Rechtssetzungsleitfaden
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Dieser Artikel soll ein elementarer Praxisleitfaden sein, der bei der Rechtssetzung die juristische Qualität und die Effektivität verbessern soll. Dies ist erforderlich, wenn wir besser als die etablierten Parteien sein wollen. Juristisch/handwerklich schlechte Texte erhöhen den späteren Aufwand (z.B. Gerichtsverfahren) und schaffen Lücken, die unerwünschte Sachergebnisse zur Folge haben. Rechtssetzung meint die Formulierung jedes juristischen Textes, der eine Rechtsgrundlage werden soll. Dabei ist es gleichgültig, ob eine Satzung, eine Verordnung, ein Vertrag, ein Gesetz oder etwas ähnliches gemeint ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Kurzformulierung des materiell, sachlichen Zieles
Was soll erreicht werden?
- Beispiel: Gummibärchen loswerden und dafür Geld einnehmen.
2. Rechtstexte ermitteln
Kein Rechtssetzungsvorgang findet im rechtsfreien Raum statt. Es gibt immer ein höherrangiges Recht und wenn es Völkerrecht/Menschenrechte sind.
- (Hier wird jemand berechtigt einwenden wollen, das es bei der Definition der obersten Rechtsebene völlige Freiheit gibt, zumindest im juristischen Sinne. Dagegen sage ich: dies ist ein Praxisleitfaden und derzeit sind Piraten nicht demokratisch legitimiert an der obersten Ebene Änderungen vorzunehmen und werden es in absehbarer Zeit auch nicht sein.)
- (i) Die zwingende Hierarchie folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip. Dort gibt es den Satz des "Vorranges des Gesetzes". Das meint das jedes Handeln sich dem (höherrangigen) Recht zu unterwerfen hat. Das gilt nicht nur für den Staat, sondern für jedermann. Auf die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates hat sich die Piratenpartei in § 1 Abs. 1 Ihrer Satzung verpflichtet.
Darum ist es zwingend nötig zunächst die juristischen Texte zu ermitteln, die bei dem Vorhaben einzuhalten sind. Selbst wenn diese namentlich nicht bekannt sind, kann zunächst das Rechtsgebiet benannt werden, in dem zu suchen ist. Dabei wird sich häufig herausstellen, das Rechtstexte Anwendung finden, denen im Alltag keine Bedeutung beigemessen wird bzw. an die nicht gedacht wird. Fällt einem nichts ein, dann kann es hilfreich sein sich eine absurde und verwerfliche Handlung eines Beteiligten vorzustellen und sich zu fragen, wo wohl eine Rechtsgrundlage zu finden ist, die diese absurde Handlung verbietet. Ferner ist es zweckmäßig Rechtstexte zu ermitteln, die Andere in ähnlicher Sachlage verfasst haben. Diese können Anregungen zur Gestaltung und Hinweise auf anzuwendende Rechtstexte, aber auch juristische Fehler, enthalten. Auch kann es in dieser Phase zweckmäßig sein die Nr.1 (Kurzformulierung Ziel) zur Aufwandsverringerung zu präzisieren.
- Beispiel Gummibärchen: Bürgerliches Gesetzbuch (z.B. einmaliger Privatverkauf einer Tüte) und/oder Handelsgesetzbuch (Gummibärchengroßhandel)? Lebensmittelrecht (Wir wollen doch keine verdorbene, schadstoffverseuchte oder anderweitig zu beanstandende Ware verkaufen, oder?), Wettbewerbsrecht, Gewerberecht, Urheberrecht (Zusammensetzung, Form und Farbe unserer Gummibärchen geschützt?), Steuerrecht, Informationspflichten (Anbieterkennzeichnung beim Fernhandel), Strafgesetzbuch (z.B. Vorschriften gegen Wucher oder Vorteilsgewährung, falls wir unter Preis an einen Amtsträger verkaufen wollten), internationales Kaufrecht und Zollrecht (bei grenzüberschreitendem Geschäft), Jugendschutzrecht (falls Käufer kein Volljähriger - Jemand mag einwenden Gummibärchen seien kein Alkohol und dürften an Kinder verkauft werden. Ich erwidere: Diese Kenntnis stammt aus dem Jugendschutzrecht. Recht muß nicht immer verbieten, es kann auch erlauben. Anwendung findet es auch dann. Außerdem kann ich erst nach Prüfung feststellen, das der Rechtstext ein Verbot nicht enthält.). Diese Liste ist noch nicht vollständig, obwohl für manchen bereits erstaunlich lang.
