Begründung:
Bezugnehmend auf Grundsatzprogramm:
International wollen wir geeignete Rahmenbedingungen für offene Märkte und freien Informationsaustausch herstellen. Viele gegenwärtige wirtschaftspolitische Absprachen öffnen Märkte nicht, sondern sichern einmal erworbene Vorteile z.B. durch Handelsabkommen und Subventionen ab. Dies ist vielfach zum Nachteil aller Verbraucher sowie zum Nachteil vieler Volkswirtschaften.
(Absatz aus Grundsatzprogramm - PA481.4) (Kann evtl. als eigener Antrag in die Ini-Antragsfabrik eingefügt werden)
Statt dass wie bisher von den Regierungen ernannte "Expertengruppen" sich hinter verschlossenen Türen zum vermeintlichen Wohl ihrer heimischen Wirtschaft versuchen gegenseitig über den Tisch zu ziehen, sollten öffentliche Verhandlungen nach diesen Prinzipien zu Verträgen führen, die nicht die Interessen einzelner Branchen oder Verbände im Auge haben, sondern das Wohl aller Menschen in der vereinigten Wirtschaftszone.
zu 1.: Priorität für lokale Wirtschaftskreisläufe
Beim Handel müssten wieder lokale Kreisläufe bevorzugt werden. Produkte, die in der eigenen Region erzeugt werden, sollten bevorzugt gekauft werden. Nur was es in der Region nicht gibt, wird aus dem nächstgrößeren Gebiet (Region, Bundesland, Land, Kontinent, Welt) gekauft (Prinzip der Subsidiarität). Das könnte durch festgelegte, einheitliche Abstufungen der Mehrwertsteuer erreicht werden. Z.B. +5% auf Produkte aus einer anderen Region, +10% aus einem anderen Bundesland, +15% aus dem gleichen Land, +20% aus einem anderen Land der Wirtschaftsgemeinschaft, +25% aus anderen Ländern des gleichen Kontinents, und +30% für Produkte aus Ländern von anderen Kontinenten. Alle willkürlichen Zölle und Subventionen sollten dagegen aufgehoben werden.
Diese prinzipielle Bevorzugung lokaler Wirtschaftskreisläufe würde verhindern, dass z.B. eine Kuh aus Deutschland nach Polen zum Schlachten gefahren wird, um ihr Schnitzel dann in Paris zu verkaufen, obwohl es auch in der Nähe einen Schlachter und Metzger gibt.
Auch beim Systemdesign für Computer achtet man darauf, dass man Module so aufteilt, dass sie den Großteil ihres Datenaustausches intern bewältigen und die Schnittstellen zu anderen Modulen so klein wie möglich sind. Nur dann wird ein System effizient, schnell und verbraucht wenig Energie. Die Kriterien, nach denen die 'richtige' Zuständigkeit ermittelt wird, entsprechen bei der Subsidiarität denen beim objektorientierten Systementwurf.
Dieses Konzept gibt es in den meisten Gebieten der Wissenschaft: In der Systemtheorie heisst es modularer Aufbau, beim Software-Design Objekt-Orientierung, in der Politik Subsidiaritätsprinzip. Auch in der Biologie haben diejenigen Pflanzen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, die ihre Energieversorgung über möglichst kurze Wege bewerkstelligen können, also energieeffizient aufgebaut sind.
Nur in der Wirtschaft ist man der Meinung, dass es sinnvoller ist, die Prinzipien eines dörflichen Bauernmarktes einfach nur auf die ganze Welt hochzuskalieren.
Mit der Modularisierung ist allerdings keine funktionale Aufteilung gemeint, also in einer Art wie 'Deutschland entwirft Autos', 'Indien macht Software', 'China wird die Fabrik der Welt'. Das wäre eine Aufteilung, wie sie sich nach dem gängigen Wirtschaftsmodell des komparativen Kostenvorteils ergibt. Das Modell der funktionalen Programmierung hat es in der Informatik auch gegeben. Dort hat es sich aber als sinnvoller ergeben, nicht nur die Funktionen, sondern auch die Daten zu modularisieren und als Objekte möglichst eigenständig zu machen. Diesen Wechsel von der funktionalen zur objektorientierten Arbeitsweise müssen wir in der Weltwirtschaft auch vollziehen.
Übertragen auf die Wirtschaft würde das bedeuten, kleineren Wirtschaftsregionen eine möglichst große Eigenständigkeit zu ermöglichen, statt alles Wirtschaften auf den Weltmarkt auszurichten.
Eine Bevorzugung lokaler Kreisläufe wäre auch kein Rückfall in den Protektionismus, weil nicht gezielt unerwünschte Produkte blockiert oder verteuert werden, sondern allgemein auf verbrauchsnahe Produktion Wert gelegt würde. Diese Lokalitätspriorität könnte jedes Land realisieren, ohne dass es zu Handelskriegen kommt. Die Höhe der Besteuerung könnte sich von selbst einpendeln, weil ja auch erwünschte Importe von Waren, die es intern nicht gibt, von hohen Steuern betroffen wären.
