Benutzer:Etz/Kandidatenaufstellung

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ich mich gern.

Über die Schwierigkeiten, eine Landesliste aufzustellen

Am 26. Februar 2011 hat die Landesmitgliederversammlung für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus eine Landesliste gewählt. Das dabei angewandte Verfahren (alle Kandidaten in einem Wahlgang, Reihenfolge nach Schulze-Methode) wurde im Vorfeld (zum Beispiel von mir) kritisiert, aber mit deutlicher Mehrheit von der LMV akzeptiert.

Anscheinend hatten einige aber nicht damit gerechnet, welches Ergebnis dieses Verfahren zutage fördern würde. Deshalb gab es im Nachhinein lautstarkes Lamentieren über das Verfahren und über die so gewählte Landesliste. Dabei waren die jetzt lautstark kritisierten Punkte schon im Vorfeld als Gefahr benannt worden, ohne auf Resonanz zu stoßen.

Eine unverhoffte Möglichkeit, das Ergebnis der LMV nachträglich zu korrigieren, bot ein festgestellter Formfehler im Wahlverfahren der LMV. Deshalb wird nun eine außerordentliche LMV einberufen, um die Landesliste doch noch rechtssicher aufstellen zu können.

Mit diesem Beitrag betrachte ich die jetzt diskutierten möglichen Verfahren auf dieser a.o. LMV.

Der Formfehler vom 26. Februar 2011

Zur Erinnerung: Auf der LMV wurde mit einem aufwendigen Verfahren die Landesliste bestimmt. Die Piraten hatten auf einem Stimmzettel alle 29 Kandidaten in eine Reihenfolge zu bringen und dabei zusätzlich zu markieren, welche der Kandidaten sie mit positivem Votum (Zustimmung), ohne derartige Wertung (Enthaltung) bzw. mit negativem Votum (Ablehnung) versehen wollten, da für eine erfolgreiche Wahl eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich war. Die dafür gewählte Form des Stimmzettels lud offensichtlich manchen zu dem Missverständnis ein, die dafür angebotenen Kästchen seien mit einer quantifizierbaren Wertung (»Der Kandidat hat 10 Pluspunkte«) verbunden.

Die abgegebenen Stimmzettel waren aber offensichtlich für das gewählte Auszählungsverfahren korrekt ausgefüllt worden, sie wurden auch korrekt in eine maschinenlesbare Form übertragen, allerdings ergab sich bei der rechnerischen Auswertung der Stimmen nach der Schulze-Methode ein Fehler gegenüber dem von der LMV beschlossenen Verfahren, der nicht rechtzeitig auffiel. Die LMV wollte, dass nach einer ersten Auswertung der Stimmen verbleibende gleichrangige Ergebnisse mehrerer Kandidaten mit Stichwahlen aufgelöst werden sollten, das aber unterblieb, da ein Programm eingesetzt wurde, das diese gleichrangigen Ergebnisse mit einer Zweitauswertung rechnerisch auflöste. Damit wurde auf der LMV eine vollständig geordnete Liste bekannt gegeben, obwohl an drei Stellen der Liste Stichwahlen erforderlich gewesen wären – für die Plätze 1 bis 3, für Platz 5 und 6, sowie schließlich für die Plätze 14 und 15. Der Fehler wurde erst nach der LMV bemerkt und konnte daher während der LMV nicht mehr korrigiert werden.

Es ist klar, dass der Formfehler, so er bestehen bliebe, die Kandidatur der Piratenpartei für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus gefährden kann. Zum Einreichen bei der Landeswahlleitung brauchen wir eine über jeden Zweifel erhabene Liste. Wenn der Formfehler nicht mit weniger Aufwand zu heilen ist, müssen wir also erneut wählen. Dafür hat der Landesvorstand eine außerordentliche LMV einberufen.

Die notwendige Neuwahl

Ausgangslage

Die Neuwahl wird – nicht juristisch, aber praktisch und mental – dadurch bestimmt, dass es eine vorangegangene Wahl gegeben hat. Es wird Piraten geben, die den berechtigten Wunsch haben, ein Ergebnis zu bekommen, das das Wahlergebnis der ersten LMV reproduziert. Andere Piraten werden den nachvollziehbaren und legitimen Wunsch haben, ein anderes Ergebnis zu erreichen. Nach meiner Meinung muss das eingesetzte Wahlverfahren diesen widerstreitenden Interessen so gerecht werden, dass sich niemand in seinem individuellen Stimmverhalten an der – jedenfalls für sich selbst angewendeten – Realisierung seines Ziels gehindert fühlt.

Die einfache Wiederholung der Wahl nach der Schulze-Methode kommt wohl schon deshalb nicht in Betracht, weil es wohl kaum jemanden gibt, der auch nur für sich selbst eine exakt gleiche Stimmabgabe wie auf der ersten LMV realisieren kann. Wenn ein Pirat also möglichst eine Reproduzierung des Ergebnisses der ersten Wahl mit seiner Stimmabgabe erreichen will, muss das Wahlverfahren anders funktionieren.

