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Vortrag: Menschen- und Bürgerrechte: Ein Fundament der westlichen Zivilisation

Ich will eine erste Orientierung zum Thema Menschen- und Bürgerrechtspolitik geben und dazu fünf Fragen zu den Menschen- und Bürgerrechten ansprechen: Was sind Menschen- und Bürgerrechte? Welche Arten von Rechte beinhalten diese? Wo kommen sie her? Wie sind sie gegenwärtig in der BRD rechtlich verankert? Inwiefern ist der Schutz der Bürger- und Menschenrechte eine gegenwärtige politische Aufgabe? Abschließend will ich noch ein paar Sätze dazu sagen, was die Piraten in Bezug auf Menschen- und Bürgerrechte bereits getan haben und was sie meiner Meinung nach weiter tun sollten.

Was sind Menschen- und Bürgerrechte?

Menschen- und Bürgerrechte sind nicht dasselbe, sie entstammen aber derselben Idee: Jedem Mensch oder Bürger steht gleichermaßen aufgrund seines Menschseins und der damit verbundenen Würde Rechte zu. Diese Rechte sind subjektiv, universell, unveräußerlich und unteilbar. Subjektiv heißt hier, dass der einzelne als Rechtssubjekt hier Schutz genießt. Universell sind sie, da sie jedem Menschen oder Bürger bedingungslos zukommen sollen. Unveräußerlich sind sie, da sie grundsätzlich niemand freiwillig ablegen kann. Man darf sich z.B. nicht selbst als Sklave verkaufen. Unteilbar meint, dass sie jeweils in ihrer Gesamtheit verwirklicht werden müssen, nicht nur einige.

Zu unterscheiden sind die Menschen- und Bürgerrechte dadurch, wem sie zustehen. Die Menschenrechte sind dabei Jedermanngrundrechte, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins zustehen. Die Bürgerrechte hingegen sind Staatsbürgergrundrechte. Sie sind an die Zugehörigkeit zu einem politischen Verband geknüpft und stehen jedem Bürger eines Staates gleichermaßen zu. Hierzu sind also z.B. die politischen Beteiligungsrechte zu zählen.

Welche Arten von Rechte sind diese?

Es gibt in der Literatur unterschiedliche Differenzierungen verschiedener Arten von Menschen- und Bürgerrechten. Ich will hier kurz die Einteilung nach der staatsrechtlichen Statuslehre von Georg Jellinek skizzieren. Diese Einteilung ist bewährt und genießt auch nach vielen Jahrzehnten noch weite Anerkennung.

Jellinek unterscheidet in seiner Schrift „System der subjektiven öffentlichen Rechte“ die Grundrechte hinsichtlich ihres rechtlichen Status. Status bedeutet hier, das Verhältnis der Rechtspersönlichkeit des Individuums zum Staat. So können drei Arten unterschieden werden: der status negativus, der status positivus und der status activus.

Mit dem status negativus werden Abwehrrechte bezeichnet: Das Staatsmitglied erhält einen staatsfreien Raum. Diese Rechte werden auch als negative Freiheit bezeichnet. Zu ihnen zählen z.B. die Rechte, die im Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre stehen.

Der status positivus bezeichnet Leistungsrechte. „Der Einzelne erhält die rechtlich geschützte Fähigkeit, positive Leistungen vom Staat zu verlangen und für den Staat die rechtliche Verpflichtung, im Einzelinteresse tätig zu werden.“ (Jellinek). Diese Rechte werden auch als positive Freiheit bezeichnet. Der status activus bezeichnet Beteiligungsrechte. Hierunter fallen die politischen Rechte. Jellinek bezeichnet sie als „Status der aktiven Civität“ und zählt dazu alle politischen Rechte, die mit einem politischen Amt verbunden sind, sowie das aktive und passive Wahlrecht.

Wo kommen sie her?

Die Idee der wesentlichen Gleichheit wird in naturrechtlichen Theorien seit alters her immer wieder propagiert.

Ansätze zur Kodifizierung von Bürgerrechten, als Ausdruck von unveräußerlichen, subjektiven Rechten, die jedem aufgrund des Menschseins zustehen, finden sich erstmals in den Verfassungsdokumenten der ehemaligen britischen Kolonien in Nordamerika. Ihren Ursprung haben sie dort dem Bemühen um die Verwirklichung der religiösen Toleranz und der rechtlichen Garantie der Religionsfreiheit.

