LSA:Landesverband/Organisation/Mitgliederversammlung/2013.1/Antragsfabrik/Programmänderung 019

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Pictogram voting wait blue.svg Dies ist ein eingereichter Antrag für den Landesparteitag 2013.1.

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Antragstitel

WP-016: Inklusives Wahlrecht für Menschen mit Behinderung

Antragsteller

NX

Antragstyp

Programmänderung

Antragstext

Der Landesparteitag möge beschließen folgenden Programmpunkt in das Wahlprogramm unter "Demokratie und politische Teilhabe" bei dem Unterpunkt "Wahlrecht" einzufügen:

Inklusives Wahlrecht für Menschen mit Behinderung

Die PIRATEN Sachsen-Anhalt setzen sich für ein uneingeschränktes aktives und passives Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung ein. Dazu setzen wir uns dafür die ersatzlose Streichung des § 3 Nr. 2 des Wahlgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (LWG) ein. Weiterhin unterstützen wir auf Bundesebene alle Bestrebungen der ersatzlosen Streichung der §§ 13 Nrn. 2 und 3 BWG (Bundeswahlgesetz) sowie 6a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EuWG (Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland). Wir unterstützen damit vollumfänglich die Forderungen des Deutschen Behindertenrates, des Instituts für Menschenrechte und des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung zur Umsetzung eines inklusiven Wahlrechts.

Davon betroffen sind Menschen, denen ein Betreuer oder eine Betreuerin für alle Angelegenheiten bestellt worden ist oder die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und wegen befürchteter Allgemeingefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Es widerspricht den demokratischen Grundregeln, eine Menschen ein Recht deshalb zu versagen, weil dieser das Recht aus bestimmten tatsächlichen Gründen aller Voraussicht nach nicht oder nur stark eingeschränkt wahrnehmen kann. Beide Ausschlussvorschriften basieren auf historisch tradierten Vorurteilen, die überholt und mit dem heutigen Menschenrechtsverständnis nicht vereinbar sind. Sie führen stattdessen zu einer Ungleichbehandlung, für deren Rechtfertigung es keine plausiblen Argumente gibt.


Antragsbegründung

Initiative auf Bundesebene

"Immer noch wird in Deutschland manchen erwachsenen Frauen und Männern mit Behinderungen das Wahlrecht komplett abgesprochen. Davon betroffen sind Menschen, denen ein Betreuer oder eine Betreuerin für alle Angelegenheiten bestellt worden ist (§ 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz - BWG) oder die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und wegen befürchteter Allgemeingefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind (§ 13 Nr. 3 BWG). Beide Ausschlussvorschriften basieren auf historisch tradierten Vorurteilen, die überholt und mit dem heutigen Menschenrechtsverständnis nicht vereinbar sind. Sie führen stattdessen zu einer Ungleichbehandlung, für deren Rechtfertigung es keine plausiblen Argumente gibt. Nicht einsichtig ist zum Beispiel, warum bei behinderten Menschen, die unter Vollbetreuung stehen, auf eine (pauschal unterstellte) fehlende Einsichtsfähigkeit in das Wesen und die Bedeutung von Wahlen verwiesen wird, obwohl eine solche Einsichtsfähigkeit bei keinem anderen Volljährigen jemals geprüft wird und obwohl das freie Wahlrecht anerkanntermaßen auch das Recht umfasst, gar nicht zu wählen oder „Protest“ zu wählen oder „demokratisch unvernünftig“ zu wählen. So wenig nachvollziehbar dies ist, so klar tritt andererseits die damit verbundene Stigmatisierung der Betroffenen zu Tage. Ähnlich verhält es sich mit dem Argument, man müsse einem Missbrauch durch Dritte vorbeugen: In keinem anderen Zusammenhang würde deshalb jemandem das Recht selbst entzogen. Ebenso wenig leuchtet angesichts der geringen Fallzahlen ein, wodurch ein inklusives Wahlrecht etwa die Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen in Deutschland gefährden könnte oder welche praktischen Gründe jenseits unzulässiger Kostenerwägungen etwa einen weiteren Ausschluss behinderter Menschen vom Wahlrecht erforderlich machten. Erfahrungen in anderen Ländern deuten jedenfalls auf das Gegenteil hin.

Gleiches gilt für den Wahlrechtsausschluss von Menschen, die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und die wegen ihrer befürchteten Gefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Auch hier ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der diese Ungleichbehandlung im Vergleich mit der restlichen Bevölkerung rechtfertigen könnte. Weder eine festgestellte Unzurechnungsfähigkeit noch eine begangene Straftat jenseits bestimmter staatsgefährdender Delikte noch eine prognostizierte Allgemeingefährlichkeit sind taugliche Sachgründe. All dies verdeutlicht, wie wenig begründbar der Wahlrechtsausschluss behinderter Menschen ist. Dies ist umso gravierender, als dieser Ausschluss für die Betroffenen einen massiven Eingriff in ihr grundlegendes demokratisches Mitwirkungsrecht bedeutet. Eine solch anangemessene Beeinträchtigung des Wahlrechts ist weder nach den menschenrechtlichen Maßstäben des Völkerrechts zulässig noch nach denen des deutschen Grundgesetzes, wenn man es wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert im Lichte der BRK interpretiert. Die genannten Ausschlusstatbestände im Bundeswahlgesetz müssen daher aufgehoben werden. Nichts anderes kann für gleichlaufende Regelungen im Europawahlgesetz beziehungsweise in den Wahlgesetzen der Bundesländer gelten.

