NDS Diskussion:Landesparteitag/2012.3/Antragsportal/Programmantrag - 187

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Hi Thomas, könnte man nicht für jedes neue Gesetz oder Verordnung eine "Sunset"-Regelung einführen. D.h., eine neues Gesetz verfällt nach z.B. 5 Jahren, falls es nicht vorher durch die Politik demokratisch verlängert wird?

LG Stefan A


Das müssen wir erst Mal bezüglich Delegationen im LQFB bringen! :-)


Aber im Ernst, tolle Idee, so würden automatisch überflüssige Gesetze, raus fliegen. quasi ein

Automatisches Verfallsdatum für Gesetze und Verordnungen

Diese muss ja nicht für jedes Gesetz gelten, so könnte man eine Abstufung nach der Normenhierarchie einführen, so wäre das Grundgesetz auf Grund der Ewigkeitsklausel oder Ewigkeitsgarantie - Art. 79 Abs. 3 des GG, selbstverständlich von keinem automatischen Verfall betroffen.

  • für Strafgesetze** könnte gelten: 30 Jahre
  • für alle anderen Gesetze: 10 Jahre
  • für Verordnungen: 5 Jahre

Nach Ablauf dieser Fristen müssten Gesetze bzw. Gesetzesänderungen wieder auf den parlamentarischen Prüfstand.

Ist aber nicht nur eine Landessache, sondern ein bundespolitisches Thema - ich werde mich bemühen diese Idee als Initiative für den BPT in Bochum zu verarbeiten.

Es gab sogar diesbezüglich eine LQFB-Initiative bei uns Piraten, die leider aber nicht genug Unterstützer gefunden hat, eventuell war sie nicht gut ausformuliert. >> https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/2117.html

Auch die FDP sowie einige Rechtswissenschaftler haben da schon mal herum gespielt, also die Idee findet anscheinend parteiübergreifend Anhänger sowie Gegner. Hauptkritik ist vor allem:

  • das paradoxe Anliegen "Bürokratie mittels Bürokratie zu bekämpfen", also durch einen automatischen Verfall schaffst Du auf jeden Fall weiteren Beratungsbedarf in den Parlamenten.

Ich persönlich sehe das nicht so - es gibt meiner Meinung nach auch eine Art Vereinfachungs-Bürokratie, also eine "gute Bürokratie", die Aufgaben eben vereinfacht, Probleme löst, Abläufe verflüssigt.

Hier dazu ein paar weiterführende Links:

http://books.google.de/books/about/Gesetze_mit_Verfallsdatum.html?id=X8-svJS5-a0C&redir_esc=y

https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/20-Vorschlaege/10-Wie-Leben/Einzelansicht/vorschlaege_einzelansicht_node.html?cms_idIdea=3836

http://www.bild.de/politik/2009/gesetze/fordert-verfallsdatum-von-gesetzen-9344034.bild.html

Ich werde mich zusammen mit ein paar anderen daran versuchen, einen schönen Antrag für den nächsten BPT zu erstellen.


Hier ein ungefährer Entwurf:

Bürokratie ist mehr als ein Ärgernis. Bürokratie kostet Geld, bremst Wachstum und vernichtet Jobs. Der Politik ist das Problem durchaus bewusst. Im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009 legten beispielsweise Union und FDP fest: „Regeln sind kein Selbstzweck, weshalb es nicht mehr Regeln geben soll als erforderlich. Notwendige Regelungen müssen schlank und verlässlich sein.“

Allein durch die seit Mitte vergangenen Jahres vorgelegten neuen Gesetze stiegen die Belastungen der Wirtschaft um etwa 300 Millionen Euro - pro Jahr. *


Durch die Einführung von zwei Initiativen könnte man einen systematischen Bürokratieabbau vorantreiben:

1. Einführung eines Verfallsdatum für Gesetze, Gesetzesänderungen und Gesetzesverordnungen

mit einer Abstufung nach der gesetzlichen Normenhierarchie. Danach wäre das Grundgesetz aufgrund der "Ewigkeitsklausel" (Art. 79 Abs. 3 des GG) von keinem automatischen Verfall betroffen.

  • Strafgesetze sollten ein Haltbarkeitsdatum von 30 Jahren**
  • alle anderen (einfachen) Gesetze eine Dauer von 10 Jahren zugesprochen werden, und
  • Verordnungen dürften maximal 5 Jahre halten,

bevor sie wieder auf den (parlamentarischen) Prüfstand gehoben werden müssten.

Kürzere Sonderbefristungen bei einfachen Gesetzen oder Verordnungen bleiben selbstverständlich von dieser Regelung unberührt.

