LiquidFeedback/Themendiskussion/2443

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Diskussion der Demokratie n der Wirtschaft:


Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen über Investivlohn

Mögliche negative Punkte bzw. Herausforderungen

Christian Steinbrenner:

"Wenn die Mitarbeiter über 50% des Unternehmenswertes halten, wird u.a. eine demokratische Wahl der Unternehmensführung ermöglicht."
ROFL... zu dieser rein theroretischen Möglichkeit wird es sicherlich nie kommen... selbst wenn die Mitarbeiter zunehmends mehr Aktien
als Investivlohn erhalten, so kann deren prozentualer Anteil am Unternehmen durch die Unternehmensführung durch Neuemission
von weiteren Aktion immer wieder auf das gewünschte Maximalmaß dezimiert werden.

Es geht bei Investivlohn vor allem darum die Mitarbeiter zur Selbstausbeutung zu motivieren 
indem man ihre Indentität und ihre Interessen als abhängig beschäftigte aufweicht, und nicht 
darum diesen wirklich Macht in die Hand zu geben. Wer das verkennt ist reichlich naiv.

Antworten und mögliche Maßnahmen:

Christoph Ulrich Mayer:
Damit es eben keine theoretische Möglichkeit bleibt, soll es ja einen gesetzlichen Rahmen dafür geben und eine enstsprechende Informationskampagne.
Ich bin absolut entgegengesetzten Ansicht: Ich bin sicher, dass Arbetsleistende und Unternehmer 
größtenteils gemeinsame Interessen haben und es endlcih Zeit wird, 
dass unsere Gesellschaft aus diesen scheinbaren Gegnerschaften herauskommt.
Das passiert, indem Mitarbeiter Mitunternehmer werden. Sie sind dann nicht Ausgebeutete sondern Mitbestimmende und Mitverantwortliche.
Tatsächlich werden Arbeitnehmer niemals zufriedenstellede Rechte haben, solange sie nicht Eigentum an Produktivmitteln besitzen.
Hier eine Sichtweise aus dem CSU-Parteiprogramm von 1993 - nicht dass wir das so annehmen müssen aber es drückt sehr gut die Situation aus. 
Dass es bis heute aber blosse Willenserklärung ist, zeigt dass hier Handlungsbedarf besteht:
„Wirksame Vermögensbildung der Arbeitnehmer ist ein wichtiger Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit und 
dient der Machtbalance in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. 
Trotz langjähriger staatlicher Förderung ist der Durchbruch zur breiten Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital 
unserer Wirtschaft noch nicht gelungen. Für die Christlich-Soziale Union bleibt die breit gestreute, 
individuell gestaltete Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand daher eine wichtige gesellschaftspolitische Zukunftsaufgabe. 
Die Beteiligung möglichst vieler Arbeitnehmer am Zuwachs des Produktivvermögens steigert das Interesse am eigenen Vermögen;
sie bietet sich besonders beim Aufbau in den neuen Ländern an. Durch breite Vermögensbildung wird unsere
auf privatem Eigentum beruhende Wirtschaftsordnung gefestigt sowie die Kapitalausstattung der Unternehmen verbessert
und die Arbeitsplatzsicherheit erhöht. Die Arbeitnehmer gewinnen mehr Interesse am wirtschaftlichen Geschehen ihres
Unternehmens und können durch Mitbestimmung aus Miteigentum mitgestalten. Gesetzgeber und Tarifvertragsparteien sind
aufgefordert, eine breite Streuung von Produktivvermögen zu ermöglichen. Die Christlich-Soziale Union erstrebt die
Bildung von individuell verfügbaren Vermögensbeteiligungen auf der Basis von Freiwilligkeit und Freiheit der Anlageform.
Die Christlich-Soziale Union lehnt die Bildung von anonymen Fonds ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten  der einzelnen 
Arbeitnehmer ab. Persönlich erarbeitetes und verfügbares Eigentum ist Ausdruck persönlicher Entfaltung und Leistung.“ 

Ich habe auf Wunsch einiger LQFB-Mitglieder auch die möglichen Nachteile mit eingebaut. Die Vorteile überwiegen meiner Ansicht nach die Einschränklungen bei weitem, das soll aber jeder selbst beurteilen.

