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Polizei- und Ordnungsrecht

Hilfspolizisten

Programmpunkt 2010

Die Polizei ist eines der wichtigsten Exekutivorgane unseres Landes. Sie ist die direkte, ausführende Kraft des staatlichen Gewaltmonopols und soll die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten. Dies ist eine hochgradig verantwortungsvolle und anspruchsvolle Aufgabe. Bestrebungen, streifendienstliche Tätigkeiten der Polizei zukünftig verstärkt von schlechter ausgebildeten und schlechter bezahlten Hilfspolizisten durchführen zu lassen, lehnen die NRW-Piraten entschieden ab. Es ist für uns nicht akzeptabel, realen Bedrohungen für die öffentliche Sicherheit auf diese Weise schwächer zu begegnen, und gleichzeitig unter der Vorgabe, die innere Sicherheit zu stärken, die Grundrechte immer weiter zu beschränken.

  • Anmerkung Krella (Markus Wetzler): Welche Alternative bieten die Piraten? Geht nicht aus dem o. Abschnitt hervor.
    • Claus Palm: Es geht hier darum, die Aufgaben der Exekutive in der Hand der Polizei zu belassen und nicht an geringer qualifizierte und nicht dem Grundgesetz verpflichtete "Hilfspolizisten" zu delegieren. Der Punkt wurde deshalb aufgegriffen, weil das vor der Landtagswahl in NRW von der CDU diskutiert wurde, um bei der Polizei Personal einsparen zu können.
      • [Mo]: Es erschließt sich mir nicht, warum Hilfspolizisten für den Streifendienst schlechter ausgebildet sein sollen (Wo werden sie ausgebildet?) und warum die NRW-Piraten die Hilfspolizisten ablehnen? Was sind die Aufgaben der Streifenpolizisten? Und warum sollen Hilfspolizisten nicht den Grundgesetz verpflichtet sein? Welche Argumente gibt es gegen Personaleinsparrungen bei der Polizei? Und: Wieso steht der Punkt an einer so prominenten Stelle im Papier 2010?

Virtuelle Streife

Programmpunkt 2010

Der Polizeidienst umfasst den Streifendienst im öffentlich zugänglichen Raum zur Gefahrenabwehr und zur Verhinderung von Straftaten. Da auch das Internet ein solcher öffentlich zugänglicher Raum ist, ist es begrüßenswert, wenn die Polizeibehörden dort auf Streife gehen. Ferner empfinden wir es als erfreulich, dass die Polizeibehörden beabsichtigen, sich mit dem Medium Internet vertrauter zu machen. Besorgnis erregt nur die Befürchtung, dass den Beamten an dieser Stelle Sonderrechte eingeräumt werden, die über jene eines normalen Internetnutzers hinausgehen.

Denn wie der Streifendienst nicht das Eindringen in private Wohnungen rechtfertigt, so lehnen wir auch verdachtsunabhängige Eingriffe in private Kommunikation, etwa das Mitlesen von Emails oder den Zugriff auf gesicherte Bereiche durch Hacking, ab. Um die Strafverfolgung im Netz zu verbessern, sollten vielmehr bestehende Möglichkeiten, den Polizeibehörden Gesetzesverstöße im Internet mitzuteilen, vereinfacht und verbessert werden.

