Diskussion:AG Wirtschaft/AG Treffen 2010

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Das Bandbreitenmodell

Ausgehend von meinen Erfahrungen mit fruchtlosen Diskussion, die sich über Jahre hinziehen, habe ich es bisher gescheut, mich der AG Wirtschaft anzuschließen.

Doch nun hat die Auseinandersetzung mit dem Bandbreitenmodell meine Meinung geändert und ich will noch einen Versuch wage, mich auch dieses Terrain zu begeben.

Die Grundlegende Frage aller Bemühungen, ist die Folgende: Systemänderung oder Änderung im System? Ich war immer für eine Änderungen des Systems, statt Reparaturen an diesem durchzuführen, aber die grundsätzlichen Mängel zu belassen.

Nun ist es jemandem (Jörg Gastmann) gelungen, ein System vorzuschlagen, das die Vorteile des Marktes mit den erforderlichen sozialen Komponenten vereint, und zwar nicht in Form einer Wechselspiels zwischen beiden Polen, sondern durch Integration in einem Modell: Das Bandbreitenmodell.

Grundgedanken und Funktion (Kurzversion) Um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und Löhne zu steigern, muss man bei der Arbeit Angebot und Nachfrage ausgleichen. Man muss also dafür sorgen, dass die Arbeitgeber möglichst so viele Arbeitsplätze besetzen müssen, wie Arbeitskräfte vorhanden sind. Wie erreicht man das?

  • Die zusätzlichen Mitarbeiter müssen für alle Unternehmen existentiell wichtig sein.
  • Was ist die Existenzgrundlage von Unternehmen? Ein möglichst hoher Umsatz/Marktanteil, um im Wettbewerb zu überleben.
  • Wie erzielt man einen möglichst hohen Umsatz/Marktanteil? Vor allem durch möglichst niedrige Verkaufspreise.
  • Wie kann der Gesetzgeber Einfluss auf die Verkaufspreise nehmen? Durch den Satz der Umsatzsteuer.
  • Wie kann der Gesetzgeber also Einfluss auf die Zahl der Beschäftigten nehmen? Indem er den Satz der Umsatzsteuer mit der Beschäftigungsintensität (= Verhältnis von Mitarbeiterzahl zum Umsatz) der einzelnen Unternehmen verknüpft.

An dieser Stelle wirkt also ein weiteres marktwirtschaftliches Prinzip (aufgrund dessen übrigens der Sozialismus/Kommunismus nie funktionieren kann): Jeder (Unternehmer und Arbeitnehmer) sucht seinen persönlichen Vorteil. Dies liegt nicht nur in der menschlichen Natur - es ist auch der Motor jedes funktionierenden Wirtschaftssystems. Ohne Motivation geht nichts.

Im Bandbreitenmodell sind die Unternehmer motiviert, weil sie eine enorm steigende Kaufkraft in bare Münze umsetzen können - steuerfrei. Und die Arbeitnehmer sind motiviert, weil sie in einer entspannteren Arbeitswelt sehr viel mehr Nettogehalt verdienen können. Definition des Bandbreitenmodells

Die Höhe des auf den Verkaufspreis aufzuschlagenden Umsatzsteuersatzes hängt ab vom Verhältnis der Inlandsarbeitnehmer zum Inlandsumsatz des verkaufenden Unternehmens.

Dabei werden sämtliche privatwirtschaftlichen Arbeitsplätze finanziell belohnt. Je nachdem, wie viele Inlandsmitarbeiter im Verhältnis zum Inlandsumsatz ein Unternehmen beschäftigt, erhält es „Arbeitsplatzprämien“. Diese Prämien werden nicht ausbezahlt, sondern mit einer sehr hohen Umsatzsteuer verrechnet, wodurch der tatsächliche Satz der Umsatzsteuer auf einen niedrigen Wert sinken kann. Die Arbeitsplatzprämien kosten den Staat daher keinen Cent.

Die Arbeitsplatz-Vernichtende Gesetzmäßigkeit wird also umgedreht, die besagt: Je weniger Mitarbeiter (im Verhältnis zum Umsatz) bezahlt werden, desto niedriger können die Verkaufspreise sein. Stattdessen lautet die Regel des Bandbreitenmodells (bis zu einer vordefinierten Grenze):

Je mehr Inlands-Mitarbeiter (im Verhältnis zum Inlands-Umsatz) bezahlt werden, desto niedriger können die Inlands-Verkaufspreise sein.

