Benutzer:Michael Ebner/Die strategische Idiotie der linken Szene

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Ich lese gerade einen Tweet von @rowe316 ("Freunde stellen sich Nazis in den Weg & du hast Angst um sie wg. d Polizei & nicht den Nazis. Wann wird endlich gecheckt d was falsch läuft?"), und da für eine Antwort 140 Zeichen nicht reichen, antworte ich hier:

Ich will das Verhalten der Polizei weder beschönigen noch entschuldigen, und wenn ich das zu entscheiden hätte, würde dagegen entschieden vorgegangen werden (vgl auch meinen Text https://lqpp.de/be/initiative/show/2726.html). Nun habe ich das aber nicht zu entscheiden, und diejenigen, die das zu entscheiden haben, sehen augenscheinlich nicht den geringsten Anlass, hier etwas zu ändern.

Ebensowenig habe ich zu entscheiden, welches Verhältnis die linke Szene (der Einfachheit rechne ich mal alle dazu, die sich selbst dort sehen - ich selbst definiere mich ja als Liberalen...) zur Polizei pflegt. Und hier würde ich es bevorzugen, wenn dort - um die Formulierung aus dem Tweet aufzugreifen - endlich mal gecheckt wird, was da falsch läuft.

Der Konflikt mit der Polizei ist ein Konflikt, der kein sinnvolles Ziel hat, sich nicht gewinnen lässt, und der - nach den Maßstäben linker Politik - nur Schaden anrichtet.

Noch mal einzeln und detaillierter:

Der Konflikt hat kein sinnvolles Ziel

Es lässt sich ja trefflich streiten, was ein sinnvolles Ziel ist. Viele Linke halten ja den Sozialismus für ein sinnvolles Ziel. Ich sehe das zwar anders, aber ich bin gerne bereit, anderen zuzugestehen, den Sozialismus für ein sinnvolles Ziel zu halten. Er lässt sich grundsätzlich erreichen (ok, nicht auf demokratischem Wege, weil eine deutliche Mehrheit das strikt ablehnt), wurde auch schon ein paar mal erreicht (die Ergebnisse haben mich jetzt weniger überzeugt...), aber kämpft meinetwegen dafür.

Ein Konflikt mit der Polizei ist jedoch für einen politisch linken Menschen kein sinnvolles Ziel. Was soll da erreicht werden? Die Abschaffung der Polizei? Ohne eine staatliche Ordnungmacht werden sich die Skrupellosesten durchsetzen, das werden im politischen Bereich die Nazis sein, in den anderen Bereichen werden mafiöse Strukturen entstehen. Wer das am lebenden Objekt beobachten möchte, möge sich z.B. Somalia ansehen.

Auch sonst ist kein Ziel erkennbar, das sich aus Sicht eines politisch linken Menschen als sinnvoll erachten lässt. Kosten hochtreiben? Damit dann im Sozialen gespart werden muss? Polizei hochrüsten? Damit die Zulieferer höhere Dividenden ausschütten können? Bürgerliche Freiheitsrechte abbauen?

Der Konflikt lässt sich nicht gewinnen

Ein nicht vorhandenes Ziel lässt sich naturgemäß nich erreichen.

Und dann möchte ich noch daran erinnern, dass selbst dort, wo der Sozialismus eingeführt wurde, die Polizei als Institution nicht angetastet, ja noch nicht mal mehrheitlich personell ausgewechselt wurde.

Richtet nur Schaden an

  • Ein Konflikt mit der Polizei führt dazu, dass politisch linke Menschen bei der Polizei massiv unterrepräsentiert sind, dass die Polizei im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich rechter, also auch deutlich nationalistischer und rassistischer ist.
  • Der Konflikt treibt gemäß der Devise "der Feind meines Feindes ist mein Freund" die Polizei fest an die Seite der Konservativen und der Rechten. So fest, dass diese Verbindung noch nicht mal durch die Ermordung einiger Polizisten durch Neonazis erkennbar getrübt werden kann.
  • Es gibt Kollateralschäden, bei friedlichen Demonstranten, bei Gewerbetreibenden in räumlicher Nähe zu den Auseinandersetzungen, nicht zuletzt bei den bürgerlichen Freiheitsrechten und am Rechtsstaat.
  • Druck von außen erhöht üblicherweise den Zusammenhalt in einer Gruppe. Die Hooligans in Uniform können daher sicher auf die Solidarität ihrer Kollegen rechnen.
  • Viele berechtigte Anliegen werden in der öffentlichen Wahrnehmung dadurch diskreditiert, dass sie zum Anlass für die Fortführung dieses Konfliktes werden.
  • Und nicht zuletzt bindet der Konflikt auf beiden Seiten Ressourcen, die deutlich sinnvoller eingesetzt werden können.

Fazit

Der lustvoll gepflegte Konflikt mit der Polizei ist die strategische Idiotie der linken Szene.

Dass die Polizei ihr Verhalten von sich aus ändert, ist nicht zu erwarten: Die haben das staatliche Gewaltmonopol im Rücken, die öffentliche Meinung auf ihrer Seite, eine brauchbare Ausrüstung und bekommen für die Einsätze auch noch Geld.

Dass die Politik hier einschreitet, ist noch weniger zu erwarten. Lieber wird das als willkommener Vorwand für einen weiteren Abbau der bürgerlichen Freiheitsrechte genommen. Und wenn der Konflikt teuer wird, werden nicht die Diäten gekürzt, sondern die Steuern erhöht.

Was die linke Szene in der Hand hat, ist das eigene Verhalten. Also, ob der Konflikt eher eskaliert oder deeskaliert wird. Und ob die Polizei als Arbeitgeber infrage kommt oder nicht.

Das Ziel ist nicht der Konflikt mit der Polizei, sondern die Verhinderung von Nazi-Demos

In Berlin hat das funktioniert, weil die Polizei blockierte Nazi-Demos auflöst, statt gegen die Demonstranten vorzugehen. Deshalb demonstrieren die hier auch nicht mehr, ich glaube, das kann man als Erfolg werten. Das könnte die Polizei auch in anderen Städten so handhaben. Statt gegen Blockierer von Nazi-Demos vorzugehen. Insofern geht Deine Kritik leider komplett an der Sache vorbei, weil Du das eigentliche Ziel nicht erkennst.

Entgegnung dazu von Michael Ebner

  • Ich halte es ja für guten Stil, dass Anmerkungen zu fremden Benutzerseiten oder deren Unterseiten auf der Seite "Diskussion" untergebracht werden, oder zumindest als solche gekennzeichnet und mit eigenem Namen versehen werden. Nun ja, über guten Stil gibt es augenscheinlich Meinungsverschiedenheiten, und so muss denn der interessierte Leser in der Versionshistorie nachsehen, auf wessen Meinung ich hier entgegne...
  • Die Konfrontation der linken Szene mit der Polizei beschränkt sich auf Nazi-Demos? Ernsthaft?

Michael Ebner 22:42, 3. Feb. 2014 (CET)