die in anderen Verfahren wieder als Anwälte tätig sind. Diese Schiedsgerichtsverfahren, diese Paralleljustiz darf nicht eingeführt werden. (Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Die haben wir doch überall!) In der Vergangenheit sind in solchen Verfahren zum Beispiel Schadenersatzforderungen erhoben worden wegen Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln, wegen Umweltauflagen, die Investoren erteilt worden sind, wegen des Atomausstiegs in Deutschland und wegen eines Fracking-Verbots in Kanada. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das demokratische Regulierungsrecht darf nicht unter dem Damoklesschwert solcher Privatgerichte stehen. Deshalb freut es mich besonders, dass die vielen Menschen, die gegen solche Handelsabkommen protestieren, inzwischen sogar den Bundeswirtschaftsminister zum Einlenken bewegt haben. Er hat öffentlich erklärt: Das Investitionsschutzkapitel von CETA ist so nicht zustimmungsfähig. (Beifall PIRATEN) Es bleibt aber der Missstand, dass der Bundeswirtschaftsminister ansonsten nicht müde wird, für diese Handelsabkommen zu werben, weil sie angeblich Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und so weiter bringen würden. Dabei bleibt aber außer Betracht, dass unser demokratisches parlamentarisches Selbstbestimmungsrecht massiv eingeschränkt wird, wenn dieses Abkommen kommen sollte. Unabhängige Analysen des nunmehr vorliegenden Vertragstextes zeigen, dass das staatliche Recht auf Regulierung von diesem CETA-Vertrag weitgehend ausgehebelt wird. Das ist bedrohlich für den Umweltschutz, die Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards. Die sollen nämlich den Rechten von Investoren klar untergeordnet werden. Gibt es das Tariftreue- und Vergabegesetz überhaupt noch, wenn dieses Abkommen beschlossen wird? Ist das damit kompatibel? Können Investoren gegen kommunale Förderung von Theatern, Konzerthäusern, Museen oder Bibliotheken klagen? Kann geklagt werden gegen die Rekommunalisierung von Wasserversorgung und Krankenhäusern? Mal ganz abgesehen davon, dass in diesem Abkommen der veraltete Urheberrechtsschutz zementiert werden soll. Zu anderen Themen kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr kommen. Sie finden das aber alles in unserem Antrag. Was macht aber unser Bundeswirtschaftsminister? - Er lässt sich in einem Rechtsgutachten bestätigen, dass keine Einschränkung der Regulierungsmöglichkeiten bestünden. Wer hat aber dieses Gutachten verfasst? - Ein Jurist, der selber Rechtsanwalt in New York ist, vor solchen Schiedsgerichten selber auftritt und damit sein Geld verdient. (Lachen und Beifall Uli König [PIRATEN] und Torge Schmidt [PIRATEN] - Zurufe CDU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine unabhängige Prüfung. Ein Wort an die Fraktionen von CDU und FDP, die heute hier Jubelanträge hinsichtlich dieser Handelsabkommen vorgelegt haben. Nach der Stiftung Wissenschaft und Politik wurden durch die nordamerikanische Freihandelszone - nach zehn Jahren Evaluierung - weder Arbeitsplätze noch Wohlstandseffekte geschaffen. Vor dem Hintergrund stimmen diese Versprechen, die immer wieder genannt werden, nicht. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Klar! - Weitere Zurufe) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 74. Sitzung - Donnerstag, 13. November 2014 6119 (Dr. Patrick Breyer) Wir beantragen deswegen erstens eine klare Ablehnung des CETA-Abkommens und zweitens, dieses auch mit dem Vetorecht, das wir als Land haben, zu verhindern. Denn dieses Abkommen greift in ausschließliche Zuständigkeiten von uns ein, beispielsweise in den Bereichen Kultur, Presserecht und Bildung. Wir müssen den Mut haben, unser demokratisches Selbstbestimmungsrecht als Landtag auch einzufordern und einzuklagen, denn Rechtsstaat und Demokratie stehen auf dem Spiel. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu zwei Redebeiträgen noch etwas sagen. Zu dem Beitrag des Kollegen Christopher Vogt möchte ich doch noch einmal klarstellen: Wenn wir verlangen, dass über Umweltstandards, Arbeitsschutzstandards, Datenschutzstandards von unserem gewählten demokratischen Parlamenten frei entschieden werden darf, dann ist das doch kein Nationalismus. (Christopher Vogt [FDP]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!) Demokratie ist niemals Nationalismus. In Bezug auf unsere Forderung, dass solche Dinge nicht in Geheimverhandlungen ausgehandelt werden, sondern bitte schön im Parlament, weise ich ausdrücklich den Vorwurf zurück, es klängen irgendwelche nationalen Untertöne in der Kritik mit. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Bitte schön! Christopher Vogt [FDP]: Vielen Dank. - Herr Kollege Dr. Breyer, ich weise ausdrücklich zurück, dass ich irgendwem Nationalismus unterstellt habe. (Beifall Dr. Heiner Garg [FDP]) Ich glaube, Sie verwechseln mich mit einem der Vorredner. - Ich hatte es so verstanden, dass Sie gesagt haben, bei den Protesten würde sozusagen mitschwingen, wir hätten die besseren Standards, und das sei quasi ein nationalistischer Unterton. (Christopher Vogt [FDP]: Nein!) Es geht nicht um bessere Standards, sondern darum, dass wir das Recht haben, unsere eigenen Standards festzulegen, weil die Parlamente hier frei gewählt sind. Wenn das jemand anderes gesagt haben sollte, Herr Kollege, dann richtet sich die Kritik entsprechend an den Kollegen Callsen. Jetzt möchte ich gerne noch etwas zu den Kolleginnen und Kollegen von der Koalition sagen. Das Problem an Ihrem Antrag, Herr Kollege Dr. Stegner, ist Folgendes: Sie präsentieren eine Liste von Punkten, also eine Wunschliste, wie Sie dieses Abkommen gerne ausgestaltet hätten. Das Problem ist nur, für eine Wunschliste ist es zu spät, wenn der Weihnachtsmann schon dagewesen ist. Das ist bei CETA so gewesen. (Vereinzelter Beifall PIRATEN) Wir haben das Abkommen ja schon, Herr Kollege Dr. Stegner. Wir sehen doch an dem Abkommen, dass es Ihre Anforderungen und unsere Anforderungen nicht erfüllt. Jeder der Redner Ihrer Koalition hat doch gesagt: So wie das Abkommen jetzt ist, geht es nicht, weil Investitionsschutz und Privatgerichte drin sind und das demokratische Selbstbestimmungsrecht nicht sichergestellt ist. Wenn das feststeht und selbst der Bundeswirtschaftsminister sagt, dass das so nicht zustimmungsfähig ist, dann Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 74. Sitzung - Donnerstag, 13. November 2014 6129 (Flemming Meyer) wünsche ich mir auch von Ihnen die klare Ansage: So wie das Abkommen jetzt ist, lehnen wir es ab. Ich beantrage, über Nummer 1 unseres Antrags separat abzustimmen. Darin ist die klare Positionierung, die klare Ansage enthalten, die der Kollege Voß gerade eingefordert hat. Darin steht nicht „wenn, dann“, sondern darin steht: Wir haben das gelesen. Die Anforderungen werden nicht erfüllt. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, das ausgehandelte Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA abzulehnen. Ich beantrage separate Abstimmung darüber, weil das leider nichts anderes ist als das, was Sie in Ihren Reden gesagt haben, nämlich dass das Abkommen so nicht zustimmungsfähig ist. Das möchte ich ganz klar festgehalten haben. Für uns PIRATEN ist klar, dass ein geheim und intransparent ausgehandeltes Abkommen wie CETA den Weg ad acta gehen und in den Orcus geschickt werden muss. Die Demokratie darf niemals zum Handelshemmnis herabgewürdigt werden. (Beifall PIRATEN)
Meisterpflicht
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir PIRATEN möchten, dass sich die Landesregierung über den Bundesrat dafür einsetzt, die Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit in Deutschland auszubauen und nationale Zugangsbeschränkungen zum Handwerksberuf abzubauen. Worum geht es? Neben Luxemburg ist Deutschland das einzige der 28 EU-Staaten, in denen man sich zum Beispiel als Maler, als Konditor, als Friseur nur nach langer Ausbildung und Prüfung selbstständig machen und arbeiten darf. Wir PIRATEN möchten, dass auch in Deutschland jeder freien Zugang zu diesen Berufen bekommt und in ihnen arbeiten kann. Das nützt den Menschen, die sich selbstständig machen wollen, das schafft Arbeitsplätze, das nützt vor allem aber den Verbrauchern, weil sie die Wahlfreiheit erhalten, ob sie sich für einen Betrieb mit dem Qualitätssiegel „Meisterbetrieb“ entscheiden - das soll ausdrücklich erhalten bleiben - oder ob sie sich für einen Betrieb entscheiden, der dieses Qualitätssiegel nicht trägt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Meisterpflicht für einige Handwerksberufe wird mit verschiedenen Argumenten gerechtfertigt, die aber im Endeffekt nicht durchgreifend sind. Das erste Argument ist das der Gefahrenabwehr, bestimmte handwerkliche Tätigkeiten seien zu gefährlich für Personen ohne Befähigungsnachweis. Das Problem ist nur, dass die Meisterpflicht, wie sie heute ausgestaltet ist, gar nicht geeignet ist, die Qualität wirklich zu sichern und uns Verbraucher zu schützen; denn sie ist vielfach durchbrochen. Sie gilt für viele Handwerke von vornherein nicht, die eigentlich genauso gefährlich sind, Stichwort Kochen einerseits, Backen andererseits. Sie gilt aber auch nicht, wenn man die Handwerke als Reisegewerbe ausübt oder wenn man aus einem EU-Mitgliedstaat heraus diese entsprechenden Tätigkeiten entfaltet, wenn man ein entsprechendes Studium absolviert hat und so weiter. Sie ist vielfach durchbrochen und nicht geeignet, um Gefahren abzuwehren. Wenn man Gefahren wirklich abwehren wollte, könnte man entsprechende gesetzliche Vorschriften einfordern oder auch einen zeitlich befristeten Sachkundenachweis verlangen. Zweitens wird argumentiert, die Qualität der Handwerkerleistungen müsse erhalten bleiben. Wir PIRATEN sind ganz klar der Meinung, dass der mündige Verbraucher selbst entscheiden können muss, welche Dienstleistungsqualität er in Anspruch nehmen möchte. Das ist im Übrigen auch schon heute so; denn derjenige Verbraucher, der nicht die hohe Qualität eines Meisterbetriebes in Anspruch nehmen möchte oder sich das nicht leisten kann, weicht leider schon heute allzu oft auf den Bereich der Schwarzarbeit aus, in dem es natürlich keine Qualitätsstandards gibt. Das ist der falsche Weg. Übrigens haben auch die Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU im Bereich des Glücksspiels sehr wohl erkannt, dass eine Kanalisierung auf legale Märkte im Endeffekt mehr nützt als die Schwarzarbeit. (Hans-Jörn Arp [CDU]: Das war ein schlechter Vergleich!) Drittens wird argumentiert, die Meisterpflicht sei erforderlich, um die besondere Ausbildungsleistung zu erhalten. Wenn man sich aber die Zahlen anschaut - und die Bundesregierung hat sie veröffentlicht - und meisterpflichtige zu nicht meisterpflichtigen Handwerken vergleicht, dann werden Sie feststellen: Die Zahl der Ausbildungsplätze geht allgemein zurück, und zwar in beiden Bereichen gleichermaßen. Bei den Berufen, in denen die Meisterpflicht 2004 aufgehoben worden ist, ist kein stärkerer Rückgang eingetreten als bei den Berufen, in denen nach wie vor die Meisterpflicht gilt. Dementsprechend trifft es nicht zu, dass die Meisterpflicht zu mehr Arbeitsplätzen führt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die EUKommission hat vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Zugangsbeschränkungen in der EU die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre gegenseitigen Systeme zu evaluieren, zu vergleichen und darüber zu diskutieren, wie sich die Unterschiede begründen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Aus meiner Sicht widerspricht es dem europäischen Gedanken, in diese Diskussion von vornherein mit der Position hineinzugehen, mit der das CDU und FDP tun wollen, nämlich zu sagen: Wir können gern reden, aber wir lehnen jede Änderung entschieden ab. - Das widerspricht dem europäischen Gedanken. Wenn unsere Regelung denn so gut wäre, wie Sie behaupten, dann müssten Sie doch offen sein für eine Diskussion, und dann müssten Sie sich doch auch der Diskussion mit unseren Nachbarländern stellen, die sagen, sie brauchen diese Meisterpflicht nicht zur Gefahrenabwehr oder zur Ausbildungsleistung. Ich wundere mich auch, dass sich ausgerechnet die FDP, die selbst ernannten Gralshüter der freien Marktwirtschaft, hier gegen Gewerbefreiheit einsetzt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns auch im Bereich des Handwerks mehr Freiheit wagen, einen besseren Service, niedrigere Preise für Verbraucher, weniger Schwarzarbeit; lassen Sie uns die Meisterpflicht ernsthaft auf den Prüfstand stellen! (Beifall PIRATEN)
Provinzial
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition hat heute einen Bekenntnisantrag vorgelegt. Sie will sich zum dauerhaften Verbleib des Versicherungskonzerns Provinzial in öffentlicher Hand bekennen, während CDU und FDP eine gemeinsame Erklärung von Betriebsrat und Vorstand begrüßen wollen. Die Provinzial NordWest Holding ist inzwischen eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, deren Anteile von öffentliche-rechtlichen Sparkassen- und Landschaftsverbänden gehalten werden. Eine Veräußerung dieser Anteile ist nur einvernehmlich möglich und steht in Schleswig-Holstein unter dem Zustimmungsvorbehalt der Landesregierung. Zuletzt haben aber ohnehin mehrere Anteilseigner eine Veräußerung an Private ausgeschlossen, als es um den Verkauf an die Allianz ging. Die Holding erwirtschaftet ein positives Ergebnis und konnte es zuletzt sogar noch einmal steigern. Vor diesem Hintergrund komme ich zu der Bewertung, dass es im Moment überhaupt keinen Anlass für eine politische Einmischung des Landes gibt, das ja auch nicht Träger dieser Holding ist. Auch meine ich zum Antrag der Koalition, dass die anderen Landesregierungen ebenfalls der falsche Ansprechpartner sind, was die Zukunft der Provinzial angeht. Vor dem Hintergrund empfehle ich, dem Antrag nicht zuzustimmen. Ich sehe ihn eher als eine politische Profilierung zugunsten der Beschäftigten an, als dass er Sinn machen würde. Ich finde auch, dass diese Profilierung nicht besonders glaubwürdig ist. Denn es ist doch gerade die SPD, die seit Jahren unter dubioser Verflechtung mit privaten Konzernen eine private Realisierung von Bauprojekten und auch einen privaten Betrieb öffentlicher Infrastruktur im Wege von ÖPP-Projekten forciert. (Beifall Uli König [PIRATEN] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was reden Sie für einen Unsinn!) Lesen Sie einmal die Rechnungshofberichte nach, Herr Dr. Stegner, was dort zu den dubiosen ÖPPProjekten gesagt wird, die die rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Hier im Land ist zuletzt der ÖPP-Vertrag für das UKSH abgeschlossen worden. Er ist hochproblematisch. Wir haben jetzt schon gehört, dass neue Beschäftigte in andere Gesellschaften ausgelagert werden sollen. Herr Dr. Stegner, ich habe auf abgeordnetenwatch. de gelesen, dass Sie am 31. Juli dieses Jahres eine Frage von einem Bürger erhalten haben, aus der ich zitieren möchte: „Bis 2014 sind nach einem Gutachten des Bundesrechnungshofs fünf der sechs Autobahnprojekte, die als PPP realisiert wurden, teurer geworden, als dies bei konventioneller Umsetzung der Fall gewesen wäre. Eine wesentliche Motivation zur Nutzung von PPP sei die Vorfinanzierung der Baukosten durch Private und damit die Möglichkeit der Umgehung der Schuldenbremse. Und hier meine Nachfrage: Was ist ÖPP anderes als Privatisierung? Bauen Sie hier einen Schattenhaushalt auf? Warum machen Sie alles zum Nachteil der Bürger; denn zehnjährige Bundesanleihen kosten zurzeit 1,15 % Zinsen.“ Herr Dr. Stegner hat diese Frage auf Abgeordnetenwatch seit dem 31. Juli 2014 nicht beantwortet. Mich wundert es auch nicht, dass er sie nicht beantwortet hat. (Beifall Uli König [PIRATEN] - Christopher Vogt [FDP]: Skandal!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter einer SPD-geführten Regierung in Schleswig-Holstein sind wiederholt Häfen im Land privatisiert und verkauft worden. Dabei geht es um unsere Küsten, um unsere Natur, die es nur einmal gibt, aber nicht um Versicherungsangebote, zwischen denen man wählen kann. Leider ist von Ihrer Seite keinerlei Unterstützung für unseren Antrag gekommen, um diesen Ausverkauf unserer Natur zu stoppen. Vor diesem Hintergrund hat die Privatisierungskritik der SPD für mich jede Glaubwürdigkeit verloren. (Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]) Der Antrag von CDU und FDP ist überflüssig. Ich muss Kritik am zweiten Absatz äußern. Der öffentliche Auftrag einer Versicherung wird doch nicht in einer Erklärung von Betriebsrat und Vorstand formuliert. Diese können doch keinen öffentlichen 5792 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 71. Sitzung - Donnerstag, 9. Oktober 2014 (Christopher Vogt) Auftrag formulieren. Im Übrigen ist der Einsatz für Arbeitsplätze bei uns im Land eine Selbstverständlichkeit für uns. Daher sollten wir unsere Zeit nicht mit Symboldebatten verplempern. (Zuruf SPD: Das sagt der Richtige!) Mit bloßen Worten ist niemandem und vor allem nicht den bei der Provinzial Beschäftigten geholfen. - Vielen Dank.