Beispiel

Angenommen, die Bandbreite der Umsatzsteuer einer Branche liegt bei 35 - 200%. Die Staffel in diesem Beispiel:

  • Wer weniger als 6 "Mitarbeiter pro Umsatzmillion" beschäftigt, muß den Höchstsatz von 200% Umsatzsteuer auf seine Produkte aufschlagen.
  • Wer mindestens 6 "Mitarbeiter pro Umsatzmillion" beschäftigt, darf seine Produkte mit 180% Umsatzsteuer anbieten (was immer noch zu teuer für den Markt ist).
  • Wer mindestens 7 "Mitarbeiter pro Umsatzmillion" beschäftigt, darf seine Produkte mit 150% Umsatzsteuer anbieten (was immer noch zu teuer für den Markt ist).
  • Wer mindestens 8 "Mitarbeiter pro Umsatzmillion" beschäftigt, darf seine Produkte mit dem Mindestsatz von 35 % Umsatzsteuer anbieten.

Wer in dieser Branche weniger als 8 Mitarbeiter pro Umsatzmillion beschäftigt, muss eine so hohe Umsatzsteuer auf seine Produkte aufschlagen, dass seine Kunden zur Konkurrenz wechseln, die weitaus billiger ist, weil diese mehr als 8 Mitarbeiter pro Umsatzmillion beschäftigt.

Konsequenzen

Heute gilt die Faustregel: Je weniger Menschen ein Unternehmen beschäftigt, desto billiger kann es seine Produkte anbieten. Das Bandbreitenmodell dreht es um: Je mehr Menschen (im Verhältnis zum Umsatz) ein Unternehmen beschäftigt, desto niedriger sind seine Preise

Unternehmen werden daher Menschen auf die Gehaltslisten setzen, die sie eigentlich überhaupt nicht benötigen - um sie von der Umsatzsteuer abzusetzen und dadurch ihre Produkte möglichst preisgünstig verkaufen zu können.

Dabei müssen sie ihnen bei niedrigen Arbeitszeiten hohe Gehälter zahlen (siehe hier, Punkt 3).

Produkte von Unternehmen, die zu wenige Mitarbeiter (im Verhältnis zum Umsatz) bezahlen, sind aufgrund hoher Mehrwertsteuersätze nahezu unverkäuflich. Kurz gesagt: Wer in einem Land Waren verkaufen will, muss im gleichen Land entsprechend viele gut bezahlte Arbeitsplätze bieten. Umsätze und Beschäftigung werden regional verknüpft.

Es ist ein faires Geschäft zwischen Konsumenten und Unternehmen. Und der Arbeitsmarkt wird vollkommen immun gegen die globale Lohnkostenkonkurrenz und Rationalisierungen/Automation.

Wichtig: Die Bandbreite (Ober- und Untergrenze der Sätze der Umsatzsteuer) kann je nach Branche (und sogar nach Produkten oder Produktgruppen) differenziert werden.


Dazu auch eine [FAQ]. Hier auch weitere Links.


Bevor jetzt die Hämeschleusen geöffnet werden, bitte ich alle um einer ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Modell. Der Autor hat ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht, sehr umfangreich Beispiele kalkuliert und ausführlich Rahmenbedingungen betrachtet.

Ich habe mit intensiv mit dem Modell beschäftigt, habe auch noch einige offene Punkte, die ich gerne geklärt sähe; aber insgesamt habe ich noch kein Besseres Modell kennen gelernt.

Dieses Modell hat den Charme im herkömmlichen Sinne weder »Links« noch »Rechts« zu sein, weder kapitalistisch, noch sozialistisch. Es gibt Wettbewerb, faire Regeln, keine Steuern auf Löhne und Gewinne und dennoch eine Lenkung durch die Steuern. Es ist das eigentlich piratige Wirtschaftsmodell!

Her Gastmann bieten an, dass Modell darzustellen und ausgiebig zu diskutieren.

Arvid Doerwald 17:33, 25. Jan. 2010 (CET)

Wenn ich das richtig analysiert habe, dann werden effizient arbeitende Unternehmen (die ein bestimmtes Output, gemessen in Umsätzen, mit weniger Input=Arbeitskräfte erreichen) mit einer Steuer belastet/bestraft. Die außenwirtschaftliche Folge wäre, daß deutsche Unternehmen beim Export einen Wettbewerbsnachteil erleiden würden. Die Exporte deutscher Unternehmen würden je nach Höhe der Steuer zurückgehen und Arbeitsplätze verlorengehen. Unternehmen haben ja auch einen Inlandsumsatz und dieser würde über die Strafsteuer die Gemeinkosten und damit die Exportpreise deutscher Produkte steigen lassen.