  • Anmerkung Krella (Markus Wetzler): etwas genauer formulieren wie der Prozess verbessert werden kann.
    • Claus Palm: Das könnte man sicher noch etwas ausführlicher darstellen, auch wenn ein Wahlprogramm natürlich noch keine Verwaltungsvorschrift ist.
      • [Mo]: Was mir hier direkt im ersten Satz auffällt, ist ein aggressives Verständnis der Polizei, das Worten immanent ist wie „Abwehr“ oder „Verhinderung“. Ich plädierte daher für ein Umdenken und Umformulieren hin zum „Schutz“ für die Bürger. Zudem sollten wir diesen Punkt nach Möglichkeit erweitern und den Titel verändern, denn es handelt sich inzwischen nicht nur um virtuelle Streifen, sondern um die Möglichkeiten der Digitalisierung: Staatstrojaner, Videoüberwachung, neue Telefonüberwachungsregeln, Funkzellenabfragen, Funkimpulse (stille SMS), virtuelle Anzeigenaufnahmen über Tablet-PCs, automatische Kennzeichenerfassung, Facebook-Fotoabgleiche u.s.w., sowie Konvergenz all dieser Anwendungen in Projekten wie INDECT; nicht zuletzt geht es also auch um Vorratsdatenspeicherung und Datenschutz. Ich denke, wir werden diesen Punkt intensiv diskutieren müssen.

Unabhängige Kontrolle für Polizeibehörden

Programmpunkt 2010

Auch in den Reihen der Polizeibeamten kann es dazu kommen, dass einzelne Beamte sich falsch oder gar rechtswidrig verhalten. Polizeibeamte, die ein Fehlverhalten ihrer Kollegen beobachten, Zeugen und Anzeige erstattende Bürger sind derzeit dazu gezwungen, sich mit ihrem Anliegen an die gleiche Behörde zu wenden, in der die beklagte Person ihren Dienst verrichtet. Dies führt nicht nur zu Hemmschwellen seitens des Beschwerdeführers, sondern kann auch zu Interessenkonflikten und dadurch zu Vertuschungsaktionen oder falsch verstandener Solidarität unter den Kollegen führen.

Es sollte eine unabhängige Kontroll- und Ermittlungsinstanz geschaffen werden, die sich solcher Beschwerden annimmt, ohne dass der Beschwerdeführer Tatenlosigkeit oder persönliche Konsequenzen fürchten muss. Zusätzlich kann diese Instanz auch ohne Anregung Dritter tätig werden.

  • Anmerkung Krella (Markus Wetzler): Die Frage ist, ob eine weitere Instanz implementiert werden muss. Vielleicht gibt es ja eine einfachere Lösung? Ohne noch mehr Bürokratie.
    • Claus Palm: Das funktioniert nur, wenn die Kontrollinstanz wirklich unabhängig ist. Deshalb wird das auch von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen in dieser Form gefordert, unter anderem von Amnesty International: http://www.amnestypolizei.de/kampagne/forderungen.html Manchmal ist Bürokratie eben notwendig, gerade wenn es um Kontrolle geht, und die ist in einer Demokratie nun einmal erforderlich.
      • [Mo]: Der Satz 2 stimmt so nicht ganz, denn der Bürger hat die Möglichkeit, eine Strafanzeige bzw. einen Strafantrag direkt bei der zuständigen Staatsanwaltschaft einzureichen. Nur wenn es sich um eine Dienstaufsichtsbeschwerde handelt, geht die Beschwerde an den nächsten Vorgesetzten der handelnden Beamten (bzw. höher), die meist in der gleichen oder übergeordneten Behörde tätig sind. Allerdings geht es bei dem Thema der unabhängigen Untersuchungsmechanismen um deutlich mehr als um Stellen, die Beschwerden annehmen. Wie bereits unter „Allgemein“ geschrieben: Derzeit gibt es in Deutschland eine strukturelle Problematik bei der Aufklärung mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt, da nur Staatsanwaltschaften in Zusammenarbeit mit der Polizei an der Aufklärung arbeiten. Der UN-Antifolter-Ausschuss, Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen fordern in diesem Zusammenhang seit Jahren institutionell unabhängige Gremien, die die Ermittlungen führen, außerhalb der Polizei; es dürfe keine „institutionelle oder hierarchische Verbindung zwischen Ermittlern und mutmaßlichen Tätern in den Reihen der Polizei“ geben. Zum Benchmarking in Punkto „Untersuchungsmechanismen“ lohnt ein Blick nach England/Wales auf die Independent Police Complaints Commission. Zudem sollten wir an dieser oder anderer Stelle auch das Thema „unabhängige Videoaufzeichnung auf Polizeiwachen und in Gewahrsamsräumen“ diskutieren.
      • [Mo]: Möglicherweise ist u.a. die strukturelle Problematik dafür verantwortlich, dass Deutschland in dem vom World Justice Project veröffentlichten Ranking der Rechtsstaatlichkeit Rule of Justice 2011 unterschiedlich eingestuft wird: Von sehr guten Platzierungen bis hin zu negativen Beurteilungen aufgrund überlanger Verfahrensdauer und ungerechtfertigter Polizeigewalt. In punkto Umgang mit der ungerechtfertigten Polizeigewalt rangiert Deutschland im Ranking hinter den USA und Italien im hinteren Bereich, unmittelbar vor Mexiko, Kolumbien und der Türkei. In Bezug auf die soziale Verteilung der Betroffenen: Sind in den Ländern, die hierzulande üblicherweise mit polizeilichen Übergriffen in Verbindung gebracht werden, Menschen aus sozial schlechter gestellten Milieus zumeist stärker betroffen, so gibt es in Deutschland, wie auch in Russland, der Türkei und Chile, keine diesbezüglichen Unterschiede. Von daher wären unabhängige Untersuchungsmechanismen dringendst geboten, wenn wir als Piraten dazu beitragen wollen, dass hier die Einhaltung der Bürger- und Menschenrechte nicht zu einer bloßen Phrase verkommt.

