Diskussion:AG Geldordnung und Finanzpolitik/GFO 2.0/EPMS

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Zur Darstellung: Ich fände ein Executive Summary sehr hilfreich, in dem vor allem noch einmal sehr klar auf zwei Fragen eingegangen wird, die aus dem jetzigen Text nur schwierig zu beantworten sind:

  • Warum bzw. bis zu welchem Grad erfüllen die vorgeschlagenen Konzepte tatsächlich die Zielsetzungen aus Abschnitt 1 und wodurch lässt sich dies belegen.
  • Was sind mutmaßliche erwünschte bzw. unerwünschte Seiteneffekte.

Danke für die Initiative! Karsten 10:13, 26. Jul. 2012 (CEST)

Eigenschaften von Finanzmarktprodukten:

  Art   Gläubiger Schuldner Fälligkeits-datum Sicherheiten Bedingungen zusätzliche Rechte / Pflichten
Bargeld Besitzer Zentralbank sofort keine keine gesetzliches Zahlungsmittel
Giralgeld Kontoinhaber Bank sofort keine keine
Darlehen Darlehensgeber Darlehensnehmer Zins- / Tilgungstermin diverse
Fonds-anteile Inhaber Fond nie / Liquidation Aktiva Beteiligungsrecht ohne Mitspracherecht
Beteiligungen Inhaber Unternehmen nie / Liquidation Aktiva – Fremdkapital Beteiligungsrecht
Aktien Aktieninhaber Unternehmen nie / Liquidation Aktiva – Fremdkapital Beteiligungsrecht
CDS Sicherungsnehmer Sicherungsgeber vereinbarter Endzeitpunkt keine Kreditereignis

Den Text hier eingeben! Zum Austausch von Farben gibts Muster z.B. bei: www.homepage-total.de (zur Zeit nicht erreichbar). Dann einfach den Code der Farbe austauschen.

Von Ivl1705 10:59, 4. Sep. 2012 (CEST)

Der Vorschlag ist noch stark von einer betriebswirtschaftlichen Sichtweise geprägt. Während bei der technischen Umsetzung unnötigerweise auf Implementierungsdetails eingegangen wird, werden wesentliche zahlungstechnische Komponenten (Clearing, Settlement) gar nicht erörtert, sondern als gegeben vorausgesetzt. Im Einzelnen:

  • Geld wird wie im Mainstream wie eine beliebige Handelsware behandelt.
  • Es wird keine konzeptionelle Unterscheidung zwischen Geld und Kredit getroffen.
  • Zentralbankgeld wird formal über vollständige Induktion eingeführt ohne die Kaufkraft des Induktionsanfangs zu erklären.
  • Um diesen Mangel zu beseitigen, müssen 'Geldverträge' eingeführt werden.
  • Alle wirtschaftlichen Akteure sind in diesem System gleichberechtigt. Sie können grundsätzlich ihr eigenes 'Geld' als Kreditgeld emittieren. Die allgemeine Akzeptanz ist einzig abhängig vom Verhalten des Akteurs in der Vergangenheit. Die Unsicherheit besteht jedoch gegenüber der Zukunft. Es ist kein Mechanismus vorgesehen, wie diese emittierten Kreditgelder homogenisiert werden können (Stichwort Clearing).

Fazit: Was die Makrofundierung angeht, sind im bestehenden Entwurf die Unterschiede zum bestehenden System lediglich semantischer Natur.

Es sind in den letzten Jahren in der Volkswirtschaft zwei wesentliche Ergänzungen hinzugekommen, die das Konzept 'Geld' entscheidend erweitern und die weitere Forschung wesentlich bereichern dürften. Diese gehen an die bestehenden Inkonsistenzen im Standardmodell von unterschiedlicher Seite heran. Eine Kombiniation der Merkmale aus den beiden nachfolgenden Modellen stellen imho die Grundlage für eine robuste und nachhaltige Wirtschaftsordnung dar.

