Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-10-19 - Urheberrechtspersönlichkeitsrecht

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Antragsnummer

GP032

Einreichungsdatum

2010-10-19

Antragstitel

Urheberrechtspersönlichkeit

Antragsteller

Luna Loof (Realname ist der Antragskommission bekannt)

Antragstyp

Programmantrag (genauer: 3 Alternativanträge zur Programmänderung)

Antragstext

Urheberrechtspersönlichkeit

1. Antrag zum Urheberpersönlichkeitsrecht

Es wird beantragt, den Satz "Wir erkennen die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an." im Parteiprogramm zu streichen.

2. Antrag zum Urheberpersönlichkeitsrecht

Es wird beantragt, den Satz "Wir erkennen die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an." im Parteiprogramm durch den folgenden Satz zu ersetzen: "Für uns ist es wichtig, dass der Urheber für seine schöpferische Leistung Anerkennung erfährt."

3. Antrag zum Urheberpersönlichkeitsrecht

Es wird beantragt, den Satz "Wir erkennen die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an." im Parteiprogramm durch folgenden Satz zu ersetzen: "Wir erkennen die Persönlichkeitsrechte der Urheber in ihrem vom Grundgesetz gewährleisteten Umfang an."

(Erläuterung:_ Diese Anträge werden natürlich alternativ zur Wahl gestellt, da nur einer davon umgesetzt werden kann!)

Begründung

Die vollumfängliche Anerkennung des Urheberpersönlichkeitsrechtes verhindert einen angemessenen Ausgleich zwischen Urhebern und Nutzern von Werken.

Gerade die kreative Bearbeitung und Fortentwicklung bestehender Werkes wird durch das Recht des Urhebers (und seiner Erben) jegliche Beeinträchtigungen seines Werkes zu verbieten, über Gebühr behindert.

Selbst gemeinfreie Werke sind hiervon noch betroffen. Auch trägt dieses Prinzip in seiner derzeitigen Ausprägung dem Erfahrungssatz, dass Werke nicht aus dem Nichts entstehen, sondern immer von anderen bereits vorher erschaffenen inspiriert wurden, nicht ausreichend Rechnung. Zudem geht dieses Konzept von dem allein schaffenden Genie aus und nicht von der Realität, dass die meisten Werke heute Gruppenanstrengungen entstammen.

Ein generelles Urheberpersönlichkeitsrecht wird nicht einmal im anglo-amerikanischen Kulturkreis anerkannt, hier ist das "Copyright" als "Vervielfältigungsrecht" rein wirtschaftlich bezogen. Lediglich einzelne Rechte, die hier aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht abgeleitet werden, stehen dort Urhebern zu.

Deswegen werden solche Rechte auch in völkerrechtlichen Abkommen zum Urheberrecht wie dem TRIPs vom Schutz ausgenommen. Lediglich die Berner Übereinkunft in Art. 6bis erkennt einzelne moralische Rechte des Urhebers an. Wenn aber selbst die von uns als zu weitgehend empfundenen internationalen Abkommen einen solchen Schutz nicht vorsehen, sollte die Piratenpartei sich erst recht nicht so weitgehend festlegen.

Selbst das Bundesverfassungsgericht erkennt ein Urheberpersönlichkeitsrecht nur in seinem Kerngehalt an und leitet es hier vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ab. Das Urheberpersönlichkeitsrecht, wie es das Urhebergesetz vorsieht, geht aber weit hierüber hinaus. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem bisher noch in keiner Entscheidung Rechte von Urhebern aus einem solchen Persönlichkeitsrecht hergeleitet, im Gegenteil findet es in kaum einer Entscheidung auch nur Erwähnung. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich Grenzen aufgezeigt, indem es entschieden hat, dass ein verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht des Urhebers auf jeden Fall mit seinem Tod endet.

Im deutschen Urheberrecht werden aus der philosophischen Denkrichtung, die ein Urheberpersönlichkeitsrecht anerkennt, vor allem die §§ 12 bis 14 UrhG daraus abgeleitet.

Der Begriff der Beeinträchtigung, der auch in allen anderen hierauf abstellenden Paragraphen enthalten ist, ist aber mehr als schwammig. Hierdurch kann die Verwendung von Samples, auch wenn diese grundsätzlich erlaubt würden, verboten werden.

