LiquidFeedback/Themendiskussion/1336

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Text wurde von "Link zur Broschüre „Institutioneller Rassismus“ des Migrationsrats Berlin-Brandenburg (ab Seite 71) kopiert:

http://mrbb.de/dokumente/pressemitteilungen/LAPgR_Brosch%C3%BCre.pdf

8.1.4.2 AUSLÄNDERBEHÖRDE / Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten (LABO)

1) Problemfeld: Wenig Sprachenkompetenz der Sachbearbeiter_innen, schlechte Verfügbarkeit von Dolmetscher_innen

Empfehlungen:

• Ein „Recht auf Verständigung“ muss durch die Senatsverwaltung für Gespräche in der Ausländerbehörde etabliert werden. Qualifizierte Dolmetscher_innen müssen bei allen wichtigen Verfahren in der Ausländerbehörde anwesend sein.

• Eine Öffnung der Ausländerbehörde für weitere Arbeitssprachen außer Deutsch. Besonders die Arbeit mit Menschen aus verschiedensten Ländern kann durch mehrsprachige Mitarbeiter_innen verbessert werden. Dieser Realität muss bei Neueinstellungen und Umbesetzungen von Mitarbeiter_innen Rechnung getragen werden.

• Wichtige Informationen zu Regelungen und Prozessen, die für die Klient_innen wichtig sind, müssen auf mehrsprachigen Informationsblättern in der Ausländerbehörde verfügbar sein. Hierdurch können zumindest erste Lücken in der Informationsversorgung der Klient_innen durch die Ausländerbehörde geschlossen werden.

2) Problemfeld: Zu wenig Klient_innenorientierung bei den Sachbearbeiter_innen

Empfehlungen:

• Emails zu Terminabsprachen müssen verlässlich beantwortet werden und die Mitarbeiter_innen müssen auch telefonisch erreichbar sein.

• Viele Klient_innen müssen aufgrund nachlässiger Organisation der Ausländerbehörde lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Dieses Verhalten der Ausländerbehörde ist respektlos. Die Wartezeiten müssen durch die Neueinstellung von Sachbearbeiter_innen verkürzt werden.

• Die Ausländerbehörde muss ihre Selbstverpflichtung zur Verbesserung der Kund_innen- orientierung ernsthafter als in der Vergangenheit verfolgen (siehe Mitteilung zur Kenntnisnahme des Senators für Inneres an das Abgeordnetenhaus von Berlin vom 04.05.2005, Drucksache 15/3953). Das Selbstverständnis der Ausländerbehörde als zentrale Dienstleistungsbehörde ist gemessen an der Klient_innen-orientierung. Diese ist zurzeit unverständlich und muss klient_innen-freundlicher werden.

• Die Schaffung einer Empfangsmentalität in der Ausländerbehörde fördern.

• Hierzu würde es oft schon helfen, die üblichen Regeln der Höflichkeit gegenüber den Klient_innen einzuhalten.


3) Problemfeld: Wenig interkulturelle Kompetenz der Sachbearbeiter_innen, Respektlosigkeiten und Unterstellungen gegenüber den Klient_innen

Empfehlungen:

• Den Sachbearbeiter_innen muss interkulturelles Verständnis vermittelt werden. Verschiedene Workshops (z.B. zu Themen wie Critical Whiteness, Islamophobie), die von qualifizierten Migrant_innenorganisationen angeboten oder empfohlen werden, können zu einem besseren Verstehen führen und Spannungen zwischen Klient_innen und Sachbearbeiter_innen abbauen.

• Ein klares Absehen von haltlosen Vermutungen und Unterstellungen über den Zweck von Lebensgemeinschaften, Schwangerschaften und Aufenthaltszwecken von Seiten der Sachbearbeiter_innen.

• Diversity Kompetenzen und das Bemühen um die interkulturelle Öffnung muss bei Neueinstellungen und Beförderungen ein zentrales Entscheidungskriterium sein.

4) Problemfeld: Verdeckte Diskriminierung bestimmter Klient_innengruppen, Andersbehandlung von Klient_innen nach ihrer Herkunft, Generalverdächtigungen

Empfehlungen:

• Sachbearbeiter_innen müssen bei ihrer Arbeit objektiv bleiben. Vorverurteilungen aufgrund physischer Merkmale sind strengstens zu unterlassen. Jede/r Klient/in muss als Individuum wahrgenommen werden und hat ein Recht auf vorurteilsfreie Behandlung.

• Die Ausländerbehörde muss die Anliegen der Klient_innen ohne Vorbehalte ernst nehmen und darf nicht auf dem Grundsatz des Generalverdachts agieren. Auch Falschaussagen von einigen Klient_innen dürfen nicht zu einem Generalverdacht gegen andere Klient_innen führen.

5) Problemfeld: Schutz der Familie, Schutz von Lebenspartnerschaft, Schutz im Trennungsfall

Empfehlungen:

• Die Familienzusammenführung von Menschen mit Aufenthaltserlaubnis muss durch die Ausländerbehörde gefördert werden. Das schließt auch Familienzusammenführungen im Zuge von Umverteilungen innerhalb Deutschlands ein. Die Ermessensspielräume müssen von den Sachbearbeiter_innen positiv genutzt werden.