Das bei der Neuwahl eingesetzte Wahlverfahren sollte überdies die unterschiedlichen Interessen der Piraten berücksichtigen und nicht gegenüber einem entsprechenden Wahlverhalten einzelner Piraten vermeidbare Barrieren errichten.

Vorgeschlagene Wahlverfahren

Bestätigung der Liste durch LMV-Beschluss

In einer Initiative in der Berliner LqFb-Landesinstanz wird vorgeschlagen, die auf der LMV gewählte Liste mit einem Beschluss der a.o. LMV en bloc im Sinne der verkündeten Listenplatzierung zu bestätigen und für die Öffentlichkeit die gleichrangig gewählten Kandidaten auf den Listenplätzen 1 bis 3 auch gleichgewichtig zu präsentieren.

Mir scheint dieser Vorschlag sehr zweifelhaft. Ich glaube nicht, dass ein einfacher Beschluss über eine feststehende Liste als Wahl durchgehen kann. Wenn wir also davon überzeugt sind, dass wir zur rechtlichen Absicherung der Kandidatenaufstellung eine a.o. LMV durchführen müssen, dann reicht ein solcher Beschluss wohl kaum aus.

Verbundene Einzelwahl

Vorgeschlagen wurde für eine Neuwahl, die Liste in verbundener Einzelwahl der beim ersten Mal unstrittig festgelegten Listenplätze mit gleichzeitiger Stichwahl über die Plätze, für die das nötig ist, zu bestimmen. Dabei muss es selbstverständlich möglich sein, dass zu jedem Platz weitere – auch völlig neue – Kandidaten antreten können. Alternativ wurde vorgeschlagen, die Stichwahlen auf eigenem Stimmzettel nachzuholen. Das Verfahren ist bislang nicht als Initiative in LqFb eingestellt. Die Anzahl der zu wählenden Listenplätze wird auf 19 beschränkt.

Das Verfahren kommt einer Wahl schon deutlich näher, zumal eben auch neue Kandidaten möglich sind. Allerdings ergeben sich im Vorfeld nicht abschätzbare Konflikte dadurch, dass im Rahmen der verbundenen Einzelwahl auf einem Platz ein dort von der ersten LMV platzierter Kandidat durch einen anderen Bewerber ersetzt werden kann und durch die Gleichzeitigkeit aller Wahlgänge dann keine Chance mehr hat, auf einem anderen Listenplatz doch noch erfolgreich nominiert zu werden. Meine Kritik richtet sich nicht dagegen, dass einzelne Kandidaten in diesem Verfahren scheitern können, sondern dagegen, dass sie im Falle des Scheiterns auf einem Platz keine Möglichkeit haben, sich auf einem späteren Platz erneut zu bewerben.

Das Verfahren der verbundenen Einzelwahl kann vernünftigerweise nur angewandt werden, wo Kandidaten nicht für mehrere Positionen der verbundenen Wahlgänge kandidiereren können. Es wird zum Beispiel für die Wahl der in einer anderen Partei sogenannten »Kronprinzenliste« zum Bundesvorstand eingesetzt, wo das Vorschlagsrecht für die einzelnen Kandidaten jeweils bei einem Landesverband liegt. Eine solche Konstellation liegt bei der Wahl der Landesliste jedoch erkennbar nicht vor, im Gegenteil: Jeder Kandidat, der für einen Platz nicht erfolgreich war, kann im Grundsatz auf dem nächsten erneut sein Glück versuchen. Auch die wählenden Piraten sind mit diesem Verfahren in ihren Wahlmöglichkeiten trotz »Approval-Voting« unzulässig beschränkt, da nach dem Abschluss der Wahl zum vorangehenden Listenplatz eigentlich nicht entschieden werden kann, wer als Kandidat tatsächlich zur Verfügung steht. Es müsste daher die Möglichkeit geben, dass in jedem späteren Wahlgang alle vorher kandidiert habenden Bewerber erneut zur Wahl stehen und nur bei bereits erfolgreicher Wahl nicht mehr berücksichtigt werden. Das ist meiner Meinung nach so nicht realisierbar. Die Beschränkung auf 19 Listenplätze ist ein zusätzliches Hindernis für die Neuwahl.

Gesamtwahl durch Zustimmung für einen Listenplatz

Ein weiterer Vorschlag sieht vor, die Wahlen gemeinsam in einem Wahlgang durchzuführen und für jeden Kandidaten den bevorzugten Listenplatz anzugeben. Zunächst nicht erfolgreiche Kandidaten werden dann bei folgenden Listenplätzen erneut berücksichtigt und nehmen die bei den bereits gewählten Listenplätzen erhaltenen Stimmen mit. Stimmengleichheit mehrerer Kandidaten wird durch die Gesamtheit ihrer positiven Stimmen für alle Plätze, danach durch eine geringere Zahl von ablehnenden Voten, schließlich soweit erforderlich durch Auslosung aufgelöst.