Eine drastische Verkürzung der Urheberrechtslaufzeiten könnte hierüber wieder eingefangen werden.

Schon heute verhindern damit Architekten, dass Gebäude, die diese konstruiert haben, umgestaltet werden können, obwohl sie damals dafür bezahlt wurden. Während kein Handwerker, der bei mir zuhause eine Wand streicht, mir verbieten kann, die sofort oder nach einigen Jahren umzugestalten.

Die Möglichkeiten eines Missbrauchs von Rechten, die einem Urheber angeblich aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht zustehen, sind umerschöpflich. Zurzeit werden allerdings deshalb so wenige Klagen hierauf gestützt, da die Verletzung von Verwertungsrechten einfacher zu beweisen ist.

Als Beispiel aus (meiner) Praxis aber:/ Die Stadt O veranstaltet eine Kunstausstellung mit Bildern, die sie aus anderen Museen und Sammlungen gemietet hat. Hierbei hat sie vertraglich auch verabredet, dass sie das Bild B des Künstlers P für die Werbung für die Ausstellung verwenden darf. Da aber dem Urheber bzw. seinen Erben, da der Urheber seit etwa 40 Jahren tot ist, das Urheberpersönlichkeitsrecht unabhängig von irgendwelchen verwertungsrechtlichen Verträgen weiterhin zusteht, darf die Werbung deren Interessen nicht beeinträchtigen oder das Bild entstellen. Aber wie bestimmt man sowas? Eigentlich sollte auf den Plakaten mit dem Bild auf dem Bildhintergrund das Logo der Stadt O angebracht werden und einige weitere örtliche gestalterische Vorgaben umgesetzt werden. Da aber die Erben des Künstlers höchst streng über dessen Erbe wachen, musste diese Idee verworfen werden, da man sich nicht Klagen von dieser Seite einfangen wollte, was aufgrund des unklaren Umfangs des Urheberpersönlichkeitsrechts nicht auszuschließen war.

/Anderes Beispiel:/ Produktionsgesellschaft P stellt einen Film her, der auf einer (gemeinfreien) literarischen Vorlage beruht. Hierbei soll das Verhältnis der beiden männlichen Hauptfiguren H und W als homosexuell angedeutet werden. Gegen eine solche Interpretation der literarischen Vorlage wendet sich dann jemand, der angeblich die Rechte an dem Stoff aufgrund einer darauf beruhenden, selbst erstellten Fernsehserie erworben hat. Gestützt wird dies auf das Urheberpersönlichkeitsrecht. Auch könnten sich hierauf auch noch die Nachfahren in der 20. Generation stützen, da es sich nach deutschem Urheberrecht um ein absolutes Recht handelt, und damit eine ihnen missliebige Interpretation verhindern.

Damit soll nicht gesagt werden, dass die Piratenpartei keine Urheberpersönlichkeitsrechte befürworten darf - ich selbst halte beispielsweise viel von dem Recht der Urheber auf Namensnennung - sondern nur, dass hier eine vollumfängliche Anerkennung im Parteiprogramm erfolgt, die weder notwendig, noch vernünftig ist. Hierdurch werden interessante Optionen zur Reform des Urheberrechts von vornherein einer (notwendigen) Diskussion entzogen. Gerade wir Piraten sollten das geltende Urheberrecht nicht zementieren.

Perfide Auswirkungen zeigt das Urheberpersönlichkeitsrecht vor allem da, wo kreativ mit bestehenden Werken der Urheber umgegangen wird, d .h., dort wo diese Werke ergänzt, umgestaltet oder sonstwie verändert werden. Das betrifft nicht in erster Linie willkürliche Kürzungen oder Vergleichbares, da ich dem Autor grundsätzlich das Recht zubillige, sich gegen Verletzungen der Integrität seines Werkes zu wehren, sondern besonders dort, wo etwas neues auf dessen Grundlage erschaffen werden soll.

Diese Aussage steht zudem insbesondere im Widerspruch mit unserer Forderung der nicht-kommerziellen freien Benutzung von Werken.

Wer bis hierher trotz des juristischen Kauderwelsches durchgehalten hat, den habe ich hiermit hoffentlich überzeugt! Alle anderen verklag' ich einfach! ;-)

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