Benutzer:Michael Ebner/Klarnamen

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In meiner Timeline fand ich heute abend einen Tweet (https://twitter.com/Loreena1968/status/250675734203469825), in dem den Anhängern der anderen Meinung die Fähigkeit zum logischen Denken abgesprochen wurde. Ganz abgesehen davon, dass solche Aussagen nicht gerade die Diskussionskultur befördern, scheint mir das auch ein Indiz dafür zu sein, dass man der Überzeugungskraft der eigenen Argumente zumindest nicht uneingeschränkt traut, sonst würde man die Argumente bringen und nicht solche Angriffe.

Ergänzung Monika hat mich darauf hingewiesen, dass ich sie da missverstanden habe - den Text findet Ihr unten.

Es geht, mal wieder, um den Klarnamenszwang in LiquidFeedback, genauer gesagt um das Argument, ein solcher würde die Überprüfbarkeit der Abstimmungen herstellen. Pavel hat mal im Zusammenhang mit den Einlasskontrollen im Abgeordnetenhaus den schönen Begriff "Sicherheitssimulation" geprägt, und mir scheint dieser Begriff die beste Beschreibung dieses Vorhabens zu sein.

Warum?

Grundsätzlich sehe ich zwei "Angriffswege", um Abstimmungen in LF auf (im weiteren Sinne) "technischem Wege" zu manipulieren (die Probleme Stimmenkauf/Delegtionenkauf und physischer/psychischer Zwang lassen wir jetzt mal außen vor):

  • Ein Administrator (oder Hacker) manipuliert während der Abstimmungsphase die Datenbank (Abstimmungsverhalten, Delegation).
  • Eine Person legt sogenannte "Sockenpuppen" an, also weitere Accounts.

Löst nun eine Klarnamenspflicht diese Probleme?

Datenbankmanipulation

Wird die Datenbank in der Abstimmungsphase manipuliert, dann gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Es fällt auf, oder es fällt nicht auf. Wenn es nicht auffällt, dann bringt eine Klarnamenspflicht rein gar nichts, den Fall brauchen wir nicht weiter betrachten.

Nehmen wir also an, es fällt auf. Dann kann der Betreffende damit an die "Öffentlichkeit" gehen. Da er sein Abstimmverhalten nicht beweisen kann (selbst eine Begründung des eigenen Abstimmverhaltens, wie das Ingo und ich praktizieren, beweist letztlich rein gar nichts), steht seine Aussage gegen die beiden möglichen Aussagen des Admins "ich war's nicht, für Manipulationen Dritter gibt es immer ein Restrisiko" und "ich war's nicht, Manipulationen Dritter sind auszuschließen".

Konstellationen, in denen Aussage gegen Aussage steht, haben mit Nachvollziehbarkeit nichts zu tun.

Zu Berücksichtigen sind dabei stets auch die beiden folgenden Szenarien:

  • Ein Teilnehmer möchte das System trollen und behauptet öfters ein abweichendes Abstimm- oder Delegationsverhalten.
  • Ein Admin möchte einen Teilnehmer diskreditieren und manipuliert häufig dessen Abstimm- oder Delegationsverhalten. Wenn der Betreffende da jedesmal Alarm schlägt, steht er schnell als Troll da. Lässt er die Sache auf sich beruhen, dann kann der Admin mit dem Account tun und lassen, was er möchte - auch, den Betreffenden durch "unmögliches" Abstimmverhalten zu diskreditieren.

Kurzfassung: Auch eine Klarnamenspflicht macht vertrauenswürdige Admins nicht überflüssig. Im Prinzip besteht hier zwischen Klarnamenspflicht und keiner Klarnamenspflicht kaum ein Unterschied. Allenfalls steigt der Anreiz, jemanden gezielt zu diskreditieren, wenn dieser nicht pseudonym unterwegs ist.


