LiquidFeedback/Themendiskussion/2379
Inhaltsverzeichnis
Perspektiven für Menschen ohne oder mit unzureichender Erwerbsarbeit
https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/4144.html
Antragsentwurfstext:
- Die PIRATENPARTEI fordert die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Möglichkeit der Einrichtung staatlich subventionierter Wirtschaftsbetriebe als freiwillig nutzbares Angebot für von Arbeitslosigkeit betroffener und von ihr bedrohter Menschen durch gemeinnützige Institutionen der Erwachsenenbildung, die Produkte und Dienstleistungen erstellen und veräussern können, um damit einen Teil ihrer Kosten zu decken.
Begründung:
Die Arbeitslosigkeit hat sich auf hohem Niveau in den letzten Jahrzehnten manifestiert, so dass ein großer Teil interessierter Menschen dauerhaft vom Erwerbsleben ausgeschlossen ist. Dazu gehören unter anderem Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildung, mit einer ausschließenden beruflichen Biografie, mit lückenhaft ausgebildeten Schlüsselqualifikationen, im unregelmäßigen Wechsel von Beschäftigung und Nichtbeschäftigung, gesundheitlichen Einschränkungen physischer und psychischer Art und Menschen, die an ihren Arbeitsplätzen in gesundheitsgefährdender Weise überbeansprucht wurden. Alle diese Menschen haben eins gemeinsam: Unternehmen in Deutschland können mit ihnen nichts anfangen, weil ihre Kosten höher sind, als das, was an Erträgen zu erwarten ist. Damit würde ihre Einstellung in den Betrieb dem obersten Ziel desselben widersprechen: Gewinne zu machen. Zudem sind die Akteure dieses Wirtschaftssystems nicht in der Lage, jedem, der als Konsument daran teilnimmt, praktische Partizipationsmöglichkeiten zu bieten. Wenn also Unternehmer nicht bereit sind, Menschen einzustellen, die der Logik ihres Wirtschaftssystems nicht entsprechen, muss sich der Staat um diese kümmern. Das geschieht unter anderem durch die Verwaltung und Verteilung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, jedoch nicht im entscheidenden Teil: Indem er dafür sorgt, dass sie das Angebot einer gesellschaftlichen Teilhabe an Produktion und Dienstleistung in Anspruch nehmen können, wenn sie wollen. Dies kann dadurch geschehen, dass er die Möglichkeit für gemeinnützige Institutionen der Erwachsenenbildung schafft, Projekte einzurichten, die selbst erstellte, meist innovative, Produkte und Dienstleistungen anbieten und veräußern dürfen, um einen variablen Teil ihrer Kosten zu decken. Das können Werkstätten, Dienstleistungsbetriebe, Läden, die Organisation der Mitarbeit in Museen und viele andere Einrichtungen sein. In den Projekten werden Qualifizierungen in vielfältigen theoretischen und praktischen Bereichen ermöglicht. Die Einrichtung derselben bietet zahlreiche Perspektiven der sinnvollen Beschäftigung auf freiwilliger Basis. Da der Betrieb nicht auf Gewinn angewiesen ist und auch aus den oben genannten Gründen relativ schwer einen erwirtschaften kann, lässt sich jeder Mitarbeiter abhängig von seinen Einschränkungen verantwortungsvoll in den Arbeitsablauf integrieren. Das leitende Personal und die Mitarbeiter der Projekte erhalten Arbeitsverträge, die den Leistungen im öffentlichen Dienst entsprechen und bundesweit einheitlich sind. Ehrenamtliche Mitarbeiter können ebenso wie Mitarbeiter aus dem Bundesfreiwilligendienst entsprechend ihrer Qualifikationen integriert werden. Die Finanzierung der Raum-, Personal- und Materialkosten kann durch die Gelder der eingesparten Kosten der Arbeitslosenverwaltung, des AlgII und durch die teilweise Einstellung der bisherigen Zahlungen für Maßnahmen der Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik sichergestellt werden. Die werden derzeit benutzt, um in Teilen zweifelhafte Qualifizierungsmaßnahmen zu finanzieren, die es den Teilnehmern bestenfalls ermöglichen soll, in Konkurrenz zu anderen zu treten. Wenn sie ihre Chance am Arbeitsmarkt erfolgreich erhöhen, dann fällt bei dieser „Reise nach Jerusalem“ immer wieder ein Teil der Bewerber raus, die keinen Arbeitsplatz bekommen haben. Meistens erfüllen sie nicht einmal diesen Zweck. Im Vorfeld und nach der Einführung eines bundeseinheitlichen bedingungslosen Grundeinkommens bilden die genannten Projekte eine sinnvolle Ergänzung der Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe, die von den mit Abstand meisten Menschen in diesem Land angestrebt wird.
Diskussion/Anregungen
- Anregung 1:
"Ich finde diese Initiative nicht piratig. Nach meiner Lesart haben die Piraten erkannt und durch RESET anerkannt, dass es faktisch keine Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbsarbeit mehr gibt. Sinnlose subventionierte Erwerbsarbeit zu fordern läuft dieser Einsicht zuwieder."
>>>> Es geht mE. grundsätzlich nicht um die Sicherung des Lebensunterhaltes durch Erwerbsarbeit, sondern um die Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe ausserhalb von Unternehmen der Wirtschaft. Eddy <<<<
"Dass jeder arbeiten muss, ist die Ansicht konervativer Parteien. Ich lehne jeden Arbeitszwang ab. Wenn jemand sein Leben sinnvoll mit Arbeit gestalten will wird er etwas finden... das muss nicht unbedingt Erwerbsarbeit sein. Sondern könnte auch das Engagement in einer politischen Partei sein, dem viel Zeit gewidmet wird. Unterm Strich bereichert auch dieses unsere Gesellschaft und sollte neben dem Bezug von Grunsicherung legitim und möglich sein."
