MV:Schiedsgericht 3/12 Urteil

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Aktenzeichen SGMV 3/12

Urteil

Im Verfahren

- Antragsteller (personenbezogene Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen entfernt) -

gegen

Piratenpartei Deutschland, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den Vorstand - Antragsgegner -

hat das Schiedsgericht des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern durch die Schiedsrichter

Kristin Dahlke

Isabell Haug und

Jan-Magnus Schult

ohne mündliche Verhandlung am 04.01.2013 entschieden:

Der Antrag wird abgelehnt.

Sachverhalt:

Beide Parteien streiten um die Aufhebung der Feststellung des Wahlleiters, die im Ergebnis dazu führte, dass Eno Thiemann von der Landesmitgliederversammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden ist.

Am 03.11.2012 in Groß Laasch fand bei der Landesmitgliederversammlung 2012.2 des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der Piratenpartei Deutschland die Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden statt.

Das Wahlprotokoll für den ersten Wahlgang enthielt bei einer Stimmgesamtheit von 60 Stimmen, 29 Stimmen für Dr. Niels Lohmann. Nach § 10 II S. 2 der Geschäftsordnung der Landesmitgliederversammlung ist derjenige Kandidat gewählt, welcher die meisten Stimmen und eine absolute Mehrheit der sich nicht enthaltenden Abstimmenden erhält.

Der Antragsteller beantragt,

die Feststellung des Wahlleiters, nach der Eno Thiemann von der Landesmitgliederversammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden ist aufzuheben und dadurch zu ersetzen, dass Dr. Niels Lohmann zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden ist.

An dieser Stelle geht der Antragsteller davon aus, dass die beiden als ungültig gewerteten Stimmen nicht in die Grundgesamtheit an Stimmen hätten einfließen dürfen und ist der Meinung, dass deshalb Dr. Niels Lohmann die Wahl auf seine Person vereinigt hätte.

Der Landesvorstand der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern beantragt,

den Antrag abzulehen.

Bei Annahme des Sachverhaltes der als ungültig zu wertenden Stimmen, hätte Dr. Niels Lohmann nicht die erforderliche Mehrheit, wie es notwendig ist bei dieser Wahl, um eine Wahl auf seine Person vereinigen zu können.

Am 21.11.2012 ging die formgerechte Anrufung des Antragstellers beim Schiedsgericht ein. Das Schiedsgericht hielt den Vortrag zunächst für nicht substantiiert und erteilte einen Hinweis zur strukturierten Stellungnahme. Diesem wurde fristgerecht nachgekommen, so dass das Schiedsgericht das Verfahren schließlich eröffnete.

Begründung:

1. Das Schiedsgericht durfte mit Zustimmung beider Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden §10 V S.2 der Schiedsgerichtsordnung.

2. Der Antrag ist unbegründet. Eine Aufhebung der Feststellung des Wahlleiters, nach der Eno Thiemann von der Landesmitgliederversammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden ist und einen Ersatz durch die Feststellung, dass an dessen Stelle, Dr. Niels Lohmann, gewählt worden ist, kann nicht vorgenommen werden. In diesem Verfahren muss nicht geklärt werden, ob ungültige Stimmen in die Grundgesamtheit für die Bestimmung der absoluten Mehrheit einzurechnen waren oder nicht. Die Entscheidung des Wahlleiters, keinen der Kandidaten als im ersten Wahlgang gewählt festzustellen und einen zweiten Wahlgang durchzuführen, war in beiden Fällen richtig. Der Antragsteller hätte auch nach der Betrachtung der abziehbaren beiden ungültigen Stimmen keine absolute Mehrheit erzielt, sondern nur 50 Prozent der Stimmen erhalten.

