Rechtswidrige Bauplanung
Zwischen Monumenten Eylauer/Duden/Kolonnenstraße sind Luxuswohnungen geplant. Baugenehmigungen sind wahrscheinlich rechtswidrig erteilt worden. Hier besteht ein Planungsbedürfnis: das Planverfahren (Schöneberg ist zuständig) müßte abgewartet werden, mit Bürgerbeteiligung, vorher dürften aus Rechtsgründen gar keine Baugenehmigungen erteilt werden. Lidl hat aber schon eine Baugenehmigung (ebenfalls wohl rechtswidrig genehmigt, aber 'was steht, das steht', man schuf also gebaute Fakten) und wird als Vorbild/Vorwand genommen (dann haben wir auch Anspruch auf Genehmigung - so argumentiert der Bauträger). Grüne Stadträtin Klotz bricht somit geltendes Recht.
Zum Hintergrund: Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus der Rechtsprechung hierzu und dem sogenannten 'Planungsbedürfnis'. Der Gesetzgeber hatte folgendes Leitbild im Auge: wenn ein Gelände aufgelassen wird, weil dessen ursprüngliche Nutzung obsolet wurde (also z.B. Bahngelände wie hier, aber auch sehr typisch stillgelegte Flughäfen - demnächst in Berlin deren 2, aufgegebene Kasernen, in Berlin z.B. Mc Nair, Andrew Barracks, Quartier Napoelon, die britischen Militärflächen in Gatow/Kladow und die russische Zentrakommandatur in Karlshort), geht das Baurecht 'unter', es gilt dann § 35 BauGB (ein grundsätzliches Bauverbot bis auf bestimmte speziell privilegierte Ausnahmen wie z.B. Atomkraftwerke oder Wiederaufbereitungsanlagen, das UTB-Projekt gehört definitiv nicht dazu) und zwar so lange, bis neu geplant wurden (dazu benötigt es gesetzlich zwingend der Bürgerbeteiligung).
Das gilt natürlich nicht, wenn die Nutzung fortgesetzt werden kann (also z.B. Wohnviertel der Amis an der Lissabonallee verloren ihr Baurecht nicht, wenn/weil sie weiter genutzt wurden für identische Zwecke, hier also 'Wohnen', oder das Quartier Napoleon nach Abzug der Franzosen von der Bundeswehr als 'Julius-Leber-Kaserne' weitergenutzt wird).
Im vorliegenden Fall ist es simpel: Bahnnutzung wurde aufgegeben ("entwidmet" heißt der Fachausdruck), bis auf den Lokschuppen, da stehen historische Loks des Museums für Verkehr und Technik, eine recht typische bahnaffine Nachnutzung.
Die 'neuen' Investoren wollen aber ganz was anderes machen, also z.B. der erste Bauherr einen Supermarkt (LIDL) oder jetzt der Bauträger mit seinem Luxuswohnungsbau (Projektträger UTB). Das hat mit Bahn (Gleise, Schotter, Stellwerke, Lokschuppen etc. pp.) nichts zu tun. Daher muß neu geplant werden und Baugenehmigungen verbieten sich vor Planaufstellung.
Was tat nun der Investor? Er beantragte einfach für die straßenseitigen 'Kopfbauten' Baugenehmigungen nach § 34 BauGB, also der Vorschrift, die für den UNBEPLANTEN INNENBEREICH gilt. Dort ist aber gar kein unbeplanter Innenbereich, sondern unbeplanter Außenbereich. Die Definition von Innenbereich nach dem BauGB wäre noch nicht mal erfüllt wenn es dort nie 'Bahngelände' gegeben hätte. Denn das Areal ist derzeit (bis auf LIDL, das war ebenso eine unzulässige Genehmigung, aber was steht das steht, so ist das nun mal) nicht etwa bebaut mit einzelnen Baulücken, sondern unbebaut mit einzelner Streubebauung (z.B. nun dieser bereits genehmigte LIDL).
