Benutzer:Michael Ebner/SMV oder BEO

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SMV oder BEO

Gestern erreichte mich die folgende Frage über Twitter: entropy @en_tropy · 17 Std. : @MichaelEbnerPP stimmt es wirklich, dass du gegen #BEO und für #SMV bist?

Da hätte ich doch gerne mehr als 140 Zeichen...

Zunächst einmal: SMV und BEO sind erst einmal 3-Buchstaben-Kürzel, die sich unterschiedlich mit Leben füllen lassen. Eine arbeitende SMV haben wir in Deutschland derzeit nur im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, was Baden-Württemberg in Betrieb nehmen wird, wird deutlich anders aussehen. Somit gibt es nicht "die SMV". Beim BEO gibt es noch gar nichts, was ich mir im praktischen Betrieb ansehen könnte. Von daher gibt es auf die gestellte Frage derzeit schon mal kein abschließendes Urteil.

Aber vergleichen wir mal einzelne Details:

Mitgliederversammlung oder Beschluss, der einem BPT gleichsteht?

Der grundsätzliche Ansatz einer SMV ist es, dass es sich um einen Parteitag in Form einer Mitgliederversammlung (und nicht einer Delegiertenversammlung) handelt, und dass diese Mitgliederversammlung online und ständig tagt. Damit entstehen erst mal keine Beschränkungen der Beschlussmöglichkeiten. Da jedoch ein Tool vorgesehen ist, mit dem keine geheimen Abstimmungen möglich sind, gehen damit keine Personenwahlen.

Beim BEO fassen die Mitglieder einen Beschluss, der einem BPT gleichsteht - es sei denn, Dinge sind dem BPT vorbehalten, dann ist es nur eine Empfehlung. Damit sind Programm- und Satzungsbeschlüsse sowie Wahlen für Vorstand, Schiedsgericht und Kassenprüfer erst mal raus. Es würden aber andere Personenwahlen gehen, z.B. Beauftragte, aber nicht in der Online-, sondern nur in der Urnen-Variante.

Es gibt Bestrebungen, den BEO auch für Programmbeschlüsse einzusetzen. Dem steht derzeit das Parteiengesetz entgegen. Diese Beschränkung lässt sich für nicht oder nicht mehr verfassungsgemäß halten, da sie den Zweck der Sicherstellung der demokratischen Beteiligung verfolgt und diesbezüglich nicht verhältnismäßig da nicht erforderlich ist, da es inzwischen mit Online-Tools auch anders geht. Das könnte durchgeklagt werden, oder es wird einfach ignoriert, bis jemand einen Beschluss anficht - aus formalen Gründen aufgehobene Programmentscheidungen stellen eine Partei vor kein größeres Problem; mit Satzungsfragen wäre das anders.

Ständig oder gebündelt?

Das halte ich für eine Frage von deutlich untergeordneter Bedeutung. Ich habe eine Tendenz in Richtung "gebündelt", werde aber an dieser Frage nichts scheitern lassen.

Diskussion

Wird LiquidFeedback für eine SMV eingesetzt (etwas anderes zeichnet sich derzeit nicht ab), dann gibt es dort im System keine Diskussionsmöglichkeiten, die diesen Namen verdienen. Es war auch immer Aussage der LF-Entwickler, dass ihr System kein Diskussionstool sei und das anders gelöst werden müsse. In der Praxis wurde das bislang gar nicht gelöst, was dazu führt, dass wir hier ein "Primat der Zahl vor dem Argument" erhalten haben.

