Die ärmsten Länder dieser Welt sind klassische Agrarstaaten. In derselben Situation befand sich Europa vor ca. 200 Jahren. Wenn die ärmsten Länder der Welt eine wirtschaftliche Perspektive habe sollen, ist es notwendig, dass diese Staaten die Produktivität ihres Agrarsektors erhöhen um mehr Menschen ernähren zu können. Dies kann aber nur funktionieren, wenn die Landwirte in diesen Staaten mehr Geld für Investitionen erhalten. [1]
Die Rolle der Subvention
Die Gesamtsubvention im Agrarbereich betragen fast 400 Mrd. US-Dollar. [2] Während das Bruttoinlandsprodukt von Afrika z.B. gerade einmal 1,25 Billionen [3] ausmacht. Die Subventionen sorgen nicht nur dafür, dass Länder sich nicht entwickeln können.Sie sind auch dafür verantwortlich, dass in Europa die Preise für Lebensmittel höher sind, wie diese auf dem Weltmarkt angeboten werden.Von diesen höheren Ausgaben sind Überproportional ärmere Bürger in Europa betroffen.
Die Schätzungen des Nutzens einer Marktöffnung für die ärmeren Ländern reichen von 10-100 Mrd US-$ Dollar pro Jahr. Allerdings stellt sich bei einem Vergleich der Kaufkraftparität die Situation schon um einiges besser da.
Subvention als Meritorisches Gut
Landwirte leisten über die reine Nahrungsmittelproduktion noch weitere Dienste für die Gesellschaft (z.B. Landschaftspflege,, Naturschutz usw). Hier wäre es sinnvoll, die Subventionen so umzugestalten, dass diese unabhängig von der produzierten Menge an Agrargütern gezahlt werden.
Wieso ein Drittel?
Bei einer Reduzierung der Subventionen würde automatisch das Ziel der EU des Selbstversorgungsgrads in den einzelnen Agrarbereichen zu Disposition gestellt werden. Dies wäre zwar nur auf den nicht tierischen Bereich begrenzt, aber die Drittel-Forderung ist ein globaler Wert, der sich auf den gesamten Agrarbereich in der EU bezieht. Somit wäre in einzelnen Sektoren dieser Wert teilweise über und zum Teil unterschritten. Bei der Aufgabe des Selbstversorgungsziels im Agrarbereich müsste im Notfall zwischen einzelnen Agrarprodukten umgeschichtet (dies würde im Normalfall durch die Preisunterschiede automatisch passieren!) werden. Europäer haben im Gegensatz zu vielen anderen Weltbürgern das Privileg von Auswahloptionen. Dennoch wäre ein Globalziel von z.b. 50% die Selbstversorgung der EU im Agrarbereich zu stark gefährdet und wäre demnach unverantwortlich. D.h. wir sind zwar solidarisch, aber die 2/3 Eigenversorgung soll weiterhin gewährleistet sein. Die Lebensmittelversorgung bleibt weiterhin unter der Kontrolle der EU-Administration und ist nicht so stark aufgeweicht, dass die EU zu stark von externen Akteuren abhängig wäre.
Am Rande sei erwähnt, dass in den Futtermitteln für Tiere als auch beim großen Schwund bei der Ernte ein großes Reservoir birgt, um die EU-Bürger ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen.
Wieso 10 Jahre ?
10 Jahre bei dem Ziel von 33% heißt eine Umstellung von 3,3% des gesamten pflanzlichen Agrarbereichs. Dies ist pro Jahr ein relativ überschaubarer Prozentsatz und gibt Landwirten die Möglichkeit, sich langsam auf die Änderungen einzustellen.
Wieso nur der pflanzliche Bereich?
1. Die Zucht von Schlachtvieh und der Milchwirtschaft bedeutet eine Veredelung von pflanzlichen in tierische Nahrung. Dies ist im Verhältnis je nach Quellenlage zwischen 2 bis 16. D.h. für eine Kilogramm Fleisch müsste ein Mehrfaches an Futter aufgebracht werden. In armen Ländern, die sich auf die Milch und Fleischproduktion spezialisieren würden, würde ein zu hohes Risiko mit der Nahrungsmittelversorgung der einheimischen Bevölkerung bestehen. Deshalb ist aus ethischen Gründen die Einfuhr von tierischen Produkten von armen Ländern in die EU durch den zu hohen Einsatz von Futtermitteln nicht zu verantworten.
2. Die Kontrolle von tierischen Nahrungsmitteln erfordert mehr Aufwand als die Überprüfung von pflanzlichen Agrarprodukten. Bei der Viehhaltung ist die Möglichkeit der Verschleierung, als auch das Unterlaufen von Standards wesentlich schwerer nachzuweisen.
Da wir bei der Einfuhr von Agrarprodukten von Ländern ausgehen müssen, die zum Teil keine funktionierenden Kontrollmechanismen haben, wäre aus Gründen der Lebensmittelsicherheit die Einfuhr von tierischen Produkten wesentlich problematischer.
Wieso eine Zertifizierungs- bzw. Kontrollkommission?
Eine der Hauptgegenargumente gegenüber der Marktöffnung wird sein, dass sich Großkonzerne die Marktöffnung zu Nutze machen und in den armen Ländern Agrarfabriken errichten um einen höheren Profit zu erzielen. Diese Konzerne könnten bestrebt sein, den Nutzen für die einheimische Bevölkerung so gering wie möglich zu lassen und alles Geld, was erwirtschaftet wird, den armen Ländern vorzuenthalten.