Die Folge: Unternehmen, die einen bedeutenden Anteil ihrer Produktion im Ausland absetzen wollen, würden sich fortan niemals für Deutschland als Produktionsstandort entscheiden bzw. abwandern. Derzeit ist Deutschlands Wirtschaft sehr exportlastig ("Exportweltmeister"), darum muß zunächst auch für dieses Thema eine Lösung vorgeschlagen werden. Auf Exporte verzichten zu wollen ist keine sinnvolle, realistische Alternative.

Darüberhinaus glaube ich nicht an "Insellösungen". Wenn man eine Lösung als einziges Land der Welt umsetzt, gerät man schnell ins Abseits. Also bitte erst nachdenken wie deratige Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Anreizstrukturen/Wettbewerbsfähigkeit verändern und dann nur solche Vorschläge posten, die relistischerweise umsetzbar sind.

Shadowstats.com 8. Feb. 2010


@ Shadowstats

Wenn ich das richtig verstanden habe, soll sich die Verteuerung der Produkte für die Unternehmen in Grenzen halten, da ja alle anderen Steuern gestrichen werden sollen (also Lohnsteuern, Umsatzsteuern, Gewinnsteuern, etc..). Das Konzept sieht für mich auch bei näheren Hinsehen interessant aus. Ich weiß nur nicht, wie die Vermögensumverteilung wirklich funktionieren soll. Wenn sich nämlich die Produkte für die Unternehmen trotz Strafsteuern bei wenigen Mitarbeitern nicht merklich verteuern (aufgrunde der wegfallenden anderen Steuern), dann müsste es eigentlich ein Nullsummenspiel sein, da Vermögende Bürger bei diesem Wirtschaftssystem nicht berücksichtigt werden. Hier wären nähere Infos wünschenswert, wie genau welches Vermögen besser verteilt wird.

Dragonstar 8. Feb. 2010

Konkrete und begrenzte Forderungen

Ich schlage vor, wir tragen einige konkrete und umsetzbare Forderungen aus dem Bereich der Wirtschaftspolitik zusammen. Ich ermuntere jeden einfach ein paar Forderungen, die ihm sinnvoll erscheinen, anzuhängen. Bei dem Treffen in Kassel finden wir hoffentlich Zeit etwas darüber zu diskutieren.

  • Übersichtliche Veröffentlichung von Subventionsempfänger inkl. Höhe der Summe. Nur direkte Geldzuwendungen, Steuersubventiionen sind zu schwer abzugrenzen. Mit Unternehmen beginnen. Liste von Personen ist kritisch.

Begründung: „Gläserner Staat“. Die Verwendung öffentlicher Gelder soll möglichst öffentlich erfolgen. Mögliche Interessenkonflikte/Korruptionsverdacht wäre einfacher zu erkennen.

  • Übersichtliche Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Spitzenpolitikern.

Begründung: Um Interessenkonflikte zu erkennen reicht es nicht aus Nebeneinkünfte von Spitzenpolitikern beispielsweise dem Parlamentspräsidenten zu melden. Diese Informationen müssen der Öffentlichkeit in verständlicher Form zugänglich sein.

  • Halböffentliche/Halbstaatliche Unternehmen und Institutionen sollen die Bezüge ihrer Führung übersichtlich offenlegen. (Stadtwerke, A.ö.R., gesetzliche Krankenkassen usw.)

Begründung: Bei Unternehmen und Institutionen dieser Art gibt es oft den Verdacht, die Spitzenposten werden mit politischem Einfluss und hohen Bezügen als Gefälligkeit „zugeteilt“.

  • Aktienrecht. Verträge (=Vergütung) mit dem Vorstand sollen vom Aufsichtrat auf der HV vorgestellt und erläutert werden. Der AR wird durch Abstimmung für das Abschließen dieser Verträge entlastet.

Begründung: Die HV und die Aktionäre haben ein Recht über die Verwendung des Geldes „ihres“ Unternehmens informiert zu werden. Es gab oft Fälle in denen extreme Vergütungen, variable Vergütungen mit Zielvorgaben, die zu einfach zu erreichen waren, goldene Fallschirme und üppige Pensionszusagen vereinbart wurden. Diese Verträge sind einzuhalten, aber wenn sie erst bekannt werden, wenn die verantwortlichen Personen schon lange nicht mehr im Amt sind, ist keine ausreichende Motivation für einen verantwortlichen Umgang da. Problem: Mit den Aktionären erfährt es auch die gesamte Öffentlichkeit, die es eigentlich wenig angeht. Persönlichkeitsrechte des Vorstandes.

