Initiative gemeinsames Europawahlprogramm/Anträge für die Umfrage 2013/Europawahlprogramm - 124

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Steuern und Haushalt
Nummer: 124
Antragsteller: Arne.Pfeilsticker
Bundesparteitag: 2013.2
Zusammenfassung: Die Piraten setzen sich auf europäischer Ebene für Instrumente und Rahmenbedingungen ein, die eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Finanzpolitik bewirken.
Schlagworte: Finanzpolitik, Haushalt, Staatsverschuldung
Ranking: 1
Datum der letzten Änderung: 30.09.2013
Inhalt
Titel: Nachhaltige gemeinwohlorientierte Finanzpolitik für Europa
Text: Modul 1 ist die Kurzfassung, die durch Modul 2 zu einer Langfassung ergänzt wird. In Modul 2 werden konkrete Vorschläge zur Umsetzung vorgestellt.

Modul 1 (Kurzfassung)

Die Piraten setzen sich auf europäischer Ebene für Instrumente und Rahmenbedingungen ein, die eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Finanzpolitik bewirken.

Die Gemeinwohlorientierung ist Teil der Umsetzungsstrategie einer freien, gerechten und nachhaltigen Welt.

Vielfalt erwächst aus gelebter Freiheit. Deshalb sind die Instrumente so zu gestalten, dass sie einerseits eine möglichst unabhängige Finanzpolitik der einzelnen Staaten ermöglichen, andererseits sollen sie im Ernstfall effektiv Probleme lösen. Die Gemeinwohlorientierung impliziert, dass die unabhängige Finanzpolitik der einzelnen Staaten dort ihre Grenzen findet, wo sie zu Lasten anderer Länder geht und ein angemessener Ausgleich nicht gefunden wird.

Es liegt auch im Interesse jedes einzelnen Bürgers und des Gemeinwohls, dass Regierungen, die keine nachhaltige Finanzpolitik betreiben, auf diesen Sachverhalt hingewiesen und gegebenenfalls sanktioniert werden.

Eventuelle Sanktionen der Gemeinschaft dienen dem Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkungen einer unverantwortlichen Finanzpolitik.

Die bisherigen Konzepte, die primär die Haushalte zu Lasten der breiten Bevölkerung sanieren oder die Verursacher der Eurokrise vor Verslusten schützen, werden grundsätzlich abgelehnt.

Zur Umsetzung einer nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Finanzpolitik sollen vorbeugende und sanierende Instrumente entwickelt und eingesetzt werden.

Modul 2 (Ergänzung zur Langfassung)

Vorbeugende Instrumente

Transparentes und aussagefähiges Leistungs- und Finanzmanagement

Zu den vorbeugenden Instrumenten zählt ein verpflichtendes, transparentes und aussagefähiges Leistungs- und Finanzmanagement aller öffentlichen Haushalte. Bei der Rechnungslegung soll über die kaufmännische Buchführung hinaus auch eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt werden.

Die Piraten unterstützen die Open Government-Ansätze. So soll z.B. die Rechnungslegung aktuell über ein Internetportal allgemein einsehbar und kommentierbar sein. Durch diese Transparenz sollen:

  1. eine gute Haushaltsführung sichtbar, nachvollziehbar und kopierbar werden.
  2. die öffentliche und parlamentarische Kontrolle einfach und effektiv ermöglicht werden.
  3. Fehlentwicklungen und Missstände bereits im Entstehen erkannt und beseitigt werden.
  4. Synergieeffekte durch bessere Kooperation ermöglicht werden.
  5. die Leistungen der öffentlichen Haushalte verbessert und bürgerfreundlicher werden.
  6. die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Institutionen verbessert werden.

Über das Internetprotal sollen umfangreiche Analysen und Vergleiche mit anderen öffentlichen Haushalten ermöglicht werden. Diese Analyse- und Vergleichsinstrumente dienen insbesondere den öffentlichen Haushalten für ein Qualitätsmanagement ihrer Haushaltsführung, einem intensiven Wissenstransfer und der Kooperation zwischen Institutionen weltweit.

Bei Bedarf und gegebenem Anlass soll ein unabhängiges Beratergremium der Gemeinschaft offizielle Begutachtungen vornehmen und gegebenenfalls Empfehlungen aussprechen und Unterstützung anbieten.

