Diskussion:Bundesparteitag 2014.1/WahlordnungAV

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Erfassung der Stimmen

Die Stimmzettel werden laut Wahlleiter Michael Ebner zur Auszählung in Computer übertragen und die Übertragung extra überprüft. Das beschleunigt die Auszählung deutlich und reduziert mögliche Fehler, die zudem besser entdeckt werden können. Das hat nichts mit der Wahlcomputerproblematik zu tun, weil die Stimmen weiterhin geheim auf Papier abgegeben werden und von jedem selbst ausgewertet werden können. Siehe auch das Urteil dazu.

Bei Verfahren a) und b) kann jeder jedem Kandidaten zwischen 0 bis 9 Punkte vergeben. Bei Verfahren c) sind je -10 bis 10 Punkte, und bei d) verschiedene benannte Abstufungen ("geht gar nicht" bis "Spitze"). Alles Verfahren sind damit eine Form der Bewertungswahl, d.h. eine Verallgemeinerung von approval voting.

Empfehlung

TL;DR: Favorit: Verfahren b) "Verhältniswahl". Alternativ, falls genügend Zeit bleibt und auch der 2. Platz einzeln gewählt werden soll, Verfahren a)

Von Verfahren c) "BPT-GO" und d) "Mehrheits-Benotung" rate ich aus folgenden Gründen ab:

  • es wird die Qualifizierung für und Reihenfolge auf der Liste unpassend miteinander verquickt. Das reduziert zwar alles auf nur einen Wahlgang, führt aber dazu, dass die Reihenfolge nur sehr grob ist und ungewünschte Effekte (z.B. zu kurze Liste) nicht mehr korrigiert werden können.
  • Beide Wahlverfahren Bewertungswahl und Mehrheits-Benotung sind prinzipiell single-winner Verfahren, d.h. zur Ermittlung eines Einzelgewinners und nicht einer sortierten Liste gedacht.
  • Eine einfache Mehrheit bei diesen Verfahren eingebauten Approval-Wahlverfahren ist nicht mit einer Mehrheit bei einer Einzelwahl vergleichbar, da hier Stimmen taktischer und im Vergleich zu anderen Kandidaten vergeben werden. Weniger als 50% in Approval kann daher durchaus deutlich mehr als 50% in einer Einzelwahl entsprechen.
  • Ein solches Verfahren spornt besonders stark zu taktischem Wählen an. Um einem von vielen anderen favorisierten Gegner möglichst die Chancen auf einen vorderen Platz zu nehmen, würde ein taktischer Wähler diesem möglichst wenig Punkte (z.B. das Minimum -10) vergeben, und eigentlich weniger geeigneten Kandidaten mehr Punkte geben, damit ihm diese Konkurrenz machen. Dadurch erhalten aber immer mehr Kandidaten Nein-Stimmen, obwohl sie eigentlich akzeptabel wären. Da nur Kandidaten mit einer Mehrheit von Ja-Stimmen auf die Listen kommen, könnte die Liste zu kurz werden, - im Schlimmsten Fall sogar gar niemand die Mehrheit erreichen.
  • Eine relative Mehrheit oder ein taktisch klug agierende Minderheit könnte dadurch leicht alle ihre Favoriten auf die vorderen Plätze hieven, während der Rest auf der Strecke bliebe.
  • Gewisse wichtige Themengebiete könnten auf den vorderen Plätzen unterrepräsentiert sein, weil gleich mehrere ähnliche gute Kandidaten in einem Gebiet noch vorne gewählt würden, die Versammlung das aber für spätere Plätze nicht berücksichtigen könnte (z.B erste drei Plätze für Netzpolitik-Experten, 4. erst für Urheberrecht).
  • Negativ-Punkte bei Verfahren c) entsprechen einer "Bestrafung" von Kandidaten und sind psychologisch bedenklich. Schliesslich geht es darum, die Besten statt der Unbeliebtesten auszuwählen.
  • Verfahren d) engl. "Majority Judgement" ist nicht besser gegen Taktik gefeit als die Mittelwert-basierte Bewertungswahl, die bei allen anderen Verfahren zum Einsatz kommt.

Verfahren b) "Reweighted range voting" (z.B. schon für die Oscar-Nominierung verwendet) hingegen ist ein modernes, faires personalisiertes Verhältniswahlverfahren, das auf die o.g. Probleme eingeht. Es wurde bereits vom bayrischen Landeswahlleiter als mit den Wahlgesetzen vereinbar eingeschätzt.

  • Es ist genau für solche Listenwahlen von Parteien entwickelt worden und führt zu einer Repräsentation von verschiedenen Interessengruppen auf den vorderen Plätzen.
  • Neben dem Hauptwahlgang wird anschliessend noch kurz die Liste die Anzahl der Plätze gekürzt, die der Mehrheit angemessen erscheint. Damit müssen Unbeliebte Kandidaten nicht auf der Liste bleiben. Eine "zu kurze" Liste ist damit ausgeschlossen.

Verfahren a) benötigt zwar mehr Wahlgänge, erlaubt es aber zumindest so viele Spitzenplätze nacheinander zu einzeln zu wählen (z.B erste drei), wie die Versammlung es für sinnvoll hält. Damit kann sie bei der Wahl die bisher gewählten vorderen Plätze berücksichtigen und eine ausgewogenere Repräsentation wählen.

Zur Taktik bei all diesen Präferenzwahlverfahren:'

  • Wer seinem Favoriten gleich viele Punkte gibt, wie seinen weniger favorisierten Kandidaten, weil er allen möglichst gute Chancen auf einen vorderen Platz geben will, riskiert, dass der eigentliche Favorit hinter den weniger favorisierten landet.
  • Wer den Favoriten der Gegner weniger oder gleich viele Punkte vergibt, als wirklich schlechten Kandidaten, weil er damit die Chancen der gegnerischen Favoriten möglichst schmälern will, riskiert, dass die wirklich schlechten Kandidaten doch günstige Plätze gewinnen - "wenn sich zwei streiten, freut sich der dritte".
  • Bei b): Wer einem Favoriten weniger Punkte als seine wirkliche Bewertung gibt, weil er glaubt, dass die anderen ihm schon genügend Punkte zum Gewinn geben, und er damit mehr Einfluss auf hintere Plätze habe, riskiert, dass die anderen auch so denken, und daher der Favorit schlechte Chancen für die vorderen Plätze hat.
  • Schlussfolgerung: wähle ehrlich und du erhöhst die Gesamtzufriedenheit der Versammlung mit dem Ergebnis.

--Thomas