Bundesparteitag 2012.2/Antragsfabrik/Programmänderung 119

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Programmänderung (im Entwurfsstadium) für den Bundesparteitag 2012.2.

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Antragstitel

Für eine menschenwürdige Wirtschaftspolitik

Antragsteller

Rainer Pallaske, Jürgen Nowak, Heiko Swieykowski-Trzaska

Antragstyp

Programmänderung

Antragstext

Es wird beantragt im Grundsatzprogramm an geeigneter Stelle einzufügen.

Menschenbild: Für eine menschenwürdige Wirtschaftspolitik

In unserer derzeitigen Wirtschaftsordnung steht nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns der Unternehmungen und der wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen der Politik, sondern die anonymen Märkte, die „sensibel“ reagieren, wenn die Erwartungen der Spekulanten nicht erfüllt werden, die diese Märkte mit ihren spekulativen Verhaltensstrategien beeinflussen. Es muss jedoch das Primat der Politik vor der Wirtschaft gelten.

Der Mensch ist nicht - wie die ideologisch neoliberale Wirtschaftswissenschaft axiomatisch postuliert - ein Homo oeconomicus, der nur individualistisch nach dem Grundsatz der Nutzen-Kosten-Analyse entscheidet und handelt. Dieses philosophisch-anthropologisch völlig falsche Menschenbild ist zu ersetzen durch den Homo socialis, d.h. durch den „sozialen Menschen“, der im Spannungsfeld seiner individuellen Interessen und seiner Eingebundensein in die Gemeinschaft bzw. in die Gesellschaft lebt und handelt. Es geht um eine menschenwürdige Wirtschaftsordnung.

Eine demokratische Gesellschaft braucht nicht nur einen transparenten Staat, sondern auch eine transparente Wirtschaft, in der die Regeln bekannt sind und die marktwirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmungen und die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Entscheidungen für alle Bürger nachvollziehbar offengelegt werden, z.B. Offenlegung der Produktions- und Vertriebswege, Herkunft der Rohstoffe und Waren, um wirtschaftlichen Missbrauch zu verhindern. Die folgende drei Sektoren sind miteinander zu verbinden: Eine wettbewerbsfähige und sozial-kooperative Marktwirtschaft, eine effiziente infrastrukturelle Daseinsvorsorge und eine soziale oder Gemeinwohl-Ökonomie.

Kooperative Marktwirtschaft

Schon die ideellen Gründungsväter der sozialen Marktwirtschaft (Walter Eucken 1939/1952 und Wilhelm Röpke 1938) haben vor dem Zweiten Weltkrieg analysiert, dass der Markt(fundamentalismus) nichts automatisch regelt, sondern dass die kapitalistische Marktwirtschaft einen gesellschaftspolitischen Rahmen braucht. Dazu gehören insbesondere: Erstens eine Ordnungspolitik, die keine Monopole und Oligopole wie in der Energiewirtschaft zulässt, sondern einen fairen Wettbewerb nach transparenten Regeln ermöglicht, und zweitens eine Sozialpolitik, die allen Menschen ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum garantiert, wie es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 fordert. Dieses ist eine notwendige Grundlage, um eine gesellschaftliche Teilhabe Aller zu ermöglichen.

Infrastrukturelle Daseinsvorsorge

Die für alle Bürger wichtigen „Lebensmittel“ wie Wasser, Energie, Verkehrsnetze (Bahn, ÖPNV), Bildung (Schule, Hochschulen, Kitas) gehören nicht in private Profithände, sondern sie sind volkswirtschaftlich durch die Gesellschaft, z.B. durch die Rekommunalisierung solcher Monopole demokratisch zu kontrollieren, aber natürlich betriebswirtschaftlich effizient zu managen. Insbesondere sind die Ausgaben für die Bildung und den öffentlichen Nahverkehr beträchtlich zu erhöhen.

Gemeinwohlökonomie und Sozialpolitik

Der Begriff „Soziale Ökonomie“ als Sammelbegriff für lokale, Solidar- und Gemeinwohlökonomie bedeutet der „dritte Weg“ zwischen kapitalistischer Profitlogik und öffentlicher Staatswirtschaft. Soziale Ökonomie ist die Selbstorganisation von Bürgern in Form von selbstverwalteten Betrieben, Genossenschaften, gemeinnützigen Stiftungen, Wohlfahrtsverbänden und Sozialversicherungssystemen. Eine Gemeinwohlökonomie leistet einen Beitrag zur Versorgung der Bürger mit Waren und Diensten, die die beiden anderen Sektoren entweder nicht abdecken, und sie bietet alternative Lösungen im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit und regionaler Wirtschaftskreisläufe an. Daseinsvorsorge und Gemeinwohlökonomie sind ein Garant für eine an sozialer Gerechtigkeit orientierten Sozialpolitik.

Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik

Die deutsche Exportwirtschaft profitiert in der globalisierten Weltwirtschaft im großen Umfang erfolgreich vom gemeinsamen Markt der Europäische Union. Das garantiert hohe Gewinne und relative stabile Einkommen der Abhängig Beschäftigten. Daher ist es zwingend erforderlich, dass sich Deutschland an der Tilgung der Schulden zur Bewältigung der sog. EURO-Krise beteiligt und dass die Europäische Zentralbank das Recht erhält, den notleidenden Ländern billige Kredite zu gewähren, damit sie nicht von den hohen Zinsen der anonymen globalen Finanzmärkte abhängig bleiben.


Antragsbegründung

Begründung

Dies ist der Gesamtteil einer Antragsinitiative aus ursprünglich 5 Modulen. Über diese sollte bisher als Reihung abgestimmt werden. Aufgrund von Kritik über und Anregungen zu dieser Modularisierung haben wir die Module wieder zusammengefasst. Die folgende Begründung sowie die Anregung zur weiterführenden Diskussion betrifft nun den Gesamtantrag.

Leitbild Transparenz, Bürgerbeteiligung und Grundrechte

Die Schlüsselworte des politischen Profils der Piratenpartei sind - als Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Altparteien - die einzufordernde Transparenz, die umzusetzende aktive Teilhabe der Bürger und die Achtung der Grundrechte des Einzelnen. An diesen Maßstäben hat sich die Piratenpartei auch in ihrer wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Programmatik zu orientieren, d.h. in allen Fragen ist nach Lösungen zu suchen, inwieweit die Vorschläge das Leitbild der Piraten in Bezug auf Transparenz, Bürgerbeteiligung und Achtung der Grundrechte ermöglichen und fördern. Die globalisierte und europäisch vernetzte Welt stellt uns vor neue große Herausforderungen, so dass sich die Bereiche Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik heutzutage nicht mehr trennen lassen, sondern sie sind in ihren in wechselseitigen Abhängigkeiten gemeinsam im europäischen und globalen Kontext zu analysieren and als Programmpunkte zu betrachten.

Denkanstöße für einen politischen Handlungsrahmen des Wahlprogrammes zur Bundestagswahl 2013 basierend auf den vorgestellten Grundsatzmodulen

Die nachstehenden Vorschläge gehören nicht zum Antrag, sondern sie sollen als Denkanstöße für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 den politischen Handlungsrahmen aufzeigen, der sich auf der Grundlage des hier vorgeschlagenen wirtschaftspolitischen Grundsatzprogrammes ermöglichen lassen würde.

Wir freuen uns auf Kritik, Anregungen und gemeinsame Diskussionen, um die Piratenpartei zum Erfolg zu führen.

• Menschenwürdiger Mindestlohn als Brücke zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens.

• Beteiligung der Banken und Spekulanten an den Kosten der von Ihnen verursachten Schuldenkrise.

• Trennung in Kredit- und Investmentbanken.

• Schaffung eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministeriums, um gleiche Regeln für alle 27 EU-Länder zu haben.

• Einführung von Eurobonds bei gleichzeitiger gemeinsamer koordinierter Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Europäischen Union.

• Begrenzung der Höhe der Boni-Zahlungen an Manager und Vorstandsmitglieder bei gleichzeitiger Einführung von Maluszahlungen bei schlechtem Wirtschaften.

• Eine Steuerreform, die zu mehr Einnahmen bei größerer Verteilungsgerechtigkeit in einem transparenten Steuersystem führt, z.B. durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

• Offenlegung aller Wirtschafts- und Finanzabkommen Deutschlands, auch wenn sie bisher geheim sind.

• Rekommunalisierung privatwirtschaftlicher Unternehmen der Wasser- und Energieversorgung.

• Flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit, um Beruf, Familie, Freundeskreise und soziales Engagement besser miteinander zu vereinbaren.

LiquidFeedback
Piratenpad
Datum der letzten Änderung

09.10.2012


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