Diese Lokalitätspriorität wäre vielmehr eine Art Synthese oder goldener Mittelweg zwischen Protektionismus und völlig unkontrolliertem Freihandel, der die Nachteile beider Extreme vermeiden würde. Wie sich das System auswirkt, hängt dabei völlig von den einstellbaren Sätzen ab. Es ließe sich damit paraktisch jeder Zustand zwischen Freiwirtschaft (gleich hohe Sätze für alle Entfernungen) und Abschottung (1000% auf alles aus dem Ausland) einstellen. Klassischer Protektionismus wäre aber nicht möglich, weil sich weder ein bestimmtes Produkt, noch eine Firma, noch ein Land gezielt angreifen ließen.
Diese Abgaben sollen natürlich nicht den weltweiten Handel verhindern, sondern sie könnten zu einer Dezentralisierung und Streuung der Produktionsstätten führen, weil es dann wirtschaftlich günstiger wäre, nahe am Verbraucher zu produzieren. Diese Dezentralisierung der Produktion würde weltweit verstreut Arbeitsplätze schaffen, und wäre auch aus Sicherheitsgründen sinnvoller. Vor einigen Jahren wäre die Produktion von Mikrochips fast zum Erliegen gekommen, weil Erdbeben die weltweit einzigen, wenigen Fabriken in Südostasien stark beschädigt hatten.
Das Prinzip der Förderung lokaler Kreislaufwirtschaft wurde auch schon für Maßnahmen der Agenda21, einem Vorgänger der Erdcharta der UNO, als sinnvoll anerkannt.
Eine andere Möglichkeit, eine Lokalitätspriorität einzuführen, wäre eine erhebliche Verteuerung der Transporte. Würden die Transportkosten einen erheblichen Teil der Preise ausmachen, würde das auch zu einem Vorteil lokaler Produktionen führen.
Die Verteuerung des Erdöls durch die rasant gestiegene Nachfrage in China und die höheren Kosten für die Erschließung der verbliebenen Lagerstätten könnte von selbst zu diesem Effekt führen. Allerdings befürchte ich, dass es eher zu harten Auseinandersetzungen um die letzten Felder kommen wird, als dass sich die Wirtschaft auf verbrauchsnahe Produktion umstellt. Eine abrupte Erhöhung der Transportkosten mit dem expliziten Ziel der Modularisierung könnte durch eine Anrechnung der ökologischen Schäden der Transporte erfolgen.
Wären die Transportkosten zum Kunden so hoch, dass sie einen erheblichen Einfluss auf den Preis der Handys hätten, würde es sich beispielsweise für Nokia auszahlen, sowohl in Bochum als auch Rumänien zu fertigen, da sie ihre Geräte in beiden Ländern verkaufen wollen. Und in vielen anderen Ländern natürlich genauso. Natürlich mit weniger Arbeitern in den einzelnen Werken, in der Summe wären es aber sicher mehr, als in einer zentralen Fertigung.
Für die Firma wäre das allerdings von Nachteil. Sie müsste die höheren Kosten auf die Preise aufschlagen.
Die Preise aller Produkte aus Massenfertigung würden also steigen, andererseits würden bei konsequenter Umsetzung überall auf der Welt mehr Arbeitskräfte benötigt, mehr Menschen könnten sich also die Produkte leisten.
Eine geringere Arbeitslosenzahl würde sich auch positiv auf die Verhandlungspositionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auswirken.
Die in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinander driftende Kluft zwischen Arm und Reich könnte sich wieder verkleinern.
zu 2.: Ökologische und soziale Beeinflussung der Preise
Die Kosten, die den Gemeinschaften aus dem Resourcenverbrauch und der Umweltzerstörung der Firmen entstehen, sollten an diese in Form von Steuern weitergegeben werden. Zum Ausgleich sollten die Lohnsteuern gesenkt werden. Das führt dazu, dass es für eine Firma zur Kostensenkung rentabler ist, den Resourcenverbrauch oder den Schadstoffausstoß zu senken, als Mitarbeiter zu entlassen.
Staatengemeinschaften wie die Europäische Union müssen gemeinsame ökologische und soziale (Mindest-)Regeln aufstellen, und Zölle auf externe Produkte erheben, die die ökologischen, sozialen oder andere Regeln der Gemeinschaften nicht einhalten. Z.B. durch Kinderarbeit hergestellte Waren, Produkte aus undemokratischen Ländern oder Waren für die die Regenwälder oder andere ökologisch wichtige Resourcen zerstört werden.
Dazu müssen einheitliche Bewertungen der ökologischen und sozialen Mängel aufgestellt werden, und eine Kennzeichnungspflicht für diese Produkte verabschiedet werden. Die Kennzeichnung sollte möglichst leicht verständlich sein, z.B. rot, gelb, grün für Umweltschutz und soziale Bedingungen, oder ein einfaches Punktesystem.
