HE Diskussion:Landesparteitage/2018.1/Anträge/Wahlprogrammänderung 009
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Widerstand gegen a) Nulllösung ("keine Reform"): 10
Widerstand gegen b) Änderungsvorschlag zum Wahlprogramm: 6
Anmerkung: Diese Bewertungen als Optimierungsindikatoren basieren auf einer liquiden SK-Skala: 0 = kein Widerstand bis 10 = max. Widerstand
Begründung:
Ich stimme mit a) der Notwendigkeit einer Änderung des Wahlprogramms und einer Änderung des Wahlgesetzes für eine qualitätsorientierte, evidenzbasierte Politik und verbesserte Leistungsmessung und Repräsentation voll zu, und habe höchsten Widerstand gegen das Ausbleiben einer Reform des Wahlgesetzes.
Ich sehe bzgl. b) Änderungsvorschlag zum Wahlprogramm, insbesondere in der Darstellung der Materie, notwendiger Systemänderungen und in der stattfindenden Interpretation von Wahlergebnissen in diesem Antrag jedoch noch starken Verbesserungsbedarf bzgl. Priorität, Passung, Prägnanz und Progressivität:
1. Es wird im Text unter den Überschriften "Sitze gegen Leistung" bis "Unser Versprechen" nicht klar zwischen (A) Reform und (B) Wirkung/Folge/Änderungsziele der Reform unterschieden. Der Vorschlag beinhaltet m.E. konkret 2+1 (vermischte) Reformpunkte, insofern gefordert wird, dass: I. Direktwahlen stattfinden ohne Verfälschung des Wählervotums, indem Nichtwahl als Enthaltung gezählt wird, Zweitstimme und Überhangmandate wegfallen; II. eine über die Verwaltung hinausgehende Gestaltungskraft des Parlaments erst ab Mindestteilnehmerquote von 50% erfolgt sowie III. die Einführung eines Lobbyregisters. Das würde ich in der Einleitung des Antrags und unter "Was tun?" als konkreten Reformvorschlag erwarten, der mit klar sagt, worum es konkret geht. Im Grunde handelt es sich hier um mehrere Teiländerungen in einer und es ist im Ergebnis aussagekräftiger, diese Punkte getrennt abzustimmen.
2. Darüber hinaus würde ich eine klarere und transparente Struktur des Antrags in Form eines Positionspapiers (IST-SOLL-WAS TUN) erwarten, speziell in der Darstellung von Problem- und Lösungsraum. Ein Problemraum besteht aus der Darstellung des Problems. Dazu gehören Konsensergebnisse zu IST (Status Quo), SOLL (Änderungsziele) und zur IST-SOLL-Diskrepanz. Ein Lösungsraum besteht aus Konsensierungsergebnissen zu konkretem Inhalt des Reformvorschlags ("Was tun?"), den erwarteten Wirkungen/Folgen ("Was versprechen wir uns davon?") und Umgang mit Barrieren/Nebenwirkungen. Wirkungen und Folgen (Lösungsraum) sind m.E. die unter den Abschnitten "Sitze gegen Leistung" bis "Verwaltung ist Alltag" genannten Punkte, wobei der Problemraum zwar (Sinn = SOLL + erwartete Wirkung/Folge vermischt) innerhalb dieser erwarteten (und als solche nicht gekennzeichneten) Wirkungen/Folgen verschachtelt und ohne Blick für's Ganze teilweise enthalten ist. Es wird aber m.E. durch die fehlende Konkretisierung der eigentlichen Reformvorschläge, die Vermischung von Reform und Reformwirkung/-folgen und die Verschachtelung von Problem- im Lösungsraum eher unübersichtlicher und dadurch wird Scheinplausibilität + Überinterpretation künstlich erzeugt.
3. Die Darstellungen unter den Unterüberschriften xy sind zudem nur ein Teil des Gesamtproblems sowie der notwendigen Änderungen/Forderungen und dies wird als solches nicht deutlich. Die Teilforderungen und Wirkungsannahmen in diesem Antrag sind also aus dem übergreifenden Kontext notwendiger Systemkritik und Reformvorschläge herausgerissen und überschätzen gleichfalls die empirisch erwartbaren Wirkungen (Sitze gegen Leistung etc.) und deren Folgen (signifikante Verbesserung der Arbeitsqualität). Eine Kennzeichnung und Strukturierung von Problem- und Lösungsraum, die Einordnung in das Gesamtproblem und echtes liquides Feedback hinsichtlich Leistung und Eignung von Ideen und Repräsentanten für mehr Vertrauenswürdigkeit von Politik und Partei durch effektive Selbst- und Kohärenzregulation finde ich wichtiger, als den kleineren Punkt, dass Nichtwählern dabei eine 0 oder der Mittelwert der Gruppe etc. bzgl. IST, SOLL, WAS TUN? zugewiesen wird.
