Europäischer Stabilitätsmechanismus/FAQ

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Fragen und Antworten zum ESM Die Fragen und Antworten hier basieren vor allem auf der Arbeit, die in diesem Pad von mehreren Personen (in erster Linie Robert Arnold, Konstantin Borkowsky, Reinhard Schmitz und Ömer Tuku) geleistet wurde. Das Pad wurde eingerichtet, nachdem sich auf der Konferenz der AG Wirtschaft im April 2012 in Hamm eine Gruppe gefundet hatte, die an konkreten Verbesserungsvorschlägen zum ESM arbeiten wollte. Die Antworten basieren auf dem Vertragstext, wie er über den Bundestagsanzeiger an die Abgeordneten verschickt wurde. Diese Version enthält auch die dem Vertrag vorangestellte EU-weit einheitliche Begründung des Vertrages und die Begründung der Bundesregierung für diesen Vertrag im Dokument im Anschluss an den Vertrag.

Zustandekommen des ESM-Vertrages

  • Wer hat den Vertrag ausgehandelt?

Die Regierungen der Euro-Länder haben den Vertrag ausgehandelt. Damit er in Kraft tritt, müssen die nationalen Parlamente ihn ratifizieren.

  • Seit wann ist den Bundestagsabgeordneten der Vertragstext auf Deutsch zugänglich?

Seit wann sich einzelne Abgeordnete Zugang verschafft haben, kann man natürlich nicht wissen. Aber sicher haben alle seit dem 20. März 2012 (Datum der Bundestagsdrucksache 17/9045, die den ESM-Vertrag enthält) Zugang. Die Abstimmung in 2. und 3. Lesung im Bundestag war ursprünglich für den 25. Mai geplant und sollte im Bundesrat am 15. Juni noch mal beraten werden. Der Vertrag lag damit sicher etwas mehr als 2 Monate vor dem geplanten endgültigen Abstimmungsdatum auf Deutsch vor. Griechenland, Portugal und die Slowakei haben den ESM-Vertrag bereits ratifiziert (Seite 10 und 11, Stand 4. Mai 2012).

Kontrolle des ESM

  • Welche Möglichkeiten hat der Bundestag, die Tätigkeit des ESM zu beeinflussen, nach dem er bereits eingerichtet ist?

Das oberste Leitungsorgan des ESM ist der Gouverneursrat. Im Gouverneursrat sitzen die Finanzminister der ESM-Länder (Artikel 5, Absatz 1 ESM). Viele Beschlüsse des Gouverneursrates erfordern Einstimmigkeit (Artikel 5, Absatz 6 ESM). In Deutschland sieht das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vor (Artikel 2, Absatz 1 und 2), dass die deutschen Vertreter (der Finanzminister) bei

  • Erhöhungen des genehmigten Kapitals und
  • Änderungen der einsetzbaren Finanzinstrumente

nur zustimmen dürfen, wenn der Bundestag dies vorher so entscheiden hat.

Transparenz

  • Welche Informationen veröffentlicht der ESM?

Einmal im Jahr den Jahresabschluss (Artikel 27, Absatz 2 ESM).

  • Welche Informationen sind den Regierungen zugänglich?

Den Regierungen wird ein Quartalsabschluss übermittelt sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung, die das Ergebnis ausweist (Artikel 27, Absatz 2 ESM).

  • Was wird geheim gehalten?

Alle Personen, die dem ESM angehören, dürfen keine der "beruflichen Schweigepflicht" unterliegenden Informationen weitergeben, auch nicht, wenn sie nicht mehr für den ESM arbeiten (Artikel 34). Noch ungeklärt:

  • Welche Informationen zählen zur "beruflichen Schweigepflicht"? - Sind das nur personenbezogene Informationen?
  • Die Unterlagen des ESM sind "unverletzlich" - was bedeutet das? - Kein Gericht darf sie beschlagnahmen? (Artikel 32, Absatz 4)

Immunität

  • Welche Immunitätsregelungen gibt es im ESM-Vertrag?

Die Immunität ist geregelt in Artikel 32, Absätze 3 bis 8 (Immunität des ESM-Vermögens) und Artikel 35 (Persönliche Immunität)

  • Wer ist gegen was immun?
  • Alle Personen, die dem ESM angehören (Gouverneure = Finanzminister der Länder, ihre Stellvertreter, die Mitglieder des Direktoriums und alle Bediensteten), genießen "Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlicher ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen..." (Artikel 35, Absatz 1, letzter Satz).
  • Das Vermögen des ESM (Artikel 32, Absätze 3 bis 8)
  • Was bedeutet diese "Immunität"?

Es ist noch nicht genau festgelegt, was diese Immunität bedeutet. Ähnliche Regelungen lassen sich bei allen EU-Beamten finden (siehe EU-Vertrag). Genauer scheint die Immunität geregelt zu sein in dem Protokoll (Nr. 36) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (1965) Es könnte sein, dass Artikel 12 (Seite 312) das beschriebt, was mit "Immunität" gemeint sein könnte. Bei der Einführung von Europol Ende der 1990er Jahre gab es die Diskussion um die Immunität in Deutschland schon einmal. Infos zur Diskussion von Immunität bei Europol-Beamten:

  • Wer legt fest, was diese Immunität genau bedeutet?