Das heißt, das zuständige Parlament oder Behörde bekäme das Gesetz oder die Verordnung automatisch nach Ablauf des Verfallsdatums auf Wiedervorlage und müsste nur noch überprüfen, ob die Grundlage, auf der das Gesetz beschlossen wurde, weiter besteht, ob die Regelungen erfolgreich waren oder ob das Gesetz besser außer Kraft tritt.

Zur Entlastung des Parlaments könnte dieses Verfahren mehrstufig erfolgen, d.h. bevor es dem Parlament vorgelegt wird, kann sich ein Gremium, z.B. der Normenkontrollrat damit auseinandersetzen und eine Empfehlung für die Parlamentarier aussprechen.

Konkret müsste daher rechtzeitig vor Fristablauf jedes Gesetz nach der oben aufgeführten Tabelle durch die zuständige Legislative (Bundestag, Bundesrat, Landtag) bestätigt, also neu erlassen werden.

Bis zum Abschluss dieses Gesetzgebungs- (bzw. Verlängerungs-)verfahren müssten die betroffenen Gesetze selbstverständlich in Kraft bleiben, außer es handelt sich um ein verfassungswidriges Gesetz, welches durch die Verfassungsgerichte für nichtig erklärt worden ist.

Verordnungen (welche nicht von der Legislative erlassen werden, sondern von der Exekutive, also zum Beispiel von der Regierung oder einer Behörde) sollten einfacherhalber durch die zuständigen Behörden per Antrag selbst "weiterbewilligt" werden - bedürfen aber dahingehend von einer externen Stelle eine Überprüfung, ob die gesetzliche Grundlage oder Notwendigkeit für die Verordnung noch besteht (http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_80.html). Gerade hier kann sich schnell etwas ändern. Es gibt derzeit hunderte "tote" Verordnungen, die bestimmt schon jahrzehntelang vor sich herum schlummern, ohne das jemand überprüft, ob für sie noch die gesetzliche Grundlage besteht.

2. Veto-Recht des Normenkontrollrat in Weiterbewillungsverfahren und Integration von Vertretern aus Menschrecht-, Bürgerrecht- und Verbraucherschutzorganisationen

Auch in diesen "Weiterbewillungsverfahren" könnte der bereits angesprochene 2006 geschaffene "Normenkontrollrat" eine wichtige Rolle spielen. Vorbild zur Gründung dieses Rates war die vergleichbare Einrichtung in den Niederlanden (Adviescollege toetsing administrative Lasten (Actal) dt.: „Rat zur Vermeidung administrativer Lasten“) die dort die Rolle eines unabhängigen und neutralen Methodenwächters der Bürokratiekostenmessung wahrnimmt.

Dieser Normenkontrollrat hat die Aufgabe, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten zu reduzieren. >> http://de.wikipedia.org/wiki/Nationaler_Normenkontrollrat

Derzeit ist der Normenkontrollrat nur beratend tätig.

Er kann ...

  • eigene Anhörungen durchführen
  • Gutachten in Auftrag geben
  • der Bundesregierung Sonderberichte vorlegen
  • und Amtshilfe von Behörden des Bundes und den Länder fordern

So könnte der Normenkontrollrat mit weiteren Kompetenzen*** und Befugnissen ausgestattet werden, so dass er beispielsweise bei Fristablauf von "Gesetzesverordnungen" ein Veto-Recht bezüglich der Weiterbewilligung aussprechen könnte. (Urheber einer Gesetzesverordnungen ist nicht das Parlament, sondern die Exekutive. Hier würde also nicht zwingend von Amtswegen eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgen.)

Bei einem Veto des Normenkontrollrat, würde bei weiterer Aufrechterhaltung des Verlängerungsantrages seitens der Behörde die zur Disposition stehende Verordnung in einen dafür geschaffenen Vermittlungsausschuss des zuständigen Parlaments landen, so dass die Verordnung dadurch automatisch legislativ zustimmungspflichtig wird. Das könnte zwar ein mehr an Arbeit in den Parlamenten erzeugen, würde aber sicherlich nur bei uneinsichtigen Behörden die Ausnahme und nicht die Regel darstellen und würde gerade bei diesen Behörden - zumindest für die Bürger :-) einen wirklichen Gewinn darstellen.

Der Normenkontrollrat ist parteipolitisch paritätisch besetzt, jedoch fehlen in ihm vor allem Vertreter unabhängiger Menschen- und Bürgerrechtsverbände****, die hier enorm wichtig wären. Der jetzt zehnköpfige Rat sollte allein aus Kompetenzgründen personell weiter aufgestockt werden - Empfehlungen und Bewerbungen bezüglich der Besetzung sollten zu einem Teil von einem zweijährlich parlamentarisch festgelegten Kreis aus Verbänden und Organisationen aus dem Bereich der Menschen- und Bürgerrechte, des Verbraucherschutzes, der großen Glaubensgemeinschaften und Gewerkschaften sowie der Behindertenverbände kommen.