Zur geäußerten Kritik möchte ich folgendes sagen:

Es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung.

Wenn eine "Arbeiterschaft" über die "Unternehmerschaft" siegen würde, bräuchte man wieder neue Unternehmensplaner und -führer, die kämen aus der vorherigen "Arbeiterschaft" und würden wieder Rollen einnehmen, die nach dem geäußerten Weltbild wieder zu bekämpfen wäre usw. Eine Zentralisierung und zentralistische Planung, das habt die Erfahrung mit dem Kommunismus gezeigt, ist eine Verschlimmerung der Unfreiheit. Dadurch wird nicht nur der Wohlstand vermindert sondern auch die Freiheit der Einzelnen im Wirtschafts- und Staatssystem.

Nur wenn Arbeitsleistenden die Produktivmittel gehören, ist Freiheit und Wohlstand gleichzeitig möglich. Und nur mit gemeinschaftlichem Produktivermögen kann effektiv und konkurrenzfähig den Bedarf decken. Und für Einzelne sind Systeme wie z.B. ein Mobilfunknetz viel zu komplex und unbewältigbar. Wir brauchen die verschiedenen Rollen, die Strategen, die Initiatoren, die Kreativen, die Handarbeitenden, die Organisatoren usw. Wenn wir sie abzuschaffen versuchen, zerstören wir einen Teil der Freiheit und ihres Nutzens. Wofür wir sorgen müssen ist, dass die Rollen im sinn der Gesellschaft ausgefüllt werden, nicht dass Menschengruppen diffarmiert oder bekämpft werden.

Die Beteiligung der Mitarbeiter durch wachsendes Eigentum am Unternehmen führt Stück für Stück die Macht in die Hand der breiten Masse der Bürger, in die Hand derer die die wertschöpfende Leistung erbringen. Ohne die unternehmerische Dynamik, die für jeden Unternehmensstart notwendig ist, zu stören. Das, was in den neuen Bundesländern am meisten fehlt, ist Unternehmertum bzw. das dafür notwenige Bewusstsein. Würden wir das unterbinden, wäre das alles andere als vorteilhaft.Es muss nach wie vor möglich, interessant und gewinnbringend sein, unternehmerisch tätig zu sein, weil jeder Unternehmer auch ein Risiko trägt und seine Intitiative und Tatkraft wertvoll ist - als ein Teil der verschiedenen Leistungen in einer Gesellschaft.

Dieser Vorschlag ergreift nicht Partei für Bevölkerungsgruppen sondern integriert die Werte der Gesellschaft in einer realistisch machbaren Form und versucht sowohl ein gut funktionierendes Wirtschaftssystem mit einer ausgewogenen Verteilung von Einkommen, Gerechtigkeit, Freiheit und Verantwortung zu schaffen. Er fördert keine Gegnerschaften sondern gemeinsame Interessen, nicht Spaltung sondern Vereinigung und Gleichheit.



Triztan:

Da der Antrag so viele Vorteile auflistet, vermisse ich eine kritische Diskussion der Nachteile.

Beispielsweise erhöhte Risiko-Konzentration für Arbeitnehmer:
* Geht das Unternehmen pleite, verliere ich meinen Job + Wert meiner Firmenanteile.
In das eigene Unternehmen zu investieren widerspricht der gängigen Risiko-Streuung / 
Portfolio-Theorie und ist insbesondere Personen mit geringem Einkommen nicht zu  empfehlen.

Anteils-Konzentration bei Personen mit hohem Einkommen? Das hängt natürlich von der Ausgestaltung ab, ist m.E. 
aber kaum zu vermeiden und läuft einem breit  aufgestelltem Mitspracherecht zuwider.