Diese Zölle müssen so hoch sein, dass diese Produkte teurer werden als 'saubere' Produkte. Dadurch würde auch die Forderung der Erdcharta erfüllt, dass die ökologischen und sozialen Kosten von Gütern und Dienstleistungen in den Verkaufspreis einbezogen werden.
<http://www.global-society.eu/index.php?content=orgs&subcontent=01>
Die sozialen Regeln können sich in einem Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts des Erzeugerlandes für die Löhne manifestieren (Sozialquote).
Dadurch bleibt der Wettbewerb zwischen den Ländern mit einem Vorteil für die demokratischen ärmeren erhalten, verhindert aber Lohndumping und Raubbau an der Natur in den Entwicklungsländern. Steigt dann durch den Preisvorteil das Bruttosozialprodukt des Landes, steigen auch die Löhne entsprechend, was zu einem langfristigen Gleichgewicht der Weltökonomie führt.
Die internationale Arbeiter-Organisation ILO (International Labour Organization) der UNO hat schon Standards zu Arbeitnehmerrechten in verschiedenen Entwicklungsstadien entwickelt. Was nur fehlt, ist der Druck zur Einhaltung.
<http://www.ilo.org/global/standards/lang--en/index.htm>
Die Prinzipien 1 und 2 ließen sich auch kombiniert umsetzen, beispielsweise über eine Indexsteuer, wie sie in Antrag #125 vorgeschlagen wird:
<http://wiki.piratenpartei.de/Initiative_gemeinsames_Europawahlprogramm/Antr%C3%A4ge_f%C3%BCr_die_Umfrage_2013/Europawahlprogramm_-_125>
zu 3.: Förderung von Gemeingut
Die Förderung von Gemeingut ist nicht schwierig. Sie muss nur gewollt werden.
Immer mehr öffentliche Verwaltungen legen Wert darauf, nur offene Dateiformate zu verwenden, also Dateiformate deren Aufbau offen gelegt wurden, und nicht von der Entwicklerfirma geheim gehalten werden.
Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass wichtige Daten auch nach Jahrzehnten noch zugänglich sind. Außerdem können Anwendungen dann direkt über Qualität und Preis miteinander konkurrieren, anstatt sich über die Datenformate abzuschotten.
Entwicklungen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden - also mit dem Geld der Steuerzahler - sollten die Verpflichtung zur Veröffentlichung enthalten, damit auch alle Menschen davon profitieren können.
Auch was Software, Texte, Bilder, Videos oder andere kreative Leistungen angeht, können OpenSource-Software und CreativeCommons die Rolle von Generika in der Medizin in vielen anderen Bereichen übernehmen.
Privatfirmen können um neue Produkte konkurrieren, deren Herstellung hohe Investitionen erfordern. Nach einer gewissen Amortisierungszeit müssten sie aber in Gemeineigentum übergehen.
Bei öffentlichen Verwaltungsebenen müssen offene Datenformate Pflicht werden:
- offene Formate verhindern Entstehung von Informationsmonopolen
- offene Formate fördern Transparenz
- offene Formate ermöglichen besseren Zugang zu Wissen/Technologie
- offene Formate senken Investitionskosten
zu 4.: Privatisierungsentscheidungen
Anstatt durch Handelsverträge Druck zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen auszuüben, sollte die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Dienstleistung öffentlich oder privat betrieben wird, der demokratischen Kontrolle der jeweiligen Bevölkerung überlassen werden.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat beispielsweise 2007 eine Umfrage dazu in Deutschland durchgeführt.
Als Gesamtbild ergibt sich daraus, dass die Bevölkerungsmehrheit der Ansicht ist, dass es Dienstleistungen gibt, die privat durchgeführt werden können, und andere, bei denen ein öffentlicher Dienst sinnvoller ist.
Ich kenne eine überzeugte Marxistin, die Privatwirtschaft grundsätzlich ablehnt, aber eingesteht, dass man kleine Einkaufsläden durchaus auch ungeplant lassen könnte. Auf der anderen Seite ist ein absolut marktradikaler Freund von mir, der am liebsten sogar die Atemluft verkaufen würde, nach den Skandalen um die Privatarmee Blackwater ins Nachdenken gekommen, und hat mir gesagt, dass Militär doch eine staatliche Aufgabe bleibe sollte.
Zwischen diesen Extrempositionen liegt irgendwo die Ansicht der Bevölkerungsmehrheit.
Privatisierungen demokratischen Entscheidungen zu überlassen ist nur eine Frage des politischen Drucks, kein Problem des "Wie?".
zu 5.: Respekt vor Selbstbestimmung und Privatsphäre aller Menschen
Das sollte für Piraten eine Selbstverständlichkeit sein
Weitere Erläuterungen zur Geschichte der Freihandelsabkommen und den vorgeschlagenen Prinzipien finden sich in:
<http://www.global-society.net/documents/gerechtere_Weltwirtschaft.pdf>
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