Irrglauben über Netzsperren

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(Vorläufige Version)

Was? Wo? Wie?

Einige werden das sicher kennen.
Man unterhält sich mit jemandem über das Thema Internetsperre/Zensur, versucht demjenigen das Thema näher zu bringen und wird immer wieder mit den gleichen Argumenten konfrontiert: „Das ist doch gut, dass der Staat etwas gegen Kinderpornographie tut“, „Wenn die Seiten gesperrt sind, sind sie doch für niemanden erreichbar“ oder auch „Warum sollte das denn auf andere Gebiete ausgeweitet werden?“.

Die Liste der (oft durch die Presse oder auch Frau von der Leyen) geprägten Desinformationen ist recht lang. Oft darf man immer und immer wieder die gleichen Argumente bringen, oder sich ewig lange Internetberichte kopieren, kommentieren.

Diese Wiki-Seite ist als „Aufklärungshilfe“ für diejenigen gedacht, die anderen möglichst kurz und knapp die Probleme der „Internetsperren gegen Kinderpornographie“ schildern möchten. Dabei versuche ich das Ganze so kurz, knapp und präzise wie möglich zu halten. Für genauere Ausführungen habe ich unten Links zum Thema aufgelistet (Quellen).

Hier Netzsperren einfach erklärt ist ein Versuch das Thema als Comic im PDF-Format darzustellen um es für Nicht-Internetfachleute verständlich darzulegen. Im Comic werden Computer durch Telefone ersetzt, da jeder täglich telefoniert und sich so das Prinzip der Sperren besser vorstellen kann.


Fragen & Antworten

Ja, aber das ist doch gut, wenn solche Seiten gesperrt werden

Diese Seiten werden nicht „gesperrt“, wie man es im ersten Moment denkt. Sie werden lediglich verschleiert. Es wird quasi ein Tuch davorgehängt, welches man ohne Probleme zur Seite schieben kann. Stark vereinfacht könnte man es so ausdrücken:
Jeder PC und jede Seite im Internet hat eine IP (quasi ein Nummernschild oder eine Adresse). Namen wie Google.de oder Wikipedia.org existieren lediglich, damit man sich diese Adresse besser merken kann.
Wenn du eine Internetseite aufrufst, z. B. Google.de, dann fragt dein PC bei einem DNS-Server (einem Verwalter, der weiß, zu welcher Adresse welche IP gehört) nach. Ist diese Seite gesperrt, leitet dich dein PC nicht mehr zu der Seite weiter, sondern zu einem „Stopp-Schild“. So die Idee.
Man kann seinem PC jedoch in wenigen Sekunden sagen, er solle einen anderen DNS-Server (Verwalter) fragen, welcher dich dann wieder auf die richtige Seite umleitet. Alternativ kann man statt Google.de auch einfach 74.125.43.105 aufrufen und landet so direkt ohne Verwalter auf der Seite. Es gibt zigtausend dieser DNS-Server auf der Welt und selbst wenn alle mit einem Filter versehen wären, so könnte man immer noch trotzdem die IP verwenden und würde so auf der gewünschten Seite landen.

Viele dieser Seiten liegen in Ländern, wo gar keine Verfolgung möglich wäre

Es befinden sich nur 3 von 257 Seiten oder knapp 1,2 % in Ländern, in denen keine hinreichenden rechtlichen Mittel zur direkten Verfolgung zur Verfügung stehen. In 98,8 % der Fälle wäre also eine Verfolgung und Bestrafung der Täter statt der Sperrung der Seiten und der damit einhergehenden Vorwarnung der Täter möglich gewesen.
Dem Kinderschutzverein Carechild gelang aber, was den Polizeibehörden offenbar unmöglich war, nämlich in 48 Stunden 16 von 20 zufällig ausgewählten Seiten von der dänischen Sperrliste schließen zu lassen.

Ich habe gelesen, dass Kinderpornographie im Internet stark zunimmt

Laut den Statistiken des BKA selbst ist das Gegenteil der Fall. Die Häufigkeit der Verbreitung von Kinderpornographie betrug 2006 summiert 2897 Fälle. Im Jahr 2007 waren noch 2872 Fälle zu verzeichnen. Das entspricht insgesamt sogar einer Verringerung der Straftaten in diesem Bereich um 1 %.

Und wie kommen diese Zahlen dann zustande?

Es ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es inzwischen viel mehr Ermittlungen in dem Bereich gibt. Beispielsweise wurden bei der Aktion „Himmel“ Verfahren gegen 12.000 Verdächtigte eingeleitet, jedes davon war für die Statistik relevant. Übrig blieben allerdings vor allem eingestellte Ermittlungen wegen fehlender Verdachtsmomente. Auch bei der Wikipedia-logo.pngOperation Mikado, wo Millionen von Kreditkartenkunden gerastert wurden, gab es zwar 322 Ermittlungsverfahren, aber nur „einige Strafbefehle mit Geldbußen“, sagte die zuständige Justizministerin Angela Kolb auf dem Medientreffpunkt in Leipzig.

Allein die Zahl der gesperrten Zugriffe anderer Länder spricht doch für sich

Auch die Anzahl der täglich gesperrten Zugriffe ist eine Phantasiezahl. Sie entspringt einer Hochrechnung der norwegischen Sperrstatistik auf die deutsche Bevölkerung. Die Rechnung des Familienministeriums lautet: In Norwegen würden täglich 15.000 bis 18.000 Zugriffe auf die 3.000 Seiten gesperrt, die in der norwegischen Sperrliste stehen. Norwegen hat 4,8 Millionen Einwohner, Deutschland 82 Millionen. Wenn sich dort 18.000 Zugriffe finden, müssten es nach dem Dreisatz hier also 300.000 sein. Das zumindest war die ursprüngliche Zahl, die von der Leyen bekanntgab. Wie sie inzwischen auf 450.000 anwuchs, ist nicht nachvollziehbar.