Definition Innenbereich: der Bereich eines Ortsteils, der insgesamt den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit bietet. Der Gesetzgeber hatte schlicht die Idee (1965!) dass ja die Gemeinden nicht überall Bebauungpläne aufstellen können, sondern manchmal, z.B. wenn da eine Baulücke ist (gab's ja nach dem Krieg 1965 auch noch massenweise) und die Nachbarbebauung durch z.B. 5-Geschossigkeit den Rahmen setzt, kann man diese Lücke eben auch mit 5 Geschossen (oder 6, wenn man die Bauhöhe einhält, klappt oft bei 5-geschossigen Altbauten wegen deren größerer Raumhöhen) zubauen.
Für den Fachmann genügt ein Blick aufs Luftbild (bestens geeignet hierfür schon google earth), und spätestens eine Vorbeifahrt an den Grundstücken, um zu sehen, daß hier niemals § 34 BauGB angewandt werden dürfte. Denn der Innenbereich endet regelmäßig an der Hauswand des letzten Hauses. Also genau da, wo der Bebauungszusammenhang beendet ist.
Das Herumgeeiere des Ausschussvorsitzenden und der Baustadträtin im gemeinsamen Ausschuss war so deutlich, man merkte genau, die wissen selber, daß das eine ganz krumme Nummer ist, wollen aber unbedingt Gesicht bewahren und haben natürlich gar keine Lust auf Vorwürfe, man würde das Baurecht hier investorengerecht zurechtbeugen. Was Frau Baustadträtin Klotz da zu ihrer Rechfertigung schwabulierte, sie erzählte uns, daß der § 34 wegen rot-roter Gesetzgebung aus dem Jahre 2006 hätte angewandt werden müssen, war schlicht doppelter Unfug. Erstens ist § 34 Bundesrecht, kommt also aus dem 'alten Bonn', und zweitens hätte dieser § gar nicht angewandt werden dürfen. Da hätte der Saal eigenlich in Lachen ausbrechen müssen, es saßen aber zu viel rot-rot-grüne dort - und die CDU findet das Vorhaben ja an sich scheinbar prima. Und die Bürger hatten wahrscheinlich keine Lust zu lachen - ost ja auch ein ernster Vorgang.
Meine interne Vermutung: der Bauherr UTB könnte aufgetrumpft haben mit Verweis auf die LIDL-Genehmigung, und auf Gleichbehandlung gepocht haben. Widrigenfalls wird er mit Anwalt etc. gewunken haben, denn man kann den Bezirk mit Widerspruch und Klage und notfalls Intervention von 'oben' (Senatsebene) auf Trab halten, wenn auch der Bezirk eine abgelehnte Baugenehmigung wohl kaum vom Verwaltungsgericht um die Ohren gehauen bekommt, denn unsere Verwaltungsgerichte sprechen Recht nach dem Bundesrecht- und Landesrecht und nicht nach 'informellem Berliner Bezirks-Landrecht'. Es gibt sogar ausdrückliche Beschlüsse des VG Berlin, in denen man diese Praxis (wie es in Schöneberg jetzt läuft) mißbilligt, die Richter sprachen von sogenannter unzulässiger 'Baubegleitplanung', aber das Bundesrecht sieht 'Bauleitplanung' vor. Ganze Wohnviertel sind ähnlich dem Schöneberger Vorgehen nämlich in Berlin hochgezogen worden, das waren dann städtische Wohnungsbaugesellschaften, die haben einfach mit den Baugenehmigungunterlagen vom Vermesser den Bebauungplan dazugeliefert und der damals noch zuständige Senat (heute: die Bezirke) haben es durchgewunken.
Auch aus den Wasserstädten weiß ich, daß dort massenweise so vorgegangen wurde, z.B. vor Jahren bei der Wasserstadt Spandau, 32 B-Pläne, davon 2 (!) rechtkräftig, aber die Hälfte der Baugebiete ist schon zugebaut.
Du fragst Dich warum das so läuft? Der Grund ist simpel: die Rechte (also Abwehrrechte) der Anwohner und insbesondere der Mieter, Pächter und Eigentümer im B-Plangebiet sind viel stärker (wurden aber auch beschnitten leider, kürzlich, mit verkürzten Fristen und Präklusionsvorschriften) als im Baugenehmigungsverfahren nach § 34 oder 35.
Prinzipieller Unterschied: das Planverfahren ist öffentlich, das Baugenehmigungsverfahren nicht.