--Guntfred 18:40, 5. Feb. 2010 (CET)

  • Gutachten, die von öffentlicher Hand in Auftrag gegeben und finanziert wurden, sind prinzipiell der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

--Guntfred 17:53, 11. Feb. 2010 (CET)

Wiederherstellung der Sozialen Marktwirtschaft

Vorschläge für ein Wirtschaftsprogramm


Präambel

Die Wirtschaft soll eine treibende Kraft für Frieden, Wohlstand und Fortschritt einer Gesellschaft sein. Sie umfasst und verbindet alle Teilnehmer unterschiedlichster Größe und Form, ob Großunternehmen oder private Haushalte. Jeder von ihnen leistet seinen Beitrag für das Wohl unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Der Aufbau der Wirtschaft ist so zu gestalten, dass Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen und Ausgrenzungen keinen Nährboden finden. Das System muss den Grundsätzen einer Sozialen Marktwirtschaft entsprechen und den Fortschritt der Gesellschaft fördern. Jedem Menschen in Deutschland ist eine faire Chance zur wirtschaftlichen Teilhabe zu gewährleisten.

Übergeordnete Ziele

Die Zielsetzung ökonomischen Handelns kann nicht in einer einseitigen Orientierung auf möglichst hohes Wirtschaftswachstum bestehen. Wirtschaftswachstum ist nicht essbar, ewiges Wachstum ist nicht möglich und es führt auch nicht automatisch zu einer glücklicheren Bevölkerung und kann als einzelne Kennzahl nicht die Komplexität wirtschaftlichen und menschlichen Lebens abbilden. Vielmehr sollte die Zielsetzung auf das Gesamtsystem der Wirtschaft ausgerichtet werden. Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse der Bevölkerung. Neben den hinlänglich bekannten wirtschaftspolitischen Zielen, wie Wachstum, Beschäftigung, Verteilungsgerechtigkeit oder die Vermeidung der Inflation kann die Wirtschaftpolitik auf alternative Zielgrößen wie eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die Verringerung der individuellen Arbeitszeit oder die Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Energie-, Zeit- oder Ressourceneffizienz ausgerichtet werden. Der Mensch ist nicht ausschließlich an materiellem Eigennutz sondern auch und in besonderem Maße an Fairness interessiert. Die Wirtschaftsordnung muss diesen Bedürfnissen angepasst werden. Priorität jeden wirtschaftlichen Handelns hat die Versorgung der Bevölkerung und die Schaffung individueller Freiräume. Die Rahmenbedingungen sind so zu setzen, dass besondere Leistung zu besonderer Entlohnung führt, nicht aber der reine Besitz zum automatischen Besitzzuwachs. Eine moderne Gesellschaft muss die Existenzsicherung für alle ermöglichen. Wir halten das marktwirtschaftliche Prinzip für eines der geeignetsten Werkzeuge, wirtschaftliche Prozesse abzuwickeln. Allerdings bedürfen Marktwirtschaften der Ergänzung und Korrektur durch die Regeln und Eingriffe seitens der Politik, beispielsweise in der Sozialpolitik, dem Umweltschutz oder der Aufrechterhaltung fairen Wettbewerbs. Dem Unternehmertum kommt eine besondere Bedeutung zu. Ohne unternehmerisches Handeln findet auch keine Beschäftigung von Arbeitnehmern statt. Wir fördern deshalb das Prinzip des unternehmen statt unterlassen. Dazu wollen wir Konzepte entwickeln und umsetzen, die eine unternehmerische Selbständigkeit erleichtern. In diesem Kontext wird auch der Abbau ausgeuferter Bürokratien angestrebt.


Programmelemente

Dezentralisierung ist eine grundlegende Voraussetzung funktionsfähiger marktwirtschaftlicher Systeme und ein hilfreicher Ansatz, wirtschaftliche und gesellschaftliche Machtkonzentrationen aufzubrechen bzw. zu verhindern. Die Wirtschaftsförderung sollte deshalb insbesondere die Dezentralisierung stimulieren: kleine und mittelständische Unternehmen statt Großkonzerne, kleine und mittelgroße Technologien statt Großprojekte, Subsidiarität und Föderalismus statt Zentralismus („Europa der Regionen“) erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe, die möglichst dezentral produziert und in räumlicher Nähe verarbeitet und verbraucht werden. Wir unterstützen insbesondere lokale private und kommunale Initiativen zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe und alternativer Wirtschaftsbeziehungen. Dies beinhaltet beispielsweise die Beseitigung rechtlicher und steuerlicher Benachteiligungen von regionalen Komplementärwährungen, Tauschringen oder Aktivitäten der Selbstversorgung und Nachbarschaftshilfe.