Zu den vorbeugenden Instrumenten zählen auch folgende Grundsätze zur Finanzpolitik:

Ausgeglichene Leistungsbilanz

Die Finanzpolitik ist so zu gestalten, dass die Leistungsbilanzen der öffentlichen Haushalte und Teilhaushalte ausgeglichen sind. Bezugsgröße für den Ausgleich der Leistungsbilanz sind die zu erstellenden Leistungen (Outputsteuerung). Das bedeutet, dass nicht die irgendwie erworbenen Ansprüche Maßstab für die Mittelbereitstellung sind, sondern eine Abteilung erhält die Mittel, die sie für eine wirtschaftliche, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Haushaltsführung benötigt.

Gute und schlechte Schulden

Kredite können nur für konkrete Projekte und mit einem konkreten Tilgungsplan aufgenommen werden.

Die Kredite werden nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten in gute und schlechte Schulden unterteilt. Gute Schulden verbessern nachhaltig die Leistungsbilanz eines öffentlichen Haushalts und führen so mittel oder langfristig zu weniger Schulden. Ein Beispiel für gute Schulden ist eine energetische Sanierung, die sich rentiert. Gute Schulden finanzieren Projekte, die unterm Strich mehr Ausgaben einsparen als sie kosten.

Optionales Modul 3

Kredite für gute Schulden können über die Zentralbank aufgenommen werden. Eine Finanzierung über Finanzmärkte wird abgelehnt, weil die Zinsen für Staatsanleihen eine de facto Subventionierung des Finanzsektors darstellt.

Optionales Modul 4

Für schlechte Schulden müssen die finanziellen Mittel direkt bei der betroffenen Bevölkerung eingeworben werden. Dadurch soll die Mitsprache verstärkt und die Notwendigkeit des Projektes gründlicher diskutiert werden. Wenn Frankfurt z.B. eine neue Oper bauen möchte und dieses Projekte nicht aus dem laufenden Haushalt finanzieren werden kann, dann müsste die Stadt Frankfurt die Mittel durch Stadtschuldverschreibungen bei den Frankfurter Bürgern aufnehmen.

Ende Optionales Modul 4

Gutes und schlechtes Einsparen von Staatsausgaben

Analog zu den guten und schlechten Schulden gibt es ein gutes und schlechtes Einsparen von Staatsausgaben (Sparen).

Gutes Sparen stoppt Verschwendung. Schlechtes Sparen kürzt Ausgaben für notwendige Leistungen, die in ihrer Wirkung die Leistungsbilanz des öffentlichen Haushaltes verschlechtern. Schlechtes Sparen führt über kurz oder lang zu Einnahmeausfällen und/oder zu mehr Ausgaben, als kurzfristig gespart werden. Ein nicht oder zu spät repariertes Dach ist ein Beispiel für schlechtes Sparen.

Gutes Sparen solle immer; schlechtes Sparen sollte nie durchgeführt werden.

Sanierende Instrumente

Wenn die Finanzpolitik von Staaten in Schieflage gerät, dann können sanierende Instrumente in Anspruch genommen werden. Die sanierenden Instrumente sollen nicht primär dem Gläubigerschutz, sondern der Problemlösung des Landes dienen. Sie bestehen aus klar definierten gemeinsam erarbeiteten Leistungen und Gegenleistungen, die die Staaten aus der Finanzkrise führen.

Die Leistungen, die ein Staat von der Gemeinschaft bekommt sind umfassend und solidarisch. Als Gegenleistung verpflichten sich die Staaten die vereinbarten Maßnahmen konsequent umzusetzen und die verstärkten Kontrollen zu akzeptieren. Leistungen und Gegenleistungen gemeinsam haben das Ziel in den betroffenen Staaten eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Finanzpolitik zu etablieren und zu erhalten.

Begründung: Die öffentlichen Haushalte setzen nicht nur die politischen Zielvorgaben um, sondern sind gleichzeitig ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Dieser wirtschaftliche Aspekt muss beachtet werden, wenn wir im politischen Bereich nicht nur Geld ausgeben wollen, sondern erreichen, dass mit diesem Geld auch die angestrebten politischen Ziele erreicht werden.

