Genomsequenzierung

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Einleitung

Die DNA-Sequenzierungstechnologie ermöglicht heute schon das routinemässige Entschlüsseln der vollständigen Erbinformation von Individuen. Sie hat das Potential einen ähnlich großen Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben wie die Computertechnologie und entwickelt sich zur Zeit schneller als es die Computertechnologie jemals getan hat. Die Piratenpartei muss daher prüfen, ob sie sich zu den einzigartigen Chancen und Risiken, die diese Technologie mit sich bringt, positionieren will und wie.

Chancen und Risiken

Die Folgen einer technologischen Entwicklung abzuschätzen ist bestenfalls schwierig. Erschwerend kommt hier dazu, dass viele Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung und des gesellschaftlichen Zusammenlebens berührt werden. Diese sollen im Folgenden so gut es geht beleuchtet werden.

Medizinische Versorgung und Prävention

Bereits kurz nachdem das erste menschliche Genom sequenziert war, wurde postuliert, dass, sobald die Kosten für die Sequenzierung eines Individuengenoms auf unter 1000 US-Dollar fallen, alle Menschen ihre Genome sequenzieren lassen, und dass diese Entwicklung eine Revolutionierung der Medizin mit sich bringen wird. Dabei werden die Verbesserungsmöglichkeiten weniger im Bereich der flächendeckenden Früherkennung aufgrund von bestehenden Erkenntnissen gesehen. Es wird vielmehr angenommen, dass neue Forschungsergebnisse aus den neuen Daten hervorgehen und im Sinne einer positiven Rückkopplung die Anwendbarkeit der Daten immer weiter erhöhen.

Forschung

Die Vision einer populationsweiten Genominformationsdatenbank ist aus Forschersicht extrem verlockend. Idealerweise hätte eine solche Datenbank weitere medizinisch relevante Information und wäre für jeden uneingeschränkt zugreifbar. Die Daten sind nicht nur für medizinische Fragestellungen von Interesse. Sie ermöglichen beispielsweise auch die Bearbeitung soziobiologischer Themen. Diese sind häufig emotional beladen und mit politischen Interessen verbunden, z.B. beim folgenreichen Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB).

Datenschutz

Aus Datenschutzperspektive stellt die individuelle Genominformation ein in mehreren Hinsichten besonders Problematisches Gut dar.

1. Die Genominformation ist medizinisch relevant.

Sie kann daher ähnlich schützenswert verstanden werden wie ein Ergebnis einer medizinischen Untersuchung.

2. Die Genominformation ist nicht veränderbar.

Während die meisten personenbezogenen Daten zwar schützenswert sind, lassen sich die meisten im Fall einer Datenschutzverletzung mit mehr oder weniger großem Aufwand verändern. (Man kann Telefonnummern wechseln oder umziehen und wenn man von der Mafia gesucht wird, gibt es sogar die Möglichkeit seine Gesichtszüge operativ verändern zu lassen.)

3. Niemand kann vorhersagen, welche Schlüsse die Genominformation zukünftig zulassen wird.

Es ist sogar denkbar, dass Menschen Nachteile erwachsen, nur weil jemand glaubt bestimmte Schlüsse seien zulässig.

4. Genominformation enthält Hinweise auf phänotypische Merkmale

Die meisten phänotypischen Merkmale werden im Zusammenspiel genetischer Faktoren mit Umwelteinflüssen geprägt. Die (fast) ausschliesslich durch die genetische Information geprägten Merkmale, in Kombination mit statistischen Zusammenhängen zwischen (vermutlich) unbedeutenen Sequenzmerkmalen und zum Beispiel ethnischen Gruppierungen, ermöglichen jedoch häufig eine erstaunlich genaue Zuordnung von Genomsequenzen und Personen.

Interessenskonflikte

Wie bei anderen Common-Good-Problematiken besteht ein grundlegender Konflikt zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen der Einzelnen. Die Allgemeinheit profitiert von möglichst vielen möglichst kompletten Datensätzen, der Einzelne hat ein Interesse am Schutz seiner Daten. Dazu eröffnen sich Konfliktfelder zwischen Privatpersonen und zwischen Privatpersonen und juristischen Personen. Schließlich gilt es auch widersprüchliche Interessen eines Einzelnen abzuwägen. Hier einige Beispiele:

  • Sollte die breite Anfertigung von individuellen Genomsequenzierungen öffentlich (mit-)finanziert werden (z.B. durch die Krankenkassen) und wie stark? Inwieweit ergibt sich daraus eine Verpflichtung zur Veröffentlichung? Ist es legitim den Verzicht auf die Ausübung von Datenschutzrechten finanziell zu belohnen?
  • Darf beispielsweise eine Versicherungsgesellschaft Genominformation für die Gestaltung von Versicherungsbedingungen heranziehen? Wie soll das geschehen?

Erlaubt man dies nicht, verhindert man damit nicht, dass sich (mögliche) Versicherungsnehmer die Information beschaffen und damit das System verzerren. (Wenn man Leuten, deren Haus brennt, erlaubt dieses gegen Feuer zu versichern, wird die Versicherung für Leute, deren Haus nicht brennt, bald unrentabel.) Erlaubt man es, schließt man Menschen, die auf das Sequenzieren ihres Genoms verzichten wollen, aus. Ausserdem muss man sich fragen, ob Versicherungsunternehmen nicht auf indirektem Wege Informationen verwenden könnten, die sie sonst nicht verwenden dürften.

  • Sind wir bereit für das, das wir möglicherweise über uns lernen können? Muss das sicher gestellt werden? Wie? Ist das überhaupt möglich?

Die Genomsequenzierung kann nicht nur genetische Krankheiten aufdecken, es kann zum Beispiel auch Verwandtschaftsverhältnisse aufklären. Sowas kann starke Auswirkungen auf die persönliche Lebensführung haben. Bisherige Studien haben häufig das Verständnis der möglichen Konsequenzen durch Fragebögen geprüft.

praktische Vorschläge

Um einen guten Kompromiss zwischen zentraler Abrufbarkeit und dezentraler Speicherung zu erreichen, könnte ein System, das mit einer Art verschlüsseltem USB-Stick arbeitet, aufgebaut werden. Die Daten wären dann dezentral gespeichert und wer sie nutzen will, muss eine Art Programm schreiben, dass heruntergeladen und ausgeführt wird und seine Ergebnisse berichtet.