Chartalismus

  • Baut auf 'Staatliche Theorie des Geldes' von Georg Friedrich Knapp (1895)
  • rein beschreibende Theorie

Die Grundannahmen des Chartalismus sind:

  1. Die atomistische Ansicht der Geldentstehung als Tauschmedium zur Minimierung der Transaktionskosten des Güter-Tausches nutzenmaximierender Individuen wird durch historische Aufzeichnung nicht belegt.
  2. Der angemessene Kontext in dem Geld betrachtet werden muss, ist kultureller und institutioneller Art, insbesondere sind soziale und politische Erwägungen hervorzuheben.
  3. Demzufolge lokalisieren Chartalisten den Ursprung von Geld im öffentlichen Sektor, wie breit dieser auch immer gefasst sein mag.
  4. In seiner eigentlichen Natur ist Geld eine soziale Relation der besonderen Art - es ist eine Kredit-Schuld-Beziehung.
  5. Chartalismus liefert eine geschichtete Sichtweise sozialer Schuldverhältnisse, wobei das maßgebliche Geld (die Verpflichtung der herrschenden Körperschaft) an der Spitze dieser Hierarchie sitzt.
  6. Geld funktioniert in erster Linie als abstrakte Recheneinheit, welches dann als Zahlungsmittel sowie zur Begleichung von Schuld verwendet wird. Silber, Papier, Gold oder oder welches 'Ding' als Tauschmittel dient, ist in unserer Erfahrung nur die Erscheinungsform einer letztendlich staatlich verfügten Recheneinheit. Daher ist die Funktion des Geldes als Tauschmedium beiläufig für und abhängig von seinen ersten beiden Funktionen als Recheneinheit und Zahlungsmittel.
  7. Von daher ist Buchgeld 'logisch vorhergehend und historisch früher als Markttransaktionen', wie Geoffrey Ingham (Ingham, G. (2004), The Nature of Money, Cambridge: Polity Press.: S. 25) treffenderweise feststellt.

spezifische Annahmen im Neo-Chartalismus:

Die jüngste Wiederbelebung als steuern-getriebenes Geld oder moderner monetärer Ansatz bereichert dieses Ansatz mit zusätzlichen Annahmen über Geld in der modernen Welt:

  1. Moderne Währungen existieren im Kontext staatlicher Kräfte. Die beiden wesentlichen sind:
(a) die Macht von ihren Bürgern Steuern zu erheben und
(b) die Macht zu verkünden, was er bereit ist als Bezahlung der Steuern zu akzeptieren.
  1. Daher beschränkt der Staat Geld darauf, was er an offiziellen Zahlstellen zur endgültigen Begleichung der Steuerschuld akzeptiert.
  2. Der Zweck der Besteuerung ist es nicht, die Staatsausgaben zu finanzieren, sondern Nachfrage für die Währung zu schaffen - daher der Begriff 'steuer-getriebenes Geld'.
  3. Sowohl logisch als auch praktisch erfolgen Staatsausgaben *vor* der Besteuerung um das zur Verfügung zu stellen, was notwendig ist um Steuen bezahlen zu können.
  4. Heute haben Staaten für gewöhnlich Monopolgewalt über die Herausgabe ihrer Währung. Staaten mit einer souveränen Kontrolle über ihre Währung (d.h. sie agieren ohne die Einschränkungen eines fixen Wechselkurses, Dollarisierung= US$ als Ankerwährung, Währungsunion oder Wechselkursverbund) haben keinerlei operationalen finanziellen Einschränkungen, politische Beschränkungen können sehr wohl vorhanden sein.
  5. Für Nationen, die ihre eigene Währung herausgeben, besteht keine Notwendigkeit zur Besteuerung oder Darlehensaufnahme um Staatsaugaben zu finanzieren. Während Steuern Nachfrage für die Währung schaffen, ist die Verschuldung eine vorab zinssatz-erhaltende Operation. Dies führt zu komplett unterschiedlichen Schlussfolgerungen für die Politik.
  6. Als Monopolist über seine Währung hat der Staat auch die Macht, die Preise festzusetzen, dazu gehört sowohl der Zinssatz als auch das Tauschverhältnis zu den anderen Gütern und Dienstleistungen.

nach "Chartalism and the tax-driven approach to money" Pavlina R. Tcherneva <http://pavlina-tcherneva.net/Tcherneva-Chartalism.pdf>

Bildhaft gesprochen erhalten die Transaktionen in einer Volkswirtschaft eine zweite Dimension: Die Transaktionenen innerhalb der Privathaushalte (Lohnzahlung, Konsumzahlung) werden konzeptionell getrennt von den Transaktionen zwischen öffentlichen und privaten Haushalten (Steuerzahlungen, Transferzahlungen).

