NRW:Arbeitsgruppe/Presse/PM 2010-02-21 Lass dir das Internet nicht wegnehmen

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Lass dir das Internet nicht wegnehmen!

Piratenpartei ruft zu Demonstrationen gegen geplanten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auf

Am Mittwoch, den 24. Februar, trifft sich die Rundfunkkommission der Bundesländer zur Diskussion eines Entwurfs zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) [1]. Am folgenden Tag beraten in Berlin die Chefs der Staatskanzleien darüber.

Die Neufassung des Staatsvertrags verpflichtet unter anderem Anbieter im Internet dazu, ihre Inhalte mit einer Altersklassifikation zu versehen. Ist das Angebot nur für Jugendliche ab 16 Jahren geeignet, so muss sich ihre »Ausstrahlung« auf »Sendezeiten« zwischen 22:00 und 6:00 Uhr beschränken.

»Anbieter« im Sinne des Entwurfs sind künftig nicht nur diejenigen, die Inhalte bereitstellen, sondern auch die Access- und Hosting-Provider. Auch diese sollen gezwungen werden, Inhalte zu filtern und nach jugendgefährdendem Material zu durchsuchen. Blog-Betreiber, Zeitungsverlage, Vereine oder Privatpersonen sollen dem Entwurf nach nicht von diesen Regelungen ausgenommen sein. Auch für diese Anbieter entsteht so ein erhebliches Haftungs- und Abmahnrisiko, vor dem viele zurückschrecken werden.

Von ausländischen Anbietern dürften sich nur einige wenige große auf die geplanten deutschen Regelungen einlassen. Alle übrigen wären künftig im deutschen Internet nur nach 22 Uhr erreichbar.

Die Piratenpartei Deutschland sieht in den geplanten Regelungen einen massiven Eingriff in die Struktur des freien Internets und die Einführung einer verfassungswidrigen Netzzensur. Presse- und Meinungsfreiheit im Internet wären damit nicht länger gewährleistet. Die Piratenpartei ruft auf für

Dienstag, den 23. Februar,

zu Demonstrationen und Mahnwachen gegen den geplanten Staatsvertrag vor den Staatskanzleien der Bundesländer [2]. Unter dem Motto »Lass dir das Internet nicht wegnehmen! / Stoppt den JMStV und Zensursula 2.0« sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich gemeinsam gegen diesen Zensurversuch durch die Landesregierungen zu wehren.

Der Protestmarsch in Nordrhein-Westfalen findet in der Landeshauptstadt Düsseldorf statt. Er beginnt um 12:00 Uhr am Schadowplatz und endet um ca. 15:30 Uhr vor der Staatskanzlei am Stadttor [3].

Nico Kern, Spitzenkandidat der Piratenpartei bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Mai, erklärt: »Wir lehnen das Vorhaben ab, im Zuge der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages eine providerseitige Zensurinfrastuktur zu schaffen. Die Autoren der Vertragsänderungen verstehen das Internet offenbar nicht als Kommunikations- sondern als Rundfunkmedium und versuchen, es auch als solches zu regulieren. Das ist absurd. Die Forderung nach »Sendezeiten für Webseiten« wird einem globalen, zeitunabhängigen Kommunikationsmedium nicht gerecht. Sie ist ein deutliches Zeichen für den Versuch etablierter Parteien, überholte Vorstellungen von Kontrolle auf moderne Kommunikationssysteme anzuwenden.«

Kai Schmalenbach, der ebenfalls für die Piratenpartei kandidiert, fügt hinzu: »Wir lehnen den Entwurf in der bisherigen Fassung insbesondere auch deshalb ab, weil er die Meinungs- und Informationsfreiheit der Bevölkerung auf gefährliche Weise einschränkt und die Weiterentwicklung des Internets und seine demokratiefördernde Wirkung hemmt. Für einen sinnvollen Jugendschutz brauchen wir Programme, die Kindern und Eltern Medienkompetenz vermitteln. Eltern müssen lernen, wie sie ihren Kindern einen sinnvollen Umgang mit dem Internet beibringen. Was der Änderungsentwurf vorsieht, geht sogar weit über die chinesische Internet-Zensur hinaus. Wir rufen daher alle demokratischen Kräfte auf, am Dienstag gemeinsam gegen diesen Unfug zu demonstrieren!«

Die Piratenpartei empfiehlt dringend

  • keine Internet-Sendezeiten
  • Gewährleistung der freien Diskussionskultur im Netz
  • Schutz der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet
  • Verankerung der Netzneutralität im JMStV

Die Diskussion über Sendezeiten im Internet überträgt Denkmodelle des Rundfunks des 20. Jahrhunderts auf das Medium Internet. Das Internet ist jedoch vom Wesen seiner Technik und Verwendung her anders als Radio und Fernsehen weder zeitlich noch räumlich beschränkt. Beispielsweise gibt es die Tagesschau von heute, 20:00 Uhr in Deutschland, im Internet ab diesem Zeitpunkt jederzeit an jedem Ort der Welt.

Wer Sendezeiten im Internet fordert, verkennt den technologischen Fortschritt und die kulturelle Befreiung, die das Internet gebracht hat. Die totalitären und monopolistischen Strukturen der Verbreitung, die mit dem traditionellen Rundfunk verbunden sind, haben mit der freien und offenen Kultur des Internets nichts gemeinsam. Eine Diskussion über Sendezeiten im Internet will ein totalitäres und monopolistisches Prinzip der Vergangenheit der Gegenwart und Zukunft aufzwingen. Solch eine reaktionäre Orientierung hat in einer freien und zukunftsorientierten Welt nichts zu suchen.

Die Piratenpartei fordert von den Rundfunkanstalten und den Landesregierungen

  • die Einbindung der Öffentlichkeit in die Diskussion um Jugendschutz im Internet
  • öffentliche Sitzungen der Rundfunkkommission
  • stärkere Förderung von Medienkompetenz an Schulen

Für die Anbieter von Inhalten im Internet gilt nach Ansicht der Piratenpartei

  • freiwillige Kennzeichnung von Inhalten
  • keine Vorab-Prüfpflichten für Webseiten-Anbieter
  • keine Haftung für das Setzen von Hyperlinks
  • keine Netzsperren-Infrastruktur
  • keine Zwangsfilterung auf Anbieterebene
  • keine Haftung der Zugangsanbieter für Inhalte

Quellen: [1] Änderungsentwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (Stand: 7. Dezember 2009): http://blog.odem.org/2010/01/12/Arbeitsentwurf-JMStV--Stand-2009-12-07.pdf [2] Orte und Termine der Demonstrationen und Mahnwachen in den Bundesländern: http://wiki.piratenpartei.de/Jugendmedienschutz-Staatsvertrag/Mahnwachen_gegen_den_neuen_JMStV-Entwurf_am_23._und_24._Februar_2010 [3] Planung der Demonstration in Düsseldorf: http://wiki.piratenpartei.de/Jugendmedienschutz-Staatsvertrag/Mahnwachen_gegen_den_neuen_JMStV-Entwurf_am_23._und_24._Februar_2010/D%C3%BCsseldorf


Die Piratenpartei Deutschland (PIRATEN) beschäftigt sich mit entscheidenden Themen des 21. Jahrhunderts. Das Recht auf Privatsphäre, eine transparente Verwaltung, eine Modernisierung des Urheberrechtes, freie Kultur, freies Wissen und freie Kommunikation sind die grundlegenden Ziele der Piraten. Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte die Piratenpartei 2,0 Prozent der Stimmen und wurde damit die stärkste der nicht im Bundestag vertretenen Parteien.

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