Benutzer:Etz/Argumentation Wahlrecht

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Dies ist eine persönliche Meinungsäußerung von Eberhard Zastrau und
keine offizielle Äußerung der Piratenpartei.
Diskussionsbeiträge erbitte ich auf der Wiki-Diskussionsseite zu dieser Stellungnahme.

Stellungnahme zu den Wahlrechtsanträgen an den BPT 2011.2

Vorab:

Ja ich habe diverse Fehler gemacht, die vielleicht eine bessere Performance bei flüchtigen Lesern erreicht hätten:

  • Ich habe darauf verzichtet, eine wohlklingende Referenz in den Antragstitel einzutragen (wie den Bürgerrechtsverein Mehr Demokratie e.V.)
  • Die Referenz der von Mehr Demokratie erarbeitenden Vorschläge für NRW, Bremen, Hamburg und Berlin tauchen bei mir überhaupt erst in der Antragsbegründung auf.
  • Ich habe mir erlaubt, auf der Basis der herangezogenen Vorschläge einen eigenen Antrag mit durchaus abweichenden Regeln zu erarbeiten.
  • Ich habe auch keine schiefen Vergleiche mit aktuellen Buzzwords (»negatives Stimmgewicht« als »Argument« gegen das Panaschieren) bemüht, im konkreten Beispiel geht es nur darum, dass zusätzliche Stimmen für eine Partei natürlich die Zahl der von ihr erreichten Mandate erhöht, auch wenn dadurch ein Separat-Interesse von einigen Wählern nicht erfolgreich bleibt.
  • Ich habe den unverzeihlichen Fehler gemacht, die Wähler ernst zu nehmen und ihnen nicht von vornherein eine beschränkte Fähigkeit zu attestieren, das Wahlverfahren zu verstehen und anzuwenden.

Ja! Es ist nicht zu rechtfertigen, dass man Demokratie ernst nimmt und darauf verzichtet, den tumben Wählermassen zu unterstellen, sie könnten komplexe Entscheidungen gar nicht treffen und ihre Interessen auch nicht selbst artikulieren. Es ist immer nur bemerkenswert, dass die, die solche Einwände erheben immer ganz selbstverständlich davon ausgehen, sie selbst seien den Wählermassen in der Fähigkeit Systeme zu durchschauen und anzuwenden so haushoch überlegen. Wenn das so wäre, könnten wir auf Demokratie komplett verzichten und nur die selbsternannten politischen Überflieger ohne demokratisches Fundament entscheiden lassen.

Aber jetzt im Einzelnen zu den konkurrierenden Anträgen, die ein ausformuliertes Wahlverfahren vorstellen.

Listen oder Wahlkreise oder beides?

Andis Vorschlag: Mehrmandate-Wahlkreise und offene Landesliste

Andi bleibt hier ganz nah im bestehenden »personalisierten Verhältniswahlrecht« mit Wahlkreis-Mandaten und Mandaten, die über die Landeslisten verteilt werden. Einzig, dass die Wahlkreise dann mehrere Mandate verteilen, unterscheidet Andis Vorschlag von der geltenden Situation.

Die Mehrmandate-Wahlkreise können das Entstehen von Überhangmandaten wirksam verhindern. Da der Vorschlag nichts zur Verrechnung der Mandate zwischen den Bundesländern verrät, ist unklar, wieweit hier ein negatives Stimmgewicht in der vom BVerfG gerügten Form auftreten kann. Sicher ist allerdings, dass diese Gefahr gegenüber dem geltenden Wahlrecht drastisch unwahrscheinlicher ist.

Ebenfalls ist der geneigte Leser auf Vermutungen angewiesen, ob mit dem Vorschlag auch die bayerische Spezialregel übernommen werden soll, dass für die Verteilung der Mandate Erst- und Zweitstimmen addiert werden.

  • Festzuhalten bleibt: Andis Vorschlag bleibt dem bestehenden Wahlverfahren am nächsten. Das ist nur möglich, weil er die Möglichkeiten eines Wählereinflusses auf die personale Zusammensetzung der Parlamente stark begrenzen will, wie ich im nächsten Kapitel darlege.