Die Finanzminister der ESM-Teilnehmerländer legen nach Artikel 35, Absatz 2 ESM fest, unter welchen Umständen die Immunität aufgehoben wird. Die Finanzminster können damit den Umfang der Immunität festlegen. Die Entscheidung darüber wird mit qualifizierter Mehrheit (80%) getroffen (Artikel 6, Absatz 7, Buchstabe n ESM und Artikel 4, Absatz 5 ESM). Da Deutschland einen Stimmanteil von 27% hat, können die Immunitätsregelungen nicht gegen die Stimme Deutschlands verabschiedet werden.

Haftung Deutschlands

Es muss unterschieden werden zwischen der Haftungssumme und den Einzahlungen, die geleistet werden müssen.

Haftungssumme

  • Wie hoch ist die Summe, mit der Deutschland maximal haftet?
  • Im ESM-Vertrag ist eine maximale Haftungssumme von insgesamt 700 Mrd. Euro festgelegt. Sie enthält die bereits über die "alten Rettungsschirme" zugesagten Gelder. Jedes Land haftet "unter allen Umständen" maximal mit dem jeweiligen Anteil daran (Artikel 8, Absatz 5). Der deutsche Anteil an den 700 Mrd. Euro beträgt 27,1464 %, also 190.024.800.000 Euro (Anhang I ESM).
  • Zu beachten ist allerdings eine gewisser "Falltür-Effekt": Sollte der ESM in großem Umfang in Anspruch genommen werden müssen und die vereinbarten 700 Mrd. Euro nicht ausreichen, besteht bei einer Nichtausweitung des ESM eine vergrößerte Gefahr, dass der betroffene Staat dem ESM die Hilfszahlungen nicht zurückerstattet (bzw. nicht zurückerstatten kann). Dadurch würde der ESM Verlust machen, der auch von Deutschland zu tragen wäre. Sehr wahrscheinlich wird dann folgendermaßen argumentiert werden: Eine Aufstockung des ESM so hoch, dass eine Staatspleite verhindert wird, würde auch für Deutschland am Ende billiger sein (was auch stimmen kann - aber die Grenze von 700 Mrd. Euro ist damit nicht mehr so strikt wie sie im ESM-Vertrag formuliert ist). Dieser Gefahr wirkt allerdings eine Regelung im ESM-vertrag entgegen: Darlehen vom ESM haben den Status eine "bevorrechtigten Gläubigers", allerdings nachrangig gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (Begründung des ESM-Vertragstextes, der dem Vertragstext selbst vorangestellt ist, Absatz 13).
  • Kann diese Haftungssumme über die 700 Mrd./190 Mrd. Euro erhöht werden?

Ja, wenn alle Finanzminister der Mitgliedsländer zustimmen. In Deutschland sieht das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vor (Artikel 2, Absatz 1 und 2), dass die deutschen Vertreter (der Finanzminister) bei

  • Erhöhungen des genehmigten Kapitals und
  • Änderungen der einsetzbaren Finanzinstrumente

nur zustimmen dürfen, wenn der Bundestag dies vorher so entscheiden hat.

Einzahlungen

  • Wieviel muss Deutschland nach derzeitigen Planungen einzahlen?

Von den 700 Mrd. Euro sollen in den kommenden 5 Jahren zunächst 80 Mrd. Euro von allen Staaten zusammen eingezahlt werden (Artikel 8, Absatz 2 ESM). Deutschland hat demnach zunächst 80 * 27% = 21,6 Mrd. Euro innerhalb von 5 Jahren, also 4,32 Mrd. Euro pro Jahr einzuzahlen.

  • Wann muss Deutschland mehr einzahlen als die geplanten 21,6 Mrd. Euro?

Wenn mehr eingezahlt werden soll als im Vertrag bereits geplant, müssen alle Finanzminister der ESM-Länder zustimmen (Artikel 5, Absatz 6, Buchstabe c ESM). Dabei gelten zwei Ausnahmen, wenn ein Staat, dem der ESM Hilfe gewährt hat, erklärt, dass er die Hilfe nicht vollständig zurückzahlen wird ("hair cut", "pleite geht"):

  • Wenn der Verlust für den ESM so groß ist, dass der ESM selbst seine Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten kann, ruft der geschäftsführende Direktor entsprechendes Geld von den Mitgliedsstaaten ab (Artikel 9, Absatz 3 ESM).
  • Wenn der ESM trotz des Verlusts seine Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann, entscheidet das Direktorium mit einfacher Mehrheit über den Abruf von Mitteln (Artikel 9, Absatz 2 ESM). Dabei hat Deutschland einen Stimmanteil entsprechend seines Kapitalanteils in Höhe von 27% (Artikel 4, Absatz 7 ESM).
  • Was ist der Unterschied zwischen der Haftungssumme und den Einzahlungen?

Die Haftungssumme ist die Summe, die im Extremfall maximal insgesamt eingezahlt werden muss. Damit der ESM arbeiten kann, muss er nicht über die ganze Summe frei verfügen können. Vielmehr arbeitet er mit ein eingezahlten Mitteln, solange diese ausreichen.