Jugendberufsagenturen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einen Punkt vertiefen, den Sven Krumbeck schon angesprochen hat, nämlich den des Datenschutzes. Jugendberufsagenturen als Unterstützung und Beratung von Jugendlichen sind eine gute Sache; das ist keine Frage. Aber das sind sie doch nur dann, wenn sie von den Jugendlichen gewollt werden. Bei Jugendberufsagenturen werden Daten zusammengeführt. Mir ist es sehr wichtig, dass 6228 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 75. Sitzung - Freitag, 14. November 2014 (Ministerin Britta Ernst) das nur geschieht, wenn es im Sinne der Jugendlichen ist, wenn sie beraten werden möchten und dass es ihnen nicht aufgezwungen wird. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass vielleicht sogar Sanktionen drohen, wenn sie in diesem System nicht mitmachen. Es gibt viele Jugendliche, die eine solche Beratung nicht brauchen, weil ihr weiterer Lebensweg schon vorgezeichnet ist, weil sie ins Ausland gehen möchten oder Ähnliches. Bei den Anträgen, die heute vorliegen, ist nicht gewährleistet, dass Jugendliche selbst darüber bestimmen können, ob sie in dieses Modell hineinkommen, ob ihre Daten übermittelt werden oder nicht. Wenn ein solches Wahlrecht nicht besteht und sozusagen eine Zwangsübermittlung der Daten von allen Jugendlichen stattfindet, dann halte ich das für den falschen Weg. Wenn gewährleistet ist, dass die Jugendlichen gefragt werden, ob sie damit einverstanden sind oder ob sie es ablehnen, dass ihre Daten auf die Art und Weise zusammengeführt werden, dann wäre das für mich ein gangbarer Weg. Aber ich sehe im Moment nicht, dass das bei den Projekten, die hier vorgesehen sind, so evaluiert werden soll. Korrigieren Sie mich, Frau Ministerin, wenn es anders ist. Solange es ein flächendeckendes und nicht auf Freiwilligkeit basierendes Modell ist, kann ich dem nicht zustimmen. Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Strehlau? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich möchte nur zur Aufklärung beitragen. In Hamburg ist es so, dass alle Jugendlichen einzeln eine Einwilligungserklärung dazu geben, dass ihre Daten weitergegeben werden dürfen. Es gibt auch eine eindeutige Trennung zwischen den Daten, die in der Agentur für Arbeit liegen, und denen, die in der Jugendberufsagentur sind. Da gibt es also keinen Abgleich. Natürlich werden wir auch hier den Datenschutzbeauftragten einbinden. Das geht nur so. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)
Verkehr
Verkehrsprojekte
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute gleich über drei Anträge auf einmal zu beraten. Auf zwei will ich nur kurz eingehen. Was die Verteilung der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz angeht, werde ich der Ausschussempfehlung zustimmen, diesen Antrag zurückzuweisen, weil die Schwerpunktsetzung der Koalition auf den öffentlichen Nahverkehr und den Radverkehr richtig ist, gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Stauvermeidung. Da müssen wir nämlich mehr auf öffentlichen Verkehr setzen. (Vereinzelter Beifall PIRATEN) Dann brauchen wir auch nicht so viele Straßen. Was den zweiten Antrag zu Lang-Lkws angeht, der inzwischen von CDU und FDP gestellt worden ist: Ich werde ihn ablehnen, weil Lang-Lkws die gefährliche und auch umweltschädliche Verkehrsverlagerung von der Schiene auf die Straße weiter befördern, wo umgekehrt eine Stärkung des Schienengüterverkehrs nötig wäre. Deswegen lehnen wir PIRATEN diese Gigaliner ab. (Beifall PIRATEN - Christopher Vogt [FDP]: Alle oder nur einige?) Was den dritten Punkt angeht, die öffentlich-privaten Partnerschaften, möchte ich darauf etwas grundsätzlicher eingehen, weil das nicht nur die Frage der Unterhaltung von Autobahnen, sondern auch des Baus von Autobahnen angeht. Wir haben in der Vergangenheit leider immer wieder schlechte Erfahrungen damit machen müssen, dass man Aufgaben der Daseinsvorsorge im Wege öffentlich-privater Partnerschaften privatisiert hat. Wo dieses PPP als Finanzierungsmodell eingesetzt worden ist, das heißt als eine Art Leasing, da zahlt schon vom Grundansatz her die öffentliche Hand geringere Zinsen zur Finanzierung. Schon deswegen kann es nichts sparen. Oftmals dient dieses PPP zur Verschleierung von Schulden. Oftmals sind in der Vergangenheit Kommunen leider über den Tisch gezogen worden mit Verträgen, die sie gar nicht durchschauen konnten. Wo die öffentlich-privaten Partnerschaften nicht zur Finanzierung dienen sollten, sondern sich die Privaten quasi aus Einnahmen finanzieren sollten, führt das leider oftmals zu explodierenden Preisen und zur Vernachlässigung von Investitionen. Das haben wir zum Beispiel gesehen, als die Wasserversorgung in einigen französischen Städten privati-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 10. Sitzung - Mittwoch, 14. November 2012 717 (Dr. Patrick Breyer) siert worden ist. Das haben wir aber auch beim Schienenverkehr in Großbritannien gesehen, wo die Vernachlässigung von Investitionen so weit gegangen ist, dass schließlich Züge entgleist sind. Wir haben es auch bei der Autobahn nach Bremen gesehen, die privat gebaut wurde, wo man dann drei sehr enge Spuren nebeneinander gesetzt hat und die ganze Autobahn voll von Scherben war, weil sich die Autos gegenseitig die Spiegel abgefahren haben. Da steht der Profit zu sehr im Vordergrund und die Sicherheit zu weit hinten. ternehmen dusselig, oder die pessimistische Annahme ist richtig, dann geht das Unternehmen insolvent. Dass man bei diesen Annahmen regelmäßig so weit auseinanderliegt, zeigt, dass ein grundsätzliches Problem bei diesen PPP-Modellen besteht. Vizepräsident Bernd Heinemann: Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christopher Vogt? Gern. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki? Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Sehr gern. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön. Christopher Vogt [FDP]: Herr Kollege, ich fand Ihre Beispiele unterhaltsam, aber wenig nachvollziehbar. Stimmen Sie mir nicht auch zu, dass man das alles vertraglich regeln und entsprechend überprüfen kann, dass man zum Beispiel bestimmte Kriterien hat, wie die Instandhaltung passieren muss? Meinen Sie nicht auch, dass man das in den Verträgen, die aus unserer Sicht möglichst transparent sein sollten, regeln kann? Das muss dann auch getan werden. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege, man kann alles in Verträgen regeln. Nur wenn wir vertraglich die Bedingungen festschreiben, die auch die öffentliche Hand anwenden würde, können diese Modelle im Grunde genommen nicht funktionieren. Denn sie rentieren sich für die Privaten nur, wenn sie zusätzlich einen Gewinn dabei herausholen. Deswegen rentieren sich diese Verträge nur, wenn der Gewinn an einer Stelle herausgeholt werden kann, wo es der Staat nicht tut. Wir beobachten oft genug, dass Staat und Unternehmen bei diesen Modellen von ganz unterschiedlichen Annahmen ausgehen. Bei Verkehrsprognosen planen die Unternehmen zum Beispiel weit optimistischer, als der Staat prognostiziert. Eines von beidem muss falsch sein. Entweder ist die optimistische Prognose richtig, dann verdient sich das UnWolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege Dr. Breyer, ist Ihnen bekannt, dass die PPPModelle zunächst Finanzierungs-, aber dann auch Controllingübernahmefunktionen beinhalten, und ist Ihnen vielleicht bekannt, dass das Land Schleswig-Holstein selbst keine Straßen baut, selbst keine Straßen unterhält, sondern dafür immer Unternehmen verpflichtet? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Das ist mir durchaus bekannt. Aber es macht einen Unterschied, ob der Auftraggeber und Bauträger das Land ist oder ein Privater. Controlling macht bei uns erfreulicherweise immer noch der Landesrechnungshof. Die Rechnungshöfe machen das sehr gut und haben bei ÖPP-Modellen regelmäßig herausgefunden, dass sie in der Nachbetrachtung wesentlich schlechter abgeschnitten haben, als im Vorhinein kalkuliert worden war. Auch das zeigt, dass der Vorteil, den man sich oftmals erhofft hat, in der Praxis nicht zum Tragen gekommen ist. Ich kann noch Professor Mühlenkamp von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften zitieren. Er sagt zum Beispiel: „Alles in allem müssen mehrere günstige Umstände... zusammenkommen, um eine PPP für die öffentliche Hand erfolgversprechend im Sinne von kostensenkend erscheinen zu lassen. Damit ist das Fenster für wirtschaftliche PPP relativ klein.“ Das heißt, wir haben hier nicht den Fall, dass man quasi schon ideologisch von Grund auf sagen könnte, diese Modelle seien günstiger. Eher ist das Ge-718 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 10. Sitzung - Mittwoch, 14. November 2012 (Dr. Patrick Breyer) genteil der Fall. Mit PPP-Modellen verbunden sind oftmals hohe Transaktionskosten, Beratungskosten. Lassen wir einmal das Stichwort Nürburgring fallen. Es geht damit oft ein Insolvenzrisiko einher. (Beifall PIRATEN) Das hat man natürlich nicht, wenn der Staat das in Auftrag gibt. Im Endergebnis beobachten wir eine Entwicklung, dass wir im kommunalen Bereich eher eine Rekommunalisierung haben. Denken Sie nur an die Versorgungseinrichtungen. Der einzige Vorteil, den es im Grunde genommen haben könnte, die Autobahnunterhaltung zu privatisieren, wäre, dass Sie die Mauteinnahmen für die Unterhaltung der Straßen reservieren. Aber diesen Vorteil können wir auch haben, wenn wir das politisch vorsehen. Über ein öffentliches Modell könnten wir sehr wohl einen größeren Anteil der Mauteinnahmen für die Unterhaltung der Straßen reservieren. Das geht auch ohne PPP. Dafür brauchen wir es nicht. Ich kann nur sagen: Diese privaten Modelle reduzieren die Transparenz, weil die Verträge oftmals nicht einsehbar sind. Sie reduzieren die öffentliche Kontrolle. Deswegen lehne ich sie ab. (Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)
Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion spricht mit ihrem Antrag den Ausbau der S 4 in Richtung Bad Oldesloe an. Der ist in der Tat sehr wichtig, und zwar nicht nur für die Menschen vor Ort, für die Pendler, die oft in die Metropolregion Hamburg hineinpendeln, sondern auch für die Autofahrer, die da allzu oft im Stau stehen müssen. Deswegen können wir diesen Ausbau nur befürworten. (Beifall PIRATEN) Von der Formulierung her halte ich den Antrag allerdings für falsch, denn es stimmt nicht, dass die S 4 im Bundesverkehrswegeplan geführt wird. Von der S 4 ist da keine Rede, sondern es geht um die Schienen, auf denen sie einmal fahren soll. (Zurufe) Ich freue mich über die Ankündigung des Verkehrsministers, dass die Anmeldung weiterhin erfolgen soll. Zunächst einmal soll mit Mitteln aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gearbeitet werden; wie weit man mit Bundesmitteln kommt, muss man abwarten. Wir unterstützen als PIRATEN auch den Kurs der Koalition beim Ausbau der A 20. Dagegen lehnen wir die feste Fehmarnbelt-Querung ab. Sie steht in der unseligen Tradition von Großprojekten, die geplant werden, ohne die Bürger, die davon betroffen sind, zu fragen. Die Hinterlandanbindung ist bei der Planung überhaupt nicht mitgedacht worden, genauso wenig wie die Anbindung über die Schiene, was jetzt zu entsprechenden Problemen führt. Die Kosten wachsen wieder einmal in den Himmel. Wir haben es beim Dialogforum mit einer nachgeschobenen „Beteiligungssimulation“ zu tun, die eine echte Beteiligung im Vorfeld nicht ersetzt. Deswegen kann ich für uns PIRATEN nur sagen: Großprojekte wie die feste Fehmarnbelt-Querung dürfen nicht über die Köpfe der Bürger hinweg geplant werden, sondern können nur gemeinsam mit den Bürgern gelingen. (Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der schlechte Zustand unserer Landesstraßen ist kein neues Thema. Schon im Bericht des Landesrechnungshofs vom letzten Jahr ist nachzulesen, dass bereits im Jahre 2005 35 % der Landesstraßen erhaltungsbedürftig waren, 2009 sogar schon 52 %. Obwohl die Mittel zwischenzeitlich einmal aufgestockt worden waren, hat sich der Straßenzustand noch weiter verschlechtert. Auf 960 km Landesstraßen sind dringende Maßnahmen notwendig. Dafür reichen auch nach der Ankündigung eines Frühjahrsprogramms durch den Verkehrsminister, das ich begrüße, die eingeplanten Mittel bei Weitem nicht aus. Es ist letztendlich - das muss man auch einmal ganz ehrlich sagen - illusorisch, dass wir das gesamte Netz an Landesstraßen mit den verfügbaren Mitteln in einem guten Zustand erhalten könnten. Diese ehrliche Ansage hätte ich mir auch von der Landesregierung gewünscht. Die bisherige Politik ist nicht (Unruhe) Vizepräsident Bernd Heinemann: Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Danke, Herr Präsident. - Es braucht klare Kriterien und Prioritäten bei der Frage, an welcher Stelle und an welchen Straßen man am dringensten ansetzen muss. Wir PIRATEN setzen uns dafür ein, dass diese Frage transparent, ehrlich und offen gemeinsam mit den Bürgern diskutiert wird. Das heißt, dass die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig in die Planung von Sanierungsmaßnahmen einbezogen werden. Es freut mich, dass jetzt ein 5-Millionen-€-Frühjahrsprogramm geplant ist. Dennoch ändert dies nicht daran, dass wir auch die Ursachen des schlechten Straßenzustandes angeben müssen. Ursache ist natürlich insbesondere auch die Inanspruchnahme der Straßen. Der Kollege Tietze hatte schon angesprochen, dass eine wesentliche Ursache eben auch der Schwerlastverkehr ist, der die Straßen übermäßig beansprucht und deswegen auch eine Ausnahmegenehmigung voraussetzt. Leider sind aber diese Ausnahmegenehmigungen - auch das haben wir schon gehört - von der Ausnahme längst zur Regel geworden. Vor dem Hintergrund - und das haben Sie nicht gesagt, Herr Tietze - fordert der Landesrechnungshof auch eine Beteiligung des Schwerlastverkehrs an den Folgekosten. Auf meine Nachfrage haben Sie, Herr Meyer, mitgeteilt, dass es eine Arbeitsgruppe gebe, die diese Frage prüfe. Ich würde mich freuen, wenn die Ergebnisse bald vorgelegt werden würden; denn ich glaube, wir brauchen mehr Geld. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Das ist eine Finanzierungsquelle, bei der an der richtigen Stelle, nämlich beim Verursacher, angesetzt werden kann. (Beifall PIRATEN) Eine weitere Möglichkeit zur Entlastung der Straßen ist, dass man schonendere SchwerlastfahrzeugeSchleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 19. Sitzung - Mittwoch, 20. Februar 2013 1401 (Dr. Patrick Breyer) bauen könnte, zum Beispiel durch eine bessere Achsverteilung. Auch das ist schon lange gefordert und wird in den entsprechenden Gremien beraten, bisher aber ohne jeglichen Erfolg. Und - auch das ist schon gesagt worden - eine Verlagerung des Güterverkehrs auf das Wasser und auf die Schiene hilft natürlich auch, unsere Straßen zu entlasten und ihrem Verschleiß entgegenzuwirken. Aber auch eine Verlagerung von Individualverkehr auf Radwege, Fußgängerverkehr und öffentlichen Personennahverkehr ist wichtig. An der Stelle brauchen wir eine Weiterentwicklung der bisherigen Infrastrukturpolitik zu einer umfassenden Mobilitätspolitik. Mobilität ist ja die Fähigkeit, Ziele des regelmäßigen Bedarfs mit zumutbarem Aufwand erreichen zu können. Dem steht im Moment ja auch entgegen, dass wir im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs eine deutliche Unterfinanzierung haben. Immer mehr Verkehrsverbindungen, gerade auch auf dem Lande, etwa in Nordfriesland oder Lübeck, werden gestrichen. Gerade am Wochenende kommt man dort kaum noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln voran. Wir PIRATEN fordern ja seit unserem Wahlkampf immer wieder, dass eine Lösung dafür auch ein fahrscheinloser Nahverkehr sein kann; denn dort, wo dieses Konzept umgesetzt wird, gibt es eine stärkere Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs. Gibt es auch mehr Verbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs, dann kann dadurch natürlich auch wiederum eine Entlastung der Straße erreicht werden. Dadurch, dass dieses Konzept auch im Koalitionsvertrag zumindest angesprochen worden ist, würde es mich freuen das war auch Gegenstand einer Kleinen Anfrage von mir neulich -, wenn man das einmal in einem ergebnisoffenen Dialog prüfen würde. Man sollte versuchen, Modellprojekte und Modellregionen zu finden, die bereit wären, einen fahrscheinlosen Personennahverkehr zu testen. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich störe nur ungern die interessanten Annäherungsversuche zwischen der FDP und der SPD hier im Plenum, die sich schon gestern angebahnt haben, aber ich möchte doch auf das eigentliche Thema dieser Debatte zu sprechen kommen. Das ist die Anmeldung des Landes zum Bundesverkehrswegeplan 2015.1376 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 19. Sitzung - Mittwoch, 20. Februar 2013 (Dr. Patrick Breyer) Hier stellt sich aus unserer Sicht ganz grundsätzlich die Frage, wie große Infrastrukturprojekte in Deutschland eigentlich geplant werden. Spätestens seit Stuttgart 21 und auch seit der Diskussion über die feste Fehmarnbelt-Querung wissen wir, wie man das nicht macht. Das Aufstellungsverfahren von Verkehrsplanern ist bisher intransparent und unter Ausschluss der Öffentlichkeit praktiziert worden. Auch die Prioritätensetzung bei der Auswahl und der Frage, welche Verkehrsprojekte umgesetzt werden, folgten keinem inhaltlichen Konzept. Vielmehr sind sie das Ergebnis eines politischen Geschachers gewesen. Wir müssen feststellen, dass der Bundesverkehrswegeplan Neubauten von Verkehrswegen vorsieht, obwohl nicht einmal die vorhandene Infrastruktur erhalten und saniert werden kann. Darauf werden wir im Rahmen der nächsten Debatte noch zu sprechen kommen. Das ist eine völlig absurde Lage. Für uns PIRATEN sind dann, wenn es um Verkehrsprojekte geht, Maßstab und Messlatte die Fragen, ob das Verfahren transparent ist und ob die Bürger mit einbezogen werden. Daraus leiten sich eine ganze Reihe von Forderungen ab: Die Planungsverfahren müssen transparent sein. Wir brauchen ein umfassendes Informationsrecht der Bürgerinnen und Bürger und eine leichte Zugänglichkeit von Bekanntmachungen und anderen Informationen, zum Beispiel über das Internet. Wir brauchen eine Einbeziehung der Öffentlichkeit in alle Planungsstufen und auf Augenhöhe. Das heißt, schon bei der Entwicklung von Projekten und vor der Anmeldung von Vorhaben müssen die Länder die Bürgerinnen und Bürger beteiligen, damit Alternativen zu Projekten auf den Tisch kommen und die Informationsgrundlagen der Entscheider verbessert werden. (Beifall PIRATEN) Das heißt, die Prüfung des Bedarfs und der Alternativen zu Großvorhaben muss ergebnisoffen und frühestmöglich erfolgen. Auch wenn es darum geht, wie Verkehrsprognosen erstellt werden, die ja die Grundlage für die Entscheidungen sind, muss eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der Bürgerinnen und Bürger stattfinden, denn der Parameter sind oft entscheidend für den späteren Plan. Die Bürgerbeteiligungsverfahren sollten von einem neutralen Bürgeranwalt und nicht von der Behörde geleitet werden, die die Planung durchführt oder Anmeldungen selbst vornimmt. Dazu muss eine Bürgerbeteiligung gesetzlich verankert und vorgeschrieben werden. Es reicht nicht, wie es bisher praktiziert wird, dass dies freiwillige Verfahren sind. Für uns PIRATEN ist ganz wichtig: Letzten Endes müssen die Bürgerinnen und Bürger das letzte Wort haben und an sich ziehen können. Das heißt, wir brauchen direktdemokratische Instrumente auf Bundesebene, und wir müssen auf Landesebene die vorhandenen Instrumente verbessern. Gerade bei Großprojekten gibt es - wie bei kaum einem anderen Vorhaben - einen hohen Bedarf an und viele Wünsche nach Volksentscheiden. (Beifall PIRATEN) An diesen Forderungen gemessen, fällt das Verfahren, in dem dieser Bundesverkehrswegeplan 2015 nun vorbereitet werden soll, glatt durch. Die Landesregierung, die sich immer gern den Dialog auf die Fahnen schreibt, hat hier in einem völlig intransparenten Verfahren ohne jede Bürgerbeteiligung einfach festgelegt, welche Projekte sie für den Bundesverkehrswegeplan anmelden möchte. Es hat keine echte Überprüfung der Altanmeldungen gegeben, die übernommen worden sind. Es gab keine Bürgerbeteiligung bei der Frage, was ein vordringlicher Bedarf ist oder was gar nicht mehr in den Plan aufgenommen wird. In der Frage der Fehmarnsund-Querung oder auch des geplanten Elbtunnels ist bisher keine Transparenz vorhanden, von einer Bürgerbeteiligung ganz zu schweigen. Auf Bundesebene soll erst ab 2016 bei dann begonnenen Projekten eine erweiterte Bürgerbeteiligung greifen, dann aber auch erst in einem Stadium, in dem sich die Frage nach dem Ob oder nach Alternativen nicht mehr wirklich stellt. Eine spätere Bürgerbeteiligung reicht nicht, weil man dann keinen Einfluss mehr auf die Positionierung des Landes und auf seine Anmeldungen nehmen kann. Lieber Herr Verkehrsminister, ich empfehle Ihnen sehr, im Handbuch Bürgerbeteiligung des Bundesverkehrsministeriums nachzulesen. Dort sind Konsequenzen aus den Vorgängen um Stuttgart 21 gezogen worden. Hier ist nachzulesen, dass schon vor dem formellen Verfahren nicht unwesentliche planerische Entscheidungen fallen, an denen auch die Bürger teilhaben sollten: „Daher sind insbesondere in diesen Planungsphasen zusätzliche informelle Beteiligungsangebote zu empfehlen ...“ Weiter heißt es:Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 19. Sitzung - Mittwoch, 20. Februar 2013 1377 (Dr. Patrick Breyer) Die hieraus resultierende Verstetigung der Beteiligung würde erreichen, dass die Betroffenen alle wesentlichen Vorentscheidungen mitverfolgen können und möglichst mittragen und dass das Vorhaben und dessen Ausführung nicht wiederholt infrage gestellt werden.“ Wenn diese wichtigen Schlussfolgerungen auf Landesebene ignoriert werden, dann kann ich nur sagen: Sie haben aus Stuttgart 21 und aus dem Desaster der festen Fehmarnbelt-Querung nichts gelernt, bei der man sich über die Köpfe der Betroffenen hinweg festgelegt hat, ohne dass die Folgen und die Ausgestaltung der Anbindung oder auch die Folgekosten durchgerechnet und seriös bedacht worden waren. Ich zitiere noch aus einem weiteren Dokument, das Ihnen vielleicht bekannt vorkommt: „Die Verkehrsplanung soll vernetzter, transparenter und offener gedacht und so offen wie möglich gestaltet werden. Bürgerinnen und Bürger müssen intensiv einbezogen werden, um mehr Akzeptanz zu schaffen und Risiken für Folgekosten zu reduzieren.“ Ich weiß nicht, ob Sie das Dokument erkannt haben. Das ist ein Zitat aus Ihrem Koalitionsvertrag. Ich fordere Sie hiermit auf, dieses Versprechen einer neuen Bürgerbeteiligung an dieser Stelle, und zwar bevor die Vorhaben zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden, wahrzumachen und die Bürgerbeteiligung nachzuholen. Herr Verkehrsminister, Sie haben gefordert, dass wir uns mit gemeinsamer Stimme hinter Ihre Anmeldungen stellen sollten. Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn Sie nicht nur um unsere 69 Stimmen hier im Landtag werben würden, sondern um die Millionen Stimmen der Bürgerinnen und Bürger im Land? Dann würde viel mehr Kraft hinter unseren Forderungen und unseren Anmeldungen stehen. Ich kann Ihnen sagen: Für uns PIRATEN ist politisch von ganz wesentlicher Bedeutung, ob vor unserer Entscheidung über Ihre Vorschläge eine echte Bürgerbeteiligung realisiert wird. (Beifall PIRATEN) Zum Inhalt der Anmeldungen möchte ich vertieft nur auf die oberste Priorität eingehen, die der Ministerpräsident definiert hat, nämlich den NordOstsee-Kanal. Herr Minister Sie haben schon viel zur Bedeutung des Kanals für das Land gesagt. Sie haben etwas zu dem maroden Zustand der Schleusenkammern und zu den volkswirtschaftlichen Schäden gesagt, die täglich durch die langen Wartezeiten entstehen, wenn einmal wieder ausgebessert werden muss. Ich glaube schon, dass es wichtig ist, einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen und daraus zu lernen. Hier hat man durch die Art und Weise, wie mit diesem Projekt umgegangen worden ist, Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger enttäuscht. Im letzten Jahr gab es vor der Landtagswahl einen öffentlichkeitswirksamen Spatenstich vor Ort, zusammen mit der Ankündigung, dass noch im Jahr 2012 endlich die Ausschreibung für die neue Schleuse erfolgen soll. Was ist passiert? - Die Landtagswahl ist vorbei. Seitdem ist keine Ausschreibung zustande gekommen. Das heißt, es handelt sich hier um eine reine Symbolik. Es ist unverantwortlich, wenn man Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger so verspielt. Die neue Landesregierung droht nun, in die gleiche Falle zu geraten, weil sie große Ankündigungen macht, aber bisher wenig Taten folgen lässt. Natürlich ist es richtig, wenn man sagt, der Nord-OstseeKanal hat unsere oberste Priorität im Land. Er hat im Übrigen auch national und international eine hohe Priorität. Natürlich ist es wichtig, wenn man ein Sonderprogramm fordert, aber es geht doch um die Frage: Wie setzen wir das durch? - Diese Umsetzung ist bisher nicht gelungen. Wenn man in der Frage der Durchsetzung zu Recht fordert, die Nordländer mit ins Boot zu holen, dann muss man sich erst einmal mit den anderen Ländern an einen Tisch setzen. Hier sehe ich noch keinen konkreten Prozess, um mit den anderen Ländern ins Gespräch zu kommen und dieses Projekt als Projekt mit oberster Priorität im Norden zu definieren. Hier wäre mein Aufruf an die Landesregierung, dies endlich konkret anzugehen. Ein weiterer Punkt: Wenn so viel am Bundesverkehrsminister hängt, dann sage ich: Holen Sie den Bundesverkehrsminister doch einmal her. Lassen Sie ihn sich vor Ort angucken, was aus dem Loch des Spatenstichs geworden ist, in dem sich bis heute leider kein Kanalwasser, sondern allenfalls Regenwasser sammelt. Der Kollege Vogt hat es schon angesprochen: Wir als Wirtschaftsausschuss haben uns immerhin entschlossen, dorthin zu fahren, uns dies vor Ort anzusehen und zumindest den Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium dazu einzuladen. Ich erhoffe mir, dass auch der Bundesverkehrsminister selbst kommt. Wir vom Parlament aus werden das auch in der gemeinsamen Sitzung mit der Hamburger Bürgerschaft ansprechen. Wir als Parlament können das1378 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 19. Sitzung - Mittwoch, 20. Februar 2013 (Dr. Patrick Breyer) aber nicht allein machen, sondern ich erwarte auch von der Landesregierung, dass sie entsprechende Schritte auf Regierungsebene durchführt. Wenn Sie wirklich Ihren Worten Taten folgen lassen wollen, dann erwarte ich auch, dass Sie sich gerade im Vorfeld der Bundestagswahl erst einmal innerparteilich durchsetzen und zum Beispiel dafür sorgen, dass in Ihrem Bundestagswahlprogramm auch der NordOstsee-Kanal als wichtige Priorität auftaucht, damit der nach der nächsten Bundestagswahl nicht wieder in Vergessenheit gerät. Das richtet sich auch an die CDU und an die FDP. Spätestens am 8. April 2013 erwarte ich ein entschiedenes Eintreten auch nach außen, wenn nämlich die Bundeskanzlerin zu der Maritimen Konferenz hier im Norden anreist. Da erwarte ich sehr klare Worte vonseiten des Herrn Ministerpräsidenten zu unseren Erwartungen, was den Nord-OstseeKanal angeht. (Zuruf: Spätestens dann, wenn Sie an der Regierung sind!) Herr Wirtschaftsminister, jetzt sind Sie am Zug. Nutzen Sie alle Möglichkeiten und Hebel, um den Nord-Ostsee-Kanal voranzubringen. Vor allem beteiligen Sie die Bürgerinnen und Bürger an der Verkehrswegeplanung, bevor Sie Anmeldungen vornehmen. Nutzen Sie die Möglichkeiten zum Beispiel eines Internetdialogs. Führen Sie Konferenzen vor Ort durch, wie das zum Beispiel bei der Trassenplanung der Fall ist. Sprechen Sie mit den Bürgern, nehmen Sie diese mit, und nehmen Sie deren Wünsche ernst. Großprojekte ohne Rücksicht auf die Bürgerinnen und Bürger zu planen, führt zu Politikverdrossenheit, und das führt in letzter Konsequenz zu Milliardengräbern. Genau das befürchten wir PIRATEN auch bei dem Vorhaben der festen Fehmarnbelt-Querung. Deswegen lehnen wir PIRATEN das übrigens auch ab. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon ein Stück weit darüber erschüttert, wie gering das Verständnis von Bürgerbeteiligung bei dem einen oder anderen von Ihnen ausgeprägt ist. Bürgerbeteiligung ist nicht Parlamentsbeteiligung, es ist nicht Gremienbeteiligung, und es nicht Landtagsdebatte. Bürgerbeteiligung bedeutet, dass diejenigen, die eine Entscheidung treffen - hier zum Beispiel die Landesregierung über die Frage der Anmeldung zum Bundesverkehrswegeplan -, mit den Bürgern sprechen, dass sie diesen zum Beispiel über das Internet die Möglichkeit geben, Stellungnahmen einzureichen, dass sie in einen öffentlichen Dialog gehen, in dem sich Bürger zu Wort melden können, dass sie den Verbänden und den Nichtregierungsorganisationen auch Gelegenheit zur Stellungnahme zu den beabsichtigten Anmeldungen geben. Das ist das Verfahren, das - ich hatte es genannt - zum Beispiel beim Netzausbau schon durchgeführt wird. Das ist das Verfahren, das wir auch für den Verkehrswegeausbau fordern. Da kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass das bisher ein Totalausfall ist. Erfreulich ist aber, dass wir sehr wohl noch genug Zeit haben, um das nachzuholen, weil es zum Beispiel für die Anmeldung im Straßenbereich keine Frist gibt. Deswegen würde ich mich sehr darüber freuen und hoffe auch, dass das im Verfahren offen nachgeholt wird. Es ist auch technisch leicht zu realisieren. Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl einen Bedarf haben, über die Gesamtsicht, über die Priorisierung der einzelnen Vorhaben und darüber, welche Vorhaben in welchen Bedarf aufgenommen werden, mitzureden und dass wir aus Stellungnahmen wichtige Hinweise bekommen. Deswegen ist meine Bitte, diese Bürgerbeteiligung ernst zu nehmen, Ihrem Anspruch, den Sie im Koalitionsvertrag formuliert haben, gerecht zu werden, nicht nur bei grünen Ministern, sondern bei der ganzen Landesregierung, und dementsprechend die Bürgerinnen und Bürger mitreden zu lassen. (Beifall PIRATEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Nord-Ostsee-Kanal sind wir uns in der Zielrichtung eigentlich einig. Ich glaube auch, dass die Anträge, die heute hier vorliegen, auf dasselbe Ziel hinauslaufen. Wir wissen doch längst, was getan werden muss und was in den letzten Jahren leider versäumt worden ist. Wir müssen endlich dazu kommen, dass die fünfte Schleusenkammer in Brunsbüttel gebaut wird, dass es zu der Ausschreibung kommt, damit man endlich die Sanierung der anderen Schleusen in Angriff nehmen kann, damit sie nicht tagelang ausfallen und den gesamten Nord-Ostsee-Kanal lahmlegen. Wir müssen in der Zeit, bis es so weit ist - das wird etliche Jahre dauern -, dafür sorgen, dass künftig solche Reparaturmaßnahmen schneller möglich sind. Insofern begrüße ich es, dass die SPD im Bundestag darauf hingewirkt hat, dass weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Gerade was zum Beispiel Ersatzteile und Personal anbelangt, um solche Reparaturmaßnahmen durchzuführen, ist da noch vieles zu tun und zu verbessern. Wir müssen aber auch an die Oststrecke denken. In der Diskussion sind weitere Vertiefungen, Brückenbaumaßnahmen, also ganz viele Maßnahmen, die für die kommenden Jahre quasi den Fahrplan vorgeben. Wenn wir uns ansehen, wie das bis jetzt gelaufen ist, sollten wir auch einmal einen Schritt zurück tun und uns überlegen: Wie konnte es eigentlich zu diesem Desaster kommen? Wie kommt es nicht nur beim Nord-Ostsee-Kanal, sondern bei ganz vielen Bauprojekten dazu, dass immer wieder Zeitpläne nicht einzuhalten sind, dass immer wieder Kostenschätzungen, Kostenrahmen gesprengt werden? Ich glaube, es handelt sich um ein grundsätzliches Problem von Großbauprojekten, das wir hier in Deutschland haben. Es wird so unverlässlich und intransparent agiert, dass man immer wieder das öffentliche Vertrauen in Aussagen und Ankündigungen enttäuscht. Ich glaube, durch einen transparenten Planungsprozess, in dem mit offenen Karten gespielt wird und die Karten offen auf den Tisch gelegt werden, würde man vermeiden, dass Ankündigungen gemacht werden, die am Ende nicht zu halten sind. Insofern bitte ich darum, neben den konkreten Problemen des Nord-Ostsee-Kanals und dem Fahrplan, 1797 den wir vor uns haben, auch in den Blick zu nehmen, wie man damit künftig umgeht. Einige konkrete Schritte sind schon geplant und stehen konkret an, wie zum Beispiel die Ausschreibung der Schleuse oder auch die Begradigung der Oststrecke. Andere Schritte liegen noch so weit in der Zukunft, dass wir uns Gedanken über ein gutes, transparentes Verfahren machen können, um in Abstimmung mit den betroffenen Anliegern - zum Beispiel, wenn es um die Frage der Vertiefung geht - zu guten Lösungen kommen zu können. Wir sollten uns, was Großprojekte, Bauprojekte allgemein angeht, überlegen, was wir in puncto Transparenz und Bürgerbeteiligung verbessern können. Konkret den Nord-Ostsee-Kanal betreffend haben wir uns im Wirtschaftsausschuss darauf geeinigt, dass wir vor Ort nach Brunsbüttel fahren wollen und uns die Schleusen und die Baupläne einmal konkret erklären und erläutern zu lassen. Das, finde ich, ist ein guter Schritt. Ich finde es aber sehr schade, dass zum Beispiel aus dem Bundeswirtschaftsministerium bisher noch keine Zusage zu erhalten war, uns bei diesem Termin zu begleiten und mit uns zu diskutieren. Ich würde es von Herrn Ramsauer oder Herrn Ferlemann durchaus erwarten, dass sie mit uns zusammen vor Ort die Probleme besprechen und erörtern, denn wir vertreten hier alle Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, bei diesem Thema besonders diejenigen, deren Arbeitsplätze von dieser wirtschaftlich sehr wichtigen Einrichtung abhängig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund, dass auch ich der Meinung bin, dass wir hier mit einer Stimme sprechen sollten, was den NordOstsee-Kanal angeht, andererseits aber nicht wirklich die Eile sehe, schon für die Maritime Konferenz Frau Merkel unbedingt etwas mitgeben zu müssen, würde ich vorschlagen, dass wir die drei Anträge an den Ausschuss überweisen und uns da dann auf eine gemeinsame Formulierung verständigen. Ich bin sicher, das bekommen wir hin. - Danke. (Beifall PIRATEN, vereinzelt CDU und FDP)
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Minister Meyer! Es geht heute um zwei Themen, die uns schon oft hier beschäftigt haben. Es geht um die Infrastruktur in Schleswig-Holstein, und es geht um die Westküste, die ja strukturell eine eher benachteiligte Position hat, was die wirtschaftliche Lage angeht. Bei unserem Antrag „Halt der Marschbahn in Glückstadt beibehalten“ geht es eben darum, wie wir die Infrastruktur an der Westküste ausgestalten, in einer Region, die angewiesen ist auf eine gute Anbindung an die Metropolregion Hamburg, wo viele Menschen wegen Beruf und Ausbildung auf eine ganztägige gute Anbindung ihrer Stadt an Hamburg und im Speziellen an Hamburg-Altona oder an Hamburg-Nord angewiesen sind. Die gute Anbindung Glückstadts an Hamburg ist in Gefahr, seitdem bekannt geworden ist, dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit geplant und ausgehandelt worden ist, dass die Nordbahn künftig exklusiv in Glückstadt halten soll und deswegen die jetzt von der Nord-Ostsee-Bahn betriebene Marschbahn nicht mehr halten soll. Das hat massive Auswirkungen für Glückstadt, denn in der Zeit ab 8 Uhr soll es keine stündliche Verbindung nach Altona mehr geben und in der Zeit bis 13 Uhr keine Verbindung von Altona mehr. Gerade für Menschen mit einer Heimfahrt aus Altona von der Nachtschicht oder auch mit einer Anreise zur Spätschicht, für Schüler oder auch für Menschen, die keine typischen Arbeitszeiten haben, ist das ein Problem. Auch ich erkenne natürlich an, dass Sie hier nachgebessert haben, wenngleich es massiven Protests der Glückstädter Bürgerinnen und Bürger bedurft hat, um so weit zu kommen. An der Stelle möchte ich auch den vielen Bürgern, die sich hier eingebracht und sehr kreative Aktionen gestaltet haben, die uns zu sich eingeladen und nicht locker-2048 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 25. Sitzung - Donnerstag, 25. April 2013 (Dr. Patrick Breyer) gelassen haben, danken und ihnen sagen, dass diese Nachbesserungen, die wir hier bisher erreichen konnten, auch ihr Erfolg sind. (Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU - Zuruf Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dennoch bleibt es dabei, dass diese Lage für uns nicht auf Dauer akzeptabel ist. Das nachgebesserte Angebot kann allenfalls für einen Übergangszeitraum hinzunehmen sein. Danach stellt sich die Frage, wie es für die nächsten Jahre und Jahrzehnte für die Dauer der nächsten Ausschreibung - weitergeht. Da ist es für uns nicht akzeptabel, dass man sagt: Wir werden ergebnisoffen prüfen, wie es weitergeht. Es kann nicht sein, dass in Glückstadt gespart wird, um Vorhaben anderswo zu finanzieren. (Beifall PIRATEN) Da erwarte ich schon eine klare politische Prioritätensetzung von der Koalition: Wollen Sie zulasten von Glückstadt anderswo Bahnhöfe bauen oder andere Dinge tun? Soll hier in Glückstadt gespart werden, um vielleicht 3 oder 4 Minuten auf der Strecke nach Westerland auf Sylt einzusparen? Ich sage: Weder Finanzen noch die Frage der Zeitersparnis kann es rechtfertigen, Glückstadt an dieser Stelle abzuhängen. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Mein lieber Kollege Andreas Tietze, Wirtschaftlichkeitsprüfung ist eine gute Sache, aber wenn es um die Bahnanbindung geht, kann man doch nicht jedes Jahr neu entscheiden, wie viele Fahrgäste es hier gibt, ob wir den einen Ort vielleicht abhängen und einen anderen dazunehmen, weil dort mehr Leute interessiert sind. Wer sich auf eine gute Bahnanbindung einrichtet, wer vielleicht deswegen erst in eine Region zieht, der kann nicht damit rechnen, dass Jahr für Jahr neu geprüft und mit jeder Vergabe neu entschieden wird. Man braucht Verlässlichkeit. Und deswegen hat für mich auch eine Beibehaltung eines Haltes ganz klar Vorrang davor, neue Halte anderswo einzuführen. Wir brauchen an der Stelle Verlässlichkeit. (Beifall PIRATEN, vereinzelt CDU und FDP) Auch der Kollege Bernd Voß von Ihrer eigenen Fraktion hat in Glückstadt auf der dortigen Veranstaltung dafür plädiert, dass die Nord-Ostsee-Bahn oder die Marschbahn weiter in Glückstadt hält. Sie haben gesagt: Glückstadt darf nicht schlechtergestellt werden. (Beifall Jens-Christian Magnussen [CDU] und Oliver Kumbartzky [FDP]) Vor dem Hintergrund erwarte ich eine klare Aussage schon an dieser Stelle, ob Sie die Option für Glückstadt ziehen wollen oder nicht. Wir sagen in unserem Antrag: Soweit es technisch möglich ist, muss die Marschbahn auch in den Jahren 2015 bis 2025 in beiden Richtungen stündlich in Glückstadt halten. (Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]) Das ist wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung Glückstadts und sehr wichtig für die Menschen, die dort wohnen. Deswegen hoffe ich, dass wir Sie da an unserer Seite haben. (Beifall PIRATEN, Jens-Christian Magnussen [CDU] und Oliver Kumbartzky [FDP])
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu unserem Antrag zum Nord-Ostsee-Kanal brauche ich, glaube ich, inhaltlich nicht viele Worte zu verlieren, denn in den Punkten, die im Antrag stehen, sind wir uns einig. Ich habe kein Argument dagegen gehört, sondern nur viele Forderungen, dass wir uns endlich gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort, mit denen, die vom Kanal leben und auf ihn angewiesen sind, zusammensetzen und uns über seine weiteren Sanierung und Entwicklung Gedanken machen. (Beifall FDP und vereinzelt CDU) Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan für den Nord-Ostsee-Kanal. Wir sind uns nach dem Gespräch mit dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Ferlemann in Brunsbüttel auch einig, dass wir eine vertragliche Fixierung mit der Bundesregierung anstreben sollten, um die Schritte, die in diesem Dialogprozess ausgearbeitet werden, zu fixieren. Vor allem sind wir uns einig, dass es nicht mehr nur darum geht, Pläne zu machen, sondern sie umzusetzen. Es geht darum, die Finanzierung für die nötigen Maßnahmen zum Ausbau und zur Sanierung des Kanals zu organisieren. Das ist mein Hauptpunkt: Um eine Mehrheit zu organisieren, um die Finanzierung auf Bundesebene auch gegen andere Verkehrsinteressen zu organisieren, müssen wir mit einer Stimme sprechen. (Vereinzelter Beifall CDU und FDP) Solange uns der Bundesverkehrsminister sagen kann, dass nicht einmal wir im Schleswig-Holsteinischen Landtag uns einigen können - wie sollen wir dann eine Mehrheit auf Bundesebene für ein Milliardenprojekt bekommen, das voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren mehr als 1,4 Milliarden € verschlingen wird? Ich war diese Woche auf der Personalversammlung des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Rendsburg. Dort wurde aus den Fragen der Teilnehmer ganz klar, dass die Menschen kein Verständnis dafür haben, wenn wir in Schleswig-Holstein es nicht einmal schaffen, uns bei einem Projekt, dessen Bedeutung überragend ist und bei dem wir uns einig sind, zusammenzuraufen und zu einer gemeinsamen Erklärung zu kommen. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Deswegen haben alle Fraktionen, auch die Fachpolitiker, im Vorfeld Anstrengungen unternommen, um neben dem sicherlich wichtigen Streit über Details und Verantwortlichkeiten in der Vergangenheit - auch wir sehen da sehr wohl Schuld auf beiden Seiten (Christopher Vogt [FDP]: Auch bei sich selbst?) gemeinsam in die Zukunft blicken zu können. Das muss möglich sein, um eine gemeinsame Position zu erarbeiten hier im Landtag, unter den Nordländern und schließlich bundesweit. Der Nord-Ostsee-Kanal ist so wichtig. Der Ministerpräsident hat gesagt: Das ist das TOP-1-Projekt hier in Schleswig-Holstein. Die Menschen erwarten von uns und können von uns erwarten, dass wir da mit einer Stimme sprechen. Wenn noch weiterer Beratungsbedarf über den Text einer gemeinsamen Entschließung besteht, sind wir gern bereit, über unseren Antrag noch einmal im Wirtschaftsausschuss zu beraten, was die Formulierung angeht. Von daher sind wir offen für eine Überweisung an den Ausschuss. Ich würde es aber sehr begrüßen, wenn wir heute eine einhellige Meinung dazu fänden. Das schließt nicht aus, dass jede Seite ihre eigene Position in eigenen Anträgen vertritt.Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 26. Sitzung - Freitag, 26. April 2013 Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt zu? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Christopher Vogt [FDP]: Vielen Dank, Herr Kollege Breyer. - Ich freue mich über Ihre noch immer vorhandene Bereitschaft, zusammenzufinden. Da Sie den Text übernommen haben, der eigentlich von Herrn Dr. Tietze stammt, der von den Koalitionsfraktionen kommt - was meinen Sie, wie wir im Ausschuss noch weiter zusammenkommen sollten? Meinen Sie nicht auch, die Koalition könnte Ihrem Antrag zustimmen, da es eigentlich ein Vorschlag der Koalition ist? (Beifall FDP und CDU) - Herr Kollege Vogt, ich bin in der Tat der Meinung, dass wir den Antrag vom Inhalt her untereinander abgestimmt haben. Inhaltlich habe ich noch keine Kritik an einem Satz, der sich darin befindet, gehört. Wenn es aus einer Fraktion Kritik daran gegeben hätte, hätten wir gern über die Formulierung - auch im Vorfeld - sprechen können. Ich habe alle Seiten gefragt, ob es Änderungsbedarf gibt. Nichtsdestotrotz empfinde ich es durchaus als ein Zeichen, wenn man, statt den Antrag abzulehnen, bereit ist, im Ausschuss noch einmal darüber zu reden. Ich glaube, die Chance sollten wir nutzen, weil es ein Thema ist, das sich nicht für parteipolitische Streitigkeiten eignet, sondern weil wir alles tun und auch den nochmaligen Versuch unternehmen müssen, hier zusammenzukommen. Deshalb will ich gern noch einmal den Versuch unternehmen, auch mit der Koalition bei diesem Thema zusammenzukommen. Wir sind es den Menschen schuldig. Ich glaube, wir brauchen es auf Bundesebene, um gemeinsam vorwärtskommen zu können und die Finanzierung zu organisieren. Das ist die eigentliche Frage: Kriegen wir die Finanzierung hin? Dann müssen wir mit einer Stimme sprechen, um genügend Gewicht auf Bundesebene und in den Verhandlungen mit den anderen Ländern zu sammeln. Lassen Sie mich noch ein Wort zur Anbindung der festen Fehmarnbelt-Querung sagen. Wir haben hier schon oft gesagt, dass die feste FehmarnbeltQuerung eine demokratische Missgeburt ist, (Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2105 dass sie in einem Verfahren ohne Beteiligung der Menschen vor Ort beschlossen wurde, ohne deren Sorgen ernst zu nehmen, ohne dass überhaupt Klarheit über die Folgen geherrscht hat, die Folgen für die Wirtschaft, für den Tourismus, für die Gesundheit, durch den Lärm, über die finanziellen Folgen, die erst jetzt scheibchenweise herauskommen. Nachträglich einen Dialogprozess zu machen, ist zu spät, weil die entscheidende Frage von den Menschen nicht mehr beantwortet werden kann, nämlich ob sie dieses Projekt überhaupt wollen. Wir sagen, wir müssen das Projekt jetzt stoppen, bevor es zum Milliardengrab wird. Deswegen können wir auch Maßnahmen zur Anbindung nicht zustimmen. Umgekehrt muss das Land bestrebt sein, das Projekt aufzuhalten und auf neue Füße zu stellen. - Danke. (Beifall PIRATEN und Christopher Vogt [FDP])
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die CDU-Fraktion die Realisierung des westlichen Elbtunnels und die Verlängerung der A 20 als sogenanntes F-Modell. Was bedeutet das? Das ist ein mautfinanziertes Modell. Nicht nur für Lkw, sondern auch für Pkw soll eine Maut erhoben werden, um dies zu finanzieren. Ich sage es sehr klar: Wir PIRATEN unterstützen den Bau der A 20, aber wir sind gegen die Privatisierung des Straßenbetriebs, die Sie anstreben. (Beifall PIRATEN) Gerade in Schleswig-Holstein haben wir mit ÖPPModellen sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ich nenne als Beispiel die Sylter Keitum-Therme, die heute eine millionenschwere Bauruine ist. Ich nenne das Partikeltherapiezentrum. Dort ist inzwischen der Investor Siemens ausgestiegen. Die Kosten bleiben bei uns hängen. Ich nenne weiterhin den Lübecker Herrentunnel, bei dem die Nutzerzahlen gegenüber den Planungen eingebrochen sind, während die Kosten immer weiter steigen. weil ein privater Investor höhere Zinsen als der Staat zahlen muss. Sie haben hohe Transaktionsund Beratungskosten. Sie haben weiterhin ein Insolvenzrisiko. Der Betreiber kann pleitegehen; ich nenne den Fall Nürburgring. Der Bundesrechnungshof hat bei seinen Prüfungen festgestellt, dass die Einnahmeprognosen der privaten Bieter um bis zu 75 % über denen des Bundes lagen. Mit Blick darauf gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Investor rechnet richtig, dann haben wir einen riesigen Einnahmeausfall. So etwas privat zu vergeben, ist dann ein riesiges Verlustgeschäft für den Staat. Oder der Investor rechnet falsch, während der Bund richtig rechnet. Dann geht der Investor pleite, und die Kosten bleiben doch an uns hängen. So kann es nicht funktionieren. Die niedersächsische Behörde für Straßenbau hat für die A 7 ausgerechnet, dass eine öffentliche Finanzierung bis zu 60 Millionen € günstiger wäre. Als dieses Gutachten an die Öffentlichkeit drang, hat man schlichtweg die Präsidentin der Behörde abgesetzt, weil diese Berechnungen missliebig waren. Das britische Unterhaus hat in einer Untersuchung festgestellt, dass eine Verschuldung über öffentlich-private Partnerschaften bis zu 1,7-mal teurer als eine Finanzierung durch staatliche Investitionsverschuldung ist. Das kann doch nur heißen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese ÖPP-Straßenbaumodelle dienen in Wahrheit dazu, sich zu horrenden Kosten von der Schuldenbremse freizukaufen. Der einzige Grund, dieses Modell privat zu finanzieren, liegt darin, dass sie wegen der Schuldenbremse nicht aus öffentlichen Haushalten realisierbar sind. Dazu nehmen Sie horrende Mehrkosten in Kauf. Das kritisiert der Bund der Steuerzahler zu Recht. (Zuruf Uli König [PIRATEN]) Herr Arp, jetzt hören Sie zu: Die Verbände der mittleren und kleinen Bauunternehmen beschweren sich inzwischen längst darüber, dass es gerade bei ÖPP-Projekten im Fernstraßenbau eine systematische Benachteiligung von kleinen Unternehmen gibt. Sie dient nämlich nur den großen Unternehmen. (Beifall PIRATEN und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Praxis dieser Modelle ist erschreckend. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wurden von privaten Beraterfirmen erstellt. Der Bundesrechnungshof hat festgestellt - ich zitiere -: Die Probleme von ÖPP-Projekten sind doch längst bekannt. Sie haben höhere Finanzierungskosten, „Zum Teil waren die Grenzen zwischen Beratung und Lobbying fließend.“Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 31. Sitzung - Donnerstag, 20. Juni 2013 2501 (Dr. Patrick Breyer) Die Rechnungshöfe haben bei ÖPP-Modellen immer wieder herausgefunden, dass sie in der Nachbetrachtung wesentlich schlechter abgeschnitten haben, als im Vorhinein kalkuliert war. Für uns PIRATEN ist klar: Diese privaten Finanzierungsmodelle reduzieren die Transparenz und auch die öffentliche Kontrolle. Deswegen sind sie abzulehnen. Hinzu kommt: Diese dubiosen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von privaten Beratungsfirmen werden geheim und unter Verschluss gehalten. Niemand kann sie nachprüfen. Selbst Abgeordnete können sie nur unter dem Siegel der Vertraulichkeit einsehen und dürfen sich bei ihrer Prüfung nicht beraten lassen. (Beifall PIRATEN - Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Bundesrechnungshof hat dieses F-Finanzierungsmodell des Elbtunnels bis heute nicht geprüft, wie er auf meine Anfrage hin mitgeteilt hat. Die Voruntersuchung, die von einer Finanzierbarkeit dieses Modells ausgeht, nimmt an, dass eine höhere Maut eingenommen wird als in den ersten Untersuchungen prognostiziert wurde. Gleichzeitig kommt nach der Voruntersuchung kein höheres Verkehrsaufkommen zustande. Wie absurd ist das denn? Das kann doch gar nicht sein! Ich fordere ganz klar eine unabhängige Untersuchung der Wirtschaftlichkeit dieses Vorschlags vonseiten des Bundesrechnungshofs und die vollständige Offenlegung aller Kalkulationen und Planungen. Die Wahrheit ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dass Ihr Unionskollege, Verkehrsminister Ramsauer, schon längst für die Einführung einer Pkw-Maut auf allen Straßen ist. Die Kanzlerin hat ihn im Vorwahlkampf zurückgepfiffen. Sie wollen über diese privaten Projekte eine Pkw-Maut durch die Hintertür einführen. (Zuruf PIRATEN: Unglaublich!) Das mache ich nicht mit. (Zuruf CDU: Sie werden auch nicht gefragt! - Weitere Zurufe) Die „Möchtegern-Steuersenkungspartei“ FDP tritt hierbei tatsächlich für eine neue Pkw-Maut ein. (Christopher Vogt [FDP]: Was?) Was ist das denn anderes als eine Steuererhöhung, wenn Sie für immer mehr Straßen eine private Maut-Abgabe fordern? (Zurufe FDP) Die SPD - das sage ich abschließend - hat in einer Arbeitsgruppe, in der mehr Lobbyisten als Abgeordnete saßen, ein ÖPP-Beschleunigungsgesetz entwickelt. Ihr Spitzenkandidat Steinbrück kassiert Gelder für Vorträge zum Thema „ÖPP“. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Kollege, es gibt den Wunsch einer Zwischenbemerkung des Kollegen Garg. Lassen Sie diese noch zu? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Bitte, Herr Garg. Dr. Heiner Garg [FDP]: Herr Kollege Breyer, könnten Sie mir die Stelle nennen, aus der Sie entnehmen, dass die FDP einer Mautfinanzierung für Pkw zustimmt? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ihr Kollege hat vorhin in der Rede gesagt, dass Sie dem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen. Dieser sieht eine Realisierung des westlichen Elbtunnels über ein sogenanntes F-Modell vor, nach dem auch Pkw Maut zahlen müssen. Was das anderes als eine Steuer- oder Abgabenerhöhung sein soll, müssen Sie der Öffentlichkeit erklären. (Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Nutzungsgebühr, keine Steuererhöhung!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die heutige Debatte etwas Neues gebracht hat, dann, dass der Bundestagswahlkampf begonnen hat. Wir haben die entsprechenden Schaukämpfe hören dürfen. (Heiterkeit) Ich versuche einmal, zur Sache zu sprechen: Der Sanierungsbedarf unserer Landesstraßen ist unbestritten und dringlich. Nach der letzten Messung haben 25 % unserer Landesstraßen Substanzmängel. Das bedeutet, dass sie Risse enthalten oder geflickt sind. In anderen Bundesländern ist diese Situation übrigens nicht viel besser, das macht sie dadurch bei uns aber auch nicht besser. Um die kalkulierte Nutzungsdauer einer Straße zu erreichen, ist es notwendig, dass ausreichende Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, zum Beispiel Deckenerneuerungen, sonst fallen nämlich später höhere Kosten an, als wenn man es rechtzeitig macht. Inzwischen sind 700 km unseres Landesstraßennetzes verkehrsbeschränkt, aus Gründen des Straßenzustands. Der Landesverkehrsbetrieb sagt, wir benötigen 36 Millionen € pro Jahr, allein um den jetzigen Zustand zu erhalten. Das Thema eignet sich denkbar schlecht für die Schuldzuweisungen, die ich heute Morgen gehört habe. Denn es sind doch Regierungen aller Couleur verantwortlich für diesen Zustand: FDP, CDU, Grüne, SPD. Sie alle waren doch in der Vergangenheit an der Regierung, und wir hören vom Landesbetrieb, dass sich der Zustand unserer Straßen beständig verschlechtert hat, egal in welcher Regierungszeit. Deswegen ist es das Ergebnis Ihrer Politik. Da machen gegenseitige Schuldzuweisungen überhaupt keinen Sinn. (Beifall PIRATEN) Was sind die Ursachen dafür? Erstens. In der Praxis machen Sie genau das Gegenteil von dem, was Eka von Kalben eben gesagt hat. Sie machen Neubau vor Erhalt. Schauen Sie sich allein Ihren Haushaltsplan für das nächste Jahr an. Darin sind 8 Millionen € für den Um- und Ausbau von Landesstraßen vorgesehen, und zwar nicht nur für bereits begonnene Projekte - es ist okay, dass man die zu Ende baut -, sondern auch für bereits zugesagte Projekte. Ich fordere Sie auf, diese Zusagen abzuräumen. Wir können es uns nicht länger leisten, neue Straßen zu bauen oder zu erweitern, während unsere bisherigen verkommen. Das ist volkswirtschaftlich unsinnig. (Beifall PIRATEN) Es geht nicht an, dass Sie weiterhin immer mehr Geld in solche Aus- und Umbauten stecken als in die Erhaltung des bestehenden Straßennetzes. Es geht auch nicht an, dass Sie anlässlich einer Sanierung dann immer noch Um- und Ausbauten dazufügen, wie es bei der L 192 der Fall ist. Alle Um-, Aus- und Neubauprojekte müssen in dieser Situation auf den Prüfstand. Ich fordere Sie auch auf, den Wegfall der Zweckbindung der Mittel zur Gemeindeverkehrswegefinanzierung zu nutzen, um eben nicht nur auf Neubau von Gemeindestraßen zu setzen, sondern auf den verstärkten Erhalt dieser Straßen. Sie haben dadurch die Möglichkeit, dass ab 2014 die Bindung an den Neubau entfällt. Dadurch können Sie diese Mittel eben auch für den Erhalt nutzen. Davon muss Gebrauch gemacht werden. Was die Bundesmittel angeht, die sind leider auch zweckgebunden. Hier muss auch darüber nachgedacht werden, ob diese Neubaumittel im Verkehrs-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 33. Sitzung - Mittwoch, 21. August 2013 2653 (Dr. Patrick Breyer) wegeplan nicht in Sanierungen umgewidmet werden müssen. Einstweilen ist es richtig und wirtschaftlich sinnvoll, dass die A 20 weitergebaut wird. Falsch ist es dagegen, sie als ÖPP-Projekt weiterzubauen, sodass dann die Tunnelbenutzer auch noch Maut zahlen müssen. Straßenprivatisierungen sind mit uns nicht zu machen. (Beifall PIRATEN) Schließlich fordern wir PIRATEN: Sie müssen dieses Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung sofort stoppen. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie denn?) Auf deutscher Seite sollen 2 Milliarden € in dieses Projekt fließen. Dafür könnten Sie sämtliche Landesstraßen neu machen und noch neue Laternen daneben setzen. Das ist ein völlig unsinniges Projekt. (Beifall PIRATEN und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wollen Sie vielleicht, dass unsere Straßen so verkommen, dass man irgendwann von Flensburg nach Lübeck über Kopenhagen und durch den Tunnel fahren muss? (Beifall PIRATEN - Heiterkeit) Das ist das Ergebnis davon, dass Sie Großprojekte neu bauen, während unsere bestehenden Straßen hier verkommen. Wir PIRATEN sind auch nach der Wahl gegen die feste Fehmarnbelt-Querung - leider inzwischen nur noch als die einzigen. Dass in der SPD immerhin einzelne örtliche Abgeordnete dagegen sind und dass sie sich trauen, gegen die falsche Mehrheit ihrer Partei aufzubegehren, lobe ich ausdrücklich. Natürlich besteht eine Möglichkeit, aus dem Vertrag herauszukommen, nämlich wenn sich die Grundlagen verändern. Dann sind neue Verhandlungen im Vertrag vorgesehen und eventuell auch ein Vertragsausstieg. Durch die Kostensteigerung um mehr als das Zwei- oder Dreifache ist die Situation längt gegeben, um diese Verhandlungsklausel zu nutzen. Was sind die Ursachen für die Misère bei den Landesstraßen? Ich habe gesagt, erstens, die Praxis des Neubaus vor Erhalt. Zweitens. Seit Monaten versäumt der Verkehrsminister, endlich für eine Kostenbeteiligung des Transportgewerbes für den Schwerlastverkehr zu sorgen. Der Landesbetrieb für Straßenbau sagt doch ganz klar: Eine Ursache für diesen schlechten Zustand ist, dass die Landesstraßen für Schwerlastverkehr genutzt werden, für den sie nicht gebaut sind. Dann ist es doch nur angemessen, dass man an den Ursachen des schlechten Straßenzustands ansetzt und Sondergenehmigungen für Schwerlastverkehr nur noch gegen Kostenbeteiligung erteilt, und diejenigen für die Schäden aufkommen, die sie verursachen. Dritte Ursache. Wir PIRATEN fordern, dass die Subventionen, die im Landeshaushalt vorgesehen sind, auf den Prüfstand gestellt werden. Das ist nämlich auch eine Ursache dafür, warum so wenig Geld für den Erhalt der Straßen da ist. Sie haben entgegen der Ankündigung in Ihrem Koalitionsvertrag die einzelbetriebliche Förderung, das heißt die Subventionierung von Hotels oder von Spaßbädern, munter fortgesetzt. Das ist ein Fehler. Sie haben eine Marketingstrategie für eine halbe Million € vorgesehen, für die bis heute kein nachvollziehbares Konzept vorliegt. Auch dieses Geld wäre im Straßenerhalt besser angelegt. Bei der Kofinanzierung, das heißt, wenn Subventionen von Bund oder EU teilweise mitfinanziert werden, springen Sie über jedes Stöckchen, das Ihnen die EU oder der Bund hinhält. Eine Kofinanzierung kann auch kein Grund dafür sein, alles mit Landesmitteln zu unterlegen, egal was vorgeschlagen wird. Wir brauchen eine Umorganisation im Haushalt des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums. (Beifall PIRATEN) Die vierte Ursache dafür, dass kein Geld für den Erhalt vorhanden ist: Das Land zahlt Zinslasten von bald 1 Milliarde € jährlich. Was könnten wir davon für Straßen bauen, wenn Sie in der Vergangenheit nicht so übermäßig viele Schulden zulasten zukünftiger Generationen aufgenommen hätten! Deswegen sind diese Sondervermögen, die Sie jetzt vorschlagen, allesamt der falsche Weg; denn diese Schuldenlast, die wir schon heute zu tragen haben, ist doch gerade die Ursache für den Investitionsstau. Deswegen fehlt uns doch gerade das Geld, das wir hier brauchten. Deswegen ist es auch falsch, Herr Ministerpräsident, wenn Sie die Schuldenbremse modifizieren wollen, um für Investitionen noch mehr Schulden aufnehmen zu können. Dem kann ich nur eine klare Absage erteilen. (Beifall PIRATEN und Volker Dornquast [CDU]) Der richtige Weg, um die Finanzierung des Straßenerhalts zu stärken, ist ein Nachtragshaushalt an dieser Stelle. Da machen wir auch gern mit, wenn Sie für diesen Weg offen sind. Was mit mir nicht zu machen ist, ist eine Umgehung der Schuldenbremse durch Sondervermögen.2654 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 33. Sitzung - Mittwoch, 21. August 2013 (Dr. Patrick Breyer) Falsch sind auch weitere Vorschläge, die teilweise gemacht werden. Vonseiten der Grünen wird eine Nutzerfinanzierung der Straßen gefordert. - Wir brauchen überhaupt keine Pkw-Maut. Die Straßen sind schon heute nutzerfinanziert, nämlich über die Mineralölsteuer. Wenn Sie da mehr Geld wollen, trauen Sie sich, eine Steuererhöhung zu fordern! Fordern Sie nicht eine unsinnige Pkw-Maut, die überhaupt nicht an den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen gebunden ist - anders als zum Beispiel die Mineralölsteuer. - Das weiß ich nicht genau, das muss ich nachprüfen. Danke für den Hinweis! (Beifall PIRATEN - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Christopher Vogt [FDP]: Dann machen Sie das! - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]) Die FDP schlägt vor, den Radwegebau einzustellen. Diese Diskussion ist die völlig falsche Baustelle. Es geht hier um die Mittel für den Neubau. Die können nicht genutzt werden, um den Bestand zu erhalten. Im Übrigen ist der Radwegebau wichtig für den Tourismus und die Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein. Das Verfahren, wie Sie bisher planen, welche Straßen wann zu erhalten sind, läuft völlig intransparent ab. Wir bekommen immer wieder Ankündigungen vonseiten des Ministeriums mit, es gibt aber keinerlei Kriterien dafür, welche Straße wann saniert wird. Andere Länder machen das viel besser. Da gibt es einen Plan, in dem steht, welche Kriterien angelegt werden und welche Reihenfolge für die entsprechenden Projekte gilt. Ich fordere Sie auf, genauso ehrlich und offen und transparent einen Plan aufzustellen, (Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]) An dieser Stelle zu sparen, ist der völlig falsche Weg. (Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es ist schon jetzt absehbar, dass auch dieses Zusatzpaket, das Sie für den Straßenerhalt planen, auf Dauer nicht reichen wird, um unsere Straßen in einem vertretbaren Zustand zu erhalten. Wir brauchen deswegen eine ehrliche und offene Diskussion über Prioritäten. Alle Um-, Aus- und Neubauprojekte müssen auf den Prüfstand, und das Land muss sich ehrlich überlegen, welche Straßen es überhaupt noch unterhalten kann. Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Christopher Vogt [FDP]: Vielen Dank, Herr Kollege. Minister Dr. Habeck hat recht: Wo wir gerade beim Unterhalten sind, wollte ich Sie einmal fragen, ob Sie vielleicht zur Kenntnis nehmen würden, dass dieser Topf für den kommunalen Straßenbau, aus dem die 5 Millionen € für den Radwegebau herausgenommen wurden, zwar „Mittel für kommunalen Straßenbau“ heißt, aber das aus den etwas über 29 Millionen € - jetzt 5 Millionen € weniger - vor allem der Erhalt von kommunalen Straßen finanziert wird und nicht, wie Sie gerade gesagt haben, ein Neubau. Es gibt nämlich fast keine Neubauprojekte in diesem Bereich. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Weiß er nicht!) (Wolfgang Kubicki [FDP]: Transparenz!) welche Prioritäten Sie bei der Sanierung der Landesstraßen setzen. Ich komme auf die anderen Anträge zu sprechen. Der Antrag, den die Koalitionsfraktionen zum Verkehrsknotenpunkt Rendsburg vorgelegt haben, geht in die richtige Richtung, deswegen kann ich dem auch zustimmen. Auch der CDU-Antrag ist in vielen Punkten unterstützenswert, aber deswegen inakzeptabel, weil Sie sich darin für die feste Fehmarnbelt-Querung aussprechen und nicht anerkennen wollen, dass Erhalt vor Ausbau gehen muss. Sie machen eine große Wunschliste auf, was Sie alles gern hätten, was aber überhaupt nicht finanzierbar ist. Sie wollen gar mehr Mittel in den Neubau von Straßen stecken - das ist überhaupt nicht möglich und sprechen sich für Sondervermögen aus. Was den FDP-Antrag angeht, fehlt ihm ebenfalls dieser Realitätsbezug. Vor allem spricht er sich für öffentlich-private Partnerschaften aus, wohl wissend, dass diese nach einschlägigen Untersuchungen den Steuerzahler teurer zu stehen kommen, als wenn man das öffentlich finanziert. Was den Koalitionsantrag „Unser Modernisierungsprogramm“ angeht, ist das eine reine Lobhudelei, die mit der Realität wenig zu tun hat. (Zuruf Lars Harms [SSW])Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 33. Sitzung - Mittwoch, 21. August 2013 2655 (Dr. Patrick Breyer) Diesem Eigenlob kann ich überhaupt nicht zustimmen. Der Finanzplan, den Sie da loben, sieht eine übermäßige Verschuldung vor, die dazu führen wird, dass wir später sehr starke Belastungen haben werden. Jetzt, wo die Einnahmen steigen, müsste man das nutzen, um die späteren Belastungen abzufedern. Wenn Sie das nicht tun, wird nach der Bundestagswahl das große Heulen und Zähneklappern kommen. Jahresende rein. Wenn Sie das trotzdem jetzt im Eilverfahren durchziehen wollen, kann das eigentlich nur drei Gründe haben: Entweder, es ist ein Wahlkampfmanöver vor der Bundestagswahl, dass Sie Geld verteilen wollen, oder Sie fürchten, dass dieser Zensus neu aufgerollt werden muss. Wir wissen, dass es Klagen dagegen gibt, weil der Zensus nicht repräsentativ ist. Wir PIRATEN haben ihn übrigens von vornherein abgelehnt. Schließlich loben Sie den Schuldenabbau. Da frage ich mich schon, in welchem Land ich lebe. Von welchem Schuldenabbau reden Sie denn? Wir nehmen doch von Jahr zu Jahr neue Schulden auf. Die Finanzpolitik, die Sie für diese Legislaturperiode vorgesehen haben, hat mit Schuldenabbau nichts zu tun. (Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Hans-Jörn Arp [CDU]: Da hat er recht! Beifall PIRATEN - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zu Ihrem Änderungsantrag zu den Sondervermögen für Straßenbau, Kinderbetreuung und Hochschulbau: Sie können doch nicht ernsthaft von uns PIRATEN erwarten, dass wir bei diesem Schnellverfahren in nur einer Lesung mitmachen. „Die Zeitabfolge zwischen den Veröffentlichungen“ - des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes „und der Frist zum Einreichen von Anträgen hätte es durchaus hergegeben, den Antrag auch innerhalb der normalen Antragsfrist einzureichen. Insofern sehen wir die Dringlichkeit überhaupt nicht, denn man hätte - das ist zugegebenermaßen etwas ambitioniert das rechtzeitig vorlegen können. Das erwarten wir an anderer Stelle hier im Haus auch.“ (Beifall PIRATEN) Wenn Sie es nicht erkannt haben: Das war ein Zitat der Kollegin Herdejürgen, mit der sie die Dringlichkeit unseres PRISM-Antrags abgelehnt hat. (Birgit Herdejürgen [SPD]: Das hier ist kein Dringlichkeitsantrag! - Olaf Schulze [SPD]: Das ist kein Dringlichkeitsantrag!) Wir erwarten, dass dieser Änderungsantrag, der komplett andere Sondervermögen betrifft als sie ursprünglich im Verfahren waren, im ordentlichen Verfahren - das heißt in zwei Lesungen - behandelt wird und nicht im Brachialverfahren. Diese ZensusMillionen, um die es hier geht - eigentlich eine Verringerung der Neuverschuldung und überhaupt keine Einnahmeerhöhung -, kommen ohnehin erst zum Oder Sie zweifeln daran, dass die Landesregierung in der nächsten Tagung noch im Amt sein wird nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts. Nur das sind die Gründe, die ich mir vorstellen kann. Im Übrigen ist weder Kindern noch Studenten geholfen, wenn Sie auf deren Kosten die finanziellen Handlungsspielräume der Zukunft einengen, indem Sie die Schuldenbremse umgehen. Ich sage: Wenn Sie das über einen Nachtragshaushalt lösen wollen, entsprechende Bereiche zu stärken, bin ich gern dabei, aber nicht in diesem unseriösen Verfahren zur Umgehung der Verfassung. (Beifall PIRATEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine chinesische Weisheit besagt: Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. - Ich rate Ihnen: Schaffen Sie sich schnelle Pferde an, und sagen Sie die Wahrheit, was den Zustand unserer Landesstraßen und die Möglichkeiten des Landes angeht. Machen Sie keine Versprechungen, von denen Sie wissen, dass Sie sie nicht einhalten können, denn das befördert Politikverdrossenheit und erschüttert das Vertrauen in unsere Demokratie. - Danke schön. (Beifall PIRATEN - Christopher Vogt [FDP]: Uns fehlt das Geld für Pferde!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über ein ganzes verkehrspoliti-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 38. Sitzung - Freitag, 27. September 2013 3119 (Dr. Patrick Breyer) sches Paket an Anträgen. Ich will die im Einzelnen durchgehen. Die CDU-Fraktion fordert eine Taktverdichtung und Taktverbesserung bei der AKN. Das ist grundsätzlich wünschenswert. Ich würde mir aber gern im Ausschuss ein Bild von der Auslastung dieser Strecke und den Kosten der vorgeschlagenen Ausweitung machen. Deswegen schlage ich vor, dass wir das im Ausschuss näher beraten. Es ist schon gesagt worden, dass eine weitere interessante Möglichkeit zur Entlastung dieses Nadelöhrs während der Baumaßnahmen an der A 7 eine Elbfähre zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven wäre. Der Herr Wirtschaftsminister kann uns nachher vielleicht erzählen, was bei seinen Gesprächen mit Niedersachsen darüber herausgekommen ist. Die CDU- und die FDP-Fraktion haben einen Antrag zum Weiterbau der A 20 mit einer westlichen Elbquerung gestellt. Wir PIRATEN in SchleswigHolstein unterstützen den Weiterbau und auch die westliche Elbquerung durchaus. Die Planung muss vorangetrieben werden. Dadurch dass Sie Stellen beim Landesbetrieb für Verkehr schaffen wollen, nehmen Sie aber, wie ich meine, die Haushaltsberatungen unnötigerweise vorweg. Das sollte in diesem Rahmen diskutiert werden, und es sollte eine Gegenfinanzierung vorgelegt werden. Sie sprechen sich für öffentlich-private Partnerschaften aus. Dazu sage ich: Wir PIRATEN lehnen das ab, weil sich immer wieder herausgestellt hat, dass diese Maßnahmen letztlich teurer sind als öffentlich finanzierte Projekte und eigentlich nur der Umgehung der Schuldenbremse dienen. Ähnlich verhält es sich mit dem Antrag der FDPFraktion, der sich gegen jegliche Ausweitung der Lkw-Maut ausspricht. In dieser Pauschalität kann ich dem nicht zustimmen. Sie selbst kritisieren ja immer wieder die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Wir können uns doch nicht Finanzierungsmöglichkeiten verschließen und stattdessen eine Privatfinanzierung fordern. Ich will damit gar nicht sagen, dass eine Ausweitung auf alle Landesoder gar Kreisstraßen der richtige Weg wäre. Herr Kollege Tietze, die beste Nutzerfinanzierung ist immer noch die Mineralölsteuer. Sie bezieht nämlich auch den Verbrauch ein. (Beifall FDP) Im Übrigen werden durch Nutzerfinanzierungskonzepte sozial Benachteiligte überproportional betroffen, weil sie für dieselbe Wegstrecke genau so viel zahlen müssen, obwohl sie weniger leistungsfähig sind. Das spricht eher für eine Steuerfinanzierung. (Beifall PIRATEN) Wir fordern deswegen übrigens auch, einen fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr einzuführen. (Beifall PIRATEN) Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Breyer, kennen Sie das Mautmodell in Holland? Haben Sie sich das einmal angeschaut? Dort gibt es eine Nutzerfinanzierung. Dort wird nach Fahrzeuggrößen unterschieden. Die weniger stark Motorisierten zahlen weniger als die stärker Motorisierten. Es wird unterschieden nach verschiedenen Nutzerzeiten. Es wird ein sehr modernes Mautsystem angeboten. Haben Sie sich damit einmal auseinandergesetzt? Ich frage das, weil Sie sehr einseitig beim Thema Maut argumentieren. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege Dr. Tietze, ich kenne das Mautsystem. Ich kann das schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht befürworten, (Beifall PIRATEN und Christopher Vogt [FDP]) weil zur Abrechnung der Maut erfasst werden muss, wer wann wo gefahren ist. Deswegen sage ich Ihnen: Warum soll das besser sein, als den Verbrauch über die Mineralölsteuer zu belasten? (Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter?) Präsident Klaus Schlie: Ich frage den Abgeordneten Dr. Breyer jetzt danach. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gerne. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Würden Sie dann auch das Tele-3120 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 38. Sitzung - Freitag, 27. September 2013 (Dr. Patrick Breyer) fon in Deutschland abschaffen? Auf meiner Telefonrechnung sieht man auch, wann ich wie telefoniert habe. - Wir PIRATEN sind entschieden dafür, dass keine Telefonverbindungsdaten auf Vorrat gespeichert werden, wie das SPD und CDU auf Bundesebene fordern. (Beifall PIRATEN und FDP) Man braucht das im Zeitalter von Flatrates im Übrigen auch gar nicht zu tun. (Beifall PIRATEN und FDP) Wenn wir einen fahrscheinlosen Nahverkehr fordern, dann fordern wir damit eine Nahverkehrsflatrate, für die alle zahlen sollen. (Beifall PIRATEN) Ich komme zu den Vorschlägen der CDU-Fraktion für weitere Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan. Ich kann die Annahme leider nicht empfehlen; denn die drei Projekte, die Sie herausgreifen, sind leider genauso vereinzelt, konzeptlos und unsystematisch herausgegriffen worden wie bei der Anmeldung der Landesregierung, der wir auch nicht zugestimmt haben. Wir brauchen ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren zur Auswahl und Priorisierung von Verkehrsprojekten. Die Landesregierung hat angekündigt, eine solche Priorisierung vorzulegen, was ich begrüße. Bisher ist eine solche aber noch nicht vorgelegt worden. Soweit Ihr Antrag die Anbindung der festen Fehmarnbelt-Querung betrifft, bleibt es für uns PIRATEN bei unserer Ablehnung dieses Projekts, die sich übrigens mit jeder Woche mit allem, was wir mehr darüber erfahren, als richtig erweist. (Beifall PIRATEN) Der Berichtsantrag zum Planungsstand bei den Projekten S 4, A 1 und StadtRegionalBahn ist sicherlich richtig. Wir unterstützen die Durchführung eines Bürgerentscheids zum letztgenannten Projekt. An die Adresse der Antragsteller möchte ich sagen: Der Ausbau der Schienenwege würde durchaus schneller gehen, wenn wir endlich zu der Umschichtung kämen, die ich vorhin schon angesprochen habe. Wir müssen wegkommen davon, dass 70 % der Mittel für den Neubau von Straßen investiert werden statt in Schienenverkehrswege. Herr Minister, es geht auch nicht, dass irgendwelche alten Zusagen bedient werden und wir deswegen nicht in Richtung einer Umkehrung dieses Verhältnisses von 70 zu 30 kommen. Solche Zusagen können angesichts der Tatsache, dass wir nicht einmal mehr die bestehenden Landesstraßen unterhalten können, heute keinen Bestand mehr haben. - Danke schön. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat geht das Trauerspiel um den Nord-Ostsee-Kanal weiter. Längst ist dieser Kanal zum Sanierungsfall Nummer eins in unserem Land gewor-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 52. Sitzung - Donnerstag, 20. März 2014 4249 (Dr. Patrick Breyer) den. Der Erhalt dieses Kanals ist über Jahrzehnte hinweg verschleppt worden, und ob der Ausbau wirklich auf den Weg gebracht wird, steht in den Sternen. Herr Kollege Arp, solange kein Geld da ist, steht nichts fest. Im Koalitionsvertrag ist ein Bekenntnis festgehalten, aber solange es dafür kein Sonderprogramm gibt - wie wir es schon im letzten Jahr mit unserem Antrag gefordert haben und auch diesmal wieder fordern -, solange es keine Finanzierung gibt, steht nichts fest. Was über diesen Schleusenausbau hinausgeht, dazu hat es der Bundesverkehrsminister peinlichst vermieden, irgendeine Zusage zu machen. Er hat dies mit der interessanten Begründung getan, in vier Jahren sei er vielleicht schon nicht mehr Minister. Das ist genau diese Kirchturmpolitik, nicht über die eigene Legislaturperiode hinauszudenken, die uns zu diesem Desaster geführt hat. Das ist deshalb der falsche Weg. Wir brauchen endlich einen Aktionsplan, Masterplan - wie auch immer wir es nennen. Der Bau der fünften Schleuse soll jetzt kommen. Er wird aber sowohl viel teurer werden als auch viel später kommen als geplant. Herr Kollege Arp, (Volker Dornquast [CDU]: Wer hat das denn gesagt?) Das heißt, man hat wieder einmal Kosten unseriös kalkuliert, obwohl wir ständig fordern, Kostenrisiken in eine Finanzierungsplanung einzubeziehen. (Zuruf Lars Winter [SPD]) Man hätte es wissen müssen, weil das immer wieder bei diesen Projekten passiert. Man weiß, dass es Kostensteigerungen gibt, wenn es länger dauert. (Zurufe SPD) Wir fordern schon seit Jahren, Kostenrisiken it einzuplanen und mehr zu finanzieren, als man konkret braucht. (Beifall Uli König [PIRATEN]) Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung? - Sie gestatten. Volker Dornquast [CDU]: Herr Dr. Breyer, die jetzt im Gespräch stehenden Mehrkosten für diese Schleuse, können Sie mir zu denen erklären, woran das technisch liegt und warum Sie diese als unerwartete Mehrausgaben bezeichnen? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Demzufolge, was man liest, geht es um Materialkostensteigerungen, es geht um Steigerungen infolge des Zeitablaufs, es geht darum, dass Gründungskosten nicht richtig kalkuliert worden sind. Das hat wohl verschiedentliche Ursachen. Wenn man solche Risiken in der ursprünglichen Ausgangsrechnung mit bewertet und auch schon mitfinanziert hätte, dann wäre man davon jetzt auch nicht überrascht worden. (Hans-Jörn Arp [CDU]: Hier! Gestern waren wir uns doch einig! Was ist denn nun los?) Sie haben nach den Ursachen gefragt. Ich will Ihnen gern ein paar Ursachen nennen und ein paar Tipps geben, was man besser machen könnte. (Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist ja schön!) Was sind die Gründe für die Misere? - Erstens. Wir haben schon im letzten Jahr eine Resolution zum Nord-Ostsee-Kanal - auf unsere Initiative als PIRATEN hin - angenommen, die genau das vorsieht, was zu tun wäre. Sie sieht nämlich vor, transparent und mit allen Beteiligten zusammen einen Aktionsplan auszuarbeiten. Was ist aber tatsächlich geschehen? - Offensichtlich werden zwischen Verkehrsministerien irgendwelche Geheimpläne hinund hergeschickt. (Zurufe: Oh! Herr Breyer! - Heiterkeit) Das sind Pläne, die bis heute nicht dem Parlament und nicht der Öffentlichkeit vorliegen. (Zurufe) Wir können in gewissen Zeitungsartikeln lesen, dass sie offensichtlich den Zeitungsredaktionen vorliegen - interessanterweise -, uns als Parlament werden sie aber vorenthalten. Und eine Einbindung aller Beteiligten ist schon gar nicht passiert. Warum ist das ein Fehler, Herr Minister? - Sie und wir als Land streiten doch immer noch allein für diesen Kanal. Es ist doch immer noch so, dass wir allein vor Ort waren. Nicht einmal unser Nachbarland Hamburg haben wir mit ins Boot holen können. Solange wir kein Bündnis schaffen, um für diese Infrastruktur, die doch für ganz Deutschland wichtig ist, zu streiten, solange reicht auch die Penetranzkompetenz eines Ministers nicht aus. Wir brauchen eine Bündniskompetenz hier in unserem Land. (Beifall Uli König [PIRATEN] - Volker Dornquast [CDU]: Schöne Phrase!)4250 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 52. Sitzung - Donnerstag, 20. März 2014 (Dr. Patrick Breyer) - Das war das Wort, was der Kollege Schulze benutzt hat. Das ist nicht von mir gekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne Ihnen eine weitere Ursache. Im Moment laufen die Haushaltsberatungen auf Bundesebene für die Haushalte 2014/2015. Bis zur Sommerpause soll der Haushalt verabschiedet werden. Jetzt wäre doch die Zeit, dafür zu sorgen, dass in den Haushalten auch die entsprechenden Ansätze für die weiteren Maßnahmen aufgenommen werden. Diese sind bis heute aber nicht vorgesehen. (Zuruf CDU: Worauf denn?) Dazu hört man aber sehr wenig und kommt auch nicht über das Lippenbekenntnis im Koalitionsvertrag hinaus. Eine dritte Ursache, die ich schließlich nennen möchte: Wir finden im Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, einen Personalabbau vor. Deswegen konnten sogar Mittel, die zum Ausbau der Wasserverkehrswege angesetzt waren, in dreistelliger Millionenhöhe nicht abgerufen werden und mussten zurückgegeben werden. Seit 1990 sind schon 6.000 Stellen in der Verwaltung gestrichen worden. Übrig sind noch 12.500. Jetzt sagt uns der Staatssekretär, es könnten vielleicht über 10.000 übrig bleiben. Das ist doch bloß eine vage Zusage, das noch einmal zu überdenken. Dieser Abbau wurde von einem SPD-geführten Ministerium eingeleitet, er wurde von der CSU fortgesetzt, und jetzt hören wir, dass es maßgeblich die FDP gewesen sei, die darauf gedrängt habe, diesen Abbau fortzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht des Zustandes des Nord-Ostsee-Kanals bis heute kann ich nur sagen, in den 90er-Jahren haben wir einen Aufbau Ost gefordert, ich glaube, wir haben dringend nötig, ein „Aufbau-Nord-Programm“ auf den Weg zu bringen. - Danke schön. (Beifall Uli König [PIRATEN] - Zurufe FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute über unsere Straßen-, Schienen- und Wasserwege, quasi also über unsere Verkehrsnetze und damit über Netzpolitik, dem Kerngebiet der PIRATEN. (Beifall Uli König [PIRATEN]) Wir sind vor zwei Jahren zur Landtagswahl angetreten, um für Bürgerrechte, Transparenz und Mitbestimmung zu kämpfen. Daran gemessen ist die Verkehrsplanung in Deutschland und in Schleswig- Holstein leider beinahe ein Totalschaden. Gehen wir auf das Thema Transparenz ein. Hier müssen wir beklagen, dass es auf Landesebene leider keinen transparenten Prozess zur Entscheidung über und zur Priorisierung verschiedener Verkehrsprojekte im Verhältnis zueinander gibt. Es gibt keinen Landesverkehrswegeplan. Es gibt keine Kosten-Nutzen-Ermittlung zur Priorisierung der einzelnen Projekte. Was es gibt, sind völlig planlose Zusagen, die hier und dort gemacht werden, und das lehnen wir ab. (Beifall PIRATEN - Unruhe) Ein Beispiel dafür ist sicherlich die geplante Reaktivierung des Bahnstrecke Kiel-Schönberg. Die einzige Begründung dafür, dass gerade dieses Reaktivierungsprojekt jetzt angepackt wird, ist, dass die Politik irgendwann einmal eine Zusage gemacht hat. Dabei wissen wir noch gar nicht, ob infolge dieses Projekts insgesamt mehr Menschen auf öffentlichen Nahverkehr umstiegen, wenn wir alle Verkehrsmittel berücksichtigten, also auch die Busverbindungen. Wir wissen gar nicht, welche Mehrkosten insgesamt auf allen Ebenen, also auch auf die Kommunen und die kommunalen Verkehrsbetriebe, zukommen können. Wir können nur überschlägig sagen, dass bei ziemlich hohen Investitions- und Betriebskosten - über 1 Million € pro Jahr - ein recht geringer Mehrverkehr zu erwarten ist. Da fehlt mir einfach die Prüfung, ob wir nicht mit diesen hohen Investitionsmitteln an anderer Stelle, bei anderen Reaktivierungsprojekten, mehr Menschen zum Umsteigen bewegen könnten. (Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU) Dieses Vorhaben sollte auf Eis gelegt werden, um die offenen Fragen endlich zu klären. - Genauso falsch ist es aber auch, diesem Projekt schon jetzt endgültig eine Absage zu erteilen, wie CDU und FDP es beantragen. Eine Reaktivierung kann ja Sinn machen und sich im Vergleich zu anderen Projekten durchsetzen - wir wissen es auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungen nur noch nicht. Deswegen müssen wir Transparenz über die Kosten und den Nutzen dieses Projekts schaffen, bevor wir es anpacken. (Beifall PIRATEN) An dieser mangelnden Transparenz leidet leider die gesamte Landesnahverkehrsplanung. Was aber noch viel wichtiger ist, ist, dass die Idee eines Nahverkehrsplans schon aus sich heraus zu kurz gedacht ist. Denn einen Plan nur für den Nahverkehr des Landes aufzustellen, vernachlässigt völlig die Schnittstellen zum Fernverkehr, zum Güterverkehr, aber auch zum Busverkehr, ganz zu schweigen vom Straßen-, Wasserstraßen- und Fahrradverkehr. Pläne allein für einzelne Verkehrsträger ersetzen keinen ganzheitlichen Mobilitätsplan, wie wir ihn für Schleswig-Holstein bräuchten. Es müssten darin Erwartungen an den Fernverkehr formuliert werden, es müssten Bus und Bahn zusammen gedacht und geplant werden, es müssten auch der Fußverkehr, der Radverkehr, Car-Sharing, Bürgerbusse und Mitfahrgelegenheiten berücksichtigt werden. Wer wirklich mehr öffentlichen und Fahrradverkehr will, kann nicht scheuklappenartig allein für den Schienenpersonennahverkehr planen. (Beifall PIRATEN) Um einen konkreten Ansatz zu nennen: Wie wäre es zum Beispiel mit einer Weiterentwicklung der SH-Card zu einer Mobilitätskarte, die auch Zugang zum Car-Sharing oder zum Fahrradverleih schafft? Das wäre eine zukunftweisende Idee. Weitere Ideen könnten sein - was mir noch zu wenig vorkommt -, das Angebot des Internetzugangs in Schleswig-Holstein zu verbessern. Das ist im Nahverkehr gerade für Pendler sehr wichtig. (Beifall PIRATEN) Oder um den Tarifdschungel ein bisschen zu lichten, könnte man an Fahrkartenautomaten eine Bestpreisfunktion anbieten, anstatt dass man sich immer durch irgendwelche Menüs durchkämpfen muss, um zu bestimmten Angeboten zu kommen. (Zuruf Uli König [PIRATEN]) Wir wünschten uns auch, dass man zumindest für eine Testregion einmal plant, eine kostenfreie Nutzung des Nahverkehrs, eine fahrscheinlose Nutzung des Nahverkehrs, zu ermöglichen. Das gibt es ja. (Beifall PIRATEN - Zuruf Beate Raudies [SPD]) Das gibt es in verschiedenen Tourismusregionen schon, etwa im Schwarzwald oder in Südtirol. Immerhin ist jetzt tatsächlich geplant, eine Studie über das Angebot einer kostenfreien oder vergünstigten Fahrt im Urlaubsland zu erstellen. Ich wünschte mir natürlich, dass wir einmal das Ziel eines insgesamt fahrscheinlosen Nahverkehrs ins Auge fassen, zum Beispiel auf Sylt, weil das wirklich zukunftweisend sein könnte. (Beifall PIRATEN - Unruhe) Was mich freut, ist, dass Sie die Idee ansprechen, ein LiquidFeedback-System zu testen, um die Bürger an der Nahverkehrsplanung zu beteiligen. Leider ist es noch offen geblieben, wie das konkret aussehen soll. Herr Minister, ich freue mich, mehr darüber zu erfahren, wie Sie LiquidFeedback einsetzen wollen, um unsere Verkehrswege zu planen. (Beifall PIRATEN) Was Sie an Nahverkehrsplanung vorlegen, die sogenannte Offensive Nahverkehr, führt mit den dafür vorgesehenen Millioneninvestitionen leider zu einem Ergebnis, das ich nur als lächerlich bezeichnen kann. Sie wollen den Marktanteil des öffentlichen Personennahverkehrs durch Ihre Offensive bis 2030 tatsächlich von 7,0 auf 7,1 % steigern. Ich gratuliere! (Beifall PIRATEN) Wie das den Namen Offensive auch nur annähernd verdient, möchte ich nicht wissen. Mit dieser Offensive kommen Sie - militärisch gesprochen - nicht einmal aus der Kaserne heraus, Herr Minister. (Heiterkeit und Beifall PIRATEN - Unruhe) Ich komme jetzt auf das Thema Mitbestimmung zu sprechen, bei dem wir - wie gesagt - leider nahezu einen Totalausfall zu verzeichnen haben. Das Paradebeispiel hierfür ist sicherlich die feste Fehmarnbelt- Querung. Wir haben es hier schon unzählige Male gesagt, ich sage es auch heute gern noch einmal, dass die feste Fehmarnbelt-Querung eine demokratische Missgeburt ist, dass sie in einem Verfahren ohne Beteiligung der Menschen vor Ort beschlossen wurde, ohne deren Sorgen ernst zu nehmen, ohne dass überhaupt Klarheit über die Folgen hergestellt worden wäre, die Folgen für die Wirtschaft, aber auch für den Tourismus, für die Gesundheit der Menschen durch den Lärm, der damit einhergeht. Über die finanziellen Folgen, die erst jetzt scheibchenweise herauskommen, nachträglich einen Dialogprozess durchzuführen, ist zu spät, weil die entscheidende Frage von den Menschen nicht mehr beantwortet werden kann, nämlich ob sie dieses Projekt überhaupt wollen. Wir PIRATEN sagen: Lassen Sie uns dieses Projekt stoppen, bevor es endgültig zum Milliardengrab wird und uns die Mittel für wirklich sinnvolle Projekte in Schleswig-Holstein stiehlt! (Beifall PIRATEN) Ein weiteres Beispiel für die Ignorierung des Bürgerwillens bei der Verkehrsplanung sind die Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan. Weil meine Kritik daran seit ein, zwei Jahren offensichtlich ergebnislos ist, will ich einmal jemanden zitieren, auf den die Koalition, speziell die Grünen, vielleicht eher zu hören bereit sind, nämlich den BUND. Der hat in einer Studie die Anmeldung der Länder zum Bundesverkehrswegeplan untersucht und kommt für Schleswig-Holstein zu folgendem Ergebnis: In Schleswig-Holstein war die Fernstraßenanmeldung nach außen völlig undurchsichtig. Zudem ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht einmal angedacht. Ebenso wurde eine Alternativenprüfung unterlassen. „Das Ministerium in Kiel“ - Herr Minister, das richtet sich an Sie - „ist der Auffassung, mit einer Landtagsdrucksache der fertigen Liste die Öffentlichkeit genügend beteiligt zu haben.“ (Heiterkeit Uli König [PIRATEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bei der Verkehrsplanung einen Bürgerbeteiligungsinfarkt sondergleichen zu verzeichnen. Man sollte vielleicht eher von einem „Bürgerbeteiligungsdauerkoma“ sprechen, weil der Patient seit Langem kein Lebenszeichen mehr von sich gibt. (Beifall PIRATEN) Lieder haben wir mit Verkehrsminister Meyer und dieser Koalition offensichtlich auch keinen Arzt, der eine Wiederbelebung auch nur versuchen könnte. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob ihnen überhaupt bewusst ist, dass eine solche Operation möglich wäre. Wenn der von uns in jeder Debatte wieder angeprangerte Beteiligungsinfarkt derart klar von außen bescheinigt wird, bestärkt uns PIRATEN das darin, als einzige Fraktion den Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan eine Absage erteilt zu haben. Ihre Verweigerung einer transparenten und offenen Prüfung des Sinns, der Auswirkungen und der Kosten jedes Projekts, dass Sie Alternativen nicht ernsthaft prüfen, all das führt zu völlig realitätsfernen Forderungen und Plänen und zu dem Ergebnis, dass allein die vordringlichen Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan, das Volumen, das wir zu erwarten haben, schon um mehr als das Doppelte übersteigt. Die Politik verhält sich bei der Verkehrsplanung wie ein Gast im Sushi-Restaurant, der sich trotz vollem Mund jedes einzelne Törtchen, das auf dem Laufband an ihm vorbeifährt, auch noch greift. Gesundes Essverhalten sieht anders aus, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Koalition will jetzt ausweislich ihres Antrags zusätzlich zu all diesen schon bei Weitem überzeichneten Projekten gar noch den Tunnel unter dem Nord-Ostsee-Kanal bei Rade - möglichst in der Variante, die mehr als 1 Milliarde € kosten würde - bitte auch zusätzlich zum Bundesverkehrswegeplan finanziert haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie auf zu träumen! Das ist völlig unrealistisch, das können wir vergessen. Herr Minister, auch der Idee einer Projektgesellschaft zur Umgehung der Schuldenbremse erteilen wir eine klare Absage. Infrastruktur ist eine öffentliche Aufgabe und muss öffentlich aus Steuermitteln finanziert werden. Die verschiedenen Projekte, die man sich hier wünscht, graben sich gegenseitig das Wasser ab. Wenn wir allerdings dem Milliardenirrsinn der festen Fehmarnbelt-Querung ein Ende setzen würden, könnten die Mittel für einen Rader Tunnel, der durchaus sinnvoll sein kann, da sein. Nur muss man dann eben Prioritäten setzen und kann kein Wunschkonzert mehr veranstalten. Die FDP will ausweislich ihres Antrags Autobahnversatzstücke in die Landschaft setzen, offensichtlich um unsere Wiesen und Wälder besser zu erschließen. Ich glaube nicht, dass das sehr viel Sinn macht, wie es heute schon gesagt worden ist. Wir wissen doch alle, dass es aufgrund von Gerichtsurteilen immer wieder zu Änderungen der Streckenführung in Teilstrecken kommen kann. Deswegen muss jedes Stück nacheinander geplant werden. Wer irgendetwas aus den Planungsdesastern der Vergangenheit gelernt hat, weiß, dass man bei solchen Großprojekten eine fertige Planung braucht und die Finanzierung insgesamt gesichert sein muss, bevor man damit anfangen darf. Deswegen sagen wir PIRATEN: A 20 jetzt, aber bitte seriös geplant und durchgerechnet. Die CDU-Fraktion präsentiert mit ihrem Sammelsuriumantrag eine Art Einzelprojektkakofonie, die ich nur als planlos, nicht priorisiert und unrealistisch bezeichnen kann. (Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) Dass Sie dann gar am Ende Ihres Antrags die Bundesmittel ausschließlich nur für den Neubau verwenden wollen, kann doch wohl hoffentlich nicht ernst gemeint sein. Ich habe mal auf das Datum geguckt, um zu sehen, ob das vom 1. April stammt. Ist Ihnen bekannt, dass sämtliche Sanierungen, die am Laufen sind, Rader Hochbrücke und so weiter, aus Bundesmitteln finanziert sind? Sollen wir die Rader Hochbrücke schließen, um woanders weiterbauen zu können? Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. (Beifall PIRATEN und SSW) Es ist doch völlig klar - Eka von Kalben hat es schon gesagt -: Neubauprojekte machen keinen Sinn, solange die vorhandene Infrastruktur verkommt. Gerade, Kolleginnen und Kollege von der CDU, wer mit den gegebenen Mitteln das beste Infrastrukturangebot schaffen will, der muss doch verstehen, dass volkswirtschaftlich und finanziell der Erhalt dessen, was wir schon haben, Vorrang vor Neubau haben muss. Oder man muss bereit sein, so ehrlich zu sein und zu sagen: „Wir müssen bestimmte Strecken aufgeben, weil wir uns die Unterhaltung nicht mehr leisten können.“ Darüber müsste man dann aber ehrlich und transparent mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren. Wir sollten uns ganz grundsätzlich fragen: Macht es Sinn, immer weiter neu zu bauen, solange das öffentliche Mobilitätsangebot gerade beim Busverkehr auf dem Land immer weiter zusammenschrumpft? Das wäre die richtige Priorität. Macht es eigentlich Sinn, neue Straßen zu bauen, solange im Verhältnis zu wenig Schienenverkehrsprojekte und auch zu wenig in den Radverkehr bei uns investiert wird? Die Koalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich das Ziel gesetzt, nicht mehr 70 % der Neubaumittel in den Straßenverkehr und 30 % in den Schienenverkehr zu stecken, sondern umgekehrt. Leider sind Sie seit nunmehr zwei Jahren diesem Ziel keinen einzigen Schritt nähergekommen, so dass ich sagen muss: Sie haben es faktisch aufgegeben. Wir PIRATEN haben bei den letzten Haushaltsberatungen als Einzige den Mut gehabt, konsequent zu beantragen, Neubaustraßenprojekte zugunsten des Schienenverkehrsausbaus zu streichen. Dem sind Sie leider nicht nachgekommen. Lassen Sie mich noch einen letzten Komplex ansprechen, der aus meiner Sicht vielleicht der wichtigste ist. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich habe mich extra jetzt zu Wort gemeldet, weil Sie angekündigt haben, jetzt zu einem neuen Komplex sprechen zu wollen. Meine Frage bezieht sich nämlich noch auf den alten Komplex. Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir nicht genug in Schiene investieren, während Sie Haushaltsanträge zur Umschichtung in Investitionsmittel gestellt haben, wie wollen Sie denn dann sicherstellen, dass auch die dazugehörigen Betriebsmittel, also die Regionalisierungsmittel, dafür zur Verfügung stehen? Oder halten Sie es für sinnvoll, dass wir Investitionen tätigen, ohne vorher zu wissen, wie wir den Betrieb aufrechterhalten? - Ich habe noch nie das Argument gehört, dass Schienenwege nur deswegen nicht gebaut werden könnten, weil man die Unterhaltung nicht bezahlen könne. Wir wissen doch alle, dass auch der Bau von Straßen Unterhaltungskosten nach sich zieht. Bei den Straßenbauten wird bei der Finanzierungsplanung auch nicht berücksichtigt, welche laufenden Kosten anfallen. (Beifall PIRATEN - Widerspruch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen sehe ich gar nicht, dass durch den Ausbau von Schienenwegen höhere Unterhaltungskosten anfallen würden als für die Straßenausbauten, die Sie planen. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Doch!) Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich möchte dazu noch eine Bemerkung machen. Ich glaube, es macht einen Unterschied, ob ich einen öffentlich finanzierten Busverkehr zum Beispiel auf der Straße fahren lasse oder individuelle Autos. Bei einem Schienenverkehr gibt es ja keine privaten individuellen Schienennutzer. (Zuruf: Außer Loren!) - Außer Loren. - Insofern besteht also ein großer Unterschied. Insofern muss der Betrieb irgendwie ja auch bezahlt werden, und zwar nicht nur mit Blick auf die Unterhaltung, sondern auch mit Blick auf den laufenden Betrieb. - Ich kann dazu nur sagen, dass bei kommunalen Straßen, die sie ja neu bauen und ausbauen wollen, natürlich ebenso Unterhaltungskosten anfallen. Damit aber lassen Sie die Kommunen dann allein. (Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP]) Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt? (Dr. Patrick Breyer) Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön, Herr Abgeordneter. Christopher Vogt [FDP]: Vielen Dank, Herr Kollege. - Mir liegt nichts ferner, als die Verkehrspolitik der Grünen zu erläutern. Aber ich glaube, das, was die Kollegin Ihnen eben erklären wollte, ist, dass man natürlich bei Schienenwegen ebenso wie bei Straßenwegen den Unterhalt der Infrastruktur durch regelmäßige Zuschüsse gewährleisten muss. Bei Schienen kommt hinzu, dass die Wirtschaftlichkeit in der Regel nicht so gegeben ist, dass die Eisenbahnunternehmen auf Zuschüsse verzichten können. Das heißt, es muss immer auch ein Defizitausgleich für den Betrieb der Gesellschaft geben und zusätzlich den Erhalt der Schiene. Das ist sozusagen der Unterschied zwischen der Straßenunterhaltung und der Schienenunterhaltung. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege Vogt, ich danke Ihnen für den Erklärungsversuch. Trotzdem: Wenn Sie den Landesnahverkehrsplan gelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass einzelne Reaktivierungsprojekte tatsächlich wirtschaftlich betrieben werden können. Ich weiß nicht, ob Sie das gelesen haben. Aber es gibt Projekte, bei den auch Schienenstrecken reaktiviert werden könnten, die sich selbst rentieren würden. Die aber sind nicht zur Realisierung vorgesehen. Mit unseren Haushaltsanträgen jedoch hätten die Mittel zur Verfügung gestanden, um diese Projekte endlich anzugehen. Das hätte Sinn gemacht. (Beifall PIRATEN) Vizepräsident Bernd Heinemann: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Vizepräsident Bernd Heinemann: Bitte schön. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank, Herr Kollege. - Da das alles so schnell ging, habe ich noch eine Frage zu dem vorherigen Thema, bei dem Sie gesagt haben, die Kommunen kämen sozusagen für die Betriebsmittel der Straßen auf. Ihnen ist doch bekannt, dass das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ein Bundesgesetz ist, wonach diese Mittel nur an Investitionen gebunden sind? Somit ist es doch gar nicht möglich, über GVFG-Mittel auch den Erhalt von Gemeindestraßen zu finanzieren. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Lieber Andreas Tietze, das stimmt natürlich. Ich wollte nur den Widerspruch aufzeigen, dass sich das Problem, wenn man sagt, wir könnten keine neuen Schienen bauen, weil wir uns den Unterhalt nicht leisten können, natürlich ebenso bei den Straßen stellt. Im Übrigen ist die Zweckbindung ja weggefallen. Das heißt, wenn man wollte, könnte man das durchaus anders gestalten. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, da Sie Jurist sind, empfehle ich Ihnen, das entsprechende Gesetz des Deutschen Bundestages einmal nachzulesen. Es ist tatsächlich so: Die Zweckbindung ist weggefallen, darf aber nur für investive Mittel der Länder verwendet werden. - Das mag sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nun aber doch noch gern auf meinen letzten Punkt eingehen. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende, weil er über den Bereich der Verkehrsplanung hinausgeht. Wenn wir hier nämlich unrealistische Projektplanungen, unrealistische Zeithorizonte und immer wieder unrealistische Kostenschätzungen vorlegen, dann vermitteln wir den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Wirtschaft den Eindruck eines völligen Versagens, einer Unfähigkeit der Politik, wodurch das Vertrauen in unsere Demokratie gefährdet wird. Insoweit muss ich als Stichworte nur die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals, die A 20 oder die feste Fehmarnbelt-Querung nennen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Altbundespräsident Rau sprach in seiner letzten Rede über das Thema Vertrauen, und er warnte vor Versprechen, von denen man wissen kann, dass sie nicht einzuhalten sind. Ich darf daraus zitieren: „Das geschieht trotz besseren Wissens immer wieder, und darum haben viele Menschen sich mittlerweile darauf eingestellt, vorsichtshalber erst einmal gar nichts mehr zu glauben. Diese Haltung führt über Politikverdrossenheit hinaus zur völligen Abkehr vom politischen Leben. Kein demokratischer Staat hält es auf Dauer aus, wenn sich immer stärker eine Haltung des ‚Wir da unten, die da oben‘ durchsetzt. Gewohnheitsmäßiges Misstrauen in die Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie und ist ein riesengroßes Einfallstor für Populisten und schreckliche Vereinfacher aller Art. Die haben auf alles eine Antwort und für nichts eine Lösung. … Misstrauen wächst auch dann, wenn wichtige politische Entscheidungen in immer kleineren Kreisen getroffen werden. … Besonders schädlich ist es, wenn sich immer mehr das Gefühl breit macht: ‚Die da oben können es nicht - und zwar auf allen Ebenen und auf allen Seiten.‘ … Das ist der Ausdruck einer tiefgreifenden Vertrauenskrise.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, so der Altbundespräsident. Gerade Großprojekte wie Stuttgart 21, wie der Berlin- Brandenburger Flughafen, aber auch die feste Fehmarnbelt-Querung oder die A 20 sind eine wesentliche Ursache für diese demokratische Vertrauenskrise. Deswegen fordere ich Sie auf, die Ursachen dafür gemeinsam mit uns anzugehen. Wir haben doch eine Charta für Bürgerbeteiligung für Infrastrukturprojekte vorgelegt. Wir haben konkrete Änderungsanträge zum Landesplanungsgesetz vorgelegt, die das umsetzen sollten, eben weil wir PIRATEN davon überzeugt sind, dass nur eine echte und offene Bürgerbeteiligung zu einer echten Neugestaltung der Verkehrsplanung führen kann, die dann eben auch zu realistischen, zu verkehrsträgerund ebenenübergreifenden und zuverlässigen Ergebnissen führt. - Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die B 5 ist von der Straßenverbindung her die Lebensader der Westküste und auch eine wichtige Brücke nach Dänemark. Sie darf deswegen keinesfalls auf die Funktion eines A- 7-Bypasses reduziert werden, wie es der Antrag der CDU-Fraktion leider nahelegt. Auf der Tagesordnung stehen nur zwei Anträge zu Autobahnen. Eigentlich geht es in Ihrem Antrag doch um die B 5, und die sollte auch im Mittelpunkt stehen. Nachdem wir die Landesregierung im Wirtschaftsausschuss über den aktuellen Sachstand zu Planung und Ausbau der B 5 haben berichten lassen, ist es Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 68. Sitzung - Donnerstag, 11. September 2014 5591 (Dr. Andreas Tietze) schön, dass jetzt auch die CDU-Fraktion das Thema entdeckt hat. (Lachen Volker Dornquast [CDU]) Nur leider bringt das die Menschen, die sich dort einen Ausbau seit teilweise über 20 Jahren wünschen, nicht weiter. (Anhaltende Unruhe) Zunächst einmal kann die Landesregierung nicht - wie es in Ihrem Antrag steht - die Aufnahme in den neuen Bundesverkehrswegeplan sicherstellen, weil sie darüber gar nicht entscheidet. Auch hat die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan nichts damit zu tun, die Planungen voranzutreiben, denn der Verkehrswegeplan gilt für die Realisierung und nicht für die Planung dieses Projekts. Die Forderungen, möglichst schnell Baureife zu erlangen oder die Planungen schnellstmöglich abzuschließen, sind letztendlich Plattitüden, solange Sie uns nicht verraten, wie eine Beschleunigung konkret möglich sein soll. Wir haben im Ausschuss konkret nach der Stellensituation und so weiter gefragt. Ich glaube, dass das konstruktiver ist. In Wahrheit ist es unter einer CDU-geführten Regierung gewesen, dass die A 20 und das jetzige Teilstück der B 5 so schlampig geplant worden sind, dass die Verfahren jetzt neu aufgerollt werden müssen und eine lange Verzögerung eintritt. Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir auf solche Schauanträge künftig verzichten. Der Antrag der Koalitionsfraktionen dazu ist an sich auch überflüssig, aber immerhin richtig. Zur A 20. Die Piratenpartei Schleswig-Holstein fordert seit Jahren den Ausbau der A 20 über die A 7 hinaus einschließlich der Elbquerung, aber finanziert aus dem Staatshaushalt und ohne Pkw-Maut, wie Sie sie nämlich für die Elbquerung einführen wollen. Dieses Projekt darf keinesfalls als ÖPPProjekt finanziert werden, weil sich diese Projekte in der Vergangenheit immer wieder als unwirtschaftlich herausgestellt haben, weil eine konstante Maut, wie ich bereits in der letzten Rede sagte, unsozial und unökologisch ist. Sie darf aber, Herr Wirtschaftsminister, auch nicht über die Idee einer Infrastrukturprojektgesellschaft realisiert werden. Wir haben dort interessante Stellungnahmen im Rahmen des Anhörungsverfahrens bekommen, und es wurde uns noch einmal schwarz auf weiß bestätigt, dass diese Idee einer Projektgesellschaft zu undemokratischen Strukturen führt und darüber hinaus ineffektive Verkehrsprojekte herstellen lässt, die sich in dem regulären Verfahren des Bundesverkehrswegeplans gar nicht behaupten könnten. Damit dieses Projekt „Weiterbau der A 20“ Erfolg haben kann, muss es wirklich seriös geplant und durchgerechnet werden. Alle Unterlagen müssen veröffentlicht und vom Bundesrechnungshof geprüft werden. Vorrangig allerdings müssen wir die Sanierung der vorhandenen Infrastruktur angehen: Nord- Ostsee-Kanal, Rader Hochbrücke und so weiter. Es ist allen bekannt, wie viel dort zu tun ist. Den neuen Vorschlag der Grünen werden wir auf unserer Verkehrskonferenz näher unter die Lupe nehmen. Mittelfristig jedenfalls müssen wir dahin kommen, dass so große Infrastrukturprojekte noch vor der Entscheidung darüber transparent und ergebnisoffen mit der Öffentlichkeit diskutiert werden. Wir PIRATEN haben deswegen einen Vorschlag für eine Charta für Bürgerbeteiligung an der Infrastrukturplanung vorgelegt, die vorsieht, dass eine möglichst frühe Bürgerbeteiligung stattfinden soll. Dies erfordert eine verständliche Internetveröffentlichung von Planungen und öffentliche Antragskonferenzen zur Beratung derartiger Vorhaben. Nur mit mehr Transparenz und echter Bürgerbeteiligung bei der Infrastrukturplanung werden wir in Zukunft teure Fehler und Pleiten wie bei der A 20 und jetzt auch bei den Teilstücken der B 5 vermeiden können, die uns leider bei diesen wichtigen Projekten um Jahre zurückwerfen. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bezüglich der Rader Hochbrücke sind wir auf einem guten Weg. Das hat der Bericht des Ministers gezeigt. Ich möchte auf das zweite Thema eingehen, nämlich die feste Fehmarnbelt-Querung. Da haben wir PIRATEN eine klare Position formuliert, und zwar von Anfang an und konsequent, Herr Kollege Andreas Tietze. Wir fordern den Ausstieg aus dem Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung, weil dieses Projekt der Region, der Allgemeinheit und dem Steuerzahler einen immer größer werdenden Schaden zufügt. Vieles haben Sie schon richtig gesagt. (Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN] und Lars Winter [SPD]) Zunächst ist der Öffentlichkeit versprochen worden, Dänemark trage im Wesentlichen die Kosten. Die Auswirkungen bezüglich der Straßen- und Schienenanbindung sind der Öffentlichkeit vorher nicht bekannt gemacht worden, auch nicht die der Sundquerung. Die Kosten für Bund, Land und Region, die damit einhergehen, wachsen von Jahr zu Jahr. Insgesamt wird das Projekt zu einem Milliardengrab. Herr Minister, was mich am meisten ärgert - deswegen verstehe ich nicht, dass Sie das ignorieren -, ist, dass, wenn Sie in diesem Zusammenhang Mittel aus dem Bundesverkehrswegeplan in Anspruch nehmen, uns diese Mittel für die wirklich wichtigen Projekte in unserem Land fehlen. Dieses Milliardengrab klaut uns Gelder, die wir anderswo in Schleswig-Holstein wirklich bräuchten. Dass Sie das kaltlässt, verstehe ich nicht, auch nicht als Tourismuspolitiker. Denn der Tourismus vor Ort hat ja nicht nur mit dem Lärm des Projekts zu kämpfen, sondern jetzt auch noch mit der Stilllegung der Bäder-Bahn, die beabsichtigt ist. Ich musste aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage mit Grauen erfahren, dass jetzt auch noch ein bisher völlig unbekannter Letter of Intent mit der Bahn geplant ist, in dem die Einstellung dieser Linie festgeschrieben werden soll. Das ist öffentlich unbekannt. (Lars Winter [SPD]: Es ist nicht unbekannt, nur weil du es nicht erfahren hast!) Die Region vor Ort protestiert gegen die Pläne. Auch PRO BAHN warnt, Folgen dieser Pläne seien eine deutlich verschlechterte Anbindung der Bäder, sinkende Fahrgastzahlen und im Endeffekt sogar, dass der Takt infrage stehe. Das Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung hat die ganze Region aufgebracht. Wir PIRATEN fordern als Einzige konsequent den Ausstieg. Herr Dr. Tietze, Sie haben genau das Richtige gesagt, aber Sie tun das Falsche. Sie begleiten das Projekt doch aktiv. Sie haben doch Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan gemacht, die Sie nicht hätten machen müssen. Wir PIRATEN verlangen gemeinsam mit den Menschen vor Ort einen Stopp des Projekts. Damit sind die beiden Anträge zur Hinterlandanbindung obsolet. (Vereinzelter Beifall PIRATEN - Unruhe)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles, was gesagt worden ist, hat der Herr Kollege Dr. Tietze schon zu Recht widerlegt. Ich will aber noch etwas zum Argument des Kollegen Kubicki sagen, unsere Forderung sei unrealistisch und wir dürften sie daher nicht vorbringen. - Wenn Sie so argumentieren, wäre die Plenarsitzung in dieser Woche sehr kurz. Dann könnte man nämlich alle Anträge der Opposition streichen, weil sie nicht mehrheitsfähig sind, weil sie unrealistisch sind und weil sie sinnlos sind. Das ist ein tendenziell undemokratischer Ansatz. (Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]) Natürlich müssen wir auch andere Meinungen vertreten dürfen, die im Moment keine Mehrheit im Bund finden. Deswegen streiten wir für neue Mehrheiten im Bund. Im Übrigen ist der Ausgang der juristischen Verfahren noch völlig offen. Die Europäische Kommission prüft gerade. Ich bin gespannt, was dabei letztlich herauskommt. Das sollten wir abwarten, bevor wir hier Tatsachen schaffen. Sie haben die Wertschöpfung angesprochen. Egal, was man über Wertschöpfung denkt: Die Region vor Ort bezieht ihre Wertschöpfung jedenfalls zu einem maßgeblichen Teil aus Tourismus, aus der Lebensqualität und aus der Natur dort. Gerade dieser Wertschöpfung auf Fehmarn und in Ostholstein wird dieses Projekt massiv schaden - auch durch die mangelhafte Anbindung der Bäder, die die Folge sein wird. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann fragen Sie doch mal die Industrie- und Handelskammern vor Ort, mein Gott!) Ich komme schließlich zu einem letzten Punkt. Sie haben die Autobahn nach Kiel und viele andere Projekte angesprochen, die Sie sich wünschen. Fakt ist doch, wie ich schon eingangs gesagt habe, dass gerade dieses Projekt Geld klaut, das wir für sinnvolle Projekte im Land Schleswig-Holstein bräuchten. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Eine Autobahn nach Kiel wird doch nicht aus Landesmitteln finanziert!) - Wenn das über den Bundesverkehrswegeplan läuft, Herr Kollege Garg - dafür ist es angemeldet worden -, fehlt uns dieses Geld für wichtige Projekte. Deswegen: Gerade wenn Sie für eine Anbindung in Schleswig-Holstein sind, ist es genau richtig, dass wir Prioritäten setzen müssen. Dieses Projekt hat eine Minuspriorität.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, wieder ein bisschen Nüchternheit in die Debatte hineinzubringen. Man muss ehrlicherweise sagen, wir stimmen heute nicht darüber ab, ob die A 20 weitergebaut werden soll. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) Wir stimmen heute darüber ab, ob wir einer Volksinitiative zustimmen, die fordert, dem Weiterbau der A 20 absolute Priorität vor allen Verkehrsprojekten einzuräumen und sie möglichst innerhalb von fünf Jahren abzuschließen. Da möchte ich zunächst einmal den vielen Menschen danken und Anerkennung aussprechen, die sich für dieses Projekt einsetzen; denn es ist ein ganz wichtiges Projekt für die Westküste und für Schleswig-Holstein. Auch deswegen ist die Piratenpartei in Schleswig- Holstein seit jeher für einen konsequenten und zügigen Ausbau der A 20 auch über die A 7 hinaus gewesen. (Vereinzelter Beifall CDU, FDP und SSW) Diese vielen Unterschriften für diese Initiative sind auch ein wichtiger Weckruf an die Politik; denn wir haben gesehen, dass bei der Planung grobe Fehler gemacht worden sind, die uns jetzt auch um Jahre zurückwerfen. Richtig an der Initiative ist auch, dass zwei der vier Gründe, mit denen hier die Ablehnung vonseiten der Koalition begründet worden ist, nicht tragen. Deshalb haben wir übrigens auch den ersten beiden Gründen nicht zugestimmt. Deshalb bitte ich darum, Herr Präsident, über die Nummern 1 und 2 der Begründung gesondert abstimmen zu lassen. Sie sagen nämlich erstens, der Einsatz des Landtags wäre für die Planung vollkommen irrelevant, was nicht stimmt, weil wir zum Beispiel über die Zahl der Stellen entscheiden, die für die Planung eingesetzt werden können. Sie sagen zweitens, eine Weiterplanung auf Basis der bisherigen Planung sei nicht möglich, weil nachgebessert werden müsse. Aber das heißt doch nicht, dass die bisherigen Planungen völlig nutzlos und sinnlos seien. Es sind Nachbesserungen nötig, aber die Grundlage bilden die bisherigen Planungen dennoch. Richtig sind aber die weiteren Gründe, die Sie nennen, warum die Volksinitiative in dieser Formulierung ein Fehler wäre. Falsch ist nämlich die Forderung, der A-20-Weiterbau müsse Vorrang vor allen anderen Verkehrsprojekten erhalten. Da sehen wir PIRATEN an erster Stelle ganz klar den Erhalt unserer vorhandenen Infrastruktur, deren Instandsetzung, insbesondere die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals und auch der Rader Hochbrücke, auf die die Bürger wirklich sehr dringend warten. Das muss absolute Priorität haben. Es gibt auch weitere wichtige Neubauprojekte wie die S 4 oder die S 21. Deswegen wäre es falsch, absoluten Vorrang einzuräumen und die anderen Projekte erst einmal quasi auf Eis zu legen, obwohl wir dringend darauf warten. Sie wissen alle, was im letzten Jahr los war, als der Nord-Ostsee-Kanal auf einmal geschlossen werden musste. Auch die Rader Hochbrücke ist in einem prekären Zustand. Die Instandsetzung unserer vorhandenen Infrastruktur muss absoluten Vorrang haben. Richtig ist auch, dass in Anbetracht des weit überzeichneten Bundesverkehrswegeplans eine Fertigstellung der kompletten A 20 in Schleswig-Holstein samt Elbquerung innerhalb von fünf Jahren leider komplett unrealistisch ist. Selbst wenn wir alles Geld aus dem Bundesverkehrsplan von anderen Projekten abziehen und hier diesem Projekt widmen würden, würde man das innerhalb von fünf Jahren nicht hinkommen. Ich will an dieser Stelle auch noch einmal deutlich machen, was für ein großer Fehler es ist, dass alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen die feste Fehmarnbelt-Querung unterstützen. Denn deren Folgekosten klauen uns Mittel im Bundesverkehrswegeplan, die wir für Sanierungsprojekte und auch für den Weiterbau der A 20 dringend bräuchten. (Beifall Lars Harms [SSW]) Deswegen: Wenn Sie diesen Weiterbau beschleunigen wollen, treten Sie mit uns zusammen gegen die feste Fehmarnbelt-Querung ein. Insgesamt kann ich also nur bedauern, dass dieses gute Anliegen von den Initiatoren dieser Initiative so schlecht umgesetzt worden ist, dass die konkrete Forderung nicht zustimmungsfähig ist. Damit das Projekt wirklich Erfolg haben kann, muss es seriös geplant und durchgerechnet werden. Alle Unterlagen dazu müssen veröffentlicht und vom Bundes- rechnungshof geprüft werden. Schon die bisherige Prüfung hat dazu geführt, dass die Kosten explodiert sind und dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis neu berechnet werden muss; das sagt der Bundesrechnungshof. Der Bund will eine Finanzierung über ein PPP-Modell hinbekommen, nur um die Schuldenbremse umgehen zu können. Dabei haben wir damit fatale Erfahrungen gemacht. Man müsste 10 % der Kosten an Gewinn allein an den Privaten ausschütten. Das wären 53 Millionen € pro Jahr. Meine sehr verehrten Damen und Herren, 53 Millionen € wären weit besser in unseren Verkehrsprojekten aufgehoben und würden auch gebraucht. Mittelfristig - das ist uns PIRATEN ein wichtiges Anliegen - müssen wir dazu kommen - Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: - ja, ich komme zum Schluss -, dass Infrastrukturprojekte noch vor der Entscheidung transparent und ergebnisoffen mit der Öffentlichkeit diskutiert werden. Denn nur so können wir weitere Planungsfehler wie bei der A-20-Pleite vermeiden, die uns jetzt um Jahre zurückwerfen. Diese Kritik sehen wir genauso wie die Initiatoren der Volksinitiative. - Vielen Dank. (Beifall FDP)
Verkehrsfinanzierung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Tietze, leider sind wir in der Vergangenheit mit unseren Straßen nicht so umgegangen, wie ehrbare Kaufleute es tun sollten. So ist es dazu gekommen, dass wir einen hohen Sanierungsstau haben auflaufen lassen. Ein Viertel unserer Landesstraßen ist sanierungsbedürftig und müsste schon längst in der Sanierung sein. (Zurufe Christopher Vogt [FDP]: Schön wäre es!) Tatsächlich verschlechtert sich der Zustand aber weiter. Vor diesem Hintergrund ist natürlich kein Geld mehr für teure Wunschprojekte der Politik zum Neubau von Straßen vorhanden, die ja im Übrigen noch höhere Unterhaltungskosten nach sich zögen, als wir jetzt schon nicht aufbringen. Der Bundesverkehrswegeplan ist gemessen an Ihren Anmeldungen, Herr Wirtschaftsminister, schon heute um mehr als das Doppelte überzeichnet, wenn man der „sh:z“ glauben darf. Deswegen haben Sie nun die Idee: Bezahlen soll den Straßenneubau künftig der Autofahrer mit einer Pkw-Maut. Wie in Frankreich sollen Häuschen an die Autobahn gestellt werden, an denen abkassiert werden darf, obwohl die bisherigen Erfahrungen in Deutschland mit diesem Modell katastrophal sind. Im Falle des Warnowtunnels hat sich nicht einmal die Hälfte des prognostizierten Verkehrs eingestellt. Um den Betreiber vor der Insolvenz zu retten, musste ihm zugestanden werden, 20 Jahre länger Maut zu kassieren. Auch bei dem Lübecker Herrentunnel ist nicht einmal die Hälfte des ursprünglich prognostizierten Verkehrsaufkommens eingetreten. Hier hat man die Maut inzwischen mehr als verdoppeln müssen, um das aufzufangen. Dennoch wollen Sie, Herr Wirtschaftsminister, eine Pkw-Maut selbst dort einführen, wo sich nicht einmal mehr ein privater Investor findet wie im Falle des westlichen Elbtunnels. Das dänische Modell, das Sie propagieren, steht in Dänemark schon längst im Kreuzfeuer der Kritik. Kein anderer als der ehemalige Leiter der Verkehrsund Straßenabteilung der dänischen Straßenbaubehörde, Herr Andersen, kritisiert in der Zeitung das Modell der Projektgesellschaft, das Sie hier propagieren. Er sagt, Projektgesellschaften führten dazu, dass Verbindlichkeiten und Risiken nicht mehr im Staatshaushalt abgebildet würden und nicht mehr Gegenstand des normalen demokratischen Verfahrens seien. Wenn uns der Ministerpräsident sagt, wir hätten in der Vergangenheit dabei versagt, genügend Mittel zum Unterhalt unserer Straßen bereitzustellen, dann kann die Lösung doch nicht die Bildung von Sonderhaushalten sein. Man kann doch nicht sagen, wir werden auch in Zukunft versagen. Hier im Landtag, im Parlament, muss doch gestritten werden, ob Mittel für eine Autobahn oder für Bildung oder für den Breitbandausbau oder den Schuldenabbau eingesetzt werden. Wir müssen uns selber doch zutrauen, genügend Mittel für den Erhalt unserer Straßen aufzubringen. Alles andere wäre ein Armutszeugnis. Herr Andersen kritisiert an dem Modell der Projektgesellschaft, Herr Minister, Entscheidungen der privatwirtschaftlichen Projektgesellschaft würden in kleinen Kreisen außerhalb der öffentlichen Einsicht und Kontrolle gefällt, was wiederum Bedarfskontrolle, Effizienzprüfung und Priorisierung aushebeln würde, all das, was für staatliche Projekte gilt, und zwar alles mit der Begründung, dieses Projekt koste den Staat ja nichts, weil es seine Kosten selber hereinspielen solle. Durch diese Konstruktion haben Sie keinen Anreiz, Kosten einzusparen. Das führt überhaupt erst zu solch irren Projekten wie der Fehmarnbelt-Querung mit einem so niedrigen Verkehrsaufkommen, dass es anderswo kaum den Bau einer Landesstraße rechtfertigen würde. Ich zitiere abschließend Herrn Andersen: Die Zusammenführung von Kreditaufnahmen, Benutzungsentgelten und das Verstecken von Risiken in einer GmbH habe keinen anderen Nutzen als den, die Finanzsituation Dänemarks herauszuputzen und es übereifrigen Politikern möglich zu machen, enorme kreditfinanzierte Summen für bedeutende Baumaßnahmen ohne Auseinandersetzung über den Staatshaushalt zu beschaffen. (Beifall PIRATEN) Genau das ist die richtige Kritik an Ihrem Modell. Mit uns PIRATEN wird es deswegen eine solche Pkw-Maut durch die Hintertür nicht geben. Wir lehnen Projektgesellschaften ab und fordern die Koalition auf, den Wirtschaftsminister an dieser Stelle zurückzupfeifen. Das Finanzierungsmodell Pkw-Maut ist unsozial, weil es alle gleich hoch belastet, während Steuerfinanzierung einkommensund verbrauchsabhängig ist und damit viel gerechter. Das Finanzierungsmodell Pkw-Maut ist undemokratisch, weil es über Projektgesellschaften realisiert wird und diese Projekte öffentlicher Kontrolle entzieht. Es ist unwirtschaftlich, weil Bedarfskontrolle, Effizienzprüfung und Priorisierung ausgehebelt werden. Es ist auch unehrlich, wenn Sie einerseits lautstark gegen Pkw-Maut auftreten oder - wie CDU und FDP hier - gegen neue Abgaben, gleichzeitig aber neue Mautstraßen fordern, die ja neue Abgaben mit sich bringen würden. Da muss der Bürger sich ja für dumm verkauft vorkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die westliche Elbquerung muss staatlich und solide finanziert werden. Dazu muss sie auch in einer demokratischen Haushaltsdebatte bestehen können und darf nicht schöngerechnet werden. Ein letzter Satz zur Forderung der FDP nach einem Weiterbau der A 20 westlich der A 7: Wir brauchen keine bessere Anbindung von Rapsfeldern durch den Bau von Versatzstücken in die Landschaft. (Lachen Uli König [PIRATEN]) Der Bau von Teilstücken ohne eigenständigen verkehrlichen Nutzen wäre sogar rechtswidrig. Deswegen sollten Sie Ihren Antrag zurückziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN - Zuruf Christopher Vogt [FDP]: Das ist doch albern!