Eine besondere Beachtung gilt wirtschaftlichen Monopolen und monopolistischen Strukturen. Monopolbildung führt systematisch zu einer Übervorteilung von Kunden, Lieferanten, Beschäftigten und Öffentlichkeit durch die jeweiligen Monopolisten, was sich in erhöhten Preisen einerseits und Monopolprämien andererseits ausdrückt. Monopol- und Kartellstrukturen lassen den Menschen keine Alternativen und führen deshalb zu verstärkten Abhängigkeiten. Das Wirtschaftssystem ist so zu gestalten, dass Monopolstrukturen und deren Entstehung verhindert werden. Hierfür bedarf es einer wirksamen Wettbewerbsgesetzgebung. Im Falle öffentlicher Güter, natürlicher Monopole oder hoheitlicher Aufgaben unterliegen die monopolitischen Strukturen in besonderem Maße der demokratischen Kontrolle bzw. dem öffentlichen Eigentum. Dies gilt insbesondere für Infrastruktureinrichtungen, zu denen möglichst allen ein umfassend freier Zugang zu gewährleisten ist.

Geld kann als ein wesentliches gesellschaftliches Verrechnungs- und Informationssystem betrachtet werden. Die in Geld ausgedrückten Preise informieren darüber, wie viel Aufwand zur Produktion nötig ist und wie viel den Käufern ein Produkt wert ist. Geld und seine Derivate informieren darüber, wer bereits Leistung ins Wirtschaftssystem eingebracht hat (Geldbesitzer) und deshalb Anspruch auf Gegenleistung durch die anderen Wirtschaftsakteure hat. Es informiert darüber, wer Leistung vom System bezogen hat, ohne seine Gegenleistung zu erbracht zu haben (Geldschuldner). Ohne funktionierendes Verrechnungssystem ist marktwirtschaftlicher Leistungsaustausch, Arbeitsteilung und Spezialisierung unmöglich. Als neuralgisches System bedarf das Finanzsystem besonderer Beachtung und stabilisierender Elemente, wie auch die krisenhaften Entwicklungen der Finanzmärkte in der jüngeren Vergangenheit zeigen. In diesem Sinne fordern wir die Einführung von Transaktionsabgaben (orientiert am Beispiel einer sog. „Tobin Tax“ oder einer Börsenumsatzsteuer), die Zertifizierung von Finanzprodukten und die Schaffung entsprechender Zulassungsregeln als Voraussetzung staatlicher Einlagensicherungen sowie verbesserter Möglichkeiten zur Einrichtung alternativer oder komplementärer Zahlungs- und Verrechnungssysteme in privatwirtschaftlichem Rahmen.

Der Prozess der Globalisierung ist zu begrüßen, soweit er allen Menschen des Planeten hilft, ihre Bedürfnisse besser zu befriedigen. Dies kann durch materielle Wohlstandssteigerungen erreicht werden, von diesen jedoch auch unabhängig sein. Globalisierung darf nicht dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit von Menschen auf der einen Seite des Planeten durch destabilisierende Entwicklungen auf der anderen Seite des Planeten unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Die Ausbildung von Marktmachtpositionen durch Regellosigkeit ist zu vermeiden. International ist ein System tragfähiger und demokratisch begründeter und kontrollierter Regeln und Institutionen anzustreben. Gemäß dem Ansatz der Dezentralisierung fordern wir außerdem, ergänzend zum Globalisierungsprozess einen Regionalisierungsprozess anzustoßen.

Inspiriert vom Ansatz freier Software wollen wir neue Teilhabe-Konzepte im Wirtschaftsleben fördern. Auch wenn das Privateigentum in den meisten Situationen gerechtfertigt und sinnvoll ist, so muss doch festgestellt werden, dass privates Eigentum immer bedeutet, dass andere Menschen von seiner Nutzung ausgeschlossen werden können. Die Förderung von Eigentum in anderer Form findet sich beispielhaft in Ideen wie: • freie Hard- und Software • offenes Wissen und offene Patente • freie Geschäftsmodelle • Bürgerbusse & CarSharing • Verbrauchergemeinschaften • Haus- und Wohngemeinschaften, Mietshäuser-Syndikate • Produktions-, Handels-, Kredit-, Einkaufs-, Grundeigentums- und Nutzungsgenossenschaften Weitere freie/offene Konzepte, die Nutzungsmöglichkeiten auf möglichst viele Menschen verteilen (gemeinsame Nutzung statt ausschließendes Privateigentum), begrüßen und fördern wir ausdrücklich.