Neu: Videoaufzeichnung in Polizeigewahrsam

[Mo]: Video-/Audioaufzeichnungen (nicht nur bloße Videoüberwachung!) auf Polizeiwachen sind beim Thema „unabhängige Kontrolle der Polizei“ integraler Bestandteil der Diskussion. Sie werden von vielen völkerrechtlichen Stellen und NGOs als präventiver Mechanismus bei der Verhütung und der Aufklärung von Folter und Misshandlung auf Polizeistationen und in Polizeigewahrsam empfohlen. Hierzu gehören z.B. das UN-Komitee gegen Folter (CAT: Committee Against Torture) sowie das Europäische Komitee für die Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) oder Amnesty International (AI) mit einem Positionspapier hierzu. Allerdings haben solche Aufzeichnungen als Beweismittel fast nur dann Sinn, wenn sie unabhängig von der betroffenen Wache aufgezeichnet also nicht manipulierbar, an sicheren Orten über einen angemessenen Zeitraum aufbewahrt und im Nachhinein Ermittlern und Beschwerdeführern zugänglich gemacht werden.

Als erster hat der Hamburgische Landesgesetzgeber in § 8 Abs. 4 PolDVD eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, welche die audiovisuelle Überwachung und Aufzeichnung von Personen in Gewahrsam ermöglicht. Zu betonen bleibt, dass es sich hierbei nicht um die Überwachung sämtlicher Räume einer Polizeiwache handelt, sondern lediglich der Gewahrsamsräume wie Haftzellen, Durchsuchungsräume, Gefangenentransportzelle oder Sammelzellen bei Demonstrationen. Von Bedeutung ist ferner, dass diese akustisch-visuelle Datenerhebung und speicherung in HH von der Polizei selbst durchgeführt und kontrolliert wird. Die Kontrolle der Kontrolleure ist also nicht unabhängig. Das kann nicht das Ziel der Piraten sein. Inzwischen ist eine Ermächtigungsgrundlage auch in Hessen (§ 34 Abs. 3 HSOG) und in Baden-Württemberg (§ 21 Abs.4 PolG BW) vorhanden.

Eine Video-/Audioaufzeichnung zum Schutz der Grund-/Menschenrechte in Gewahrsam/Haft Befindlicher in NRW bedürfte also zusätzlicher politischer, struktureller und technischer Anstrengungen. Politisch wurde die bloße Videobeobachtung in der NRW-Landesregierung bereits 2009 andiskutiert [1]: Gesetzentwurf der Landesregierung in der 14. Wahlperiode vom 11.11.2009, Nr. 15, § 37, Abs. b): „Im Ausnahmefall, wenn dies zum Schutz der Person erforderlich ist, kann die festgehaltene Person mittels Bild- und Tonübertragung offen beobachtet werden. (…)“ Drucksache 14/10089: „Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen“.