Diese Nachteile sollten erwähnt werden.

--
[[Randbemerkung: Alternativ wäre es doch auch denkbar ein stärkeres Mitspracherecht von Arbeitnehmervertretern zu verankern - 
losgelöst von jeglichen Anteilsbeteiligungen. Hat jemand Lust eine Alternativ-Initiative zu formulieren?]]

Antworten und mögliche Maßnahmen:

Christoph Ulrich Mayer:
Die möglichen Nebenwirkungen sollen gerne hier diskutiert werden. 
Ich habe die rRfahrung gemacht, dass man Maßnahmen so entwerfen kann, dass sie zu >90% 
so funktionieren wie sie sollen, man muss halt die nötigen Rahmenbedingungen definieren.
Wichtig ist, dass die große Strömung stimmt, für Einzelfälle kann man noch ergänzende Maßnahmen hinzufügen.

Wir haben ja schon ERfahrungen aus dem Jugoslawien-Modell: [1]
In Jugoslawien gab es eine „Arbeitnehmer-Selbstverwaltung“, die dem Ideal schon nahe kam und 
in den ersten Jahren auch gut funktionierte. [[2]] 
Durch einige Konstruktionsfehler und die Zerstörung von außen scheiterte das Modell jedoch später. 
Das Eigeninteresse der Arbeitnehmer ist oft nicht deckungsgleich mit dem Interesse der Kunden und der Notwendigkeit des Geschäfts, 
z. B. wäre Investition wichtig gewesen, stattdessen würden die Löhne erhöht. 
Es stand die Kurzsichtigkeit des Einzelnen dem Gesamtnutzen entgegen. Auch Haftung für Betriebsvermögen ist nicht jedermanns Sache – 
und wenn das Unternehmen schlecht läuft, tendieren einige Arbeiter dazu, es zu verlassen, was die finanziell Last auf noch 
weniger Schultern verteilt. (sinngemäß nach: [Vanek, 1970]) 
Man muss also eine Bindung des Mitarbeitereigentums über die Kündigung hinaus einbauen, damit dies funktionieren kann.


Ich habe mal die möglichen Probleme mit aufgenommen:

Einschränkungen:

  • Mitarbeiter müssen in dem Modell auch mehr Verantwortung tragen.
  • Mitarbeiter müssen bei ihren Entscheidungen auch andere Interessen berücksichtigen. Wenn sich die Mitarbeiter z.B. zu hohe Löhne und Gehälter zuweisen, kann das Unternehmen gefährdet werden. Rückt der Kunde zu weit aus dem Fokus, ebenfalls.
  • Es besteht das Risiko eines Verlustes der Unternehmensanteile, falls die Firma in Konkurs gehen würde.Ebenso braucht man Regelungen für Fälle der Fusion mit anderen Unternehmen.
  • Bei Leiharbeitern ist das Modell schwerer anzuwenden. Eine Beteiligung wäre zeitlich begrenzt und würde dann zu Fremdeigentum werden. Hierfür muss man noch eine gute Regelung finden, indem man die möglichen Fälle durchdenkt.
  • Wenn das Stimmrecht auf Anteile bezogen wird, dann ist es kein Stimmrecht wie in der Demokratie (eine Person, eine Stimme) sondern das Stimmrecht wächst mit der Zugehörigkeit in der Firma. Letzteres entspricht der sozialen Struktur in Unternehmen.
  • Es bestünde die Gefahr, dass Mitarbeiter mit hohem Einkommen mehr Stimmrechte dazugewinnen wie welche mit niedrigeren Einkommen. Hierfür muss wohl auch eine Regelung getroffen werden. Der Unternehmer hat zurecht eine Sonderstellung im Unternehmen, die erst langfristig zurückgehen soll. Jedoch sollte das Stimmrecht nicht an die Höhe der Einkommen gekoppelt werden.