Benutzer:Sbeyer/Blog/20130506

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Ein massiver Wahlprogrammantrag

Leider kann ich aus privaten Gründen nicht zum Bundesparteitag 2013.1 kommen. Einerseits finde ich dies ein bisschen schade, da er von der Planung und von den eingereichten Anträgen her sehr viel Potenzial birgt, irgendwie gut zu werden. Andererseits, nunja, wie ich unsere Basis so kenne, kommt eh wieder alles anders... ;-)

Trotzdem hatte ich mir vorgenommen, die Gesamtanträge etwas genauer anschauen: kann man denen zustimmen, oder steckt zu viel Mist drin?

Der ' ist scheinbar ein Antrag, der unabhängig von der Initiative gemeinsames Wahlprogramm, aber auf Basis der Anträge darin entstanden ist. Dabei soll es noch Überarbeitungen gegeben haben, aber mir ist nicht bekannt, ob diese irgendwo dokumentiert sind. Daher habe ich mir auch erlaubt, die auf den ersten Blick identisch wirkenden Module/Einzelanträge technisch zu diffen, d.h. mir die Unterschiede markieren zu lassen, um mich zu überzeugen, was denn genau geändert wurde. Oft waren es dann doch nur redaktionelle Kleinigkeiten; die Ausnahmen erwähne ich unten.

Die Module

Das Modul 1 zum Themenkomplex "Freiheit und Grundrechte" ist mir an manchen Punkten zu speziell und insgesamt trotzdem zu wenig substanzielles. Zum Glück ist das Fehlen von Punkten kein Punkt einen Antrag abzulehnen. Also:

  • Ich bin nicht sehr glücklich mit den Forderungen zu den Grundgesetzänderungen. Ja, zwar dürfen die Grundrechte verändert werden solange ihr Wesen erhalten bleibt, aber die Erweiterungen um "digitale Netzwerke" und "Schutz der Privatsphäre" sind für eine 3-Prozent-Partei realitätsferne und in der Praxis wahrscheinlich eher wirkungslose Symbolforderungen. Aber ich weiß, dass diese Anträge immer sehr beliebt waren, also von mir aus.
  • Die restlichen Punkte (Information von Betroffenen zu Überwachungsmaßnahmen, Ablehnung Bundes-/Staatstrojaner, International Liberty Agreement) finde ich vom Querlesen her sehr in Ordnung. Im Detail mag der Teufel begraben liegen, aber den kriegen wir dann eh nicht mehr weg.

In Modul 2 zum Themenkomplex "Demokratie wagen" steht nichts, was ich ablehne. Mein Kritikpunkt wäre, dass die Punkte eher viel zu allgemein gehalten sind. Andererseits wäre dies wohl eine Art Minimalkonsens für uns. Hier wäre es gut, sich die anderen Anträge im Themenbereich vorher gut anzuschauen...

Also zu Modul 3, Netzpolitik. Der Themenkomplex trägt dank unserem Struktur-Beschluss in Bochum leider den schrecklichen Namen "Internet, Netzpolitik und Artverwandtes". Enthalten sind lediglich drei Punkte: freie und rechtskräftige digitale Signaturen "für alle", Garantie auf ano-, auto- und pseudonyme Netzdienst-Nutzung und die Abschaffung des Hackerparagraphen. Punkt 2 und 3, ja unbedingt!

Punkt 1 kam schon einmal zum Bundesparteitag 2012.2 in Bochum als Einzelantrag für das Grundsatzprogramm und wurde knapp abgelehnt. Dieser Punkt bereitet mir auch jetzt wieder leichte Bauchschmerzen, da es das darin Geforderte bereits dezentral und nicht-staatlich gibt – also ohne Single-Point-of-Failure und ohne Mißbrauchsgefahr. Ich rede zum Beispiel von Web-of-Trust-basierten Diensten wie OpenPGP oder CAcert. Das Problem ist hierbei lediglich die Rechtssicherheit, aber dazu gibt es ja den Antrag .

Ich wundere mich auch etwas, was so aus den ursprünglichen Anträgen von der Initiatve gemeinsames Wahlprogramm herausgeflogen ist, beispielsweise die Anträge zur Netzneutralität.

Bei Modul 4 "Umwelt und Verbraucherschutz" gefällt mir der Punkt mit dem Energiespeicherfördergesetz und der OpenData-Lärmemission-Erfassung. Bei den anderen Punkten (EEG-Umlage und Ausdehnung der Eierkennzeichnung) fehlt mir fundiertes Hintergrundwissen.

Modul 5 zum Themenkomplex "Arbeit und Soziales" beinhaltet die sehr umfangreichen Anträge der Sozialpiraten. Auch wenn ich nicht alle Punkte gut finde, so sind manche bereits gesellschaftlicher bzw. Parteikonsens und werden nur in sinnvoller Weise konkretisiert. Ich könnte daher diesem Modul vollständig zustimmen und hoffe, dass dies passiert, da hier einige Sachen sinnvoll eingearbeitet wurden (z.B. ist es sinnvoll, die Forderung nach Mindestlohn in öffentlichen Ausschreibungen hinter die Forderung nach dem flächendeckenden Mindestlohn zu packen, statt dies im Programm zerstückelt stehen zu haben). Außerdem freut mich sehr, dass der Commons-Antrag im Modul 5 enthalten ist (wobei man hier die Überschriftstruktur hinterher redaktionell beheben muss, da "Commons" sonst ein Unterpunkt zu "Menschen mit Behinderungen" ist).