Wie das mit der Diskussion im BEO läuft, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

Abstimmungen offen oder pseudonymisiert

Ich bin in mancher Hinsicht privilegiert (z.B. bin ich kein Arbeitnehmer) und kann es mir deshalb leisten, mit Klarnamen aufzutreten - im politischen Bereich war ich nie anders denn als "Michael Ebner" unterwegs. Ich weiß aber auch, dass nicht alle Piraten in diesem Maße privilegiert sind. Natürlich lässt sich auch bei einem BPT beobachten, wer wie abstimmt - aber in der Praxis passiert es halt nicht, dass anlasslos alle Abstimmungen von allen Piraten namentlich dokumentiert werden und für alle einsehbar sind. Und ich kenne auch die Tendenz so mancher Piraten, ihre Vorstellungen über sozialen Druck und soziale Ausgrenzung durchzusetzen. Solange das so ist, akzeptiere ich offene Abstimmungen in einem Online-Tool allenfalls als kleineres Übel.

Von daher genießt der Vorschlag, hier eine pseudonyme Abstimmung einzurichten, bei mir eine gewisse Sympathie - allerdings kenne ich auch die Skepsis vieler Piraten, die sich mit Krypto-Zeugs deutlich besser auskennen als ich.

Von daher würde ich die abschließende Beurteilung dieser Frage gerne zurückstellen, bis die BEO-Software vorliegt und gründlich geprüft ist.

Delegationen

Grundsätzlich halte ich Delegationen für eine gute Sache - ich halte mich zwar für thematisch eher breit aufgestellt, aber ich kann bei weitem nicht alles entscheiden, und manchmal möchte ich mir auch zu Dingen gar keine Meinung bilden. (Da ich konsequent mein Abstimmungenverhalten begründe, kommen auch "Bauchentscheidungen" nicht infrage.)

So, wie Delegationen in LF gelöst sind, kollidieren sie jedoch oft mit der Idee, Entscheidungen auf mehrere Personen zu verteilen. Selbst in einem Vorstand, bei dem nur 5 Piraten an einer Abstimmung beteiligt sind, hat jeder nur 20% Stimmgewicht. In LF gab es schon Abstimmungen, in denen ich mit rund 60% Stimmgewicht agiert habe und die Initiative auch formal alleine entschieden habe (da einfache Mehrheit reichte - dazu etliche Inis, bei denen ich das de facto alleine entschieden habe, weil das von mir ausgeübte Stimmgewicht über Ablehnung oder Zustimmung entschieden hat).

Eine solche Akkumulation von Entscheidungsmöglichkeit (um das Wort "Macht" hier zu vermeiden, das ich bei unverbindlichen Meinungsbildern für unangemessen halte) halte ich für bedenklich - schon aus demokratietheoretischen Gründen heraus, aber auch deshalb, weil sie die anderen Teilnehmer massiv frustriert. (Ich versuche, dieser Frustration dadurch entgegen zu wirken, dass ich mein Abstimmverhalten wenigstens ordentlich begründe. Kein Ahnung, wie viel das hilft, aber ich stelle bei mir selbst fest, dass es mich frustriert, wenn andere Piraten mit erheblichem Stimmgewicht abstimmen und ich ihre Gründe nicht nachvollziehen kann.)

Es ist jetzt nun gar nicht erforderlich, auf Delegationen zu verzichten. Meiner Meinung nach würde es schon reichen, wenn die Möglichkeit bestehen würde, erhaltenes Stimmgewicht auf mehrere aufzuteilen. Ich bin optimistisch, dass dies dann auch geschehen und dadurch kaum mehr allzugroße Delegationsblöcke entstehen würden.

Mit einem System öffentlicher Abstimmempfehlungen könnte ich auch leben. Ich bevorzuge jedoch Delegationen, da ich dort, wo ich mir keine Meinung bilden möchte (weil mich das Thema zu wenig interessiert) oder kann (weil ich gerade keine Zeit habe), auch nicht erst Abstimmempfehlungen lesen möchte.

Fazit

Zur Eingangsfrage "stimmt es wirklich, dass du gegen #BEO und für #SMV bist?": Nein, das stimmt so nicht, ich sehe bei beidem Stärken und Schwächen. Und ich sehe bei beidem noch nicht, wie eine Diskussionsphase, die diesen Namen auch verdient, realisiert werden soll.