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der schlechte Zustand unserer Infrastruktur, der sich immer noch weiter verschlechtert, ist in diesem Hause bereits oft erörtert worden. Jetzt liegen verschiedene Vorschläge vor, wie dem abgeholfen werden soll, insbesondere von der sogenannten Bodewig-Kommission. Einer dieser Vorschläge regt die Einführung einer Pkw-Maut an, wie sie im schwarz-roten Koalitionsvertrag vorgesehen ist, die keine Inländer belasten soll, sondern nur ausländische Fahrzeughalter. Ich muss sagen, da haben wir uns äußerst gern dem Antrag der FDP angeschlossen; denn dieses Konzept, das in der aktuellen Fassung sogar vorsieht, die Pkw- Maut für jede Rumpelpiste zu erheben - das gibt es, meine ich, in keinem anderen europäischen Land -, ist vollkommen verfehlt. Erstens sieht dieses Konzept eine völlig unwirtschaftliche Verschleuderung von Steuergeld durch Verwaltungskosten vor. Denn die Einnahmen, mit denen der Bundesverkehrsminister rechnet, sind höchst unsicher. Viele Experten sagen, sie werden sich nicht in dieser Höhe erwirtschaften lassen. Zweitens ist der Erhebungsaufwand gemessen am Ertrag irrsinnig hoch. Diese Pkw-Maut wird erst recht unwirtschaftlich, wenn man noch Ausnahmen einzieht, wie sie hier für den grenznahen Verkehr gefordert werden. Damit wird das Aufkommen noch geringer. Drittens ist eine Pkw-Maut im Sinne einer Flatrate unökologisch, weil sie überhaupt keine Lenkungswirkung hin zu weniger Verbrauch entfaltet. Sie ist unsozial, weil alle Menschen gleich belastet werden, egal ob Millionär oder Hartz-IV-Empfänger. Vor allem ist sie auch uneuropäisch, wenn quasi die Alleinlast auf unsere europäischen Nachbarn abgewälzt werden soll. In diesem Zusammenhang möchte ich fragen: Herr Vogel, warum werfen Sie uns eigentlich Populismus vor, wenn wir dieses Projekt stoppen wollen? Es sind doch die CSU und mit ihr die SPD und die CDU, die ein populistisches Projekt voranbringen wollen. Wir wollen diesen Populismus verhindern. Vor diesem Hintergrund kann ich nicht verstehen, dass SPD und CDU es der CSU ermöglicht haben, mit diesem Konzept durchzukommen, zumal die Kanzlerin - es wurde schon gesagt - noch vor der Wahl im Rededuell öffentlich angekündigt hat, mit ihr werde es keine Maut geben. Es ist unverantwortlich, mit dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger so zu spielen. Erst recht verstehe ich nicht, dass sogar hier im Land sowohl die SPD als auch die Grünen und der SSW einen Antrag schreiben, wonach, wenn die Maut kommt, bestimmte Bedingungen aufgestellt werden. Wenn es Ihnen wirklich um das Interesse des Landes, das Interesse Schleswig- Holsteins, geht, dann müssten Sie doch die Mautpläne insgesamt ablehnen und verhindern. (Beifall Uli König [PIRATEN] - Zuruf Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das machen wir ja!) In Ihrem Antrag nehmen Sie auf weitere Finanzierungsvorschläge der Bodewig-Kommission Bezug, unter anderem auf eine Ausweitung der Lkw- Maut. Das sehe ich sehr kritisch, weil die Lkw- Maut im aktuellen System dazu führt, dass sämtliche Fahrzeugbewegungen erfasst werden. Sie wissen ebenfalls, dass gerade vonseiten der CDU immer wieder gefordert wird, diese Daten auch für ganz andere Zwecke zu verwenden, um den Autoverkehr überwachen zu können. Sinnvoll ist doch, anstelle dieser ganzen Versuche, die ein so mickri- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 68. Sitzung - Donnerstag, 11. September 2014 5577 (Dr. Andreas Tietze) ges Aufkommen generieren, das überhaupt nicht dafür geeignet ist, den Zustand unserer Verkehrswege zu erhalten, die bestehenden Instrumente wirklich zu nutzen, insbesondere die Mineralölsteuer. Es hat schon viele Vorschläge gegeben, sie um ein paar Cent zu erhöhen. Bezogen auf das Aufkommen käme das auf das Gleiche heraus, wäre aber sehr viel ökologischer und gerechter verteilt. Die Bodewig-Kommission fordert weiter die Schaffung eines Sondervermögens. Auch dem kann ich nur eine ganz klare Absage erteilen. Denn wir wissen gerade aus unserem Bundesland, dass Sondervermögen dazu führen, dass Millionen für Schuldzinsen und Vermögen verschwendet werden, die wir gar nicht in Anspruch nehmen. Gerade dem, dem es um die Erhaltung unserer Infrastruktur zu tun ist, kann nicht daran gelegen sein, ein Instrument einzusetzen, dass zu einer solchen Steuergeldverschwendung führt. Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank, Kollege Dr. Breyer. - Ich bin etwas wacher geworden, als Sie sagten, dass Sie die Lkw-Maut in Bausch und Bogen ablehnen. Wir haben ja bereits eine Lkw-Maut auf Autobahnen: Toll Collect. Ist Ihre Aufforderung, diese Lkw-Maut nicht mehr einzunehmen, sie also generell abzuschaffen? Wir nehmen damit etwa 7 Milliarden € ein. Damit verbunden ergibt sich natürlich die Frage, ob Sie auf diese Einnahmen verzichten wollen. Das würde ja bedeuten, dass wir noch weniger Möglichkeiten hätten, die bestehende Infrastruktur auszubauen beziehungsweise zu erhalten. Das wäre ein völlig kontraproduktiver Vorschlag. Aber ich will es verstehen. Schlagen Sie vor, keine Lkw-Maut mehr in Deutschland zu erheben? - Ich kläre Sie gern auf, Herr Kollege. Ich hatte ja vorgeschlagen, auf die bestehenden Instrumente zu setzen. Das sind zum Beispiel die Kfz-Steuer und die Mineralölsteuer. Über diese Instrumente könnte man dasselbe Aufkommen oder noch mehr generieren, als es derzeit über die Lkw-Maut der Fall ist. Präsident Klaus Schlie: Gestatten sie eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren ja einmal in der Situation, dass wir fünf Mark für den Liter Sprit gefordert haben. Sind Sie auch der Auffassung, dass der Sprit in Deutschland dann 3 € oder 4 € kosten sollte? - Herr Kollege Dr. Tietze, wir können uns gern auch darüber unterhalten, andere Steuern heranzuziehen, um das zu finanzieren. Aber ausgerechnet ein System einzusetzen, das sämtliche Fahrzeugbewegungen erfasst, ist falsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Pkw-Maut stoppen, Totaler- 6100 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 74. Sitzung - Donnerstag, 13. November 2014 (Dr. Andreas Tietze) fassung des Fahrzeugverkehrs verhindern; das beantragen wir heute im Landtag in einem Änderungsantrag. Wir haben uns schon oft darüber unterhalten, dass die uns von der CSU aufgezwungene Pkw-Maut für Ausländer falsch ist. Sie ist unökologisch, weil sie verbrauchsunabhängig ist. Sie ist unsozial, weil sie einkommensunabhängig ist. Sie ist uneuropäisch, weil sie nur für Deutsche kostenneutral sein soll. Sie ist gemessen an den Verwaltungskosten, die sie produziert, ineffizient, und sie ist völlig ungeeignet dazu, den Sanierungsstau auf irgendeine Art und Weise zu beheben. Der Bundesverkehrsminister hat auf Nachfrage der Presse nicht erklären können, wie die von ihm geschätzten Einnahmen in Höhe von 700 Millionen € überhaupt zustande kommen. Er ist also nicht in der Lage, diese Summe zu erklären. Ein unabhängiger Experte, der vom ADAC beauftragt wurde, schätzt die Einnahmen dagegen gerade einmal auf 262 Millionen €. Bei Erhebungskosten in Höhe von 300 Millionen € käme dabei sogar ein Verlustgeschäft heraus. Diese Maut ist Murks, daher wird sie zu Recht Murks-Maut genannt. (Beifall PIRATEN und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) In der letzten Debatte, die wir zu diesem Thema geführt haben, bei der ein gemeinsamer Antrag von der FDP und uns vorlag, haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt, der bestimmte Bedingungen aufstellte. Ich bedauere es außerordentlich, dass Sie dieser Pkw-Maut damals keine klare Absage erteilt haben. Sie sind dem Koalitionsvertrag gefolgt. Das, was heute neu ist und damals noch nicht vorgelegen hat, ist die Art und Weise dieser Maut. Sie soll nämlich nicht wie ursprünglich geplant mit einer Vignettenlösung eingeführt werden, sondern in Verbindung mit einem massenhaften Kfz-Kennzeichenscanning. Die Daten sollen zusätzlich noch für bis zu 13 Monate gespeichert werden. Hier ist ein Datenmonster geplant. Egal was man von einer Pkw-Maut hält; so geht es überhaupt nicht. (Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD) Den gesamten Fahrzeugverkehr einzuscannen, um zu sehen, ob jemand 88 € für die Maut bezahlt hat, ist eklatant unverhältnismäßig. Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erst ein Gesetz zum Kfz- Kennzeichenscanning hier in Schleswig-Holstein gekippt. Damals ging es noch um die Gefahrenabwehr und nicht bloß um irgendeine Mautabrechnung. Es ist schon gesagt worden: Wir alle wissen, welche Begehrlichkeiten wir wecken, wenn wir eine Infrastruktur aufbauen, die alle Kennzeichen auf unseren Autobahnen - auch von den Pkw - einscannt. Wir wissen genau, dass es nur eine Frage der Konfiguration ist, auf Speicherung umzustellen und die Daten für ganz andere Zwecke zu nutzen. Wir haben mit der Anti-Terror-Datei und mit der Telekommunikationsüberwachung unsere Erfahrungen gemacht. All dies wurde ganz beschränkt eingeführt und endete in Monsterform. Ein Punkt wurde noch gar nicht in der Debatte berücksichtigt, und das ist die Fehlerquote dieser Kennzeichenscanner. Wissen Sie eigentlich, dass diese Scanner eine Fehlerquote von 4 % haben? - Was bedeutet es, wenn 4 % von stündlich beispielsweise 2.000 vorbeifahrenden Pkw falsch eingelesen werden? Für das Gesamtsystem heißt dies, dass wir täglich Tausende von Falschmeldungen haben, dass Fahrzeugkennzeichen massenhaft falsch eingelesen und falsch gemeldet werden, vielleicht auch als Mautpreller. Ein weiteres Argument ist das Kostenargument. Dieses Kfz-Überwachungssystem soll jährlich noch einmal 130 Millionen € klauen, die wir dringend für unsere Infrastruktur brauchen. Einmalig soll es sogar 300 Millionen € kosten. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass nach der neuesten ARD-Deutschlandtrend-Umfrage nicht nur eine Mehrheit von 54 % der Befragten gegen eine Pkw-Maut ist, sondern dass sogar eine Mehrheit von 67 % gegen die Kontrolle mit Kennzeichenscanning ist. Die Menschen wollen dieses Instrument nicht. Daher appelliere ich an die Koalition: Egal wie Sie zur Pkw-Maut stehen; in der Frage des totalen Kennzeichenabgleichs müssen wir so, wie wir das in diesem Haus in Fragen des Datenschutzes - vielleicht mit Ausnahme der CDU - immer machen, zusammenstehen. Hier wünsche ich mir eine klare Absage an das Mittel der Kfz-Massenabgleiche. Ich bedauere es, dass der Kollege Vogel zu diesem Punkt nichts gesagt hat. Vielleicht können Sie dies noch nachholen, vielleicht tut dies auch Kai Dolgner oder der Herr Minister. Egal wie das mit der Maut aussieht, dieses massenhafte Scannen von Kfz-Kennzeichen darf nicht passieren. Wir brauchen kein Datenmonster und keine Totalerfassung unseres Pkw-Verkehrs. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 74. Sitzung - Donnerstag, 13. November 2014 6101 (Dr. Patrick Breyer)
Planungsrecht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Planungsrecht stellt die Weichen dafür, ob und wo Strom, Trassen, Autobahnen, Windparks, Kraft-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 30. Sitzung - Dienstag, 18. Juni 2013 2453 (Dr. Patrick Breyer) werke und andere Großprojekte in unserem Land entstehen. Zunehmend sind die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr einverstanden und bereit hinzunehmen, dass in intransparenten, sehr langwierigen Verfahren über ihre Köpfe hinweg, so scheint es, solche Planungen vorgenommen werden und dementsprechend auch immer häufiger die Kosten aus dem Ruder laufen. Wir PIRATEN stehen ganz klar für eine neue Kultur bei der Planung, für eine Kultur der Transparenz und der Bürgerbeteiligung. Das setzt erstens eine sehr frühe Information der Bürgerinnen und Bürger über solche Überlegungen von Projekten, über ihre Folgen, über die Kosten und über Alternativen voraus. Das muss früh und transparent mit allen Betroffen erörtert werden. (Beifall PIRATEN) Zweitens setzt es auch eine sehr frühe Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger voraus, wobei natürlich auch das Internet zum Einsatz kommen muss, etwa um bestimmte Planungen zu visualisieren: Wie sieht das überhaupt aus? Wer ist davon betroffen? Moderne Technik hilft, Betroffenheit deutlich zu machen und einen Eindruck von bestimmten Planungsvorhaben zu vermitteln. Leider wird der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes diesen Anforderungen nicht gerecht. Er schreibt vielmehr das Planungsrecht des letzten Jahrhunderts fort und sieht weniger statt mehr Bürgerbeteiligung vor. Auch die Möglichkeiten, die das Internet bietet, werden nicht annähernd ausgeschöpft. Ich nenne ein paar Beispiele. Der Gesetzentwurf verkürzt zum Beispiel die Anhörungsfrist, innerhalb derer Stellung zu Plänen genommen werden kann. Das sehr problematische Zielabweichungsverfahren, wo von Landesplanungen einfach der Ministerpräsident im Einvernehmen mit Ministern abweichen kann, wird nicht etwa erschwert, so wie es unser Gesetzentwurf vorsieht, und auf Ausnahmefälle beschränkt, sondern sogar noch ausgeweitet und erleichtert. Das ist ein sehr intransparentes Verfahren, bei dem die Bürger keine förmliche Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wo auch der Landesplanungsrat, in dem die gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten sind, nicht mitsprechen darf. Deswegen fordern wir ganz klar: Zielabweichungsverfahren müssen die absolute Ausnahme für unvorhergesehene Fälle bleiben. Ansonsten muss es dabei bleiben, dass ein Plan im normalen Verfahren unter Einbeziehung der Bürger geändert werden muss, und zwar öffentlich und nicht hinter verschlossenen Türen. (Beifall PIRATEN) Drittens. Nach Ihrem Gesetzentwurf ist ein vereinfachtes Planänderungsverfahren vorgesehen, bei dem aber die Öffentlichkeitsbeteiligung völlig entfallen soll. Welche Zeitersparnis soll das haben, wenn Sie sowieso die Fristen laufen haben, um andere Beteiligte mit einzubeziehen? Welche Zeitersparnis soll es bringen, der Öffentlichkeit zu verbieten, sich hier auch einzubringen? Das erschließt sich mir überhaupt nicht. Viertens. Sie schwächen den Landesplanungsrat mit diesem Gesetzentwurf in verschiedener Hinsicht. Zunächst einmal blähen Sie ihn auf, indem er statt 35 nun 45 Mitglieder groß sein soll. Ein solch großes Gremium erschwert die Beratungen enorm. Zum anderen soll er auch nicht mehr halbjährlich, sondern nur noch nach Bedarf tagen. Planänderungen und Abweichungen sollen im großen Umfang ohne Beteiligung des Landesplanungsrats möglich sein. Auch das bedeutet weniger Bürgerbeteiligung. (Beifall Petra Nicolaisen [CDU]) Fünftens. Die Möglichkeiten des Internets werden nicht annähernd ausgeschöpft. Selbst im formellen Verfahren, in dem es also nicht um das frühe Planungsstadium geht, wo wir schon eine Einbeziehung der Bürger fordern, selbst wenn schon ein Plan aufgestellt werden soll und die Planaufstellungsabsicht bekannt gemacht wird, muss das nicht im Internet erfolgen, sondern einfach nur im Amtsblatt verkündet werden. Der Planentwurf selbst soll zwar ins Netz gestellt werden; ohne Aufbereitung wird er aber nicht verständlich sein. Das Internet bietet so tolle Möglichkeiten, um eine Planung verständlich darzustellen und geografisch zu verankern. Es bietet die Möglichkeit, mit Open Data eine Weiternutzung und Aufbereitung der Daten durch die Öffentlichkeit anzubieten. Es wäre möglich, Bürger zum Beispiel automatisch zu benachrichtigen, wenn im Umkreis ihres Wohnorts etwas geplant ist. All diese Möglichkeiten schöpft der Gesetzentwurf nicht annähernd aus. Letztes Beispiel: Sie wollen ein Raumordnungssystem aufbauen, in dem geografische Planungsdaten gesammelt werden sollen. Das ist sehr gut. Das soll aber komplett nicht öffentlich sein, allein für die beteiligten Ministerien - keine Öffentlichkeit, kein Open Data. Ich glaube, dass das ein Planungsrecht ist, das wirklich noch im letzten Jahrhundert verhaftet ist, bei2454 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 30. Sitzung - Dienstag, 18. Juni 2013 (Dr. Patrick Breyer) dem wir massiv nachbessern müssen. Dabei zähle ich auf Ihre Unterstützung. Ich habe auch beim Ministerpräsidenten gehört, dass Bereitschaft besteht. Ich biete von unserer Seite gerne an, in all diesen Fragen von Transparenz, Internet und frühzeitiger Bürgerbeteiligung konstruktiv mitzuwirken, um ein wirklich modernes und vorbildliches Planungsrecht aufzustellen. Denn wir kommen in der heutigen Zeit nicht mit dem Planungsrecht des letzten Jahrhunderts weiter. Das ruft Widerspruch hervor und schwächt die Akzeptanz von solchen Projekten. Es führt auch zu Bauruinen, wie wir in Berlin gesehen haben oder auch in Hamburg bei der Elbphilharmonie. Es führt zu Kostenexplosionen, es führt zu wütenden Demonstrationen, wenn wir so weitermachen wie bisher. Auf dieser Linie erfolgt der Gesetzentwurf. Deswegen muss massiv nachgesteuert werden. (Beifall PIRATEN) Um nur noch einen Punkt anzusprechen: Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir nicht auch ein Planungsrecht im Untergrund brauchen. Bisher ist es so, dass Rohstoffe völlig frei ausgebeutet werden dürfen, dass ein Anspruch darauf besteht, Erdgas, Erdöl und sonstige Rohstoffe zu fördern. Wenn wir für den Untergrund ein Planungsrecht hätten, wäre das ein Instrument, um Interessenskonflikte auszubalancieren und viel differenzierter als bisher zu entscheiden: Wollen wir Rohstoffe überhaupt ausbeuten? Erfolgt das im Einklang mit dem betroffenen Gebiet? Insbesondere beim Thema Fracking würde das ein sehr flexibles Instrumentarium bieten. Wir sollten im Hinterkopf behalten, eine Untergrundplanung in das Planungsrecht einzubeziehen. - Danke. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Ministerpräsident! Jetzt, wo Sie wieder bei uns sind, möchte ich das spezielle Problem des Zielabweichungsverfahrens ansprechen, weil das an der Stelle angebracht ist. Sie wissen, dass der Landesentwicklungsplan nach umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung und unter Einbeziehung aller im Landesplanungsrat vertretenen gesellschaftlichen Gruppierungen bestimmte Vorgaben für den Bereich des Einzelhandels gemacht hat, nämlich: Bei der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelszentren ist die wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestehender Versorgungszentren zu vermeiden, und die Gesamtstruktur des Einzelhandels muss der Bevölkerungszahl im Nahbereich angemessen sein. Das ist das Ergebnis eines umfassenden Abwägungsprozesses, in dem die Interessen der unterschiedlichen Kommunen, aber auch der betroffenen Einzelhändler und Menschen eingeflossen sind. Es kann nicht sein, dass, wenn sich Landesplanungsrat und Landesregierung sehr genaue Vorstellungen gemacht haben, unter welchen Umständen was zugelassen werden soll, aus politischen Gründen in einem Verfahren ohne formelle Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne Beteiligung des Landesplanungsrats allein durch den Ministerpräsidenten und die beteiligten Ministerien ein Dispens erteilt werden kann, was oft zugunsten der Großen geschieht. Dadurch entsteht ein schlechter Eindruck. Wir wissen alle, wie viele Großprojekte in unserem Land noch anstehen. Es sind etwa zehn Einzelhandelsprojekte mit einer Gesamtfläche von über 200.000 m 2 . Ich nenne einmal nur IKEA Lübeck, Dodenhof läuft gerade, ECE-Center Neumünster, Möbel Kraft Kiel. Es geht um die Frage, welche Einzelhandelsstruktur wir in Zukunft haben wollen. Da geht es auch um das Thema demografischer Wandel. Wie können wir in Zeiten, in denen Menschen weniger mobil werden, weiterhin wohnortnahe Versorgung gewährleisten? Das bedarf eines umfassenden Abwägungsprozesses. Ich halte es für falsch, wenn man von in einem sorgfältigen Verfahren bewusst getroffenen Planungsentscheidungen durch einen politischen Dispens so einfach abweichen kann. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf ein Verfahren zur vereinfachten Planänderung vorgesehen. Das wäre, wenn man dann noch eine angemessene Öffentlichkeitsbeteiligung vorsehen würde, eine bessere Möglichkeit als das politische Verfahren. Deswegen meine dringende Bitte auch in Richtung der Koalition, noch einmal zu überdenken, ob das in einem so großen Umfang zugelassen werden sollte, wie das bisher der Fall ist. Wir haben in unserem jetzt gültigen Landesplanungsgesetz engere Kriterien vorgesehen und gezogen, als sie bundesgesetzlich vorgesehen sind. Ich glaube, wenn als Ergebnis eines umfassenden Abwägungs- und Diskussionsprozesses Kriterien festgelegt werden, dass die für alle gelten müssen, auch für die Großen. Danke. (Beifall PIRATEN)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Landesplanung, der von der Landesregierung vorgelegt und mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgeändert worden ist. In der Tat möchte auch ich zunächst einmal anerkennen, dass positive Ansätze darin enthalten sind. Schon genannt worden sind erste Ansätze einer Internetveröffentlichung von Planungsunterlagen. Sicherlich ist auch positiv zu bewerten, die Möglichkeiten des Vorgehens gegen das Fracking zu verbessern. Dennoch findet der Gesetzentwurf keine Antworten auf zentrale Herausforderungen an die Landesplanung unserer heutigen Zeit. Wir brauchen nicht erst nach Stuttgart zu sehen, um festzustellen, dass es zunehmend auf Widerstand der Bürgerinnen und Bürger stößt, Großprojekte über ihre Köpfe hinweg zu planen. Man kann hierzulande die feste Feh-3828 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 47. Sitzung - Freitag, 24. Januar 2014 (Dr. Patrick Breyer) marnbelt-Querung, den Bau von Energietrassen, aber auch in kleineren Bereichen den Bau einer Kiesgrube oder - wie wir jetzt lesen konnten - die Ausweitung einer Schweinemast nennen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen zunehmend mit entscheiden und mitbestimmen, was in ihrer Heimat geschieht. Deswegen haben wir PIRATEN beantragt, dass das Land eine Charta für echte Bürgerbeteiligung an der Planung von solchen Projekten umsetzen möge. Unsere Pläne sehen vor, dass es eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung gibt, und zwar zu einem Zeitpunkt, zudem die Entscheidung über das Ob eines Projektes noch nicht getroffen ist, dass man mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen diskutiert, ob ein neues Projekt, eine Straße, eine Trasse überhaupt Sinn macht, welche Alternativen es dazu gibt, dass man ergebnisoffen mit den Menschen erörtert, wie sie ihre Heimat gestalten wollen. (Beifall PIRATEN) Wenn dann ein formales Planungsverfahren eingeleitet ist, möchten wir, dass es eine öffentliche Vorhabenkonferenz gibt, um mit allen Beteiligten den Plan zu diskutieren. Wir möchten, dass, wenn es an die Anhörung der Bürgerinnen und Bürger geht, ein Merkblatt zur Verfügung gestellt wird, was wirklich verständlich darstellt, worum es geht, was geplant ist, dass man nicht aktenordnerweise Planungsunterlagen wälzen muss. Da bringt es auch nichts, das ins Internet zu stellen, wenn es keiner versteht. Wir wollen das gern verständlich machen, denn Grundlage für Transparenz ist Verständlichkeit. (Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wer soll das dann machen?) - Die Planungsbehörde, Herr Kollege Kubicki. Wir möchten gern, dass nach Abschluss der schriftlichen Anhörungsphase zumindest bei größeren Vorhaben auch verbindlich eine mündliche Anhörung und Diskussion stattfindet. Wir möchten, dass nicht nur zu Beginn der Anhörungsphase, sondern fortlaufend während des gesamten Planungsverfahrens alle Antragsunterlagen im Internet abrufbar sind. Wir möchten, dass das Raumordnungsinformationssystem, was Sie erstmals einführen, auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist, damit man sich insbesondere dann benachrichtigen lassen kann, wenn in der Nähe der eigenen Heimat eine Planung vorhanden ist und etwas geplant wird. Gerade Stuttgart 21 hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit viel zu spät darauf aufmerksam wurde, was das Projekt überhaupt für ihre Heimat bedeutet. Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, keinen einzigen dieser Vorschläge aufgegriffen haben, ohne wirklich eine echte nachvollziehbare Begründung dafür zu liefern, enttäuscht mich schon; denn Sie ziehen ja keinerlei Lehren aus diesen Proteststürmen vonseiten der Bürgerinnen und Bürger, aber auch nicht aus Empfehlungen für mehr Bürgerbeteiligung, etwa des Bundesverkehrsministeriums, auch nicht aus dem Prozess, der in Baden-Württemberg, in RheinlandPfalz oder gar in Hamburg längst im Gang ist, Bürgerinnen und Bürger mehr an Planungsentscheidungen zu beteiligen. Wir sehen davon in diesem Gesetzentwurf nichts. Wer wirklich auf Kosten der Mitbestimmung solche Verfahren möglichst beschleunigen und möglichst ungestört durchziehen will, der wird Protest ernten, und davor kann ich nur warnen. Das ist kurz gedacht. Das führt zu solchen Planungsdesastern wie im Fall der A 20 und schadet unserem Land. Für uns PIRATEN ist Transparenz und Bürgerbeteiligung auch unter Nutzung der neuen Möglichkeiten des Internets die Grundlage und Grundvoraussetzung einer aktiven Zivilgesellschaft. Deswegen können wir die Vorschläge, die Sie hier heute vorlegen, auch nicht akzeptieren. Ich komme zu einem zweiten Aspekt, der schon angesprochen worden ist: In der Anhörung hat vielfach Einigkeit darüber bestanden, dass das Planabweichungsrecht des Ministerpräsidenten klarer definiert und beschnitten werden muss, so etwa bei Vertretern der Kommunen, aber auch der Hansestadt Hamburg, der Industrie- und Handelskammern und des Unternehmensverbands Nord; all diese haben darauf aufmerksam gemacht - und zwar zu Recht -, dass Mega-Shoppingzentren Einzelhandelsstrukturen zerstören und damit die örtliche Versorgung der Menschen in unserem Land gefährden. Was machen Sie? - Nicht nur greifen Sie unseren Vorschlag, Abweichungsmöglichkeiten einzuschränken, nicht auf, sondern Sie weiten die Abweichungsmöglichkeiten gegenüber dem jetzt geltenden Recht sogar noch aus. Das geht genau in die falsche Richtung. Ich möchte dazu sagen, Herr Kollege Kubicki: Es geht gar nicht darum, solche Zentren von vornherein zu verbieten, sondern es geht um das Verfahren, in dem diskutiert wird, ob wir sie wollen. Das Gesetz sieht für diese Planfeststellungen ein ganz umfangreiches Verfahren mit Bürgerbeteiligung und mit Beteiligung aller Gruppen über den Landesplanungsrat vor. Das kann man nicht einfach umgehen und aus-Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 47. Sitzung - Freitag, 24. Januar 2014 3829 (Dr. Patrick Breyer) hebeln, indem der Ministerpräsident ein Dispens erteilt. Das wollen wir nicht. (Beifall PIRATEN) Dementsprechend muss ich auch aus Sicht der PIRATEN sagen, dass dieser Gesetzentwurf wirklich das Gegenteil von dem Dialog ist, den Sie immer versprechen. Wir haben uns Mühe gemacht, konstruktive Vorschläge vorzulegen, auf die Sie aber überhaupt nicht eingegangen sind. Dementsprechend ist dieses Gesetz kein Planungsrecht der Bürger und dementsprechend auch kein Planungsrecht der PIRATEN. - Danke schön. (Beifall PIRATEN - Zuruf SPD: Das schmerzt uns jetzt weniger!)