Burkhards Vorschlag: Keine Wahlkreise, nur Landeslisten

Ausgehend von den Erfahrungen mit dem neuen Hamburger Wahlrecht für Bürgerschaft und Bezirksversammlungen möchte Burkhard auf die Wahlkreise komplett verzichten. Das ist nachvollziehbar, wenn man sich die Wahlzettel der Hamburger Wahlen ansieht. Doch seine Überlegungen bleiben der Hamburger Situation allzusehr verhaftet. Was in Hamburg noch sinnvoll scheint, ist für die großen und bevölkerungsreichen Bundesländer wie NRW, BaWü, Bayern und Niedersachsen eher untauglich, zu groß werden hier die Stimmzettel, da ja alle Kandidaten des Landes aufgeführt werden müssen. Auch ist kaum sicherzustellen, dass Wähler etwa in Aachen Kandidaten aus Höxter oder Warendorf gut genug bewerten können. Sie werden daher aller Wahrscheinlichkeit nach Kandidaten aus der eigenen Region bevorzugen.

Was aber die nachhaltigsten Zweifel an diesem Vorschlag auslöst, ist die »Zwanzig-Prozent-Regel« als Ersatz für die Grundmandate-Regel, die bisher Erststimmen einer nur regional vertretenen Partei auch für die Vertretung im Parlament wirksam macht. So will Burkhard festlegen, dass eine Partei, die in einem Bundesland mindestens 20 % der Stimmen erreicht, in diesem Bundesland die von ihr dort erworbenen Mandate auch antreten kann, ohne im Bundesgebiet insgesamt die Stimmhürde übersprungen zu haben.

  • Festzuhalten ist: Ich wage zu bezweifeln, dass die »20% im Bundesland«-Hürde mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Grundgesetz-Link) vereinbar ist, da in NRW massiv mehr Stimmen erforderlich sind, um etwa eine regional aktive Lippische Traditionspartei zum Erfolg zu führen, als eine Mecklenburgische Bauernpartei in ihrem Bundesland benötigt.

Wenn Burkhard an anderer Stelle auf diesen Einwand mit dem spezifischen Wahlrecht des Zwei-Städte-Bundeslandes Bremen antwortet, so löst die regelmäßige Wahl von Rechtsextremen bei den Wahlen in Bremerhaven, die eben auch direkt in die Bürgerschaft des Bundeslandes vordringen können, bei mir schon ein wenig Beklemmungen aus.

Mein Vorschlag: Mehrmandate-Wahlkreise – keine Landeslisten

Mein Vorschlag enthält keine Regelung, wie groß die jeweiligen Wahlkreise sein sollen. Es spricht nichts dagegen, auch erhebliche Abweichungen in der Wahlkreisgröße zuzulassen, solange die Zahl der in dem jeweiligen Wahlkreis zu vergebenden Mandate bewirkt, dass die Zahl der Wahlberechtigten je vergebenen Mandats die Gleichheit der Wahl mit geringer Schwankungsbreite sicherstellt. Dass nicht jeder Wähler seine Stimme für jeden Kandidaten bundesweit (oder auch nur regional) abgeben kann, ist durch die bisherigen Landeslisten gelernt und wird bei Landtagswahlen durch Beschränkungen auf den einzelnen Wahlkreis (BaWü) oder den jeweiligen Bezirk (Bezirkslisten in Berlin) auch unterhalb der Gesamtheit des Landesgebiets weiter eingegrenzt. Wenn also gewünscht ist, das gesamte Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg in einen Mehrmandate-Wahlkreis zusammenzufassen, so ist das vom Antrag her nicht ausgeschlossen. Andererseits scheint es nicht sinnvoll, die großen und bevölkerungsreichen Bundesländer nicht in verschiedene Mehrmandate-Wahlkreise aufzuteilen. Es ändert sich also nichts daran, dass ein Wähler in Passau keinen Kandidaten wählen kann, der sich in Bremen um ein Mandat bewirbt. Andererseits kann er aus den Kandidaten seines Mehrmandate-Wahlkreises eine gewichtende Auswahl treffen.