Bei der Verwirklichung dieser menschenrechtlichen Vorgaben sind nicht nur die jeweils zuständigen staatlichen Stellen als unmittelbar Umsetzungsverpflichtete gefordert. Tatsächliche Inklusion kann vielmehr nur gelingen, wenn politisch bedeutsame und in der Praxis wirkungsmächtige Akteure wie etwa die Parteien und die organisierte Zivilgesellschaft in ihrem jeweiligen Einflussbereich nach Kräften mitwirken, etablierte Strukturen zu hinterfragen und eigene Vorurteile zu überwinden."

Begründung komplett übernommen aus: Policy Paper des Instituts für Menschenrechte: Gleiches Wahlrecht für alle? Menschen mit Behinderungen und das Wahlrecht in Deutschland

Zum passiven Wahlrecht:

  • Ich verstehe die Bedenken. Allerdings sehe ich keine Gefahren. Ich denke, dass § 45 StGB bereits genügend regelt, wann das passive Wahlrecht entzogen wird: (1) Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. Weiterhin bleibt § 13 BWG (1) des Ausschlusses durch Richterspruch bestehen: wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt.

Update: Der Allgemeine Behindertenverband Deutschland (ABiD) formulierte in einer Pressemitteilung diesbzgl. "Jeder Mensch muss – unabhängig von Art und Schwere ihrer/seiner Beeinträchtigung – ihr/sein aktives und passives Wahlrecht frei ausüben können. Wenn dafür Assistenz erforderlich ist, muss diese unabhängig und passgenau ermöglicht werden. Pauschaler Wahlrechtsausschluss diskriminiert und ist daher abzuschaffen." (Quelle)

Update 2: Holger Borner, Stv. Koordinator des Arbeitsausschusses, Deutscher Behindertenrat (DBR) schrieb mir in einer Email vom 22. Januar 2013 folgendes: "Was speziell das passive Wahlrecht angeht, so ist – abgesehen von der wohl eher begrenzten praktischen Relevanz – zu berücksichtigen, dass der Wahlrechtsausschluss in § 13 Nr. 3 BWahlG pauschal erfolgt, also nicht nach dem konkreten Unrechtstatbestand differenziert. Liegt indessen eine besonders schwere Straftat zugrunde, die einen Ausschluss (aktiv wie passiv) rechtfertigt, so bleiben immer noch die Ausschlussmöglichkeiten nach § 13 Nr. 1 BWahlG sowie nach § 45 StGB, der ja im Übrigen auch erst ab einer Verurteilung zu einer bestimmten Freiheitsstrafe einen Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts vorsieht.

Bezüglich Ihrer Frage zur praktischen Ausübung des passiven Wahlrechts ist darauf hinzuweisen, dass es zunächst einmal um die generelle Einräumung eines demokratischen Grundrechts geht. Es widerspricht demokratischen Grundregeln, einem Bürger ein Recht deshalb zu versagen, weil dieser das Recht aus bestimmten tatsächlichen Gründen aller Voraussicht nach nicht oder nur stark eingeschränkt wahrnehmen kann."

Update 3: Die Lebenshilfe hat mir dazu folgende Antwort in einer Email vom 23. Januar 2013 geschickt: "Die Situation des von Ihnen angesprochenen passiven Wahlrechts unterscheidet sich unserer Ansicht nach deutlich von der des aktiven Wahlrechts. Ein Mensch, der unter Betreuung in allen Angelegenheiten steht, ist körperlich/geistig zu sehr eingeschränkt, um den Belastungen eines Wahlamtes dauerhaft gewachsen zu sein. Die Wähler würden solche Personen deshalb auch gar nicht wählen, weshalb aus unserer Sicht das passive Wahlrecht eine rein hypothetische Frage ist. Bisher hat sich auch keiner unserer Mitglieder mit einem derartigen Vorstoß an uns gewandt. Wir sehen daher hier keinen Regelungsbedarf.

Dagegen beklagen viele Eltern, deren erwachsene Kinder unter einer Betreuung in allen Angelegenheiten stehen und gemeinsam mit ihnen Nachrichten oder politische Sendungen schauen, dass ihre Kinder nicht wählen können. Diese Forderung ist uns ein Anliegen, das sich auch juristisch gut begründen lässt, da Deutschland mit seinem Wahlrechtsausschluss gegen völkerrechtliche Normen verstößt. Ich übersende Ihnen im Anhang hierzu ein Positionspapier der Behindertenverbände."

Bisherige Rechtsprechung

Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (LWG)

§ 3 Ausschluss vom Wahlrecht

Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist,

2. für wen zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichneten Angelegenheiten nicht umfasst.

Bundeswahlgesetz (BWG)

§ 13 Ausschluß vom Wahlrecht

Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist,

2. derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt,

3. wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.

Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)

§ 6a Ausschluß vom Wahlrecht

(1) Ein Deutscher ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, wenn

2. zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt,

3. er sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.


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Datum der letzten Änderung

17.02.2013


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  1. NX 22:18, 24. Jan. 2013 (CET)
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