Anm.: Der Nationale Normenkontrollrat beschäfitgt sich derzeit nur mit Bundesgesetzen. Für einen vollständigen Bürokratieabbau wäre die Schaffung entsprechender Normenkontrollräte auf Landesebene für die Landesgesetzgebung notwendig.

Kritik an meiner Idee ist ganz klar das schon anfangs angeführte Paradoxon, dass für den zum Ziel gesetzten Bürokratieabbau erst Mal weitere Bürokratie erschaffen werden muss.

Jedoch zeigen die guten Ergebnisse vor allem in den Niederlanden, das sich eine solche Vorgehensweise lohnt.

Ein automatischer Ablauf von Gesetzen und Verordnungen ist ein klarer Bürokratie-Killer.

Da der Nutzen einer Befristung von Gesetzen bereits erkannt worden ist, wird in einigen Bundesländern bereits heute dieses Vorgehen vereinzelt praktiziert, etwa in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen.

Auch im deutschen Bundestag wurden schon Gesetze befristet und mit der Verpflichtung versehen, das Gesetz vor Fristablauf zu evaluieren und einen entsprechenden Bericht zu erstatten. Zum Beispiel das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002.

Der Vorteil einer Befristung liegt klar auf der Hand: Die zuständigen Parlamente und Behörden bekämen ihre erlassenen Gesetze und Verordnungen automatisch nach Ablauf des Verfallsdatums auf Wiedervorlage auf den Tisch. Veraltete, nicht erneuerte Gesetze würden automatisch (ohne Abstimmung) außer Kraft gesetzt, das entspräche einer ständigen automatischen Rechtsbereinigung.

Die Nachteile: Aufgrund von Gesetzesbefristungen bedarf es bei legislativ erlassenen Gesetzen ein Mehr an Abstimmungen im Parlament - auch bei unstrittigen Regelungen. Das kostet den Parlamentariern sicherlich Zeit, die sie ansonsten für die Beratung aktueller politischer Fragen und die Vorbereitung neuer Gesetze zur Verfügung hätten.

Aber man muss diesen parlamentarischen Mehraufwand in Relation zu der ersparten Zeit für die Aufhebung veralteter Gesetze (die durch die Regelung ja automatisch verfallen) und der Zeitersparnis durch den gewonnen Bürokratieabbau setzen. Aufräumen kostet Zeit, das ist klar - aber lieber mehr Zeit und Geld in die Parlamente für eine intelligente Politik und eine schlanke Verwaltung stecken, als für einen wasserkopflastigen Verwaltungsapparat. Die jährlichen Kosten für unser Zuviel an Bürokratie sprechen da für sich.


Weitere Infos:

>> http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/buerokratie-buerokratie-bremst-wachstum-und-kostet-jobs/6590978-2.html

>> http://www.direktzu.de/bundestagspraesident/messages/verfallsdatum-fuer-gesetze-61


Verweise:

  • In der Bundesrepublik Deutschland gab es im Jahr 2003 insgesamt 2.197 Bundesgesetze mit 45.511 Paragraphen und 3.131 Bundesrechtsverordnungen.[2] Am 31. Dezember 2009 umfasste das deutsche Bundesrecht 1.924 Gesetze und 3.440 Verordnungen mit insgesamt 76.382 Artikeln und Paragraphen (Angaben nach Fundstellennachweis A, ohne Änderungsvorschriften und Normen zu völkerrechtlichen Vereinbarungen).[3] Hinzu kommen die Gesetze und Rechtsverordnungen der 16 Bundesländer.)
    • Da die Rechtsfolgen der Strafgesetze die stärksten Eingriffe in die bürgerlichen Grundrechte darstellen, unterliegen sie den höchsten Anforderungen in Bezug auf ihre Rechtmäßigkeit, insbesondere ihre Bestimmtheit.
      • Bislang beschäftigt sich der Nationaler Normenkontrollrat vorrangig mit der Messung des Informations- und Dokumentationsaufwandes, die durch gesetzliche Regelungen im Bereich der Verwaltung oder in der Wirtschaft entstehen. Relevant ist aber auch der Aufwand von Regulierungsmaßnahmen (die beispielsweise durch Umweltauflagen entstehen) sowie Belastungen von Bürger oder Verbraucher im privaten Umfeld.
        • Der Normenkontrollrat setzt sich aus Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Justiz und Verwaltung zusammen. Zu seiner operativen Unterstützung wurde ein Sekretariat mit Sitz im Bundeskanzleramt eingerichtet. Im Sekretariat arbeiten derzeit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.