Benutzer:Nihiltechno/DemokratieUndSystem

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Demokratie, Werte und System

Demokratische Entscheidungen bedürfen keiner inneren Logik und keiner äußeren Rechtfertigung. Sie müssen keinem großen Plan folgen, im Gegenteil: ihr ausmittelndes Wesen, der Wettbewerbscharakter ihres Zustandekommens steht großen Plänen eher im Wege. Demokratisch legitimierte Entscheidungen dürfen zueinander inkonsistent und widersprüchlich sein, und sie sind es in der Realität auch. Staaten, die auf demokratischen Entscheidungen aufbauen, wachsen organisch und evolutionär, sie widersetzen sich radikalen Brüchen. Widersprüche müssen nicht aktiv beseitigt werden, sondern können allmählich ausheilen wie Verletzungen oder einfach von neuen Entscheidungen überschrieben und dadurch hinfällig werden.

Ein demokratisches System zeigt somit zentrale Wesensmerkmale von Schwarmintelligenz: Sie wird getragen von Dezentralität und der Verteilung von Entscheidungen auf unabhängig operierende Einheiten. Jeder Systemteilnehmer mag seine egoistischen oder altruistischen (oder nicht in Worte zu fassende oder überhaupt keine) Beweggründe für sein Tun oder Lassen haben – er ist keinem anderen Teilnehmer Rechenschaft schuldig und muss keinem gemeinsamen Weltbild oder Plan folgen, lediglich einem für alle Teilnehmer gemeinsamen Regelwerk.

Der demokratische Staat kommt ohne inneren oder äußeren Wertekanon aus, und wenn schon, dann schafft er sich diese Werte selbst – welche ihren Ausdruck lediglich in einer per demokratischen Entscheiden gefällten Zielsetzung erfahren, bis diese Zielsetzung überholt ist und ersetzt wird. Ein demokratischer Staat kann sich so an eine sich verändernde Umwelt adaptieren, und die konkrete Implementierung der Demokratie in all ihren Regelwerken, Organen und Gliederungen ist ihrerseits Gegenstand ständiger Adaption nach den ihr eigenen Regelwerken, Organen und Gliederungen.

Ein funktionstüchtiger demokratischer Staat kann als Organismus oder Mem aufgefasst werden, oder genauer, als ein zum Selbsterhalt befähigendes kulturelles Regelwerk. Ein dieser evolutionären Sichtweise entsprechender Staat ist über seine schiere Befähigung zur Existenz in seiner jeweiligen Umwelt hinreichend definiert: Er ist ideologiefrei und gleichgültig gegenüber Interpretationen seiner selbst. Selbst ein 'Glaube' an die Demokratie erübrigt sich und wäre sogar schädlich, trüge er doch bereits die Saat des Totalitarismus in sich. Neutralität in Glaubensfragen ist dem demokratischen Funktionsprinzip viel dienlicher.

Gibt es überhaupt staatstragende demokratische Doktrin, so sind dies am ehesten der Skeptizismus – eine naturwissenschaftliche Methode – sowie eine Progressivität in dem Sinne, dass das demokratische Regelwerk einer Veränderung seiner selbst zumindest nicht im Wege stehen darf. Auf der anderen Seite wirken sich gewiss Trägheit und ein niedriger Metabolismus lebensverlängernd aus: Änderung ist willkommen, aber nicht sprunghaft und nicht um ihrer selbst Willen.

Idealerweise leben wir gerne in einem demokratischen Staat, weil und nur weil er funktioniert und sowohl im Inneren als auch nach außen so wenig Spannungen und Schäden verursacht wie möglich – wie ein Lebewesen als Teil eines Ökosystems. Auch andere Staatsformen mögen lebensfähig sein. Doch jeder Staat, auch der demokratische, der die Normativität fördert, sich beweihräuchert und sich in Ritualen ergeht, beschädigt seine Anpassungsfähigkeit und begibt sich in eine evolutionäre Sackgasse.