Weiterer (wesentlicher) Unterschied vor Gericht:
Im Planverfahren ist die Hürde, die der Kläger nehmen muß die, daß er von der PLANUNG betroffen sein muß. Wenn ja, kann er das gesamte Planverfahren für nichtig (oder für nicht anwendbar) erklären lassen. Im Baugenehmigungsverfahren muß er mindestens Nachbar sein im baurechtlichen Sinne, und zusätzlich muß ihn der Vollzug der Baugenehmigung 'schwer und unerträglich' treffen. Angeblich trifft zum Beispiel das Maß der Nutzung (Bauvolumen) nur dann 'schwer und unerträglich', wenn es vollkommen außerhalb des Normalen liegt, Beispiel; 10-geschossiges Hochhaus in einer Gegend mit 1-2geschossigen Einfamilienhäusern. So eine Kanone ist auch mit Nachbarrecht abzuwehren, selbst wenn der 10-Geschosser die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen einhält. Da die UTB bis ca. 8 Geschosse will und 5-6 schon in der Umgebung stehen, wird es fast unmöglich sein, deren Vorhaben nachbarrechtlich anzugreifen, wenn sie die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen einhalten, und das werden sie zentimetergenau tun! Bei geschlossener Bauweise wie hier ist der Abstand zudem seitlich ohnehin 'Null'.
Die Hürde im Nachbarwiderspruch bei der Baugenehmigung ist viel, viel höher, und ganz pfiffige Investoren kaufen mit Geld den wenigen Klagebefugten (meist sind es 2, der rechte und der linke benachbarte Grundstückseigentümer, nur selten sind es mehrere) ihre Klagebefugnis einfach ab. Das ist vollkommen legal. Jeder darf sich privatrechtlich verpflichten, nicht gegen einen anderen zu klagen, und kann dafür von demjenigen auch einen Betrag X annehmen, wenn er ihn ordnungsgemäß versteuert , das hat nichts mit Bestechung zu tun, sondern ist sozusagen 'Rechtehandel'. Abwehrrecht gegen Geld. Manchmal sogar auf Vorschlag eines Gerichts ("Vergleich"), wenn man schon im streitigen Verfahren ist. Auf diese Art kann man sogar Einzelpersonen aus Bürgerinitiativen rausbrechen... Zudem kann man im Baugenehmigungsverfahren immer nur die konkrete Baugenehmigung 'abschießen' und nicht gleich das ganze Bauprojekt (bei Großprojekten wie hier).
Das weiß der Bezirk ganz genau, und fährt deshalb diese Salamitaktik mit rechtwidrigen, aber nur schwierig angreifbaren Baugenehmigungen. In Beton gegossene Fakten sind eben in solchen Verfahren stets 'der Trumpf'. Mit einem S-21-Effekt rechnet man nicht dort, alles andere kann dem Bezirk egal sein.
Für UTB ist es auch sehr simpel: wenn sie mit den jeweiligen EIGENTÜMERN der Kopfbauten an der Monumenten bzw. der Dudenstraße wahlweise 'Stillhalteabkommen' haben (das läuft so: man setzt den Nachbar vom Bauvorhaben in Kenntnis und wartet einen Monat - sagt er dann nichts und widerspricht nicht, sind seine Abwehrrechte verwirkt). Oder man hat denen die Klagerechte abgekauft, dann hat UTB freie Bahn, die Baugenehmigung wegnehmen kann der Bezirk ihnen zwar jederzeit (sie ist ja rechtswidrig), kommt aber dann in den Schadenersatz, wenn UTB mit Bauen angefangen hat. Und die fangen an!
Schadenersatz deshalb, weil es den Rechtsgrundsatz gibt, daß der Bürger auf rechtmäßiges Handeln der Verwaltung vertrauen kann. UTB kann sich also ganz doof stellen und sagen "Der Bezirk hat doch gesagt, es ist § 34, ihr dürft bauen, und darauf habe ich mich natürlich verlassen, weil das sind alles hochkompetente Fachleute dort".
Man sieht, es ist ganz schön kompliziert und auf Bauherren wie Bezirksamtsseite wird ganz schön rumgetrickst. Es geht bekanntlich um viel Geld jeweils.