Zielsetzungen für Europa

Die aktuelle Eurokrise zeigt, dass diese Krise nicht nur eine Katastrophe für Länder wie Griechenland und Spanien ist, sondern das Europäische Projekt als Ganzes in ernsthafte Gefahr bringt. Diese Krise treibt Europa auseinander und zwingt Entscheidungen auf, die sonst nicht getroffen worden wären.

Auch Deutschland, das bisher eher zu den Krisengewinnern gehört, kann über diese Entwicklung nicht zufrieden sein, weil am Ende dieser Entwicklung eine weitere Vermögenskonzentration zu Gunsten des internationalen Finanzkapitals steht und Deutschland genauso wie jetzt die südeuropäischen Staaten ein Opfer dieser Entwicklung sein wird.

Eine prägnante Analyse dieser Gefahr hat Karl Pitz in seinem YouTube Kanal MacroAnalyst dargelegt: https://www.youtube.com/user/MacroAnalyst

In dieser Serie von Videos bietet das Video 1.6 Der Umbruch Europas eine Übersicht. Es wird gezeigt, dass die vermeintliche Umverteilung vom Zentrum der Gemeinschaft in die Peripherie in Wahrheit eine groß angelegte Vermögensumverteil aus ganz Europa an das internationale Finanzkapital darstellt: https://www.youtube.com/watch?v=x2mjSDR8TiI

Nur eine nachhaltige, d.h. eine auf Dauer angelegt Finanzpolitik, sichert die Unabhängigkeit der europäischen Staaten und die freie Entfaltung ihrer Bürger.

Staatsverschuldung über die Zentralbank

Da die Vorschläge zur Kreditaufnahme über die Finanzpolitik im engeren Sinne hinausgeht, wurden sie als optionale Module aufgeführt, damit daran eine eventuelle Zustimmung nicht scheitert.

Die Finanzierung der Staatsverschuldung über die Finanzmärkte ist weder notwendig, noch sinnvoll. Die Behauptung, dass durch eine Staatsverschuldung über die Zentralbank die Notenpresse angeworfen und Inflation unausweichlich ist, entbehrt jeder Grundlage. Kreditgewährung durch Banken an Nichtbanken ist immer mit einer Geldschöpfung verbunden. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Geldschöpfung über die Zentralbank direkt oder über Geschäftsbanken läuft. Darüber hinaus war es die Kreditpolitik der Geschäftsbanken, die zu der derzeitigen Überschuldung geführt hat.

Einzelstaaten und öffentliche Haushalte auf allen Ebenen können und sollen über demokratisch legitimierte Institutionen und nicht über Finanzmärkte kontrolliert und gesteuert werden.

Eine Abkehr der Finanzierung der Staatsverschuldung über Finanzmärkte entzieht dem internationalen Finanzkapital die damit verbundene Einflussmöglichkeit. Sie verhindert auch, dass den Finanzmärkten leistungsloses Einkommen in Form von Zinsen zufließt. Die Zinsen, die die Staaten bei einer direkten Finanzierung durch die Zentralbanken bezahlen, fließt im Wesentlichen an die Staaten über die Gewinne der Zentralbank zurück.

Ausgeglichene Leistungsbilanz

Die Abkehr vom Ausgleich der Finanzebene und Hinwendung zur Leistungsebene ist ein Novum und wesentlicher Aspekt. Dieser Perspektivwechsel führt weg von den Symptomen und hin zu den Ursachen. Eine ausgeglichene Leistungsebene führt mittel oder langfristig zu einer ausgeglichenen Finanzebene. Probleme auf der Finanzebene haben im Wesentlichen ihre Ursache auf der Leistungsebene: Die Kosten sind höher als die Erlöse und die Institution lebt von der Substanz.

Die Sparpolitik in Griechenland hat deutlich gezeigt zu welch verheerenden Folgen schlechtes Sparen führen kann. Schlechtes Sparen kann die Leistungsebene derart außer Tritt bringen, dass ein Kollaps oder eine Rezession der Wirtschaft unausweichlich sind. Schlechtes Sparen hat für öffentliche Haushalte eine ähnliche Wirkung, wie wenn Unternehmen aufhört ihre Anlagen zu warten.

Leistungs- und Finanzmanagement

Eine ausführlichere Beschreibung, wie das angesprochene Leistungs- und Finanzmanagement aussehen könnte, wird in dem Strategiepapier kommunales Leistungs- und Finanzmanagement beschrieben: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Wirtschaft/Themengruppen/KLF

In dem Strategiepapier wird ein kommunales Open Source Projekt vorgeschlagen, das sich auch über die Kommunen hinaus auf Landes- und Bundeshaushalte anwenden lässt.