• Die Ausländerbehörde muss die Privatsphäre von binationalen Ehen anerkennen und auf die entwürdigenden Verhöre und Hausbesuche der Lebenspartner/in verzichten. Die binationalen Ehen müssen gleichgesetzt und respektiert werden. Die Beurteilung der Güte einer Ehe darf nicht von den subjektiven Kriterien eines/r Sachbearbeiter/in Ausländerbehördeängen. Außerdem darf eine Verweigerung von Verhören und Hausbesuchen durch die Ehepartner_innen nicht zu Nachteilen führen.

• In Trennungsfällen müssen die Probleme der Lebenspartner/in mit schwieriger Aufenthaltserlaubnis von der Ausländerbehörde ernst genommen werden. Die schwierige persönliche Situation vieler Lebenspartner_innen muss bei der Vergabe einer neuen Aufenthaltserlaubnis positiv berücksichtigt werden. Eine Änderung des Anspruchs auf eine eigene Aufenthaltserlaubnis nach sechs Monaten würde die Situation verbessern. Ein von dem /der Partner/in unAusländerbehördeängiger Aufenthaltstitel ist eine weitere Möglichkeit.

• Bei traumatischen Erlebnissen in der Ehe müssen kompetente sozial-psychiatrische Dienste (in der Muttersprache) zur Hilfe herangezogen werden und ihre Erkenntnisse von den Sachbearbeiter_innen ernst genommen werden.

• Der verdeckte Sexismus von Sachbearbeiter_innen der Ausländerbehörde muss durch Workshops thematisiert werden. Hier könnte auch eine speziell geschulte Frauensachbearbeiterin weiterhelfen.

6) Problemfeld: Keine Möglichkeit zur Beschwerde über Rassismus und ethnische Diskriminierung, keine zentrale Dokumentation von Vorfällen in der Ausländerbehörde, keine Sanktionen gegen auffällige Sachbearbeiter_innen

Empfehlungen:

• Die Schaffung einer unAusländerbehördeängigen Antidiskriminierungsstelle zur Beschwerde über Rassismus und ethnische Diskriminierung in den Senatsverwaltungen würde zu einem funktionierenden Beschwerdemanagement führen. Des Weiteren könnte diese Stelle auch die Dokumentation übernehmen und regelmäßige Berichte über Vorfälle verfassen.

• Sachbearbeiter_innen, die wiederholt Klient_innen Rechtsansprüche nicht gewährt haben, sollten in eine andere Abteilung versetzt werden.

7) Problemfeld: Schlechte Akzeptanz von Fiktionsbescheinigungen im Alltag von People of Color

Empfehlungen:

• Die Ausgabe von Fiktionsbescheinigungen durch die Ausländerbehörde muss eingestellt werden. Die vorhandenen Fiktionsbescheinigungen müssen durch bekannte Aufenthaltserlaubnisse mit gleicher Gültigkeitsdauer ausgetauscht werden.

• Bis zur Abschaffung der Fiktionsbescheinigung , sollte diese in einem Pass vermerkt werden und nicht als loser Zettel ausgegeben werden.

8) Problemfeld: Gebührensystem der Ausländerbehörde für Asylbewerber_innen und Menschen mit Duldung

Empfehlung:

• Ein grundsätzlicher Wegfall jeglicher Gebühren für Asylbewerber_innen und Menschen mit Duldung, da diese Klient_innen nur über sehr beschränkte finanzielle Mittel verfügen.

9) Problemfeld: Keine Unterstützung bei Sprach- und Integrationskursen durch die Ausländerbehörde

Empfehlung:

• Bessere Vermittlung durch die Sachbearbeiter_innen in Kurse und zusätzliche Finanzierung des Angebots durch das Land Berlin.

10) Problemfeld: Stigmatisierung von Klient_innen bei der Wahl der Beschäftigungsmöglichkeit, Probleme mit kurzen Studienvisa

Empfehlungen:

• Die Sachbearbeiter_innen müssen mehr Gebrauch von der Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildungsaufnahme und des Studiums machen. Dieses dient dem Ziel der Qualifizierung und Integration von vielen jungen People of Color.

• Die Ausländerbehörde muss eine bestmögliche Chancengleichheit im Rahmen der Gesetze schaffen. Es ist möglich, jungen Menschen of Color einen Aufenthaltstitel zum Zwecke einer Ausbildung oder eines Studiums auszustellen. Die Ausländerbehörde soll von dieser Möglichkeit in Zukunft mehr Gebrauch machen.

• Aus- und Fortbildungsmaßnahmen müssen in Bezug auf die Aufenthaltserlaubnis gleichgesetzt werden und auch für People of Color in gleicher Art gefördert werden.

• Studienvisa müssen den Zeiträumen des Studienfachs angepasst werden.

11) Problemfeld: Beschneidung der individuellen Freiheit von Asylbewerber_innen und Menschen mit Duldung durch die Residenzpflicht

Empfehlungen:

• Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber_innen und Menschen mit Duldung und somit bessere Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung ermöglichen.

• Beendigung der Kriminalisierung von People of Color durch Verfahren wegen Verletzung der Residenzpflicht.

12) Problemfeld: Entscheidungspraxis der Sachbearbeiter_innen für Klient_innen of Color ist oft unklar

Empfehlungen:

• Jegliche Entscheidungen der Sachbearbeiter_innen müssen den Klient_innen schriftlich und mit Begründung ausgehändigt werden, damit diese eine Chance zur Klärung des Sachverhalts bekommen und ihre Rechtsansprüche wahren können.

• Einspruchsmöglichkeiten müssen auch ohne Gerichtsverfahren ermöglicht werden.

• Ermessensspielräume müssen bei der Entscheidungsfindung positiv berücksichtigt werden.