Der Einschätzung, kleine Parteien würden dadurch benachteiligt, dass sie in allen Wahlkreisen Kandidaten aufstellen und für sie die ggf. erforderlichen Unterstützungsunterschriften sammeln müssten, kann ich nicht zustimmen. Mir scheint gerade die flächendeckende Kandidatur und vor allem auch personelle Präsenz in allen Wahlkreisen Baden-Württembergs das Erfolgsrezept zu sein, dass die Piraten bei den Landtagswahlen in diesem Bundesland ein nahezu gleiches Ergebnis wie bei den vorangegangenen Bundestagswahlen hatte erreichen lassen. Auch die Argumentation, dann gäbe es womöglich Kandidaten, die wegen geringerer Wahlchancen nicht in ihrer angestammten Region kandidieren sondern in attraktiveren Wahlkreisen, relativiert sich durch die Größe der Wahlkreise unmittelbar. Dass es darüber hinaus auch gante Bundesländer gibt, die unter diesem Blickwinkel für einen Kandidaten einer kleineren Partei schlechte Chancen bieten, ist offensichtlich, wird von denen, die dieses Argument anführen aber anscheinend nicht besonders hoch gewuchtet.

  • Festzuhalten ist: Die Mehrmandate-Wahlkreise bieten eine perfekte Möglichkeit, mit einem einfachen Wahlverfahren eine gute regionale Repräsentanz der Abgeordneten zu erreichen. Sie sorgen auch dafür, dass die Gleichheit der Wahl mit geringer Bandbreite sichergestellt wird.

Kumulieren und Panaschieren

Andis Vorschlag: Keinesfalls Panaschieren, kaum Kumulieren

Andi will das Panaschieren auf jeden Fall verhindern. Die Möglichkeit zum Kumulieren existiert fast allein durch die bajuwarische Vorzugsstimme, mit der auf der offenen Liste ein Wunschkandidat statt der starren Listenfolge angekreuzt werden kann. Die Möglichkeit in den Mehrmandate-Wahlkreisen dann auch zwischen verschiedenen Kandidaten der bevorzugten Partei auszuwählen, ist für ein mögliches Kumulieren nahezu ohne Bedeutung. Der Wahlbürger muss sich mit der Abgabe von genau zwei Stimmen (und einer Markierung von Alternativstimmen, falls die bevorzugte Partei an der Wahlhürde scheitert) begnügen. Eine der beiden Stimmen trägt dazu bei, ein Direktmandat zu vergeben, die andere regelt die Zusammensetzung des Parlaments, fast so wie im geltenden Wahlrecht.

  • Festzuhalten bleibt, dass Andis Vorschlag im Gegensatz zum in Chemnitz beschlossenen Grundsatzprogramm steht. Dieses sieht im Abschnitt Mehr Demokratie beim Wählen explizit Kumulieren und Panaschieren vor.

Ich kann auch nicht erkennen, dass das Grundsatzprogramm hier über die erforderlichen Grundsätze hinausgehend eine zu detaillierte Regelung getroffen hätte. Andererseits hätte Andi, wenn er das hätte durchsetzen wollen, eine Änderung des Grundsatzprogramms mit beantragen müssen. An den Mehrheits-Erfordernissen hätte das nichts geändert, da auch Anträge zum Wahlprogramm eine 2/3-Mehrheit erreichen müssen.

Burkhards Vorschlag: Landeslisten mit Kumulieren und Panaschieren

Aus der Sicht des Hamburgers scheint das ein vernünftiger Vorschlag zu sein. Doch in den großen Flächenstaaten tun sich hier erhebliche Probleme auf: Die Zahl der Kandidaten auf den Landeslisten ist so groß, dass die Stimmzettel unübersichtlich oder tischtuchgroß werden müssten. Reichlich widersprüchlich ist Burkhards Argumentation gegen Mehrmandate-Wahlkreise, denen er aufgrund ihrer abzusehenden Größe vorhält, sie seien nicht mehr überschaubar, während er im gleichen Antrag für Landeslisten in einem im Zweifel noch einmal viel größeren Wahlgebiet plädiert und darin keine Beeinträchtigung regionaler Repräsentanz erkennen mag.