Open Government Leistungs- und Finanzmanagement
Piratenpad: https://piratenpad.de/p/Finanzpolitik
Liquid Feedback: -
Wiki-Antragsfabrik: -

Anregungen Eine Anregung hinzufügen

Bitte hier Anregungen/Bemerkungen zum Wahlprogrammpunkt eintragen.

  • Frage: Sind Schulden für eine neue Autobahn gut oder schlecht?
Antwort von Arne: Ob der Kredit für den Bau einer neuen Autobahn gute oder schlechte Schulden sind, hängt vom konkreten Projekt ab.
Wenn das Projekt unterm Strich mehr Kosten einspart, als es selbst Kosten verursacht, dann wären es gute Schulden. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn es sich bei der neuen Autobahn um ein kurzes Verbindungsstück zwischen zwei bestehenden Autobahnen handelt und dadurch ein langer und dichter Verkehrsstrom durch diverse Städte und Gemeinden abgekürzt wird.
Nach meinen bisherigen Überlegungen wären nur die Kosteneinsparungen zu berücksichtigen, die durch den geringeren Verschleiß der bestehenden Straßen entsteht. Nicht berücksichtigt sind die Einsparungen der Autofahrer selbst, d.h. kürzere Straße bedeutet weniger Spritverbrauch. Man könnte überlegen, ob zu einem gewissen Teil solche Kosteneinsparungen ebenfalls berücksichtigt werden.
Wäre die neue Autobahn jedoch ein Prestigeprojekt in einer Gegend, in der die Verkehrsinfrastruktur jetzt schon überdimmensioniert ist, dann würde die neue Autobahn nur zusätzliche Kosten verursachen und deshalb wäre der Kredit für diese Projekt schlechte Schulden.
Die Unterteilung in gute und schlechte Schulden erfolgt rein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und besagt, dass wenn ich diese Schulden aufnehme, dann habe ich aufgrund der Kosteneinsparungen insgesamt mittel oder langfristig weniger Schulden als ohne diese Projekt und Kreditaufnahme. Selbstverständlich entbindet diese betriebswirtschaftliche Betrachtung nicht davor, dass z.B. ein Autobahnprojekt auch nach ökologischen Gesichtspunkten begutachtet wird. Und am Ende sollte die Entscheidung unter Abwägung aller relevanter Kriterien erfolgen.

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Hier kann das Für und Wider zum Wahlprogrammpunkt eingetragen werden.

Pro/Contra-Argument

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    • dein Gegenargument

Anhalter grundsätzlich gute Idee, aber leider viel zu komplex ausgearbeitet. Bitte kürzen und Begriffe wie "gute/schlechte" Schulden vermeiden und alles das nach Bevormundungspolitik ala Grüne/Bündnis 90 klingt vermeiden. Gestrafft auf die Kerninhalte: mehr Bürgerbeteiligung durch Transparenz / vollständige Rechnungslegung durch Einbeziehung / Bewertung von langfristigen Gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen/ Schuldenaufnahme nur zur Finanzierung langfristiger Infrastrukturpolitik / Kreditaufnahme direkt bei EZB oder Limitierung des Zinsaufschlags wenn Finanzierung über Privatbanken.

  • Anmerkungen von Arne:
    • Durch die Begriffe "gute/schlechte" Schulden bzw. Sparen wollte ich allgemeinverständlicher werden. Der Kern der Botschaft ist, dass weder Schulden grundsätzlich schlecht, noch das Einsparen von Ausgaben grundsätzlich gut ist. Ich bin aber an anderen Meinungen sehr interessiert und wenn es viele so sehen wie du, dann würde ich mich gerne eines Besseren belehren lassen.
    • Jede Bevormundungspolitik ist mir fern. - Aber eine Politik nach dem Motto: "Du kannst alles machen, aber nur nichts ändern." funktioniert m.E. nicht. Ich bin Strukturalist und suche nach behutsamen Strukturveränderungen, die das gewünschte Verhalten mit der Zeit und auf "natürliche" Weise entstehen lassen.

Unterstützung / Ablehnung

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