Ich denke, was in Modul 6 zur Familienpolitik geschrieben steht, ist bereits Minimalkonsens in der Partei. Der Themenbereichspunkt Gesellschaft (mit Themen wie Vielfalt, Migration, Inklusion, Asyl) fehlt in WP138 leider völlig.

Modul 7 zur Gesundheitspolitik enthält die Anträge zur Gesundheitspolitik, zur Drogen-/Suchtpolitik und zur Psyche. Als Nicht-Fachmann empfinde ich das, was ich verstehe, als annehmbar.

Modul 8 entspricht einem entschärften und redaktionell überarbeiteten . Entschärft heißt:

  • Der Satz "Die massenweise Finanzierung von Staatsschulden zweifelhaften Wertes über die Europäische Zentralbank (EZB) und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) lehnen wir PIRATEN strikt ab" wurde entfernt, und dafür der weichere aber ggf. auch konstruktivere eingefügt.
  • Aus "Eine Abfederung sozialer Einschnitte durch den Schutz von Kleinanlegern bzw. privater Renten- und Lebensversicherungen ist bis zu einem Höchstbetrag zu gewährleisten" wurde "Der Schutz von Kleinanlegern bzw. privater Renten- und Lebensversicherungen ist bis zu einem Höchstbetrag zu gewährleisten".
  • Aus "Zur zukünftigen Stabilisierung des europäischen Bankensektors ist eine Trennung des Geschäftsbereichs „Investment Banking“ von der übrigen Geschäftstätigkeit (Trennbankensystem) europaweit gesetzlich vorzuschreiben" wurde "Zur zukünftigen Stabilisierung des europäischen Bankensektors ist eine stärkere Regulierung notwendig".

Die letzte Änderung gefällt mir ganz gut, denn die Forderung nach einem Trennbankensystem oder auch eine Ablehnung des Trennbankensystems kann mit anderen Anträgen, die eingereicht wurden, später eingefügt werden. Ich persönlich bin von der Sinnhaftigkeit des Trennbankensystems nicht überzeugt, und wenn, dann führen unsere Politiker das auch ohne uns Piraten ein, von daher brauchen wir meines Erachtens auch gar keine zwingende Position zu diesem Thema im Programm. Bei dem ESM-Teil bin ich unschlüssig. In Zusammenhang mit einem anderen Antrag () gefällt mir aber diese Änderung im WP138 sehr gut.

Bei Modul 9 zur Außen- und Sicherheitspolitik bin ich vollkommen leidenschaftslos, mit einer leichten Tendenz zum "kann man annehmen" mit einem Schuß "einige Sachen sind ganz schön selbstverständlich und einige sind eher als Positionspapier geeignet", aber passt schon.

Das Modul 10 im Themenkomplex "Wirtschaft und Finanzen" spricht sich im Bereich Finanzen gegen Lebensmittelspekulationen aus, für eine Finanzmarktregulierung mit Bankenabwicklungen ohne dass Steuerzahler aufkommen müssen, für eine Einbeziehung von Schattenbanken in die Regulierung, enthält Maßnahmen zur Eindämmung von Spekulationsrisiken (und positioniert sich nun an dieser Stelle gegen ein Trennbankensystem), und fordert eine Finanztransaktionsteuer. Im Bereich Haushalt geht es um Transparenz, Subventionen, Bildung, Mindestlohn, aber nicht um Doppik. Die Mindestlohnpassage ist wortgleich bereits in Modul 5 enthalten. Ich frage mich, ob diese Doppelung beabsichtigt ist. Im Bereich Steuern geht es um Vereinfachungen und Wegfall der Ausnahmeregelungen, aber auch um eine Reform der Verbrauchsteuern.
Der Steuerteil gefällt mir gut, der Haushaltsteil wirkt zusammengeschustert, der Finanzmarktteil braucht sicherlich eine Debatte...

Modul 11 zur Innen- und Rechtspolitik ist sehr umfangreich, habe aber nichts entdeckt, was ich ablehne, und dafür vieles, was ich als wichtig erachte. Je nach Geschmackssache also entweder Modul 11 annehmen, oder ablehnen, aber dafür die Anträge , , und die letzten beiden Module von WP168 annehmen.
Wieso Geschmackssache? Der Original WP144 ist in einem anderen Themenbereich (Freiheit und Grundrechte) und etwas aktueller (enthält Bestandsdatenauskunft). WP060 wurde in einer völlig anderen Reihenfolge in den WP138 eingepflegt, nämlich: 12, 16, 4, 1, 6, 11, 9, 2, 8, 3, 10, 5, 7, 13, 15, 14 :-) Einfach mal anschauen, ergibt beides irgendwie Sinn. Bei WP012 ist die Frage, ob man Korruption im Wirtschaftsleben eher im Kapitel zu Innen und Recht oder im Kapitel zu Wirtschaft und Finanzen behandeln will. Aber da es eigentlich alles keine wirkliche Rolle spielt, wo die Sachen stehen, kann man Modul 11 auch einfach annehmen ;-)

Was spart es?