Zwar ergibt sich gegenüber dem Hamburger Bürgerschafts-Wahlverfahren eine Vereinfachung. Doch übersieht Burkhard auch, dass in Hamburg nicht nur die Bürgerschaft, sondern gleichzeitig auch die Bezirksversammlungen gewählt wurden, was mit jeweiligen Wahlkreislisten und Gesamtlisten schon ohne Ersatzstimmen eine vierfache Kandidatenauswahl mit jeweils fünf Stimmen zustande brachte.

  • Festzuhalten ist: Burkhards Vorschlag ist einzig aus der Perspektive des Hamburgers plausibel. Er trägt nicht in NRW, Baden-Württemberg, Bayern oder Niedersachsen. Burkhards Vorschlag ist meiner Meinung nach auch zu sehr von der Furcht geprägt, die etablierten Parteien, die an einem Mehr an demokratischer Auswahl kein Interesse haben, könnten sich dagegen aussprechen. Mir scheint, man kann noch so zaghaft sein mit solchen Vorschlägen, die Kritik der herrschenden Parteien wird man in jedem Fall heraufbeschwören. Dann ist mir ein nicht nur taktisches Konzept mit realer inhaltlicher Überzeugungskraft aber lieber als ein »angstdriven« vorweggenommener Scheinkompromiss, der nur weitere Abstriche am Konzept verursachen wird, wenn es denn Verhandlungen über eine solche Regelung gibt.

Mein Vorschlag: Mehrmandate-Wahlkreise mit Kumulieren und Panaschieren

Dass es keine Landeslisten sondern nur Mehrmandate-Wahlkreise gibt, verleitet Andi zu dem Vorwurf, dadurch würde ein »Wahlkreis-Tourismus« verursacht, weil ehrgeizige Kandidaten versuchen würden, in einem vermeintlich sicheren Wahlkreis zu kandidieren, sie könnten dort aber eben gerade keinen örtlichen Stallgeruch vorweisen. Das negiert die Möglichkeit, mit gutem Wahlkampf und dem Gewinnen persönlicher Stimmen auch vermeintlich aussichtslose Wahlkreise zu gewinnen. Die Größe der Wahlkreise nivelliert die Erfolgschancen zwischen den Wahlkreisen zusätzlich, da mit der gestiegenen Ausdehnung der Wahlkreise eine sozial einheitliche Ausrichtung der Wahlkreise reduziert wird. Wenn eben im Emsland nicht allein die katholischen Gebiete um Papenburg den Wahlkreis bilden, sondern zum Beispiel auch Leer, Emden und Teile Ostfrieslands zu diesem Wahlkreis gehören, dann wirkt sich das eben sofort auch auf die Chancen eines Kandidaten aus, der nicht zum katholisch-konservativen Milieu des südlichen Wahlkreisgebiets gehört. Verhältniswahlrecht und die Wahl mehrerer Mandate in einem Wahlkreis verhindert auch die Notwendigkeit, im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit Wahlkreisgebiete auf die Wahlchancen sozialer Minderheiten auszurichten, wie das in den USA praktiziert werden muss.

Burkhards Kritik an den Mehrmandate-Wahlkreisen spiegelt die Verlegenheit der etablierten Parteien gegenüber der zusätzlichen Auswahlmöglichkeit für die Wähler. Dass damit selbst unter deutlich reduzierter Auswahlmöglichkeit eines Wahlrechts mit nur einer wahlkreisbezogenen Stimme auch Kandidaten eine Chance haben, deren Wahlkreis aussichtslos erscheinen, habe ich im Klabautercast dargelegt. Ganz vieles von Burkhards Kritik atmet den Geist von »bloß nicht zu viel fordern«. Es nimmt die noch gar nicht geäußerte Kritik der Konkurrenz vorweg und reagiert angstvoll statt konsequent. »Ein Appell an die Furcht findet in deutschen Herzen niemals ein Echo,« verkündete einst Otto von Bismarck. Etwas mehr von diesem Anspruch würde ich mir auch von den gegenwärtigen Politikern wünschen.