Die Diskussion ging nach den Wahlen 2010 nicht weiter. Politisch könnten wir uns zum Thema Schutz der Bürgerrechte hier positionieren. Bei der Technik und Unmanipulierbarkeit finden gerade wir Piraten auch bestimmt eine zukunftsfähige Lösung. Die Aufzeichnung von Video-/Audioüberwachung und deren unabhängige Verwaltung stellt einen weitreichenden Eingriff in Persönlichkeitsrechte dar, aber: 1) Sie böte Menschen in Gewahrsam einen Schutz gegen polizeiliche Übergriffe oder ermöglichte zumindest deren Verfolgung/Aufklärung. 2) Damit wäre die Polizeiarbeit transparenter (für Transparenz stehen wir als Piraten) und damit für den Bürger vertrauenswürdiger, 3) Sie gestattete der Polizei im Falle von unberechtigten Anschuldigungen eine eindeutige Widerlegung der Vorwürfe.

Identifikationsnummer für Polizisten

Programmpunkt 2010

Die NRW-Piraten erkennen an, dass die tägliche Polizeiarbeit, also vor allem die Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen, ohne die Möglichkeit der Anwendung von Zwangsmitteln in vielen Situationen unmöglich wäre. Auch angemessene körperliche Gewalt stellt ein grundsätzlich legitimes und erforderliches Zwangsmittel dar. Jedoch hat gerade die Polizei als Träger des staatlichen Gewaltmonopols eine besondere Verantwortung, der sie leider nicht immer gerecht wird. Immer wieder gibt es Presseberichte von rechtswidrigen Übergriffen der Polizei auf Bürger. Häufig jedoch hat der Bürger dabei nicht einmal die Möglichkeit, den Namen des Beamten zu erfahren, da dieser ihn, trotz einer bestehenden Pflicht, nicht preisgibt. Der Bürger hat in diesem Moment keine Möglichkeit den Polizisten zur Preisgabe zu zwingen.

Aus diesem Grund fordern die NRW-Piraten die Einführung einer jederzeit deutlich erkennbaren, individuellen und für die Ermittlungsbehörde nachvollziehbaren Identifikationsnummer für jeden Polizeibeamten. Eine solche Nummer stellt den Informationsanspruch des Bürgers sicher. Sie wahrt aber auch das Persönlichkeitsrecht des Beamten, da auf direktem Wege keine Rückschlüsse auf seine Person möglich sind.

  • Anmerkung Krella (Markus Wetzler): Ein einfaches Schild auf der Brust als Lösung für polizeiliche Gewalt? Wie lang soll die Nummer sein und wer soll sich die merken, wenn der Polizist zuschlägt? Gewalttäter gibt es überall – auch bei der Polizei. Hier sollte man die Gesinnung vielleicht schon bei der Einstellung hinterfragen und Schulungen anbieten, um die Wahrscheinlichkeit solcher Übergriffe zu verringern.
    • Claus Palm: Die Nummer kann man nachher auf Videos oder Fotos prima ablesen. Oder Zeugen könnten sie notieren. Die Polizisten einer Einsatzhundertschaft in ihrer Vermummung auf soĺchen Bildern ohne Nummern zu identifizieren ist häufig unmöglich. Laut Amnesty International werden viele Verfahren eingestellt, weil die Täter nicht zu ermitteln sind. Eine Gesinnungsprüfung ist schwierig und auch problematisch. Und Schulungen gibt es ja, und ich denke auch, dass die meisten Polizisten sich an die Regeln halten. Aber es gibt eben auch Fälle unverhältnismäßiger Polizeigewalt und die müssen verfolgt und aufgeklärt werden.