Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-10-22 - Rechtssicherheit im Internet

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Antragsnummer

GP089

Einreichungsdatum

2010-10-22

Antragstitel

Rechtssicherheit im Internet

Antragsteller

  • Boris Turovskiy

Antragstyp

Programmantrag

Antragstext

Der Bundesparteitag möge folgenden Text als eigenständigen Punkt unter dem Titel "Rechtssicherheit im Internet" in das Parteiprogramm aufnehmen.

Rechtssicherheit im Internet

Das Internet wird für immer mehr Menschen zu einem täglich genutzten Instrument im privaten wie im geschäftlichen Leben. Dadurch ergeben sich zahlreiche Veränderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen, denen die Rechtslage nicht oder nicht ausreichend angepasst wird. Für die Teilnehmer der Internetkommunikation müssen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es jedem ermöglichen, ohne spezielle juristische Vorkenntnisse dieses Medium für gängige Zwecke nutzen zu können, ohne sich dem Risiko unwissentlicher Verletzung von Gesetzen auszusetzen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Möglichkeiten des Internets für die Zukunft voll ausgeschöpft werden.

Grenzübergreifende Geschäftsabwicklung im Internet

Vor der Verbreitung des Internets waren Handelsbeziehungen mit ausländischen Partnern einer begrenzten Gruppe von (vorwiegend großen) Unternehmen vorbehalten. Dies veranlasste den Gesetzgeber, eine umfassende Regulierung durchzusetzen, die mittlerweile nicht den Realitäten angemessen ist. Immer mehr Menschen beteiligen sich am sogenannten „Außenhandel“. Sowohl Verbraucher als auch kleine Unternehmen nutzen die Möglichkeit, über das Internet Waren und Dienstleistungen zu erwerben und anzubieten. Diese Entwicklung erhöht die wirtschaftliche Wechselwirkung mit dem Ausland insbesondere bei Kleinst- und Kleinunternehmen enorm und sollte durch eine signifikante Vereinfachung der gesetzlichen Regelungen für diese Unternehmen gefördert werden.

Rechtssichere Nutzung internetbasierter Zahlungssysteme

Internetbasierte Zahlungssysteme erfreuen sich bei unterschiedlichen Transaktionen immer größerer Beliebtheit und sind bei reinen Internetgeschäften im Zahlungsverkehr oftmals bereits gängiger im Vergleich zu "klassischen" Zahlungsarten. Die rechtlichen Aspekte solcher Zahlungen sind allerdings weitgehend obskur, sodass z.B. die Meldung von Ausgaben oder Einnahmen, die über solche Zahlungssysteme abgewickelt werden, aus steuer- wie handelsrechtlicher Sicht nicht problemlos abzuwickeln ist. Es müssen sichere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Zahlungsverkehr mithilfe internetbasierter Zahlungssysteme regulieren und zugleich deren rechtlich bedenkenfreie Nutzung ermöglichen. Auch die Pflicht zur Rechnungsstellung muss aufgrund der Entwicklung von immer neuen Kommunikationsformen und -medien reformiert und angepasst werden.

Abschaffung der Kennzeichnungspflicht für Privatpersonen

Die Anbieterkennzeichnungspflicht ("Impressumspflicht") erstreckt sich in Deutschland nicht nur auf kommerzielle Webseiten, sondern auch auf private Seiten und Blogs. Damit wird ein freier Meinungsaustausch im Internet massiv behindert, da Menschen, die daran mittels eines Blogs oder einer Webseite teilnehmen wollen, dazu gezwungen werden, ihre privaten Kontaktinformationen zu veröffentlichen. Die Möglichkeit anonymer Beteiligung, welche einen großen Beitrag zur freiheitsfödernden Rolle des Internets leistet, wird dadurch komplett untergraben. Eine Reglementierung von Internettauftritten in einer solchen Art und Weise zeigt zudem ein völliges Missverständnis des Gesetzgebers für den Stellenwert und die Kommunikationsstruktur dieses Mediums in der heutigen Welt. Wie in vielen anderen Situationen führt diese Regelung zur Entstehung eines Abmahngeschäfts, das vorallem unwissende bzw. unschuldige Verbraucher betrifft. Damit die Bürger auch im Internet die Rechtssicherheit wieder finden, ist eine Beschränkung der Anbieterkennzeichnungspflicht auf juristische Personen sowie natürliche Personen, deren Onlineauftritt gewerbliche Ziele verfolgt, notwendig, was zudem den ursprünglichen, im Verbraucherschutz begründeten Zielen dieser Pflicht entspricht.