Wenn auch angeführt wird, die Piratenpartei hätte mit einem solchen Wahlrecht bei den Bundestagswahlen 2009 einige Stimmen nicht mobilisieren können, die durch die Landesliste hatten gewonnen werden können. So sei einfach darauf verwiesen, dass der Weg in den Bundestag immer schon und auch in der Zukunft über die regionale Verankerung einer Partei führt. Überzeugende kommunale Arbeit, erfolgreiche Bewerbungen in den Bundesländern schaffen die Bereitschaft, dann auch für den Bundestag eine neue Partei zu wählen. Wie sehr ein entglittener kommunaler Unterbau die Wahlchancen einer Partei schmälert, zeigt sich eben auch in dem Zerbröseln überkommener Dominanz-Gebiete bei SPD und CDU.

Völlig ins Leere zielt Burkhard mit seiner Kritik an den unterschiedlichen Prozentanteilen, die in kleineren Wahlkreisen gegenüber größeren Wahlkreisen für ein Mandat erforderlich werden. Für die Gleichheit der Wahl sind nicht relative Stimmenanteile entscheidend, sondern die tatsächlichen Stimmenzahlen – und damit ist durch Zuschnitt der Wahlkreise und Bestimmung der dort jeweils zu entsendenden Abgeordneten die Gleichheit innerhalb einer tolerablen Bandbreite sichergestellt.

  • Festzuhalten ist: Der Vorschlag vereinbart eine genügend differenzierte regionale Gebietsstruktur, um die örtliche Verankerung der Mandatsträger zu sichern, mit einer guten Auswahl von Kandidaten, zwischen denen mit Kumulieren und Panaschieren eine persönliche Auswahl getroffen werden kann. Eine parallele Aufstellung von Landeslisten ist damit entbehrlich. Zugleich vermeidet der Vorschlag übergroße Kandidatenlisten und die damit dann verbundenen »Tischtuch«-Stimmzettel wie sie von bayerischen und baden-württembergischen Kommunalwahlen bekannt sind.

Alternativ- oder Ersatzstimmen

Andis Vorschlag: Tabula rasa unter 5 %

Die Alternativ-Stimme wird nur bei den Listenstimmen wirksam. Es werden nach der Hauptauszählung alle Listenstimmen einkassiert, die für Parteien abgegeben wurden, die an der 5%-Hürde gescheitert sind. Dafür dürfen sich die ohnehin schon erfolgreichen Parteien über zusätzliche Stimmen freuen, die ihnen über die Alternativstimmen zukommen. Eine Partei, die bei den Hauptstimmen knapp unter der Stimmhürde blieb, hat keine Möglichkeit durch Alternativ-Stimmen von Haupt-Wählern noch kleinerer Parteien den Sprung über die Hürde doch noch zu stemmen. Der Wunsch, mit dem System der Ersatzstimmen die taktische Stimmabgabe zu reduzieren, bleibt auf halber Strecke liegen.

  • Festzuhalten ist: Andis Vorschlag bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück. Die Alternativ-Stimmen-Lösung, die er propagiert, erinnert eher an symbolische Placebo-Politik. Erst wenn es möglich ist, durch Alternativ-Stimmen eben auch die mit den Hauptstimmen knapp verfehlte Stimmhürde zu überspringen, ist das Ziel »Mehr Demokratie beim Wählen« wirklich erreicht.

Burkhards Vorschlag: Keine Ersatzstimmen, weil viel zu kompliziert

Burkhard sieht zwischen Kumulieren und Panaschieren einerseits und den Ersatzstimmen andererseits zwei sich gegenseitig ausschließende Komponenten im Wahlverfahren. Er begründet das nicht inhaltlich, sondern nur mit einer angeblich zu kompliziert werdenden Stimmabgabe und Auszählung. Das überzeugt mich nicht, wie ich noch ausführen werde.