Dieses Verfahren ist sicher eine Alternative zur auf der ersten Versammlung eingesetzten Schulze-Methode. Es ist einfacher als diese und wirkt intuitiver, zumal eine Zuordnungspriorität von Kandidaten zu Listenplätzen für den Wählenden möglich ist. Für die konkrete Situation, in der wir bereits eine Liste – zwar gewählt, aber ohne Rechtskraft – haben, scheint es mir indes für die wählenden Piraten schwer im Rahmen des Wahlverfahrens abschätzen zu können, ob und wie sie mit ihrer Stimmabgabe dafür sorgen können, dass diese nicht rechtskräftige Liste doch auch im Rahmen der neuerlichen Wahl erfolgreich werden könnte.

Einzelwahlverfahren der Listenplätze – mit 1 Stimme je Wahlgang bzw. Approval-Voting

Mit zwei Initiativen im LiquidFeedback wird vorgeschlagen, die Neuwahl nacheinander für jeden einzelnen Listenplatz zu realisieren. Die beiden Initiativen unterscheiden sich dadurch, dass die eine dafür ein Approval-Voting vorsieht und die andere das ganz klassische Verfahren mit einer Stimme je zu vergebendem Platz. Es bietet sich an, dass die bei der ersten LMV erfolgreichen Kandidaten hier in der Reihenfolge ihres Listenplatzes erneut antreten. Gleichzeitig können sich auf jedem Listenplatz weitere Piraten zur Wahl stellen. Wer auf einem Listenplatz erfolglos blieb, kann sich auf den folgenden Plätzen erneut bewerben.

Das Verfahren, das der entstandenen Situation am ehesten gerecht wird, scheint mir ein Einzelwahl-Verfahren mit Approval-Voting zu sein. Wahl durch Zustimmung ist bei den Piraten »gelernt« und wird auch als angemessener eingeschätzt als die ganz klassische Variante mit nur einer Stimme je Wahlgang. Der Situation mit einer unbestätigten List aus der ersten LMV wird dieses Verfahren überdies besser gerecht als die anderen. Die bereits vorhandene Liste kann die Wirksamkeit taktischen Wahlverhaltens zusätzlich einschränken. Das seitliche Hineingrätschen eines sich als stark vermutenden Kandidaten gegen einen als schwächer empfundenen Kandidaten kann dadurch jedenfalls erschwert werden. Durch die Möglichkeit für unterlegene Kandidaten, sich erneut zu bewerben, lassen sich die Folgen der Wahl eines unverhofften Kandidaten begrenzen. Das gilt jedenfalls meiner Meinung nach stärker als im Rahmen einer gemeinsamen Wahl aller Bewerber in einem Wahlgang.

Initiative zur Neuwahl ohne Verfahrensvorschlag in LqFb

Eine weitere Initiativen in LiquidFeedback verzichtet auf den Vorschlag eine Wahlverfahrens und hält nur fest, dass überhaupt neu gewählt werden soll. Welches Verfahren für die Wahl zum Tragen kommen soll, bleibe der LMV überlassen.

Das scheint mir vielleicht als Gegen-Initiative zum einfachen Listen-Beschluss denkbar, ist ansonsten aber wenig hilfreich, da hier nun in der Tat taktische Überlegungen deutlich dominieren. Die Initiative spekuliert darauf, möglichst viel Zustimmung einzusammeln und damit konkrete Initiativen an den Rand zu drängen.

Mein Votum

Im Vorfeld der LMV hatte ich mich für ein Wahlverfahren ausgesprochen, in dem die Listenplätze einzeln besetzt werden. Damit bin ich auf der LMV unterlegen. Nach dem Ergebnis der LMV und vor dem Hintergrund einer zwar irgendwie vorhandenen, aber nicht rechtsgültigen Liste scheint es mir sinnvoll, dieses Verfahren nun doch anzuwenden, da es den Piraten die beste Möglichkeit bietet, im Rahmen einer tatsächlichen Neuwahl das bereits erreichte Ergebnis doch ebenfalls in die Wahlentscheidung einzubeziehen.

Das vorgeschlagene Verfahren einer gemeinsamen Wahl mit Angabe präferierter Listenplätzen würde ich gern bei einer Listenaufstellung ohne Vorgeschichte ausprobieren. Bei der kommenden a.o. LMV scheint es mir problematisch und ungeeignet, dass Piraten, die gern die bereits gewählte Liste mit dem neuerlichen Verfahren bestätigen wollen, diesem Wunsch Ausdruck verleihen können.

Ich plädiere daher für eine Einzelwahl der Listenplätze mit Approval-Voting.