Benutzer:Michael Ebner/Ein offenes Wort an die SPD

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Ein offenes Wort an die SPD

Liebe SPD,

als ich neulich den "politischen Test" (http://www.politicaltest.net/deu/) machte, kam als Zusammenfassung heraus, ich sei ein "weltoffener Sozialdemokrat". Ausgerechnet ich.

Seit dem ich wählen darf, bin ich nie ernsthaft in die Versuchung gekommen, SPD zu wählen, und da sind eine Menge Gründe zusammengekommen: Das fing damit an, dass Ihr mir 1988 in einem Flyer zur Landtagswahl Baden-Württemberg einen vom Supraleiter erzählen wolltet, ging damit weiter, dass ihr 1993 das Grundrecht auf Asyl mit abgeschafft habt ("Abschaffung" ist da wohl das Wort der Wahl, auch wenn es das Grundrecht formal gesehen noch gibt), dann habt Ihr mit der Steuerfreistellung der Spekulationsgewinne die "Heuschrecken" in's Land geholt (um die dann zu beklagen), und die Hartz-Reformen dürfen in dieser Liste auch nicht fehlen. (Der Fairness halber: Ein SPD-Kanzler hat Deutschland aus dem Irak-Krieg herausgehalten - danke dafür.)

Bis jetzt habe ich aus meiner Abneigung nie eine große Welle gemacht - zu einer pluralistischen Gesellschaft gehört nun mal auch, andere Meinungen zu tolerieren, und wenn ich jeder Partei vordeklinieren würde, warum ich eher wenig von ihr halte, wäre ich auch gut beschäftigt. So habe ich Euch bislang eher ignoriert und im Stillen bedauert, was Ihr aus dem Erbe eines Willy Brandt gemacht habt.

Es gibt jedoch Grenzen meiner Geduld, und eine solche habt Ihr heute überschritten: "Nur wenn Sie Martin Schulz und die SPD wählen, kann ein Deutscher Präsident der EU-Kommission werden." lese ich da heute in einer vielfach getwitterten Print-Anzeige.

  • Erstens: Was ist - bitte schön - am Begriff "Europa" nicht zu verstehen? Wie soll denn europäische Einigung denn gelingen, wenn primär auf die Nationalität der Protagonisten geschaut wird?
  • Zweitens: Nationalismus ist ein völlig veraltetes Konzept. Das hat hier in Deutschland mal dazu beigetragen, die Kleinstaaterei zu überwinden, tendierte aber schon damals zu unschönen Entwicklungen. Seit aber rund 150 Jahren ist dem Nationalismus - zumindest hier in Europa - nichts Gutes mehr entwachsen. Was hat Euch geritten, das jetzt wieder vom Müllhaufen der Geschichte zu holen?
  • Drittens: Dass eine Partei auf Nationalismus (schimmer noch: deutschen Nationalismus) setzt, wäre ja noch verständlich (wenn auch nicht verzeihbar), wenn es sich um die NPD handelt - die sind halt mal so, waren nie anders, und auch für die Zukunft bin ich da wenig optimistisch. Schon die Union ist da deutlich weiter - ich erinnere mal an die Szene, als Merkel dem Gröhe das Deutschlandfähnchen weggenommen hat (http://www.youtube.com/watch?v=q8PNgxbTE0o).

    Jetzt seit Ihr aber die SPD. Die Partei, die Willy Brandt („Ein guter Deutscher kann kein Nationalist sein“) mal zum Kanzler gemacht hat. In der Sätze wie „Ein guter Deutscher weiß, daß er sich seiner europäischen Bestimmung nicht versagen kann. Durch Europa kehrt Deutschland heim zu sich selbst und den aufbauenden Kräften seiner Geschichte" nicht nur gesagt, sondern auch gelebt wurden. Wollt Ihr dieses Erbe wirklich verraten? Ernsthaft?