Die Forderung des Grundsatzprogramms »Der Einfluss taktischer Stimmabgabe ist zu verringern, damit kleine und neue Parteien ihr reales Wählerpotential ausschöpfen können.« ist von Burkhard nicht berücksichtigt worden.

  • Festzuhalten ist: Burkhard präsentiert ein unglaubliches Maß an Überheblichkeit gegenüber dem Souverän unserer Republik. Das ist nicht mein Ansatz für gelebte Demokratie. Burkhard liefert keinen Vorschlag zur Reduzierung taktischer Stimmabgabe.

Mein Vorschlag: Ersatzstimmen mit Instant-Runoff-Voting

Ein wenig wirken die Anträge der beiden anderen Antragsteller von dem Motto getragen »Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.« Wenn man mehr Demokratie beim Wählen erreichen will, dann muss man auch mehr demokratische Einflussmöglichkeiten eröffnen und darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben.

Deshalb schlage ich für die Ersatzstimmen-Regelung das Instant-Runoff-Voting als Verfahren wor. Nur damit ist ein Verzicht auf taktisches Wählen möglich und kleinere Parteien erhalten die Chance, auch noch bei der Ersatz-Stimmen-Auswertung die Stimmhürde zu überwinden.

Das Instant-Runoff-Voting ist ein auch manuell durchführbares Verfahren, in dem die einzelnen Schritte nacheinander ohne Rechenkapriolen umgesetzt werden. Damit ist das Verfahren lückenlos kontrollierbar.

  • Festzuhalten ist: Ersatzstimmen sind dann sinnvoll, wenn sie geeignet sind, taktisches Stimmverhalten zu reduzieren. Das ist mit Instant-Runoff am besten gewährleistet.

Zur Stimmenauszählung

Ein Kritikpunkt an meinem Vorschlag entzündet sich auch daran, dass ein Instant-Runoff schneller und besser technisch gestützt ausgewertet werden kann, was eine zentrale Berechnung erfordere. Damit setze sich das Wahlverfahren der Kritik aus, die durch den Transport der Stimmzettel in Bremen zu einer zentralen Auszählstelle laut wurde.

Dem kann ich nicht folgen. Es ist möglich, im Stimmlokal eine Grundauszählung durchzuführen, die die tatsächlich abgegebenen Haupt-Stimmen und die Ersatzstimmen festhält. Damit sind die Ergebnisse im Stimmlokal festgehalten und protokolliert. Diese Ergebnisse müssen sich auch nach einer zentralen Auswertung jederzeit wieder darstellen lassen.

Nach dieser protokollierten Auszählung im Stimmlokal können die Stimmzettel für die Auswertung der erforderlichen Ersatzstimmen und für die Verteilung der Mandate zu einer zentralen Berechnungsstelle gebracht und dort mit technischer Unterstützung ausgewertet werden. Die Mandatsverteilung wird ja heute schon rechnergestützt im zentralen Wahlamt durchgeführt.

Die ständige Überprüfbarkeit der Stimmzettel anhand der im Stimmlokal protokollierten Grundauszählung stellt sicher, dass hier keine Manipulationen stattfinden können.

  • Festzuhalten ist: Das Verfahren eignet sich für eine Grundauszählung im Stimmlokal. Damit sind die Ergebnisse auch nachträglich überprüfbar. Es gibt keinen Grund, das Verfahren einschließlich einer zentralen Auswertung der Ersatzstimmen und der darauf gründenden Mandatsverteilung vom Grundsatz her in Frage zu stellen.

Vorschlag zur Wahlprüfung

Hier liefert der Antrag von Andi als einziger Ideen. Da Andis Antrag der einzige ist, der als Wahlprogramm-Antrag aufgrund der abgelaufenen Antragsfrist überhaupt nicht mehr veränderbar ist, lassen sich diese Anregungen bei den beantragten Positionspapieren noch als Ergänzungsantrag zum BPT einbringen.