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Meine Kandidatur zum Vorsitzenden
Tja, nun ist er leider weg, unser großer Vorsitzender. Eine große Chance für den Bundesvorstand, ein Verlust für uns im LV. Sebastian hat im letzten Jahr Unglaubliches geleistet und mich beschlich hin und wieder der Verdacht, dass es ihn mindestens zweimal geben müsste. Einer allein konnte eigentlich nicht gleichzeitig auf so vielen Kanälen kommunizieren.
Jetzt, da die Stelle des Vorsitzenden vakant ist, muss natürlich Ersatz her. Nach der Wahl von Sebastian zum Bundesvorsitzenden haben mich auf dem BPT eine ganze Menge Leute angesprochen, dass ich das jetzt übernehmen solle. Über so viel Vertrauen habe ich mich natürlich gefreut, mir aber Bedenkzeit erbeten.
Unser letztes Vorstandsteam war toll. Es war sehr angenehm, mit allen zu arbeiten und es ist schade, dass wir nicht in derselben Konstellation nochmal antreten können. Die Art und Weise der Zusammenarbeit würde ich so gern beibehalten.
Die Arbeit im Vorstand hat Spaß gemacht, auch wenn es vor allem im Wahlkampf manchmal stressig wurde. Insgesamt sind in dem Jahr bisher rund 28000 Mails in meiner Vorstandsmailbox eingetroffen. Der Grund, warum ich mir Bedenkzeit erbeten hatte, ist schlicht und ergreifend das Thema Zeit. Ich habe nicht nur einen Job als Informatiker. Gleichzeitig bin ich dort in der Firma mit fast 1000 Mitarbeitern Betriebsratsvorsitzender – ein Job, den man in den meisten Fällen bei der Firmengröße komplett freigestellt erledigt. Ich wählte 50 Prozent Freistellung. Die beiden Aufgaben würden eigentlich schon reichen, um mich ausreichend zu beschäftigen. Es kann daher schon mal vorkommen, dass ich während eines Gesprächs mit der Geschäftsleitung temporär mal für 2-3 Stunden auch per Handy nicht erreichbar bin. Normalerweise bin ich aber quasi rund um die Uhr per Mail, Handy oder Twitter zu erreichen.
Zum Zeitmangel muss man auch wissen, dass ich Frau und zwei Kinder habe, die mich hin und wieder auch mal sehen wollen. Als ich aus dem Presseraum auf dem BPT zu Hause anrief war die erste Frage von meinem Sohn, wann ich denn nach Hause kommen würde. Das ist dann immer der Moment, in dem man sich fragt, ob die man die Prioritäten im Leben richtig setzt.
Die Ziele der Piratenpartei sind mir aber auch extrem wichtig und man darf hier nicht locker lassen. Ich möchte meinen Kindern einen Überwachungsstaat ersparen, der vermutlich nur deshalb schrittweise aufgebaut wird, weil man Angst hat, die immer weiter aufklaffende soziale Schere irgendwann nicht mehr im Griff zu haben. Und glaubt mir, diese Schere sehe ich als Betriebsrat bei den Diskussionen um Leiharbeiter und Aufstocker jeden Tag. Das Volk könnte ja irgendwann aufbegehren. Dafür muss man Vorkehrungen treffen – am besten mit der Möglichkeit, die Bundeswehr im Innern einsetzen zu können. Deshalb ist es wichtig, dass es uns Piraten gibt und irgendjemand den mahnenden Zeigefinger hebt und thematisch gegensteuert. Jetzt, da wir Anspruch auf Parteifinanzierung haben, haben wir noch mehr Chancen, auf unsere Ziele aufmerksam zu machen.
Der Job des Vorsitzenden erfordert zum einen, nach außen zu kommunizieren. Ich denke, das kann ich. Das war im letzten Jahr als Politischer Geschäftsführer mein Job. Ich habe schon etliche Reden gehalten, Interviews gegeben, an Podiumsdiskussionen teilgenommen und Vorträge gehalten.
Ein Vorsitzender muss aber auch organisieren können und vor allem schlichtend in Grabenkriege eingreifen. Da muss ich noch dazulernen, das gebe ich zu. Ich selbst polarisiere ja auch gern mal und trete hin und wieder schneller jemandem auf den Schlips als ich vielleicht wollte.
Konstruktive Kritik ist gut und hilft dem Kritisierten, sich zu verbessern. Leider haben wir zu oft Kritiker in der Partei, die in erster Linie Personen angreifen, anstatt inhaltlich zu argumentieren. Da müssen wir insgesamt noch viel lernen, denn eigentlich sollte uns allen doch klar sein, dass die wirklichen Gegner in anderen Parteien sitzen. Durch diese Angriffe wurden leider schon viel zu viele aktive Piraten vergrault. Wer die Ärmel hochkrempelt und was macht, erfährt von den anderen in erster Linie, was falsch daran war. Das habe ich bei der Pressearbeit beim BPT live erlebt. Da wundert es dann kaum, dass bei solch einem Event mit 800 Leuten nur 3-4 da sitzen und die Pressetexte schreiben, obwohl viele andere es ja wesentlich besser wissen.
Als Vorstand ist man in erster Linie Dienstleister für die Basis. Umso mehr erstaunte es mich, beim BPT zu hören, dass viele dem Wahlergebnis eine inhaltliche Orientierung beimessen. Die Inhalte werden aber nach wie vor durch die Basis bestimmt, oder habe ich da was verpasst? Der Vorstand kann eigentlich nur dafür sorgen, dass diese Ergebnisse nach außen repräsentiert werden und beim Erstellen der Inhalte kein Sand ins Getriebe kommt. Mehr nicht.
Da keine Wahlen anstehen, können wir uns jetzt endlich mal um die Themen kümmern, die liegengeblieben sind. Die Professionalisierung der Pressearbeit mit dem Funkfeuer, die Schaffung einer Übersicht über die Arbeitsgruppen (zusammen mit den Bundesvorstand), das Veranstalten von öffentlichen Schulungen und Podiumsdiskussionen, das Einrichten einer Landesgeschäftsstelle und das Vergeben von Zuständigkeiten an offiziell Beauftragte (z.B. Pflege der Website). Wir müssen den Piraten erklären können, wie sie sich in die thematische Arbeit einbringen können, ohne gleich 20 Mailinglisten zu abonnieren oder den ganzen Tag vor dem Twitter-Client zu sitzen. Außerdem gilt es, den Kontakt mit den anderen LV zu verbessern. Über die AG Pressearbeit und viele Gespräche auf den verschiedenen BPT kenne ich da schon eine Menge Piraten aus anderen LV persönlich. Da ist aber noch deutliches Ausbaupotential.
Bevor mich jemand wählt, muss er sich im Klaren darüber sein, dass ich nicht in der Lage sein werde, auch nur ansatzweise so viel Zeit wie Sebastian zu investieren. Die Gründe habe ich oben genannt. Ich halte mich dennoch für geeignet für den Job des Vorsitzenden.
Sollte ich nicht gewählt werden, würde ich den Piraten aber selbstverständlich mit gleichem Einsatz erhalten bleiben, denn entgegen der Gerüchte, die einige andere verinnerlicht zu haben scheinen, kann man sich auch ohne Amt hervorragend überall einbringen. Dafür müssen einem nur die Ziele wichtig genug sein.