Wir streben eine Vereinfachung, Effizienzsteigerung und Entbürokratisierung im System der öffentlichen Finanzen an. Dies soll für eine wirtschaftlichere, transparentere und gerechtere Verwendung öffentlicher Mittel sorgen und beinhaltet die folgenden Elemente:

Wir halten eine Vereinfachung des Abgabensystems für eine wesentliche Voraussetzung einer effizienteren, transparenteren und gerechteren Wirtschafts- und Finanzpolitik. Es gibt zu viele verschiedene Abgaben, deren Erhebung in der Praxis oft intransparent und durch zahlreiche Sonder- und Ausnahmeregelungen selbst für Fachleute undurchschaubar ist. Unser Ziel besteht in der Einrichtung eines einfachen und dem Prinzip der Progression folgenden Systems der Einkommensbeteuerung, das alle Einkommensarten einer einheitlichen Regelung unterwirft. Dieses Konzept wird ergänzt durch ein System sinnvoller Verbrauchs- und Verkehrssteuern. Die Steuern sind grundsätzlich als Gemeinschaftssteuern zu gestalten, deren Aufteilung sich nach Bevölkerungsanteilen richtet und ein kompliziertes Finanzausgleichssystem obsolet macht. Unternehmensgewinne werden durch die Entnahme aus den Betrieben zu steuerpflichtigem Einkommen, die produktive Verwendung der Gewinne wird somit steuerlich begünstigt. Lokales, kleinteiliges und alternatives Wirtschaften soll durch großzügige Freigrenzen und Pauschalisierungsmöglichkeiten gefördert werden.

Das Abgabensystem soll insbesondere der Beschäftigung förderlich sein. Dies impliziert eine alternative Finanzierung der Sozialsysteme, vorzugsweise aus dem allgemeinen Steuersystem. Erforderlich ist eine grundlegende Reform zur Entlastung des Faktors Arbeit von der Finanzierung der Sozialsysteme, wodurch Produktion, Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit gefördert werden.

Wir streben ferner eine Vereinfachung des Transfersystems an. Alle finanziellen Sozialleistungen sind möglichst durch ein einheitliches Grundsicherungssystem zu ersetzen, das beispielsweise als Grundeinkommen oder in Form einer negativen Einkommensteuer ausgestaltet werden kann und durch zusätzliche staatliche und privatwirtschaftlich organisierte Sozialversicherungen auf freiwilliger Basis ergänzt wird. Dadurch werden auch bürokratische Strukturen abgebaut und entwürdigende Kontroll- und Überwachungsprozeduren vermieden.

Wir sind uns im Klaren, dass der „Kapitalismus“ in seiner gegenwärtigen Ausprägung nicht das Ende jeder ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung sein kann. Wir stehen deshalb insbesondere für Weiterentwicklungen des Wirtschaftssystems ein und fördern Experimente, die neue Wege menschlichen Lebens und Wirtschaftens aufzeigen. Insbesondere setzen wir uns für Experimentierklauseln ein, um neue ökonomische Instrumente, Konzepte oder Spielarten auszuprobieren („Sandboxprinzip“) und die so erlangten Kenntnisse und Erfahrungen in eine Weiterentwicklung der Ökonomie zurückzuführen. Solche ökonomischen Experimente können - soweit dort gewünscht, gefordert und demokratisch getragen - in gesonderten gesellschaftlichen Räumen (geografische oder sektorale Räume, wie einzelne Regionen oder Branchen) durchgeführt werden. Unterschiedlichste wirtschaftspolitische Ansätze und Konzepte wären so evaluierbar - unter realen Bedingungen in begrenzten Räumen und nicht als theoretisches Dogma.

Schlusswort

Wir sind uns des Umstandes bewusst, dass unser Wirtschaftsprogramm in der Praxis sehr hohe Ansprüche an seine konkrete Umsetzung stellt, möchten unsere Vorschläge aber gleichwohl zur Diskussion stellen und streben permanente Verbesserungen und Ergänzungen an.

Daniel Ludwig, 11.02.2010