3. Rechtstexte lesen
Das Lesen setzt natürlich die Beschaffung voraus. Das meint übrigens nicht in allen Fällen vom ersten bis zum letzten Wort alle Rechtsgrundlagen lesen zu müssen. Offensichtlich nicht relevante Teile (z.B. Erbrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch) können ausgelassen werden. Das gilt aber nur für wirklich offensichtlich nicht relevantes. Lesen im hier verwendeten Sinne meint gründliches lesen und intellektuelles nachvollziehen der Bedeutung, nicht nur überfliegen oder oberflächliche Kenntnisnahme. Beim Lesen können Verweise im Text auffallen, die eine Ergänzung von Nr. 2 (Texte ermitteln) erforderlich macht. Dieser Schritt ist mit Aufwand und Arbeit verbunden. Hier kann evtl. das weitere Verfahren abgebrochen werden, wenn sich bereits herausstellt, das es an der Befugniss fehlt eine Norm mit dem gewünschten Sachziel aufzustellen.
4. Rechtstexte auslegen
Oft, besonders aber bei schlecht formulierten Texten, ist eine genauere Auslegung erforderlich. Das macht i.a.R. das Studium von juristischen Kommentaren, amtlichen Begründungen und Gerichtsurteilen notwendig. Sofern solche nicht existieren, sollte man die Diskussion mit juristisch besonders Sachkundigen suchen. Dieser Schritt ist auch mit Aufwand und Zeit verbunden.
5. Entwurf formulieren
Erst jetzt ist unter Beachtung der zwingend anzuwendenden Rechtsgrundlagen und anderer gewonnener Erkenntnisse ein Entwurfstext zu formulieren. Dabei ist an verschiedenes zu denken bzw. Fragen zu stellen:
- wer ist befugt eine solche Norm aufzustellen?
- an wen richtet sich die Norm bzw. wen bindet sie?
- gewünschte Folgen bei Verstößen (Strafen)
- Verfahren zur Streitbeilegung (Gerichtszuständigkeit, Moderation, Verfahrenskosten)
- nötigenfalles Übergangsregelungen
- Zeitpunkt des Inkrafttretens
- Wirkungsdauer (Befristung, rückwirkende Wirkung)?
- wie bekanntmachen?
Das muß dann nicht im Entwurf formuliert werden, wenn sich entsprechendes bereits aus höherrangigem Recht ergiebt. Am Schluß der Entwurfsformulierung ist zu empfehlen den Text, mit den anzuwendenden Rechtsnormen im Hinterkopf, nochmal ganz durchzulesen.
6. Aufforderung zur Kritik
Entwurf kritisieren lassen. Kein Mensch ist perfekt. Juristische Materie ist meist schwierig und umfangreich. Auch dem besten Juristen unterlaufen dabei manchmal Fehler. Die Kritik kann es erforderlich machen nochmal von vorne anzufangen, z.B. wenn grundlegendes übersehen wurde. Das ist ein normaler Vorgang bei der Rechtssetzung.
- Beispiel Gummibärchen: Vertragsentwurf dem Käufer zur Stellungnahme bekanntmachen.
7. Legitimieren
Einen schriftlichen Vertrag also unterschreiben bzw. eine Satzung o.ä. durch Abstimmung beschließen. Dabei ist darauf zu achten, das nur die unter Nr. 5 ermittelten befugten Personen handeln. Sofern ein erheblicher zeitlicher Abstand zu den vorherigen Schritten gegeben ist, sollte vor der Legitimierung eine Prüfung dahingehend erfolgen, ob zwischenzeitlich sachliche oder rechtliche Änderungen eingetreten sind, die eine Nachbesserung erforderlich machen. Ein solcher Abstand kann sich ergeben, wenn das Verfahren lange dauerte oder ein Entwurf vorsorglich erstellt wurde, damit er schnell zur Verfügung steht, wenn die fehlende Befugniss zur Normsetzung entsteht.
8. Wirkungen
Nach dem Inkrafttreten beobachten, ob das sachlich gewünschte Ergebnis eintritt und die Norm sich als zweckmäßig und zulässig erweist. Falls nicht, wieder bei Schritt 1 beginnen. Falls ja, stolzsein und loben lassen. ;-)