Benutzer:Michael Ebner/Tagebuch 44

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BuVo-Tagebuch 2. Mai bis 8. Mai

Tag 307 - Sa 2. Mai

Wahlkampfendspurtparty in Bremen, die von mir zu verantwortende schlechte Vorbereitung fordert zwar an der einen oder anderen Stelle ihren Tribut, so besorgen wir Brötchen und Getränke sehr spontan im nächsten Aldi, aber weitgehend läuft's problemlos, auch mit Wetter haben wir Glück. Leider ist das Interesse der Bremer etwas "überschaubar", auch die Hoffnung, ähnlich wie mit der Erfurter Anger-Party in die Medien zu kommen, erfüllt sich leider nicht, Weser-Kurier und Radio Bremen sind dazu wohl zu "linientreu". Schade, aber nach meiner Ansicht war es richtig, es zumindest versucht zu haben.


Tag 308 - So 3. Mai

Noch kurz rüber nach Bremerhaven, die dortigen Piraten machen ihre Wahlkampfendspurtparty auf dem Geestemünder Blütenfest, das Interesse ist erkennbar größer als in Bremen - möge es ein gutes Ohmen für das Wahlergebnis sein. Am frühen Nachmittag nehmen mich Sekor und Mark dann mit und setzen mich am Bahnhof Hannover ab - wir müssen alle am nächsten Tag wieder arbeiten.


Tag 309 - Mo 4. Mai

Das Verhältnis des BuVos zu Christopher Lauer könnte man zurückhaltend mit "nicht unkompliziert" beschreiben. Dass er nun in Lohn und Brot für den Springer-Verlag steht, macht es nicht einfacher. Natürlich darf ein Halbtags-Abgeordneter einer weiteren Tätiglkeit nachgehen, und natürlich steht auch ihm grundsätzlich die freie Wahl des Arbeitgebers zu. Die näheren Umstände legen aber den dringenden Verdacht nahe, dass es dem Springer-Verlag da nicht um die Arbeitsleistung oder Know-How seiner Beschäftigten geht, sondern darum, politischen Einfluss auszuüben, sich also "einen Abgeordneten zu kaufen". Damit erhält die Sache zumindest "ein G'schmäckle".

"Wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing" sagt der Volksmund. Die geänderte Haltung zum Leistungsschutzrecht vermag daher allenfalls Naive zu überraschen. Natürlich darf auch ein Abgeordneter eine abweichende Haltung zu (Ex-) Partei und Fraktion einnehmen, so etwas die Fraktionszwang sollte es bei den Piraten nicht geben. Allerdings sollte diese Haltung auf gründlicher Abwägung der sachlichen Gründe beruhen, nicht auf den wirtschaftlichen Interessen des zusätzlichen Arbeitgebers.

Weil diese Sache eben deutlich über Berlin hinaus stinkt, haben verschiedene, auch öffentliche Aufrufe den Bundesvorstand erreicht, hier zu handeln. Wobei wir für wirksame Maßnahmen einerseits keine Handhabe haben, und alles, was wir tun, bei vielen Berlinern ohnehin als unstatthafte Einmischung von außen verstanden wird. Unser Interesse geht doch dahin, das auch nicht immer unkomplizierte Verhältnis zu entspannen.

Von daher nehme ich mit Freude und Erleichterung zur Kenntnis, dass der Berliner Landesvorstand da klare Worte findet (http://berlin.piratenpartei.de/allgemein/strategische-innovation-schlaegt-voll-zu/).


Tag 310 - Di 5. Mai

Letzte Mumble mit den Bremern vor der Wahl. Gegenseitiges auf-die-Schultern-klopfen, auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass das Wahlergebnis nicht berühmt sein wird - bei dieser Ausgangssituation war das auch nicht erreichbar. Aber zumindest funktioniert der LV wieder.


Tag 311 - Mi 6. Mai

Ein wenig BPT-Vorbereitung. Wird Zeit, dass die Wahl in Bremen rum ist und ich mich darum kümmern kann.


Tag 312 - Do 7. Mai

Tag 313 - Fr 8. Mai

Dafür, dass Bahnstreik ist, komme ich erstaunlich entspannt in Berlin - die Bahn hat das mit dem Ersatzfahrplan ziemlich gut im Griff. Zum Bahnstreik habe ich ja noch nicht besonders viel geschrieben. Grundsätzlich ist das Streikrecht ja ein bedeutendes Grundrecht, und viele soziale Errungenschaften wären ohne streikfreudige Gewerkschaften nicht erreicht worden. Es ist aber nur die halbe Wahrheit, dass Streiks weh tun müssen, um etwas zu bewirken: Streiks müssen den Arbeitgebern (!) weh tun, damit sich etwas bewegt. Der Bahnstreik geht jedoch den Arbeitgebern ziemlich "am Gesäß vorbei" und tut vor allem den sozial Schwachen weh.