Erstmals in der französischen Revolution werden die Bürgerrechte dann auch in Europa kodifiziert. Der Bürgerrechtskatalog der "Déclaration des droits de l’homme et du citoyen" von 1789 bedient sich der amerikanischen Vorbilder. Hier wie dort schließen sie noch nicht alle Einwohner ein. Frauen bleiben sie generell vorenthalten, in einigen britischen Kolonien und spätern Gliedstaaten der USA auch Sklaven.

Die Ausdehnung dieser Rechte auf alle Bewohner der Staaten vollzieht sich auch in den Staaten der westlichen Welt in der Folge nur schleppend. So wird z.B. die Sklaverei in den USA erst nach Ende des Bürgerkriegs 1865 abgeschafft. Das Frauenwahlrecht wird dort ab 1869 (Wyoming) eingeführt, in Deutschland 1918/19, in den USA auf Bundesebene 1920 und in der Schweiz erst 1971. Die rechtliche Diskriminierung (Segregation) von Afroamerikanern wird in den USA erst 1964/65 durch den Cicil Rights Act und den Voting Rights Act aufgehoben - nach jahrelangen Protesten des Civil Rights Movement.

Dies zeigt, dass die Erklärung der Rechte alleine nicht ausreicht, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Es wird ein Instanz benötigt, die sie tatsächlich durchsetzt. Derzeit tuen dies die Staaten, günstigsten Falls. Deshalb wird gesagt, dass zu jedem Menschenrecht eine staatliche Schutzpflicht gehört. Erst im Verbund mit dieser ist ein Menschenrecht vollständig verwirklicht.

Wie sind sie gegenwärtig in der BRD rechtlich verankert?

Menschen- und Bürgerrechte sind in den maßgeblichen Rechtsakten unseres Landes nicht nur einmal verankert. Einige Fundstellen will ich hier kurz vorstellen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, eine Resolution der UN-Generalversammlung 10. Dez. 1948, ist zwar sehr bekannt. Aber sie ist für sich genommen rechtlich unverbindlich. Niemand kann aufgrund dieser Erklärung seine Rechte vor Gericht einklagen. Wohl deshalb haben sich an ihr so viele Staaten beteiligt.

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (23. Mai 1949) sind in Art.1-19 die Grundrechte festgeschrieben. Die sind somit Verfassungsrecht und als solches sogar besonders herausgehoben. Denn Art. 1 unterliegt explizit der Ewigkeitsklausel (Art. 79 (3)). Der Schutz der Ewigkeitsklausel erstreckt sich grundsätzlich auch über Art.1 GG hinaus in alle weiteren Grundrechte, wenn diese Konkretisierungen des Achtungsanspruchs der Menschenwürde sind.

Wichtig ist auch die Europäische Menschenrechtskonvention vom 3. Sep. 1953. Diese ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedsstaaten des Europarats. Die Reche, die er umfaßt, können am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von Bürgern gegenüber ihren Staaten eingeklagt werden. Auch gegen die BRD werden an diesem Gericht immer wieder erfolgreich Klagen geführt.

Recht neuen Datums ist die Charta der Grundrechte der EU (1. Dez. 2009). Diese ist durch einen Verweis in Artikel 6 des Lissaboner Vertrags für alle EU-Mitgliedsstaaten bindend (ausgenommen UK und Polen), soweit diese Unionsrecht durchführen. Also immer dann, wenn sie etwa europäische Richtlinien in nationales Recht umsetzen oder - durch ihre nationalen Verwaltungen - europäische Verordnungen ausführen. Bei rein nationalen Sachverhalten findet die Charta jedoch keine Anwendung. Zudem bindet die Grundrechtecharta sämtliche Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union. Das gesamte Handeln der Union muss sich also am Maßstab der Charta messen lassen. Also auch die europäische Gesetzgebung und die europäische Verwaltung.

Inwiefern ist der Schutz der Bürger- und Menschenrechte eine gegenwärtige politische Aufgabe?

Nun könnte man ja meinen, dass aufgrund ihrer vielfältigen rechtlichen Verankerung bezüglich der Menschen- und Bürgerrechte in unserem Land alles in bester Ordnung ist. Doch leider ist es so einfach nicht. Und tatsächlich gibt es aktuell immer noch einige politische Probleme mit Bezug zu Menschen- und Bürgerrechten. Die folgende Aufzählung beansprucht in keiner Weise Vollständigkeit.

So ist leider festzustellen, dass in der Gesellschaft Kernaspekte der Menschenrechte, wie die wesentliche und rechtliche Gleichheit aller Menschen, nicht generell verankert sind. Deshalb sind Diskriminierung aufgrund gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Sexismus, Homophobie verbreitet. Es ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe für die Anerkennung der Menschenrechte als gleiche Rechte für alle Menschen zu werben.