Das schöne an einem Sammelantrag ist ja, dass er eine ganze Menge späterer Anträge aus der Tagesordnung obsolet macht. Bei WP138 sind das

  • (in Modul 1)
  • (in Modul 1)
  • (in Modul 1)
  • (modulare Fassung von Modul 1)
  • (modulare Fassung von Modul 2)
  • (modulare Fassung von Modul 3)
  • (modulare Fassung von Modul 4)
  • (in Modul 5)
  • (in Modul 5)
  • (in Modul 5)
  • (in Modul 5)
  • (in Modul 5)
  • (in Modul 5)
  • (modulare Fassung von Modul 6)
  • (in Modul 7)
  • (in Modul 7)
  • (in Modul 7)
  • (modulare Fassung – 46 Module! – von Modul 7)
  • (in Modul 8)
  • (in Modul 9)
  • (in Modul 9)
  • (in Modul 9)
  • als Wahlprogramm (in Modul 9)
  • (in Modul 9)
  • (modulare Fassung von Modul 9)
  • (in Modul 10)
  • (in Modul 10)
  • (in Modul 10)
  • (modulare Fassung von Modul 10)
  • ( (in älterer Fassung in Modul 11))
  • (in Modul 11)
  • (in Modul 11)
  • (modulare Fassung von Modul 11)

da diese bis auf redaktionelle Kleinigkeiten identisch enthalten sind und daher bei Annahme von WP138 zurückgezogen werden können.

Aber es gibt auch Anträge, die nur teils in WP138 übernommen wurden:

  • bei ist alles bis auf den letzten (entbehrbaren) Satz in Modul 1 übernommen wurden,
  • das Modul 6 entspricht den Modulen 1 bis 4 und 5a von ; also die 5a-Alternative 5b und das vermutlich strittigere Elternschaft-/Sorgerecht-Modul 6 fehlen darin,
  • die Entschärfungen von in Modul 8 habe ich oben schon beschrieben,
  • bei in Modul 8 fehlt der zweite Teil (Teilnahme an Einsätzen der Vereinten Nationen),
  • sollte wohl in Modul 11 enthalten sein, aber WP144 wurde wohl in der Zwischenzeit ein klein wenig weiterentwickelt:
    • in WP138 steht "Wir wollen dazu eine nationale Präventionsstrategie entwickeln", während WP144 noch anhängt "und die bisher zersplitterten Ministerialzuständigkeiten für Kriminalprävention auf das Bundesinnenministerium vereinen"
    • bei den neuen zu stoppenden Überwachungsplänen wurde "das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft über unsere Identität und unsere Passwörter im Internet" hinzugefügt
    • ebenso ist in WP144 der Punkt 7 mit dem Grundrechts-TÜV neu,
    • sowie "Damit Grundrechtsverstöße nicht wie bisher sanktionslos bleiben, wollen wir dem Bundesverfassungsgericht das Recht geben, den von einem verfassungswidrigen Gesetz in ihren Grundrechten verletzten Bürgerinnen und Bürgern (nicht nur den Beschwerdeführer/innen) eine angemessene Entschädigung zuzusprechen".

Was bringt es?

Sowohl die Anträge der Initiative gemeinsames Wahlprogramm als auch der WP138 enthalten Wahlprogrammpunkte, die es nicht wirklich als Einzelanträge gibt; ich habe da zum Beispiel die Ablehnung des Hackerparagraphen oder die Steuerpolitik im Kopf...

Hier lohnt es sich nochmal genau hinzuschauen und abzuwägen, wie man am Ende abstimmt.

Ich denke, dass es durchaus sinnvoll ist, dem WP138 oder Modulen davon (z.B. Modulen 5, 6, 7, 8 und 11) zuzustimmen. Es mag sogar eine Mischung aus WP138-Modulen und IniGWP-Modulen sinnvoll sein, denn zum Beispiel die IniGWP-Netzpolitik-Module enthalten Netzneutralität und den ganzen Datenschutz-Foo.

Dies kickt in der Tagesordnung eine Menge Anträge raus. Und damit bleibt mehr Zeit für die guten Anträge, die in keinem Sammelantrag stehen; zum Beispiel und oder , um mal bei Netzpolitik zu bleiben.

Die Debatte bringt vielleicht Klarheit darüber, was gut und was schlecht in den Gesamtanträgen ist. Vorausgesetzt die Debatte ist inhaltlich, und keine Meta-Debatte a'la "grundsätzlichem Misstrauen gegenüber umfassenden Anträgen" (das blumig ausgedrückt: "Ich bin zu faul, alles zu lesen"). Also bitte, lesen (querlesen, überfliegen, nach Stichwörtern suchen); am besten vor dem Parteitag und dann flutscht das.

Nun denn. Ich bin gespannt, was ihr draus macht!

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