Beschränkung von Abmahnungen

Abmahnungen, die Handlungen im Internet als Grund haben und sich gegen Privatpersonen richten, haben mit zunehmender Verbreitung des Internets rapide in Anzahl zugenommen und bilden in manchen Bereichen bereits die Grundlage von Geschäftsmodellen. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass viele Gesetze Grauzonen aufweisen oder sich schnell verändern, wenn es sich um Internetfragen handelt, dient eine solche Situation der Verunsicherung der Bürger und behindert die Ausschöpfung der Möglichkeiten des Internets. Aus diesem Grund müssen Abmahnungen gegen Privatpersonen, die sich auf Vergehen in der Internetkommunikation beziehen und keinen Grund zur Annahme eines absichtlichen Gesetzesverstoßes erkennen lassen, grundsätzlich beschränkt werden.

Begründung

Dieser Antrag das Thema "Rechtssicherheit im Internet" im Grundsatzprogramm festhalten, das ich als sehr angemessenes Kernthema empfinde. Einerseits knüpft es an viele unserer anderer Forderungen an, andererseits werden so Brücken für Themen gebaut, die wir bisher nicht bearbeitet haben. Auch die Grundidee der "Rechtssicherheit" stellt ein gutes Gegenpol zum Schlagwort "Rechtsfreier Raum" dar, das oft gegen uns verwendet wird. Die Aufnahme des Themas inklusive Einleitung gibt auch die Möglichkeit, darauf basierend tagespolitische Aussagen und Forderungen zu machen, auch wenn ein bestimmtes Thema nicht direkt im Programm enthalten ist.

Zu "Kennzeichnungspflicht:
Viele Ideen und Werke, die unsere Kultur prägten und bereicherten, wurden ursprünglich im Schutze der Anonymität oder unter einem Pseudonym veröffentlicht. Politischen Machtstrukturen, gesellschaftliche Konventionen und religiöse Intoleranz waren vermutlich die Hauptgründe, weshalb sich die Autoren nicht offen zu ihren Werken bekennen konnten. Die Anonymität des Autors war manchmal ratsam, um die soziale Stellung nicht zu gefährden – und manchmal war sie sogar notwendig zum Schutz des eigenen Lebens. Die Zeiten mögen sich geändert haben, aber das Grundproblem ist geblieben. Es liegt in der Natur der Sache, dass neue Ideen immer wieder mit den bestehenden Gesellschaftsstrukturen und Gepflogenheiten kollidieren, dass sie traditionelle Tabu-Grenzen überschreiten und bestehende Weltbilder in Frage stellen. Die Möglichkeit, neue Ideen anonym veröffentlichen zu können, ist deshalb auch heute im Internet-Zeitalter noch immer eine der wichtigsten Grundvoraussetzung für den gesellschaftlichen Wandel in einer Demokratie.
Die Impressumspflicht hat bei Privatpersonen auch ganz andere Konsequenzen als bei Firmen. Als Privatperson kann man beim Impressum nur seine Privatadresse und seine private Telefonnummer angeben. Man hat keine Firmenadresse, keinen Pförtner, keine Presseabteilung, keinen Werksschutz, ... die einen nach außen hin abschotten und die unliebsame Besucher und Anrufer abhalten. Deshalb ist man als Privatperson sehr viel stärker von den Konsequenzen betroffen, die sich aus der Impressumspflicht ergeben. Und daraus ergibt sich bei Privatpersonen auch eine besondere Notwendigkeit zum Schutz der Privatsphäre, die es bei Firmen nicht gibt. (copypasted aus dem Antrag von Alexander Heidrich).

Zu "Geschäftsabwicklung im Internet"&"Internetbasierte Zahlungssysteme":
Die Verbreitung des Internets öffnet auch für Erwerbstätigkeit ganz neue Perspektiven, die gefördert und genutzt werden sollten. Wie in vielen anderen Bereichen auch hinkt hier aber die Gesetzgebung stark hinterher. Während es technisch kein Problem darstellt, einen Auftrag von einem US-amerikanischen Kunden über Skype auszuhandeln, mit Webmoney bezahlt zu werden und diese dann für die Bezahlung eines ukrainischen Freelancers (von dem man nur den Nick und die ICQ-Nummer kennt) für die Betreuung der eigenen Webseite einzusetzen, ist die ordnungsgemäße Verbuchung der Vorgänge ein schlichter Grusel - und das muss geändert werden.

Zu "Abmahnungen":
Wir haben uns oft gegen den ausufernden Abmahnwahn (besnders in Verbindung mit Urheberrechtsverstößen) ausgesprochen. Dieser Punkt liefert eine Grundlage, gegen Abmahnungen auch in anderen Bereichen anzutreten.


Liquid Feedback

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Wiki-Antragsfabrik

http://wiki.piratenpartei.de/Antragsfabrik/Rechtssicherheit_im_Internet

Konkurrenzanträge

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Hinweise zum Programmantrag

Antrag für das Grundsatzprogramm

Datum der letzten Änderung

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