Geschwindigkeitskontrollen/Radarfallen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir PIRATEN haben - inzwischen zusammen mit der FDP - heute den Antrag eingereicht, verdeckte Geschwindigkeitskontrollen ohne Polizeipräsenz, die vom Volksmund auch Radarfallen genannt werden, abzuschaffen. (Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Heiterkeit SPD) - Vielen Dank. - Sie werden sich natürlich fragen, warum das so ist. Ich will mit einer Gegenfrage antworten: Wer von Ihnen ist schon einmal hinter meinem Auto hergefahren? (Christopher Vogt [FDP] meldet sich - Heiterkeit) Diejenigen, die das schon einmal gemacht haben, können bestätigen, dass es nicht darum geht, ungestört rasen zu können. Ich halte mich immer sehr genau an die Geschwindigkeitsvorgaben; das können die Kollegen sicherlich bestätigen. (Beifall PIRATEN und FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht uns nicht um den Schutz von Rasern, sondern um den Schutz der Opfer von Verkehrsunfällen. Es geht gerade um die Menschen, die Männer und Frauen, die Kinder und die alten Menschen, die Sie angesprochen haben, Herr Kollege Kai Vogel. Rund 4.000 Unfälle wegen erhöhter Geschwindigkeit haben wir pro Jahr in Schleswig-Holstein zu beklagen. An dieser Stelle ist für uns PIRATEN der Strafzettel kein Selbstzweck, sondern entscheidend muss sein, mit welcher Strategie die Unfallzahlen gesenkt und die Menschen geschützt werden können. Dazu gibt es schon die Zahlen, die Sie, Herr Kollege Vogel, fordern. Untersuchungen haben geprüft, ob verdeckte Radarfallen funktionieren oder nicht. Wir müssen feststellen: Die Strategie, durch zufällige versteckte Geschwindigkeitskontrollen einen all-4184 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 51. Sitzung - Mittwoch, 19. März 2014 (Dr. Patrick Breyer) gemeinen Kontrolldruck schaffen zu wollen, funktioniert nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen längst, dass der Schutz- und Lerneffekt solcher Zufallsmessungen gleich null ist, weil niemand deswegen langsamer fährt. (Beifall FDP - Zurufe SPD) Folgendes funktioniert - insofern hat der Kollege vorhin recht gehabt -: Wenn Sie Raser mit versteckter Polizeipräsenz kontrollieren, diese danach direkt anhalten und zur Rede stellen, hat das einen Lerneffekt zur Folge. Das wollen wir mit unserem Antrag nicht ausschließen. Uns geht es um die versteckten Kontrollen ohne Polizeipräsenz, denn die wirken nicht. diesem Moment wichtiger war, versteckt ein Bußgeld verhängen zu können, als diese Radarfalle offen auszuschildern und dadurch den Autofahrer zum Bremsen zu bewegen, um so den Unfall zu vermeiden? Ich glaube, niemand kann erklären, warum das Fotografieren wichtiger sein soll, als den Menschen tatsächlich zum Abbremsen zu bewegen. (Widerspruch Beate Raudies [SPD]) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Abgeordneten Waldinger-Thiering? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage beziehungsweise eine Zwischenbemerkung der Abgeordneten Beate Raudies? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Bitte, Frau Raudies. Beate Raudies [SPD]: Sehr geehrter Herr Kollege Breyer, Ihre vorige Äußerung hat mich zu dieser Zwischenfrage angeregt. Wie erklären Sie sich, dass Elterninitiativen zunächst die Forderung nach Geschwindigkeitskontrollen stellen, wenn es darum geht, dass in der Nähe von Kindertagesstätten, Schulen oder anderen Einrichtungen, bei denen viele Kinder auf der Straße sind, zu schnell gefahren wird? Wie passt das zu Ihrer Aussage? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Das liegt leider daran, Frau Kollegin Raudies, dass man ein Bauchgefühl hat, es würde schützen, versteckt Kameras aufzustellen. Das Problem ist Folgendes - ich will Ihnen anhand Ihres Beispiels antworten -: Nehmen Sie an, dass die Schule in einer Tempo-30-Zone liegt. Dort steht eine solche Radarfalle. Jemand fährt mit überhöhter Geschwindigkeit dort hindurch, wird geblitzt und fährt anschließend ein Kind an, weil er nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Mich interessiert: Wie würden Sie dem Kind beziehungsweise seinen Eltern erklären, dass es Ihnen in Gern. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Bitte schön. Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Sehr geehrter Herr Kollege Breyer, Sie sprachen gerade von einer Tempo-30-Zone und von einer Schule. Ist Ihnen bewusst, dass diejenigen, die immer dort hinfahren, oftmals die Geschwindigkeit übertreten? Denn die Eltern werden geblitzt. Dabei handelt es sich meistens um diejenigen, die immer den Weg in dieser Tempo-30-Zone zur Schule oder zum Kindergarten fahren. Geben Sie mir recht bei der Vermutung, dass Fremde, die zufällig auf dem Weg in der Tempo-30-Zone zur Schule oder einem anderen Gebäude sind, viel aufmerksamer als jemand fahren, der dort jeden Tag unterwegs ist? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Das mag sein, Frau Kollegin. Es gibt allerdings Untersuchungen über die Wirksamkeit dieser Radarfallen. Sie haben festgestellt, dass eine Kontrolle, die öffentlich durchgeführt wird und die angekündigt sowie transparent ist, tatsächlich zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit führt. Das haben wir auch in diesem Land festgestellt, nämlich im Rahmen des sogenannten Blitzer-Marathons im letzten Jahr, der sehr erfolgreich gewesen ist. Dabei ist die Geschwindigkeit zurückgegangen. Der Verkehr ist sehr viel ruhiger gelaufen. An diesem Tag, an dem er durchgeführt worden ist, gab es keine Verkehrstoten. All diese Kontrollen sind angekündigt gewesen. Deswegen sage ich Ihnen:Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 51. Sitzung - Mittwoch, 19. März 2014 4185 (Dr. Patrick Breyer) Wenn Sie diese Kontrollen ankündigen, können Sie damit rechnen, dass sich die Leute viel eher daran halten, als wenn Sie versteckt um die Ecke fotografieren. Denn dann weiß niemand etwas davon, und die Leute halten sich nicht daran. Wie die Untersuchungen vorgehen, ist relativ einfach zu erklären. Dabei wird die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von unterschiedlichen Strategien und Maßnahmen gemessen. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: In meiner Pressemitteilung finden Sie dazu zwei Studien verlinkt, die das in vier verschiedenen Kontrollgebieten wissenschaftlich untersucht haben. Dafür haben sie jeweils unterschiedliche Kontrollstrategien benutzt. Dabei ist festgestellt worden: Radarfallen allein aufzustellen, um Bußgeldbescheide verschicken zu können, hat keinen Lerneffekt zur Folge. Die Leute fahren danach genauso wie vorher. Wird man jedoch durch ein Schild darauf hingewiesen, wird abgebremst. Herr Abgeordneter, es gibt das Bedürfnis nach einer weiteren Bemerkung der Abgeordneten Eka von Kalben. Lassen Sie diese zu? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Sehr gern. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Frau Kollegin. Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Dr. Breyer, ich habe eine Verständnisfrage zu Ihrer Behauptung, verdeckte Radarkontrollen würden nicht zu mehr Sicherheit führen. Sie sagten, es gebe Untersuchungen darüber, dass diese weniger Effekte hätten. Wie wird eine solche Untersuchung gemacht? In diesem Raum haben wir gefühlt und auf Zuruf eine Menge Menschen gesehen, die sich relativ häufig an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. (Heiterkeit) Das ist auch deshalb der Fall, weil sie nicht wissen, ob sie eventuell erwischt werden. Daher frage ich mich: Wie wird bei der Untersuchung, die Sie gerade zitiert haben, dieser Effekt einbezogen, dass es von vornherein eine abschreckende Wirkung dadurch gibt, dass man mit verstecken Radarkontrollen rechnen muss? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Frau Kollegin, wenn Sie nur deswegen die Geschwindigkeit einhalten, weil Sie befürchten müssen, anderenfalls ein Bußgeld zu bekommen, haben wir für Sie auch etwas im Angebot. (Heiterkeit - Beifall FDP) Dabei handelt es sich um die polizeilich begleiteten Kontrollen, bei denen man auch weiterhin verdeckt kontrollieren kann. Wichtig ist jedoch, dass Sie direkt nach Ihrem Geschwindigkeitsverstoß angehalten werden, darüber aufgeklärt werden und ein Bußgeld bekommen. Den entsprechenden Untersuchungen zufolge ändert das das Verhalten. (Zuruf Beate Raudies [SPD]) (Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP]) Eingangs wurde schon in den Zwischenfragen darauf hingewiesen, dass die versteckten Fallen umgekehrt überhaupt erst zu Unfällen führen können, weil sie zu abruptem Abbremsen führen; sie können also kontraproduktiv sein. Deswegen fordern wir Dreierlei. Erstens. Lassen Sie uns diese Radarmesskontrollen auf Unfallschwerpunkte konzentrieren. Denn wenn es uns um den Schutz von Menschen und Kindern geht, ist er an diesen Stellen wirklich sinnvoll. Lassen Sie uns darüber hinaus die Maßnahmen ankündigen. Wenn wir an einer bestimmten Stelle, an dem sich ein Unfallschwerpunkt befindet, die Leute zum Abbremsen bringen wollen, ist es doch unstreitig am effektivsten, das vorher anzukündigen, weil die Autos dann abbremsen. Eine rechtzeitige offene Ankündigung von Geschwindigkeitskontrollen führt tatsächlich zum Abbremsen und kann zum Beispiel vor Kindergärten oder Altenheimen im Zweifelsfall sogar Menschenleben retten. Leider gab es in Schleswig-Holstein im letzten Jahr über 100 Verkehrstote zu verzeichnen. Übrigens: Der Innenminister Nordrhein-Westfalens, Herr Jäger, hat zu dieser Frage erklärt - ich zitiere -: „Wir wissen aus Studien, dass mit einer solchen Veröffentlichung das Geschwindigkeitsniveau gesenkt werden kann.“ Er scheint die Studien auch zu kennen. Wir fordern zweitens: Lassen Sie uns dieses Verbot der Radarwarner aufheben, und, Herr Minister, lassen Sie uns einen Vorstoß machen, auch4186 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 51. Sitzung - Mittwoch, 19. März 2014 (Dr. Patrick Breyer) wenn es dafür vielleicht keine Mehrheit gibt. Denn es ist kontraproduktiv. Wenn die Leute sich warnen lassen können, bremsen sie ab; wenn Sie die Warnung verbieten, fahren sie weiter so schnell. Deswegen müssen wir dieses kontraproduktive Verbot der Radarwarner aufgehoben bekommen. (Beifall PIRATEN und FDP) Und schließlich drittens: Die Kreise und Städte haben jedes Jahr Millioneneinnahmen aus Bußgeldern und Verwarnungsgeldern. Wenn es bei diesen Geschwindigkeitskontrollen, die ja vielen Menschen ganz offensichtlich das Gefühl geben, abgezockt zu werden - Sie haben es gesagt, Herr Minister -, wirklich nur um die Sicherheit geht, was spricht denn dagegen zu sagen: Wir verwenden die Einnahmen aus diesen Kontrollen ausschließlich für Maßnahmen der Verkehrssicherheit? Dann kann nämlich bei keinem Bürger der Eindruck entstehen, die Kommunen machen das, um ihren Stadtsäckel zu füllen. Dann können die Bürger sicher sein, dass die Kommunen keinen finanziellen Vorteil daraus ziehen. Die einzige Motivation für diese Kontrollen ist die Sicherheit, und das sollte sie auch sein. (Beifall PIRATEN und Christopher Vogt [FDP]) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Gern. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, ich will Sie nur auf eine Unlogik in Ihrer Argumentation hinweisen. Sie reden ja nun von Verkehrskontrollen an Kindergärten. Da sind wir uns wahrscheinlich sogar einig. Ich gehe jetzt mal auf die Autobahn. Wir haben Tempolimits auf Autobahnen. Wollen Sie jetzt hinter jedem Tempo-100-Schild ein Schild anbringen: „Vorsicht Radarfalle?“ Das würde dann beispielsweise bei der A 215 bedeuten, dass ich auf der ganzen Autobahn hinter jedem Tempo-120-Schild ein Unterschild hätte „Vorsicht, Radarfalle“. Das wäre ja Ihre Logik. Deshalb frage ich jetzt nach, wie Sie das Tempolimit auf diesem Autobahnabschnitt überprüfen wollen. - Lieber Andreas Tietze, wer vorhin aufmerksam zugehört hat oder auch unseren Antrag gelesen hat, wird gemerkt haben, dass wir eine Konzentration der Kontrolle auf Unfallschwerpunkte fordern. Ich sehe nicht, dass auf Autobahnen hinter dem Tempo-100-Schild ein tatsächlicher Unfallschwerpunkt liegen würde. (Heiterkeit und Beifall PIRATEN und FDP) Wenn es tatsächlich auf Autobahnen Unfallschwerpunkte gibt, wo es durch Überschreitung von Geschwindigkeiten zu Unfällen kommt, und wenn Sie dann da kontrollieren, dann wünsche ich mir, dass da vorher ein Schild aufgestellt wird, um die Menschen tatsächlich zum Abbremsen zu bewegen und um zu verhindern, dass da weiterhin ein Unfallschwerpunkt vorhanden ist. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Tietze? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja. Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, gestatten Sie mir eine Bemerkung: Diese Ausführung ist meines Erachtens etwas zynisch. Es gibt Unfälle durch zu schnelles Fahren bei Nässe, bei Nebel, bei ungeklärten Verkehrsverhältnissen. Deshalb gibt es ja auch für bestimmte Autobahnen generelle Tempolimits und Lärmschutzzeiten. Wollen Sie mir jetzt tatsächlich hier im Parlament bestätigen, dass Sie fordern, dass es dort grundsätzlich dann keine Überprüfung mehr gibt, ob dieses Tempolimit eingehalten wird? Wie wollen Sie es denn dann machen? (Christopher Vogt [FDP]: Hör doch mal zu! Weitere Zurufe) - Die Beantwortung dieser Frage übernehme ich an dieser Stelle. Wir können das nachher noch vertiefen. Genau wie der Kollege sagt: Wenn Sie tatsächlich Kontrollen machen wollen, und zwar unangekündigte Kontrollen, dann doch bitte mit Videowagen, wo die Polizei steht und dann die Person anhält. Diese Kontrollen haben wirklich einen Lerneffekt. (Beifall PIRATEN und FDP) Da lernen die Leute etwas daraus, merken es sich beim nächsten Mal und fahren dadurch langsamer. Das macht wirklich Sinn.Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 51. Sitzung - Mittwoch, 19. März 2014 4187 (Dr. Patrick Breyer) Infolgedessen schließe ich mit den Worten: Wir PIRATEN möchten Verkehrsteilnehmer schützen, statt sie abzuzocken, denn Sicherheit geht anders. Vielen Dank.
Kinder- und Jugendmobilität
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Noten kann natürlich jeder von uns mitreden. Ich glaube, dass auch jeder von uns Erfahrungen im Bereich Kinder- und Jugendmobilität gemacht hat, nicht nur auf dem Weg zur Schule, sondern auch zu sonstigen Freizeitaktivitäten. (Christopher Vogt [FDP]: Wenig gute!) Schade, dass nur die PIRATEN hier am Mikrofon etwas dazu sagen möchten. (Volker Dornquast [CDU]: Sie können ja im Protokoll lesen, was wir gesagt hätten!) Dieser Berichtsantrag, den wir gestellt haben, ist ein Anliegen von „Jugend im Landtag“ im letzten Jahr gewesen, das heißt, die Jugendlichen selbst haben sich gewünscht, dass wir uns mit dem Thema Mobilität für Kinder und Jugendliche beschäftigen. Sie haben das so begründet, dass sie sagen: In einem Flächenland wie Schleswig-Holstein geht es mehr und mehr darum, für Freizeitaktivitäten auch in andere Gemeinden kommen zu können. Sie wissen alle: demografischer Wandel und die Folgen desselben. Die Jugendlichen hatten sich eine aktuelle landesweite Zwischenbilanz in Form eines Berichts als Grundlage für die Erarbeitung einzelner Projekte gewünscht, die in Kooperation zum Beispiel mit den Kommunen oder Jugendverbänden umgesetzt werden können. Die Finanzierung sicherer und verlässlicher Strukturen für Kinder und Jugendliche hilft auch, soziale Benachteiligung abzubauen und allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft Zugang und Teilhabe zu ermöglichen. Gemessen an diesem umfassenden Ansatz, den uns die jungen Menschen hier präsentiert haben, bleibt dieser Bericht doch leider deutlich hinter dem Anliegen zurück, Herr Minister, denn Sie behandeln in Ihrem Bericht nur eine kleine Facette der Kinderund Jugendmobilität, nämlich den öffentlichen Personennahverkehr. Was wir immerhin aus Ihrem Bericht wissen, ist, dass die Kinder und Jugendlichen nur etwa 20 % ihrer Wege mit dem ÖPNV zurücklegen. Das heißt, es wäre erforderlich, dass wir uns auch mit anderen Verkehrsformen auseinandersetzen, die sie nutzen. Aus meiner Sicht wünsche ich mir auch noch eine verstärkte Auseinandersetzung mit Möglichkeiten zur Schließung von Mobilitätslücken; denn gerade das ist ja das Problem, das die jungen Menschen adressieren, dass es auf dem Land zunehmend nur noch den Schülerverkehr gibt. Herr Minister, Sie haben es in Ihrem Bericht ausgeführt. Die Frage ist ja, wie man angesichts dieser zurückgehenden Zahl von Verbindungs- und Mobilitätsmöglichkeiten das vielleicht auffangen kann. Eine Möglichkeit könnte zum Beispiel die Einrichtung von Sammeltaxen oder auch die Einrichtung von Bürgerbussen sein, wie es sie in einigen Regionen in Schleswig-Holstein schon gibt, die ehrenamtlich betrieben werden. Ich glaube, in dem Bereich, wo sich Individualverkehr noch nicht lohnt, aber öffentlicher Verkehr nicht mehr finanzierbar ist, können Bürgerbusse eine Lücke schließen. Ich fände es gut, wenn wir in den weiteren Beratungen darauf eingehen könnten, inwiefern das eine Möglichkeit sein könnte. Eine weitere Idee zur Schließung von Mobilitätslücken könnte die Idee von Kombitickets sein - das heißt, dass man mit einem Ticket nicht nur mit Bus und Bahn fahren kann, sondern dann vielleicht mit einem Sammeltaxi weiterkommt - oder die Frage, wie wir vonseiten des Landes helfen können. Können wir ein Förderprogramm auflegen, wie es das etwa in NRW für Bürgerbusse gibt? Das würde mich interessieren, Herr Minister. Ich habe gesehen, dass es in anderen Ländern, etwa in Brandenburg, ein Modellprojekt gibt, das „Jugend mobil“ heißt. Dort sind mit öffentlicher Förderung ein Netzwerk beziehungsweise regionale Mobilitätsnetzwerke aufgebaut worden, in denen 5952 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 72. Sitzung - Freitag, 10. Oktober 2014 (Vizepräsidentin Marlies Fritzen) sich Jugendliche ganz konkret vor Ort Gedanken darüber machen: Wie können wir unsere Mobilitätsmöglichkeiten ausbauen? Da es das Anliegen der jungen Menschen gewesen ist, dass Ihr Bericht, Herr Meyer, Grundlage für die Erarbeitung einzelner Projekte bilden sollte, wäre es natürlich wichtig gewesen - und wir sollten das nachholen -, auch die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, die bestehen, darzustellen. Da denke ich insbesondere an den Bereich Nachhaltigkeit, weil wir in dem Bereich EU-Fördermöglichkeiten und -töpfe haben, die für nachhaltige Verkehrsmöglichkeiten genutzt werden können, natürlich auch für den ländlichen Raum. Dass der Bericht lückenhaft ist, ist vielleicht auch damit zu erklären, dass er nur im Verkehrsministerium ausgearbeitet wurde, während sicherlich auch das MELUR und das Sozialministerium Zuständigkeiten in dem Bereich haben. Vor dem Hintergrund wünsche ich mir, dass wir den Fragen, die die Jugendlichen aufwerfen, weiter nachgehen, indem wir den Bericht im Ausschuss weiter behandeln und dann eine schriftliche Anhörung durchführen, in der wir die Jugendverbände, die Verkehrsverbände und die Kommunen anhören, wie wir zu Verbesserungen bei der Kinder- und Jugendmobilität kommen können. Vielleicht nicht in diesem, sondern in anderem Zusammenhang sollten wir die Idee eines fahrscheinlosen Nahverkehrs erörtern, die auch angesprochen wird. Denn dass allein die Tarifgrenzen solche Modellversuche ausschließen, kann nicht richtig sein. Wir wissen bei jeder Monats- oder Schülerkarte, dass die an Tarifgrenzen stößt und trotzdem nur regional gültig ist. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Kollege, Sie haben selber auf den anderen Zusammenhang hingewiesen. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie Ihre Redezeit mittlerweile überschritten haben, und möchte Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ja, ich komme zum Schluss und beantrage, dass wir den Bericht im Wirtschaftsausschuss weiter behandeln. - Vielen Dank. (Beifall PIRATEN, Jürgen Weber [SPD] und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)