Weiter gibt es im Bereich der Innenpolitik weitere Problemfelder. So beobachten wir, dass Zugunsten von Sicherheitsbedürfnissen (aber auch ökonomischen Verwertungsinteressen) Bürgerrechte (z.B. Schutz der Privatsphäre) in Frage gestellt werden. Weiter sind auch staatliche Stellen nicht gefeit vor Diskriminierung aufgrund gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Zudem sind noch drei aktuelle Brennpunkte der Bürgerrechtspolitik zu nennen: Anti-Diskriminierungspolitik, Integration und Inklusion. Bei dem wichtigen Bestreben, die bestehende Diskriminierung vieler Gruppen zu vermindern, gibt es einen Konflikt: Darf man einer Diskriminierung de facto mit einer Diskriminierung de jure begegnen. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Mit Integration meine ich die Bemühungen, unsere Mitmenschen mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft und unseren politische Gemeinschaft einzubeziehen. Es gilt, die Hinzugekommenen in die Gemeinschaft der Bürger aufzunehmen. Bislang ist in Deutschland die Verleihung der Staatsbürgersbürgerschaft immer noch sehr restriktiv geregelt. Mit Inklusion meine ich das Bemühen, allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Dies bezieht sich auch auf Menschen mit Behinderungen. Hier ist noch sehr viel zu tun.

Ein weiter Problembereich ist in der Arbeitswelt zu sehen. Hier stellt sich verstärkt die Frage, ob Respekt der Menschenwürde in der Arbeitswelt ausreichend gewährleistet wird. Dies ist z.B. im Falle von prekären Beschäftigungsverhältnisse und Minilohn kritisch zu sehen. Denn den Betroffenen ist es nur schwer möglich, sich einen Lohn zu erarbeiten, der es erlaubt, eine Familie zu versorgen. Ebenso werden viele trotz Vollzeitarbeit keine auskömmliche Rente bekommen. Und im Falle von Hilfsbedürftigkeit ist generell zu fragen, ob die Gewährleistung von Hilfe nicht an Bedingungen geknüpft wird, die der Menschenwürde gerecht werden.

Auch im Feld der Außenpolitik sind ist die Frage der Bürger- und Menschenrechte eine Herausforderung. Denn wie geht man mit Staaten um, die die Menschenrechte nicht anerkennen oder nicht schützen? Doch eine konsequente Haltung in dieser Frage einzunehmen ist nicht leicht. Denn hier muss in einem Spannungsfeld gehandelt werden, zwischen dem Anspruch der Universalität der Grundrechte und ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen. Es ist daher zu verstehen, dass die Kanzlerin bei ihren Besuchen in der Volksrepublik China das Thema der Menschenrechte nur anspricht. Zumal wenn sie von großen Wirtschaftsdelegationen begleitet wird. Dennoch, diesem Problem muss man sich stellen und darf die universellen Ansprüche der Menschenrechte auch im Umgang mit anderen Staaten nicht mir nichts dir nichts unter den Teppich kehren.

Und die Piraten?

Wie stehen sie im Feld der Menschen- und Bürgerrechtspolitik? Die Piratenpartei Deutschland ist mit einem bürgerrechtspolitischen Thema, dem Schutz der Privatssphäre, sowohl Online wie Offline gewachsen, also mit der Verteidigung von (Schutz-)Freiheiten. Zudem betonen wir in unseren Programmen die Rechte zu politischer und gesellschaftlicher Teilhabe. In stärkerer Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie sehen wir eine Möglichkeit zur Stärkung der politischen Rechte. Unser Einsatz für ein BGE oder den ticketlosen ÖPNV zielt auf den Ausweitung der Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. Ich wünsche mir, dass wir auf diesem Weg vorangehen und die Menschen- und Bürgerrechtspolitik als einen unserer Schwerpunkte weiter voranbringen.

Quellen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Charta der Grundrechte der Europäischen Union Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Französische Verfassung vom 3. September 1791 Virginia Declaration of Rights Bill of Rights -Zusatzartikel 1-10 der Verfassung der Vereinigten Staaten

Literatur: Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, Schutterwald/Baden 1996 (Erstdruck 1895). Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Freiburg im Breisgau 1892. Thomas H. Marshall, Bürgerrechte und soziale Klassen. Zur Soziologie des Wohlfahrtsstaates, übers. v. Elmar Rieger, Frankfurt a. M. 1992. Norbert Brieskorn, Menschenrechte. Eine historisch-philosophische Grundlegung. Kohlhammer, Stuttgart 1997.