>>>> Es gibt nach meinen Erfahrungen niemanden, der nicht unter bestimmten Voraussetzungen arbeiten will. Jemand, der ausserhalb der jetzigen gesellschaftlichen Zwänge (ALGII etc) arbeiten will, mag sinnvolle Arbeit finden, aber die wird nicht staatlich legitimiert sein und er wird füher oder später von den Argen oder Jobcentern sanktioniert werden. Zudem kann er sich auch nicht in jedem Fall als Unternehmer in eigener Sache engagieren, weil ihm einfach die Voraussetzungen fehlen. Insbesondere nicht die in der Begründung angeführten Menschen. Da ist ein vernünftiger organisatorischer Rahmen wichtig. Es geht in dem Antragsentwurf nicht darum, die Forderung nach Grundsicherung infrage zu stellen, sondern darum, was heute für Menschen ausserhalb des Wirtschaftssystems getan werden kann. Bisher landen viele von ihnen in sinnlosen Qualifikationsmaßnahmen, die dann und wann an der individuellen Situation der Teilnehmer etwas ändern - aber nicht ohne jemand anderes "freizusetzen". Die etablierten Unternehmer sind nicht (mehr) in der Lage und werden es auch nicht mehr sein, allen Beteiligten des Wirtschaftssystem eine Teilnahmemöglichkeit zu garantieren. Eddy <<<<
Anregung 2:
"Von öffentlicher Hand subventionierte Wirtschaftsbetriebe dürfen nach jetzigem Recht nicht in Konkurrenz zu wirtschaftlich geführten Betrieben treten, weil sie dessen Preise unterbieten und so deren Existenz bedrohen würden. Die Initiative müsste also so formuliert werden, dass die entstehenden Betriebe von vornhinein als "normale" wirtschaftliche Betriebe und für die Betroffenden als Ausstieg aus der Arbeitslosigkeit geplant sind. Eine einmalige Starthilfe und Versorgung mit "Know how" von Unternehmensberatern wäre denkbar. Ein entsprechender Passus müsste dann in das Hartz IV-Regelwerk aufgenommen werden. Dazu müsste man aber vorher genau erkunden, welche Unstützung bereits existieren und wie diese Leistungen evtl. verbessert werden müssten."
>>>> Innovativ initiierte "normale" wirtschaftliche Betriebe sind vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Massenarbeitslosigkeit illusorisch. Wenn das funktionieren würde, würde es umgesetzt - schließlich könnte man dann damit Geld verdienen. Die etablierten Unternehmen haben oftmals schon richtig erkannt, daß es mit vielen Menschen nicht möglich ist, unter den gegebenen Bedingungen Gewinn zu machen. Jemand, der Geld kostet, wird nicht eingestellt. Denkbar ist und praktiziert wird höchstens Auslese. Die ändert jedoch nichts an den absoluten Zahlen. Zu erwarten, daß die angesprochenen Menschen allesamt in der Lage sind, sich durch Starthilfe und Vermittlung von "Know how" selbstständig zu machen, geht sehr stark an der Realität vorbei. Damit sind schon viele gescheitert, die dafür ausreichend qualifiziert waren - wie sollen es die angesprochenen Menschen schaffen? Die Produkte und Dienstleistungen, die unter den genannten Voraussetzungen produziert werden können, sind kaum in der Lage, zu konkurrenzfähigen Preisen gleiche Produkte, wie wirtschaftliche geführte Betriebe zu erstellen. Sie werden also in erster Linie auf innovative Produkte eigener Krativität angewiesen sein, die dann wiederum Impulse an Wirtschaftsbetriebe zu liefern. Ausserdem sind Produkte aus diesem Bereich, die derartig leicht konkurrenzfähig in der selben Qualität mit gering qualifiziertem Personal gefertigt werden können ohnehin eine Aufforderung an die Betriebe, hier intensiv über neue Produkte nachzudenken, was mit grossem Vertrauen in die deutsche Wirtschaft möglich scheint.Eddy <<<<
Anregung 3:
"Auch wenn das gefordertre Angebot freiwillig in Anspruch genommen wird. Aus freiwilligkeit wird schnell Zwang. z.B. Die Regelstudienzeit die ursprünglich durch studierende erkämpft wurde um ein ausreichendes Lehrangebot zu erhalten, sodass Studienabschlüsse binnen bestimmter Zeit möglich waren, wird heute gegen die Studierenden verwendet. z.B. Frauen wollten selbstbestimmt am Arbeitsmarkt teilnehmen können. Heute müssen Frauen am Arbeitsmarkt teilnehmen weil sie sonst durch Drohung der Kürzung des Existenzminimums unter das Existenzminimum sanktioniert werden. Es ist immer wieder passiert dass auf einem Recht das man freiwillig in Anspruch nehmen kann nicht nach einigen Jahren Pflichten werden! Da ich nicht sehe, wie dies verhindert werden könnte, kann ich den Antrag einfach nicht unterstützen.
>>>> Den Zwang gibt es heute: Zum einen die ausgesprochene Erwartung, sich auch ohne Aussicht auf Erfolg dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen und zum anderen, sich an Maßnahmen zu beteiligen, an die man via Eingliederungsvereinbarung vor dem Hintergrund von Sanktionen gebunden ist. Letztendlich kann alles unter Zwang laufen - auch das vorgeblich bedingungslose Grundeinkommen, welches jederzeit nach Einführung etlichen Bedingungen unterworfen werden kann. Eddy <<<<