Benutzer:Michael Ebner/Zeitpunkt

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Auf der Seite http://uxp.de/node/23 befasst sich Markus Gerstel mit der Fähigkeit, ein Parteiamt zu bekleiden, und der Ordnungsmaßnahme, eben diese Fähigkeit abzuerkennen. Neben manchem Richtigem vertritt Markus dort auch die Rechtsmeinung <Zitat wörtlich>Auch muss der Betroffene nicht vorher angehört werden.</Zitat>. Da habe ich allerdings durchgreifende Bedenken...

Schauen wir erst mal in die Satzung: Dort finden wir in § 6 (3) letzter Satz die folgende Regelung <Zitat wörtlich>Der Vorstand muss dem Mitglied den Beschluss der Ordnungsmaßnahme in Schriftform unter Angabe von Gründen mitteilen und ihm auf Verlangen eine Anhörung gewähren.</Zitat> Vom Zeitpunkt der Anhörung, die da auf Verlangen zu gewähren ist, steht da nichts.

Das hat Markus augenscheinlich zu dem Schluss verleitet, die BuVo könne den Zeitpunkt der Anhörung frei wählen. Im Extremfall: Der BuVo teilt am 1. Mai 2011 eine Ordnungsmaßnahme mit, und informiert den betreffenden Piraten, dass er auf Verlangen am 23. Dezember 2017 angehört wird. Sinnvoll?

Immer dann, wenn die wörtliche Auslegung einer Bestimmung zu fragwürdigen Ergebnissen kommt, sollte man erst mal ergründen, was denn mit dieser Bestimmung überhaupt beabsichtigt wurde - Juristen sprechen da von einer teleologischen Auslegung. Was die Verfasser der Satzung mit dieser - auch hier - unglücklichen Formulierung beabsichtigt haben, ist die Einführung eines rechtlichen Gehörs. Wir sind hier zwar nicht im Bereich der Judikative (also der Parteischiedsgerichte), sondern der Exekutive (also der Vorstände), aber auch dieser hat dort, wo er sanktioniert, rechtliches Gehör zu gewähren - selbst dann, wenn darüber gar nichts in der Satzung stehen würde. Eine Analogie zum rechtlichen gehör durch die Exekutive wäre das Ordnungswidrigkeitenverfahren, in dem dem Betroffenen natürlich auch Gelegenheit zur Stellungsnahme einzuräumen ist.

Ein solches rechtliches Gehör ist kein Selbstzweck oder ein Zeichen übertriebener Fairness, sondern soll zuallererst verhindern, dass Entscheidungen getroffen werden, ohne dass alle Fakten auf dem Tisch liegen. Gerade dann, wenn eine Ordnungsmaßnahme von einem Dritten beantragt wird, ist es nicht unüblich, dass entlastende Aspekte nicht oder nicht umfassend im Antragstext stehen. Ein Bundesvorstand, der sich alleine auf den Antragstext verlässt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Fehlentscheidung treffen.

Für diejenigen, die das gerne etwas anschaulicher haben möchte, mache ich noch ein Beispiel: Ein unter dem Namen Michael Ebner verfasster Mailinglisten-Beitrag nennt den Piraten Klaus Mustermann einen Nazi und beschuldigt ihn der Pädophilie. Herr Mustermann beantragt nun eine Ordnungsmaßnahme gegen Michael Ebner, und nehmen wir mal an, der Bundesvorstand beschließt diese ohne vorherige Anhörung. Wie dürfte diese ausfallen? Nun kommt die Anhörung, und ich stelle klar, dass ich nicht mit der eMail-Adresse michael.ebner@gmx.de schreibe, sondern unter piraten@tabu-datentechnik.de. Ist es nun sinnvoll, dass diese Anhörung vor oder nach der Entscheidung des Bundesvorstands durchgeführt wird?

Kurz: Eine Anhörung nach der Entscheidung macht keinen Sinn. Unterstellt, dass die Verfasser unserer Satzung nicht gezielt Unsinn machen wollen, haben die das auch nicht gewollt, sondern einfach nur blöd formuliert. Das heisst, _vor_ einer Ordnungsmaßnahme ist der Betroffene zu hören. Und wenn Markus noch mal genau darüber nachdenkt, sieht er's sicher ebenso - oder?

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Ich antworte mal hier wenns recht ist, steht aber auch im Blog:

Hi Michael,

ich stimme dir absolut zu, dass die Anhörung vor Erteilung der OM stattfinden soll - und eigentlich auch muss. Allerdings sagt mir die Vereinsübung dass wir es aktuell so handhaben, dass die Vorstände erst die Ordnungsmaßnahmen beschließen und dann nachschauen was passiert ist.

Beispiel gefällig? Ich zitiere mal aus einem mir vom Bundesvorstand vorliegenden Beschluss:

Rechtsbehelf: Ihnen wird gemäß § 6 Abs. 3 der geltenden Bundessatzung eine Anhörung zur vorliegenden Entscheidung gewährt, wenn Sie dies innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung dieses Schreibens formlos beim Bundesvorstand der Piratenpartei Deutschland schriftlich beantragen.

Mir sind auch ähnlich gelagerte Fälle auf Landesebene bekannt.

Ich bin der Meinung dass klärende Gespräche, oder zumindest der Versuch hierzu, vorher stattzufinden haben. Und im Zweifel werde ich die Änderung des Passus in der Satzung bei nächster Gelegenheit beantragen.