Sockenpuppen

Ohne weitere Vorkehrungen kostet eine Stimme in LF de facto 48,- Euro im Jahr - das ist kein schöner Zustand. Hier eine Verifizierung mittels Personalausweis einzuführen, macht das Anlegen von Sockenpuppen schwieriger, aber längst nicht unmöglich. Schwachstellen sind vor allem die Verifizierungspiraten (X018 fordert dazu ein Mitglied des Landesvorstands, X020 lässt das offen, 4-Augen-Prinzip fordert keiner der Anträge).

Das Szenario, dass ein Vorstand oder eine Teilmenge davon sich Sockenpuppen anlegen und diese auf Akkreditierungsveranstaltungen selbst akkreditieren, wird durch ein solches Verfahren nicht ausgeschlossen.

Mit Klarnamenspflicht hat das bis hier hin nichts zu tun. Die Forderung nach einer solchen unterstellt, ein beliebiger Teilnehmer könnte aus dem Klarnamen zuverlässig recherchieren, ob es die Person überhaupt gibt oder nicht. Das halte ich - pardon - für reines Wunschdenken. Wenn ich einen Namen "Gabriele Mustermann" habe (und eine Mitgliedsnummer), dann hilft mit eine Auskunft aus dem Melderegister allenfalls dann weiter, wenn das betreffende Mitglied alle zurückliegenden Opt-Out-Tage ignoriert hat. Eine Adresse in der Mitgliederverwaltung (komme ich da überhaupt ran?) muss nicht mehr aktuell sein. Zudem kann die Person ja durchaus real sein, aber von ihrer Teilnahme in LF nichts wissen.

Die Informationen darüber, wer akkreditiert hat, ist da deutlich geeigneter, um Auffälligkeiten aufzuspüren (sofern nicht der komplette Vorstand gemeinsam manipuliert) - dafür braucht's aber keinerlei Klarnamenpflicht der Teilnehmers, sondern nur des Vorstandsmitglieds.

Ansonsten: Möchte man ein Vorstandsmitglied gezielt diskreditieren, dann schickt man mal 20 Freunde zur Akkreditierung bei demselben, lässt die alle auf dieses Vorstandsmitglied deligieren, zweifelt das dann öffentlich an, und auf Nachfrage sind dann die meisten nicht mehr recherchierbar und ein paar wenige behaupten, sich nie in LF registriert zu haben.


Fazit

Finden wir uns damit ab: LiquidFeedback ist ein manipulierbares System und wird auf Dauer auch ein manipulierbares System bleiben.

Solange man LF dazu verwendet, Anträge zu verbessern, die jedes einzelne Mitglied so oder abgewandelt auch ohne LF-Votum hätte stellen können, dürfte LF kein lohnendes Ziel für kriminelle Energie sein. In dem Maße, in dem LF verbindlich wird, in dem Maße, in dem dann sogar Abgeordnete ihr Stimmverhalten an das Abstimmungsergebnis koppeln, steigt der Anreiz, da zu manipulieren. Im Moment haben wir in Berlin eine große Koalition, das Stimmverhalten der #15Piraten ist also nahezu irrelevant. Diese Konstellation wird aber auch mal wieder eine andere sein, vielleicht sogar in Form einer Minderheitsregierung, wo dann das Abstimmverhalten von ein paar Piraten über Summen von ein paar hundert Millionen Euro entscheidet.

Für das dann nötige Sicherheitsniveau ist LF nicht konzipiert und nicht programmiert und der Gesamtprozess nicht ausgelegt worden. Ich warne davor, da mit einer Sicherheitssimulation wie der Klarnamenpflicht die Beteiligten in falscher Sicherheit zu wiegen.

Eine Verifizierung - meinetwegen. Bitte nach dem 4-Augen-Prinzip, und immer in dem Bewusstsein, das auch das noch manipulierbar ist. Eine Klarnamenpflicht ist jedoch nicht verhältnismäßig - es fehlt ihr an Eignung, an Erfordernis und an Proportionalität.