Eine Kontrollkommission soll dies verhindern, da es in vielen ärmeren Ländern kein funktionierendes Staatswesen gibt, was sich gegen die Bestrebungen von Großkonzerne behaupten könnte. Wie am Beispiel China zu sehen ist, ist ein starker Staat bei einer sich entwickelnden Ökonomie vom Vorteil.
Des Weiteren muss gesichert werden, dass eine Marktöffnung nicht dazu führt, dass der Import aus Nordamerika entsprechend der Produktionsreduzierung ansteigt.
Wieso reicht nicht die Forderung nach einer allgemeinen Öffnung der Agrarmärkte?
Diese Forderung wurde von einigen Parteien und andere Organisationen in der Vergangenheit bereits gestellt. Augenfällig dabei ist, dass es in diesem Bereich bis heute kaum einen Erfolg gegeben hat. Es hat den Anschein, dass die allgemeine Forderung nach einem Ende des Marktprotektionismus nur soweit gestellt wird, solange niemand davon Nachteile erleidet. Nur wird mit derartigen Forderungen nichts erreichen. Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, dass die Macht des Agrarsektors sehr stark ist.
Die Forderung nach konkreten Zielmarken würde andere Befürworter von Marktöffnungen dazu bewegen, sich zu bekennen ob sie in der Vergangenheit nur Lippenbekenntnisse von sich gegeben haben.
Wieso reicht es nicht, einfach die Ausgaben in der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen?
Leider hat dieser Bereich gezeigt, dass es einen Unterschied macht, ob eine Person Geld durch eigene Arbeit oder aufgrund einer unkonditionierten Verteilung erhält. Einfach Geld auf Zuruf zu verteilen und nicht zu überprüfen, wie die Wirkungszusammenhänge in Gesellschaft und Ökonomie erfolgen, hat in der Vergangenheit keinen Erfolg gehabt und wird in Zukunft nicht zum Erfolg führen.
Wenn man sich den ökonomischen Erfolg Chinas in den letzten zwei Jahrzehnten anschaut, ist augenfällig, dass dieses Land seinen Erfolg eben nicht der Entwicklungszusammenarbeit sondern seiner ökonomische Integration in den Welthandel verdanken hat. Soziale und umweltpolitische Verwerfungen in diesem Bereich sind zwar nicht zu übersehen, aber ähneln stark der industriellen Entwicklung Europas im 19.Jahrhundert.
Wieso ist der Antrag bei den Mittel der Zielerreichung so wage?
Das Ziel ist ein 33% Anteil am Agrarmarkt (zu Weltmarktpreisen) der ärmsten Länder. Dieses soll durch eine Marktöffnung des pflanzlichen Agrarsektors innerhalb von 10 Jahren erfolgen. Vor allem ist das Ziel mit einem Umbau der Agrarsubvention zu erreichen.
Die Mittel/Instrumente sind bewusst ausgeklammert, um ein Verwässern/Revidieren des Ziels zu verhindern. D.h. alle Mittel/Instrumente sind zulässig, solange das Ziel erreicht wird.
Des Weiteren handelt es sich um eine politische Forderung und nicht um eine Ausführungsbestimmung. Je konkreter die Mittel wären, umso angreifbarer wäre die gesamte politische Position. Dies soll unbedingt verhindert werden. Ob die Ziele umgesetzt werden, hängt vom politischen Willen ab. Bereits heute importiert die Europäische Union Kakao, Kaffee und Bananen aus unterentwickelten Ländern. Somit ist eine Ausweitung dieser Handelsströme technisch durchaus möglich.
Wie stehen wir zur europäischen Landwirtschaft?
Zunächst muss festgehalten werden, dass die Agrarindustrie in Europa sehr mächtig ist. Die Hälfte des EU-Haushalts wird für Agrarsubventionen aufgewandt. In unseren Beschlüssen haben wir die Fortsetzung der Intensivlandwirtschaft abgelehnt. Konsequenterweise sollte dann dieser Agrarbereich langfristig auch keine Subventionen mehr erhalten.
Ein Umbau der Agrarsubvention mit dem Ziel der Marktöffnung müsste nicht zwangsläufig in geringere Subventionen münden. Nur sollte diese Subventionen nicht mehr den ärmsten Menschen auf der Welt Entwicklungs- und Lebenschancen nehmen.
Links:
http://suedsudan.de/inc/ERDKUNDE_primaersektor_in_afrika.pdf
http://ec.europa.eu/regional_policy/activity/rural/index_de.cfm
http://www.euractiv.de/fileadmin/images/Agrarsubventionen_DE_2011.pdf
http://www.europolitan.de/Wirtschaft/Eurozone/Suedzucker--RWE-und-Lufthansa-profitieren-von-EU-Agrarsubventionen/278,16134,0,0.html
http://ec.europa.eu/agriculture/agrista/2000/table_de/de383.pdf
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrarsubventionen-mehr-umweltschutz-auf-dem-acker-1.1000525
http://ec.europa.eu/agriculture/cap-post-2013/index_de.htm
http://germanwatch.org/tw/eu-agr05.htm
http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/GutachtenGAP.html
http://homepage.univie.ac.at/christian.sitte/PAkrems/zerbs/volkswirtschaft_I/haupttexte/gbg.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Agrarsubvention
http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinsame_Agrarpolitik
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