4. Dem Antrag fehlt nicht nur eine klare, nachvollziehbare und transparente Strukur bzgl. intelligenter Prozesse und Stationen zum kollektiven Problemlösen, sondern er hat auch mehrere Schwächen bzgl. wissenschaftlichen Arbeitens. Dazu gehört auch die invalide Interpretation von Nichtteilnahme und der Messdaten nach aktuellem Republikstandard, d.h. der äußerst fragwürdigen, da polarisierenden, qualitäts- und relationsunspezifischen Erhebung von "Zustimmung" nach dem Mehrheitsprinzip. Diese Neigung zur Überinterpretation zeigt sich z.B. darin, dass unüberprüft behauptet wird, dass ein Nichtwählervotum aussagt: „Nein, ich vergebe keinen Änderungsauftrag“. Diese Aussage halte ich für falsch, unpräzise bzw. für eine Überinterpretation der Daten aus aktuellen Mehrheitsentscheidsverfahren. Warum, sollte implizit klar werden durch Widerstandangaben anhand Systemischem Konsensprinzip (vgl. Systemisches Konsensieren https://www.youtube.com/watch?v=nu1pfFfXWKs). Explizit gesprochen, bedeutet eine Nichtwahl nach SK, dass man mit dem Wahlergebnis ein stilles Einverständnis hat: "Es ist mir egal", vorausgesetzt man war informiert und die Nichtteilnahme hat nichts mit zu hoher Teilnehmeschwelle zu tun. Bei niedriger Teilnehmeschwelle entspricht Nichtteilnahme einem Konsent mit dem Ergebnis der Wahl. Dagegen ist nach dem SK-Prinzip die Aussage "Nein, ich vergebe keinen Änderungsauftrag" nur bei Teilnahme an niedrig schwelligen Onlineabstimmungen mit einem ganz bestimmten Antwortmuster richtig. Dafür muss z.B. bzgl. dieses Antrags in Widerstandswerten von 0 bis 10 (max. Widerstand) folgendes Online-Bewertungsmuster vorliegen. Nur ein Widerstand gegen a) Nulllösung ("keine Änderung") = 0 sowie gegen b) Reformvorschlag = 10 bedeutet konkret: "Nein, ich vergebe keinen Änderungsauftrag".
5. Insofern die bei diesem Antrag vorliegende Fehl- und Überinterpretation von Wahl- und Nichtwahl blind/ignorant ist und macht für die allgemein mangelhafte Aussagekraft von aktuellen Wahlergebnissen hinsichtlich Arbeits-/Lösungsqualität, Leistung und Eignung von VerTretern, verstellt dieser Antrag gleichfalls regressiv den Blick für notwendige fundamentale Änderungen des Wahl- und Parteiensystems, damit systematisch eine valide Leistungsmessung, intelligentes Problemlösen, Lernen von Universalethik und Gewissen sowie eine kollektive Selbstregulation nach eigenen Werten (Kohärenzregulation) stattfinden und gewährleistet werden kann. Das Problem fehlender kollektiver Kohärenzregulation kann m.E. auch nicht durch anonyme Vorabversprechungen (siehe letzter Abschnitt) und ohne konkrete Leistungsmessung und empirische Qualitätssicherung von Politik gelöst werden!
6. Der Antrag ist m.M.n. nicht ausreichend progressiv und aufklärend. Das heisst, ich lehne den Antrag eher ab bzw. finde ihn stark optimierungsbedürftig, weil andere Reformen viel wichtiger wären, um die genannten Antragsziele (Verbesserung von Arbeitsqualität und Repräsentation) zu erreichen und es dem Antrag zudem an Passung, Prägnanz und Aufklärungsgehalt fehlt. Der Antrag verdeckt sogar zum Teil ideologisch! die eigentlichen Probleme in der wissenschaftlichen Aussagekraft und Verbindlichkeit von aktuellen Wahlergebnissen nach Republikstandard, denn es bleibt weiterhin höchst fraglich, was ein Kreuz in einer Abstimmung ohne klaren Problem- und Lösungsraum und Echtes Liquides Feedback (vgl. SK) überhaupt aussagt (siehe auch: "Wir schaffen das!" - WAS?). Dazu fehlen im Republikstandard Konsensierungen für IST, SOLL, WAS TUN? und qualitätsbezogenes Feedback (z.B. zur Priorität, Passung und Prägnanz) inklusive der Prüfung von Repräsentativität durch entsprechende Verbesserungen in der partizipativen Entscheidungsfindung. Der Antrag ist daher m.E. eher gegenaufklärerisch und systemstabilisierend, zumal die Wahlprognose und Änderungskraft der Piratenpartei de facto aktuell sehr gering ist. Der Antrag erfüllt damit nicht die Hoffnung, dass die Piratenpartei es anders macht als andere Parteien, oder das Original einer echten "Alternative" für einen menschenwürdigen und ideologiebefreiten Systemwechsel ist.