Feedback

Hallo Michael, zufällig entdecke ich hier, dass mein Tweet die Ursache dieses Beitrages gewesen sein soll. Allerdings war der Tweet wie man sehen kann auf mich gemünzt, nicht auf andere, ich will mir das logische Denken abgewöhnen, da solche emotionalen Belange, wie bei Verwendung des bürgerlichen Namen kann man politische Ansichten zurückverfolgen und Mensch kann Schwierigkeiten bekommen, für mich nicht die Lösung des Problems sind. Ich spreche keinem der Verfechter des Pseudonyms das logische Denken ab, es ist eben nur eine andere Logik, die sich mir nicht erschließt.

Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, dass im System Klarnamen verwendet werden, sondern dass die Verknüpfung der akkreditierten Person zur Person im System erhalten bleibt, um die Überprüfbarkeit zu gewährleisten. Der Begriff Klarnamenpflicht ist ehrlich gesagt ein Kampfbegriff, der regelmäßig vom Problem, eben der Überprüfbarkeit der Abstimmungen ablenkt. Es geht um die Überprüfbarkeit und nicht darum, die Ansichten anderer nachvollziehen zu können, lediglich darum ist der andere Teilnehmer auch eine reale Person.

Mit dem Beschluss der LMV in Berlin, in dem lediglich Ort und Datum der Akkreditierungsveranstaltung und eine Nummer, die nicht mehr die Verknüpfung zur akkreditierten Person für jeden Teilnehmer zulässt ist diese angestrebte Überprüfbarkeit nicht gegeben - nach meiner Ansicht. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die weitestgehende Überprüfbarkeit auch kaum jemand im Landesverband möchte. Nach meiner Logik dürfte dann das System, dass der Landesverband Berlin einsetzt, keine Relevanz haben.

Du schreibst in diesem und dem anderen Beitrag Abgeordnete als Proxy, dass dem nicht so sein muss, allerdings führt die Nutzung des Systems allein mit der Voting-Funktion in allen Phasen dazu, dass Einfluss auf die Willensbildung der Mitglieder des Landesverbandes ausgeübt wird. Das kann man bestreiten, wenn man möchte und sagen, jeder denkt ja schließlich bei der Abstimmung auf der Landesmitgliederversammlung nach. Nur wenn ich mich an deinen Wortbeitrag zu den Geschäftsordnungsanträgen erinnere und an das Ergebnis dieses Tagesordnungspunktes möchte ich bestreiten, dass dem so ist.

In dem Sinne kann ich meiner Logik folgend nur noch fordern, schaltet das System ab, weil ohne Überprüfbarkeit der Abstimmungen der Teilnehmer unter sich die gegebenen Relevanz zu hoch ist. Was ist nun richtig, was ist falsch, darf ich nicht entsprechend meiner Logik denken? Und wirklich niemand behauptet, dass mit der Gewährleistung einer Überprüfbarkeit durch die Teilnehmer selbst ein System nicht mehr manipulierbar ist, niemand - aber man könnte Manipulation erkennen und beweisen, auch darum geht es.

Ergänzung: Ich habe in den letzten 1,5 Jahren so viel zu Liquid Democracy und Liquid Feedback geschrieben, dass deine Interpretation meines Tweets, ich würde keine Argumente bringen, sehr schmerzhaft für mich ist. Ich habe einen ganzen Blog voll Argumente, nur nimmt man diese nicht wahr oder möchte das nicht, die Argumente die mir entgegen treten sind immer die gleichen:

  • es sind nur Meinungsbilder
  • niemand darf politische Ansichten nachverfolgen können
  • das ist Gesinnungsprüfung
  • das kann man technisch mit einer Verschlüsselung lösen
  • wir können Vorstand und Admins vertrauen.

Das ist mein Eindruck, er kann trügen, aber wird durch deine beiden Wiki-Beiträge bestärkt. Und das nächste Mal würde ich mir wünschen, wenn ich erwähnt werde, dass man mich auch auf den Beitrag hinweist. Und nur vielleicht hört Mensch auf, in Tweets irgendetwas hinein zu interpretieren, keiner hat auch nur die leiseste Ahnung, welche Gedanken ich bei diesem Tweet hatte - niemand außer mir. Moni