Es geht auch fehl, als "Schuldige" das Bahn-Management auszumachen - den Reaktionen aus der Politik nach zu schließen, machen die exakt das, was ihnen von den Eigentümern aufgetragen ist. Das führt direkt zu der Frage, warum dort - insbesondere auf Seiten der SPD - dort so gehandelt wird. Damit sind wir beim Thema der Spartengewerkschaften.

Die Tariflandschaft in Deutschland ist geprägt von den großen Einheitsgewerkschaften, die im DGB vereint sind und Flächentarifverträge aushandeln. Wenn die IG Metall 3% mehr Lohn aushandelt, dann profitiert der Schweisser genausoviel wie die Fachkraft an der CNC-Fräse oder der Monteur. Das hat Vorteile im Betriebsfrieden und dem Erfolg der gesamten Volkswirtschaft. Wir können jetzt mal gedanklich durchspielen, was die Folge wäre, wenn z.B. die Schweisser eine streikfreundliche Spartengewerkschaft gründen. Ohne die Schweisser geht in einem gewöhnlichen Maschinenbaubetrieb gar nichts, schon weil denjenigen, die das grundsätzlich zwar auch mal gelernt haben, die erforderlichen formalen Qualifikationen fehlen. Die Schweisser haben nun ein besonders hohes Erpressungspotential, um speziell für ihre Berufsgruppe deutlich höhere Löhne durchzusetzen. Das bringt dann die Facharbeiter an den CNC-Maschinen auf die Idee, es ihnen gleichzutun - auch die sind nicht ohne Weiteres ersetzbar. An die Bohrmaschine kann man dagegen so ziemlich jeden Zerspanungsmechaniker stellen.

Ob es gut ist, wenn diejenigen Arbeitnehmer, die an den Knotenpunkten der Volkswirtschaft sitzen, besonders oft streiken und besonders gut bezahlt werden, mag jeder für sich selbst entscheiden. Denn auch hier gilt die alte volkswirtschaftliche Weisheit "wenn jemand besser bezahlt werden soll, muss auch jemand schlechter bezahlt werden" -zumindest was die Kaufkraft anbelangt. Natürlich können wir allen Arbeitsnehmern die Löhne und Gehälter, allen Rentnern die Rente, das ALG2, das Kindergeld und so weiter verdoppeln - dann haben wir auch dopppelt so hohe Preise und hantieren letztlich nur mit doppelt so großen Zahlen - bezüglich der Kaufkraft ist nichts gewonnen.

Dem Streik einer Spartengewerkschaft würde ich allenfalls dann mit einem gewissen Verständnis begegnen, wenn diese Berufsgruppe unterbezahlt ist. Bei z.B. Pflegekräften würde ich mir das gefallen lassen, möglicherweise ist das auch bei den Kita-Erziehern so, da kenne ich mich nicht so aus. Ist es auch bei den Lokführern so, oder gibt es diesen Beruf nur noch deswegen, damit diese Leute Arbeit haben? Es hat neulich mal einer getwittert, dass es das absurdeste am Lokführerstreik ist, dass es überhaupt noch Lokführer gebe. Wir sind derzeit in der Situation, dass autonomes Fahren im Straßenverkehr für Feldversuche zugelassen wird, und da haben wir, im Gegensatz zur Schiene, den deutlich komplexeren 2-dimensionalen Raum sowie den Mischbetrieb mit autonomen und nicht-autonomen Fahren. Im Schienenverkehr ist das alles deutlich einfacher, mutmaßlich sind wir seit mindestens 10 Jahren technisch in der Lage, den Beruf des Lokführers wegzurationalisieren. Vermutlich wäre das dann auch sicherer, und wenn wir im Flugverkehr Menschenleben dem Autopiloten anvertrauen, warum dann nicht auch im Schienenverkehr, wo Risiko und Komplexität deutlich geringern sind?

Das einzige wirkliche Argument gegen eine solche Automatisierung ist, dass dann viele Menschen arbeitslos würden. Sind vor dem Hintergrund, dass es sich bei diesem Beruf - bei Lichte betrachtet - inzwischen wohl um eine ABM-Maßnahme handelt, die Lokführer unterbezahlt? Oder sollten wir beim "besser bezahlen" nicht lieber mal bei den 1-Euro-Jobs anfangen?

Aber vielleicht braucht es ja, um den Prozess des Umstiegs auf autonomes Fahren anzustoßen, einen äußeren Anstoß. Je teurer und unzuverlässiger (da streikend) die Lokführer sind, desto attraktiver ist es, sie zu ersetzen.