Einen weiteren Gesichtspunkt institutioneller Natur hebt die monetäre Kreislauftheorie (=Circuitismus) hervor. Das betrifft vorrangig die Rolle der Banken in einer Volkswirtschaft.

Circuitism

relativ junges Modell: wesentlicher Vertreter Augusto Graziani (1984)

Die Anregung für diese Theorie findet sich im Spätwerk Keynes‘, demzufolge die Natur des Geldes und die Rolle der Banken in einer 'monetären Theorie der Produktion' integriert werden sollten. Das zentrale Problem unseres heutigen Geldsystems wird aus der Feststellung Grazianis deutlich, der sagt, dass eine 'Ökonomie, die Geld als Ware betrachtet, die aus einem regulären Produktionsprozess stammt, nicht von einer Tauschwirtschaft (Barterökonomie) unterschieden werden kann.' [1]

Demzufolge setzt dieses Modell am Produktionsprozess an. Jeder Produktionsprozess durchläuft prinzipiell vier Phasen:

  1. die Gewährung von Krediten durch Banken an Unternehmen
  2. Herstellung von Waren und DL in Unternehmen
  3. Kauf der Güter durch Haushalte
  4. Zahlung der Schulden an die Banken

Erläuterung zum Entstehungsprozess:

Banken gewähren eine Kreditlinie, das heisst sie geben das Versprechen ein Konto mit Guthaben und damit Kaufkraft auszustatten. Das Versprechen alleine begründet noch keine Erfordernis zur Deckung mit Zentralbankgeld. Erst wenn die Kreditlinie in Anspruch genommen wird, wird dieses Fiatgeld geschaffen (Bilanzverlängerung!) und eine Deckung durch Reserven muss gefunden werden. Das heisst es ist zuerst der Kredit da, der Zentralbankreserven nach sich zieht. Das Scheitern einer angebotsorientierten Politik in Depressionsphasen, nämlich die Versorgung der Geschäftsbanken mit Liquidität durch die Zentralbanken, welches dann nicht an die Wirtschaftssubjekte weitergereicht wird, wird bildhaft als "pushing on a string" (also eine Schnur schieben wollen) bezeichnet.

Mit diesem Ablauf und dem in der Realität beobachtbaren Verhalten werden folgende Feststellungen getroffen:

  • Geldschöpfung findet vorrangig(1) endogen im Bankensektor statt
  • Geld entsteht mit der Gewährung eines Kredits;
  • es wird zerstört mit der Rückzahlung ebendieses Kredits
  • Transaktionen sind trilateral: Zum Käufer und Verkäufer kommmt die Bank als Vermittler
  • Die Treuhänderfunktion wird durch eine credit-debit Beziehung auf dem jeweiligen Konto auf der Bank registriert.

(1) im Basismodell wird der Staat/Zentralbank noch nicht berücksichtigt. Wenn dies geschieht gilt als zusätzliche Feststellung:

  • Bargeld ist lediglich ein physisches Zeichen für einen Kredit (von der Zentralbank). Man spricht dann von 'Token Money' (Zeichengeld).

Konsequenzen für die Geld-/Währungspolitik:

  • Statt Mindestreserven tritt die Eigenkapitalausstattung der Banken als Bestimmungsgröße für die Geldschöpfung
  • Banken sind als eigene Entitäten grundsätzlich anders zu behandeln als Unternehmen bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtung.
  • Das bedeutet in erster Linie, daß sie als Treuhänder keine Gewinne erwirtschaften dürfen. Ein solcher Geldschöpfungsgewinn oder Seignorage wäre per Definition inflationär.
  • Kreditvergabe durch Banken zieht Reserven aus der Zentralbank und stellt primäres Geld dar (Zentralbankgeld = sekundäres Geld)
  • Neutralität des Geldes wird verworfen
  • Geschäftsbanken, die nach einer profitorientierten Organisationsstruktur (AG etc.) aufgebaut sind, dürften in einem derartigen gesellschaftlichen Umfeld einen schweren Stand haben. Geschäftsbanken, die in einer kooperativen Organisationsstruktur (Kreditvereine, Genossenschaften, Sparkassen …) existieren, dürften einen solchen Systemwechsel problemlos verkraften.

[1] The Monetary Theory of Production Augusto Graziani; Umfangreichste Leseprobe: <http://bilder.buecher.de/zusatz/21/21864/21864945_lese_1.pdf>;