Solche Sperren kann man doch nicht so einfach umgehen

Falsch. Jeder, der Youtube kennt, kann diese Sperre umgehen. Und das in 20 Sekunden. Denn so lang sind die Anleitungsvideos auf Youtube, welche zeigen, wie man diese „Sperre“ umgeht. Und nicht pro Seite. Sondern einmal getätigt, erreicht man jede im Internet „gesperrte“ Seite. Dauerhaft!

Wenn weniger Leute diese Kinderpornoseiten besuchen, machen die Betreiber weniger Geld. Und wenn sie weniger Geld machen, stirbt ihnen der Markt weg

Es befindet sich laut vieler Experten kein nennenswerter „Markt“ im Internet. Es wird ab und zu auf eine britische Studie verwiesen. Diese zeigt aber gerade, dass kommerzielle Pornoproduktionen fast immer im legalen Bereich agieren und minderjährige Akteure praktisch nie auftreten. Die hohen Umsätze wurden in den siebziger Jahren erzielt, als sogenannte Lolita-Magazine offen am Kiosk auslagen. Heute wird Kinderpornografie den Ermittlern des LKA München und dem Bund deutscher Kriminalbeamter zufolge über Tauschbörsen, E-Mail-Verteiler oder klassisch per Post vertrieben. Webseiten spielen kaum eine Rolle.
Fast immer stammen die grausamsten Bilder dabei von Tätern aus dem Familienkreis. Und die veröffentlichen diese aus Profilsucht und völlig kostenlos. Genau an dieser Stelle muss sich die Politik fragen lassen, warum den kommunalen Sozialarbeitern und den Präventionsprojekten wie „Kein Täter werden“ das Geld fehlt.

Das wird doch in anderen Ländern auch schon erfolgreich so gemacht

Ja. Wie z. B. Dänemark und Australien, wo zensurkritische, gänzlich pornofreie Seiten, Seiten von Zahnärzten und legale Pornographie zusammen mit kinderfreier Tierpornographie auf der Sperrliste gelandet sind, während bei den tatsächlich auf der Liste befindlichen Kinderpornoseiten auf weitere Schritte verzichtet wurde (und diese sich nebenbei in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen befinden).

Man wird die Inhalte doch nicht nur sperren, sondern auch versuchen sie komplett zu löschen

Gerade die Erfahrungen mit der z. B. skandinavischen Sperrliste sprechen dagegen: Obwohl die Mehrzahl der dort gesperrten Seiten unter anderem in Deutschland liegt, wurde offenbar noch nichts Wirksames gegen sie unternommen. Laut Scusi fand man bei der über 6 Monate alten Sperrliste noch immer aktive Seiten in Deutschland. Das ist nicht gerade ein Hinweis darauf, dass neben der Sperrung von Webseiten aktiv an der Schließung der betreffenden Server gearbeitet wird.

In Schweden z. B. wird das doch erfolgreich so gemacht

Die schwedische Polizei gestand die Untauglichkeit solcher Maßnahmen längst ein. Leider gelinge es durch Sperren nicht, die Produktion von Webpornografie zu vermindern, sagte der Chef der Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie und Kindesmisshandlung in Stockholm.

Von der Leyen behauptet, es gäbe eine Art „Suchtwirkung“

… für die es ebenfalls keine Belege gibt. Kriminologe Henning Ernst Müller hält die Anfixthese gar für „eine Art kriminologische Phantasie“ der Ministerin Ursula von der Leyen.

Warum wird von „Zensur“ geredet, wenn es doch offensichtlich nur um kinderpornographische Seiten geht?

Hat man bei der Bundestagssitzung zum Entschluss noch groß beteuert, es hätte niemand die Absicht eine Mau… ehm, Internetzensurstruktur zu errichten oder sie auf andere Gebiete auszuweiten, tauchte noch nicht einmal eine Stunde nach Beschluss die erste Meldung auf, die anderes ankündigte. So prüfe man z. B. gerade ernsthaft auch Killerspiele zu zensieren. Ebenso islamistische Inhalte. Dass die Musikindustrie sich genauso wie Buchhändler nun erst recht zu Wort meldet und oft auch Gehör findet, braucht kaum erwähnt zu werden. Quellen hierzu findet ihr am Ende des Artikels. Es bedarf wohl keiner langen Überlegung, dass zumindest der ein oder andere hier Gehör finden wird.
Forderungen wurden laut, dass sich Personen nur noch unter Vorlage des Ausweises im Internet bewegen dürfen, mit dem elektronischen Personalausweis ist die technische Grundlage dafür bereits geschaffen – würden Sie wollen, dass ein Verkehrspolizist bei jeder Ihrer Fahrten auf der Autobahn auf Ihrer Rückbank mitfährt und heimlich Absperrungen errichten lässt, um Ihre Fahrt so zu lenken, wie es ihm gefällt?

Quellen

http://www.kinderporno-sperre.de/tag/sperrlisten
http://www.zeit.de/online/2009/20/kinderpornografie-fakten
http://handelsblatt6.blogg.de/eintrag.php?id=2147
http://pressetext.de/news/090312021/openlimit-ueberzeugt-cebit-besucher-auf-ganzer-linie/
http://www.golem.de/0905/66960.html
http://kaffeeringe.de/Blog/Das-Internet-darf-kein-rechtsfreier-Raum-sein.527.html

Siehe auch