Benutzer:Etz/LqFb Auf Sand gebaut
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LqFb: Auf Sand gebaut
- Zu einem Blogbeitrag von Loreena habe ich diesen Text als Kommentar verfasst. Leider ist es mir nicht möglich, den Kommentar direkt zu verlinken, daher habe ich ihn kopiert und hier eingefügt, um im Rahmen anderer Texte darauf verweisen zu können. In der Ziffer 2 des Textes sind die kursiv gesetzten Teile gegenüber dem Blogkommentar geändert.
Ich stimme Loreena in einem komplett zu: Fließende Demokratie und das einzige dafür belastbar einsatzfähige System LiquidFeedback können die Zukunft einer differenzierteren demokratischen Praxis sein. Vieles davon ist jetzt bereits in der Praxis erlebbar, anderes leider noch nicht gut genug. Auch wenn einige die LqFb-Instanzen der Piratenpartei bereits als »Produktiv-System« begreifen wollen, so ist dennoch festzuhalten, dass bis zu einem wirklichen Produktiv-Einsatz noch sehr viele Aufgaben erledigt werden müssen:
1. Das User Interface ist massiv verbesserungsbedürftig. Das aber ist auch in Arbeit und ich hoffe darauf, dass hier bald Ergebnisse vorliegen, die Nutzbarkeit für die Piraten deutlich verbessern. (Nur nebenbei: Ich bin überzeugt, schon das »alte« UI ist gut nutzbar, aber eben nicht so leicht und intuitiv, wie ich es für ein ausgereiftes System erwarte.
2. Die eigentliche Achillesferse des Systems ist der fragile Unterbau. Nur eine aktuell funktionierende Mitgliederverwaltung taugt, um die Nutzbarkeit des Systems auch regelmäßig sicherzustellen. Davon ist die Piratenpartei Meilen entfernt. Die Herausforderung, neue Mitglieder aufzunehmen, scheint inzwischen gut gemeistert werden zu können, aber alles weitere liegt weitgehend im Argen. Die Deaktivierung von Accounts, deren Nutzer aus der Piratenpartei ausgetreten sind, findet allenfalls nach dem Zufallsprinzip statt, wie sich zum Beispiel hier zeigt: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/member/show/205.html (Ich habe das Einverständnis eingeholt, auf diesen Account an dieser Stelle zu verweisen. Ursprünglich war auf einen Account verwiesen worden, der einem anderen zwischenzeitlich ausgetretenen Piraten gehörte, der aber inzwischen wieder der Partei beigetreten ist. Ob bei Wiedereintritt eines ehemaligen Mitglieds der bislang nicht gelöschte Account einfach so wieder übernommen kann, muss ebenfalls als zweifelhaft gelten, wie sich an diesem Beispiel zeigt: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/member/show/519.html) Alle diese Links zu LqFb-Accounts sind nur aktiven Nutzern von LqFb zugänglich, was von dem System korrekterweise so vorgesehen ist. Wer keinen LqFb-Account hat, landet auf einer Seite, die von ihm das (ihm natürlich nicht mögliche) Einloggen in das LqFb-System verlangt.
3. Die Mitgliederverwaltung ist mit Sicherheit komplett überfordert, die Satzungsbestimmung des Stimmrechtsverlusts bei Nichtzahlen von Mitgliedsbeiträgen auch innerhalb von LqFb umzusetzen. Dabei treten mehrere Komplikationen auf: Ob es innerhalb des LqFb-Systems ein Merkmal »temporär gesperrt« für Accounts gibt, vermag ich nicht zu sagen, praktisch wirksam geworden ist das bislang nicht. Die zweite Hürde vor einer solchen satzungskonformen Stimmberechtigung innerhalb von LqFb besteht in der mehrstufigen Pseudonymisierungs-Strategie mit der Clearingstelle. Das macht es eben hochkompliziert, einen temporären Stimmrechtsverlust einzelner Accounts umzusetzen.
4. Viele Piraten haben auch noch nicht verstanden, wozu und wie man LqFb vernünftigerweise nutzen kann. Wer nur gerade mal eine Initiative ins System kippt, sich dann aber nicht mehr drum kümmert, kann vielleicht von Glück reden, wenn die Initiative die Quoren überspringt, aber durch diese Ignoranz wird sein Antrag eben auch nicht besser. Doch gerade das gemeinsame Arbeiten an der Qualität der Initiativen ist Sinn und Zweck des Systems. Wenn gelegentlich gesagt wird, das kollaborative Erarbeiten von Texten sei doch mit Pads wesentlich einfacher zu erreichen, so muss aber doch festgehalten werden, dass die Arbeit in solchen Pads jeweils nur einer kleinen Zahl von (im Zweifel vorab festgelegten) Teilnehmern möglich ist, weil andere eben allenfalls durch Zufall davon erfahren. LqFb schafft hier eine größere Aufmerksamkeit für Initiativen, da sie eben auch über die Zeitleisten-Anzeige allen Nutzern vorgestellt werden.
5. Die Forderungen nach pseudonymer Nutzung oder gar anonymer Abstimmung (Abstimmungs-/Wahlcomputer) erweist sich als Unsinnskonstrukt und Angstgeburt. Für das Funktionieren des Systems ist die Identifizierbarkeit der Teilnehmer eine zwingende Voraussetzung. Für die Frage der Identifizierbarkeit kann es verschiedene Lösungen geben, eine weniger rigide ist hier beschrieben: Pseudonym-Kompromiss – Auch dieser Kompromiss stellt sicher, dass im Zweifel jeder Nutzer des Systems eine valide Information über den Nutzer bekommt, der ihm als zweifelhaft aufgefallen ist, dennoch ist für die alltägliche Nutzung die Anwendung eines Pseudonyms möglich.
6. Wenn jetzt die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus ein LqFb-System zur Nutzung durch die Abgeordneten des Berliner Parlaments vorgeschlagen hat, so ist das ein wenig tauglicher Versuch, eine neue Anwendungsbasis zu finden. Die uneingeschränkte Fraktionsbindung der Abgeordneten der Traditionsfraktionen wird eine Anwendung im Sinne der Prinzipien von LqFb nicht zulassen, da kaum ein Abgeordneter sich im System mit unabgestimmten Initiativen auffindbar machen wird. LqFb wird also zu einer leeren Spielwiese der Piratenabgeordneten werden, die dieses als fraktionsübergreifend angestrebte System für die eigene Arbeit nun grade nicht brauchen. Wenn man eine Anwendung auf breiterer Basis erproben will, dann ließe sich das meiner Meinung nach am ehesten im Rahmen des Petitionswesens implementieren. Hier besteht die Möglichkeit, dass einzelne Petenten ein Interesse an der Weiterentwicklung ihres Petitionstextes haben und damit die Möglichkeiten des LqFb-Systems genutzt werden und eben nicht ins Leere laufen.
Zusammenfassend: Es gibt noch viele offene Baustellen für die stabile und dauerhaft erfolgreiche Nutzung fließender Demokratie in der Piratenpartei – und erst recht darüber hinaus. Diese Bauarbeiten sollte man vielleicht zuerst abschließen, bevor man neue Löcher aufreißt.