Soweit der Antragsteller vermutet, es habe möglicherweise weitere ungültige Stimmen gegeben, die unberücksichtigt geblieben seien oder die als ungültig gewerteten Stimmen seien möglicherweise doch nicht ungültig gewesen, handelt es sich um reine Spekulationen, die eine erneute Auszählung nicht rechtfertigen können. Eine erneute Stimmauszählung erfordert nach allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen, dass der Antragsteller innerhalb der Anfechtungsfrist konkret darlegt, welcher wahlrechtliche Verstoß gerügt wird, und dass Tatsachen, auf die sich die Wahlanfechtung stützt, so genau angeführt werden, dass eine Prüfung des behaupteten Verstoßes möglich ist. Wahlanfechtungen, die über nicht belegte Vermutungen oder bloße Andeutungen einer Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der sofortigen Nachprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen deshalb ohne weitere Ermittlungen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.08.1993, Aktenzeichen 2 BvR 1858/92, Deutsches Verwaltungsblatt 1994, Seite 41). Der Antragsteller legt nicht dar, warum bei der Auszählung des ersten Wahlgangs Zählfehler vorgekommen seien sollten. Dass das Wahlergebnis knapp war und menschlicher Irrtum beim Zählen grundsätzlich nicht auszuschließen ist, reicht dafür nicht aus (vgl. Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 24.06.1998, Aktenzeichen 4 ZB 97.2164, Bayerische Verwaltungsblätter 1999, Seite 115). Es ist insbesondere nicht zu vermuten, dass das öffentliche Auszählen vor interessierten Piraten zu einem Tumult geführt hat. Das Vorbringen des Antragstellers beschränkt sich in diesem Punkt implizit auf die Vermutung, dass die Wahlleiter die Geschäftsordnung falsch angewendet hätten und deshalb Zählfehler wahrscheinlich seien.

Ein Neuauszählung der Stimmen ist ohne stichhaltige Gründe nicht erlaubt. Es ist zu berücksichtigen, dass die Wahlleiter von der Landesmitgliederversammlung legitimiert worden sind. Die Mitglieder der Landesmitgliederversammlung (auch der Antragsteller) hatten das Recht, die Auszählung des ersten Wahlgangs zu beobachten, zu kontrollieren und nötigenfalls eine Wiederholung der Auszählung zu verlangen. Alle Piraten (auch der Antragsteller) waren verpflichtet, Vorkommnisse, die die Rechtmäßigkeit der Wahl oder Abstimmung in Frage stellen, sofort dem Wahlleiter bekannt zu machen, der unverzüglich die Versammlung darüber in Kenntnis zu setzen hatte (§ 3 Absatz 7 der Geschäftsordnung der Landesmitgliederversammlung). Der Antragsteller hätte gemäß § 3 VIII der Geschäftsordnung der Landesmitgliederversammlung einen Geschäftsordnungsantrag auf Wiederholung der Wahl stellen können, wenn er das Ergebnis der Wahl für unklar hielt. Aus alledem ergibt sich, dass Streitfragen über Wahlen und Abstimmungen soweit wie möglich in der und durch die Mitgliederversammlung selbst geklärt werden müssen. Die gesamte Situation ist in einem Verfahren vor dem Schiedsgericht nicht wiederholbar. Die Neuauszählung muss deshalb auf Fälle beschränkt werden, in denen greifbare Anhaltspunkte für Zählfehler bestehen. Daran fehlt es hier.

Aus all diesen Gründen war der Antrag abzulehnen.

3. Das Schiedsgerichtverfahren ist kostenfrei. Jeder Verfahrensbeteiligter trägt seine eigenen Auslagen für die Führung des Verfahrens (§16 I Schiedsgerichtsordnung).

4. Gegen erstinstanzliche Urteile steht jedem Verfahrensbeteiligtem die Berufung als Rechtsmittel zur Verfügung ( § 13 I Schiedsgerichtsordnung). Die Berufung ist binnen 14 Tagen nach Urteilsverkündung beim Schiedsgericht der nächst höheren Ordnung einzureichen und zu begründen. Der Berufungsschrift ist die angefochtene Entscheidung samt erstinstanzlichem Aktenzeichen beizufügen (§13 II Schiedsgerichtsordnung).