Benutzer:Danebod/Gesellschaft

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Am 06.08.2010 bekam Wolfgang Bittner den "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ). Auszüge aus seiner Dankesrede wurden von der Jungen Welt veröffentlicht. Ich dokumentiere das hier - und habe dem nichts hinzuzufügen. ☠ Danebod 20:57, 10. Aug. 2010 (CEST)

SIE nehmen uns unsere Ruhe, SIE nehmen uns unsere Lebenssicherheit! SIE nehmen den Jüngeren ihre Arbeitsplätze, ihre Motivation und Lebensperspektive, den Älteren ihre Renten und Ersparnisse, uns allen unsere Lebensfreude. Wer sind SIE? Ist das ein anonymes Wesen, das irgendwo im Hintergrund lauert und wie im Märchen hin und wieder durch Menschenopfer zufriedenzustellen ist? Oder ist es vielleicht so ein mafiöser Krake, der Schutzgelder erpreßt und ähnliche verbrecherische Dinge macht? Nein, wir wissen, wer SIE sind. SIE lassen sich benennen, wenn wir genauer hinschauen, sogar namentlich. Es sind in ihrer großen Mehrheit die Führungskräfte in Politik und Wirtschaft, eine Pseudo-Elite, die durch Geburt oder Opportunismus, durch Vetternwirtschaft oder Schleimerei in Positionen gelangt ist, die sie überfordern, in Verantwortung, der sie nicht gewachsen sind, intellektuell nicht oder charakterlich nicht, oft trifft beides zusammen.

Bei nicht wenigen dieser Personen sind pathologische Verhaltensweisen festzustellen, die sich mit Gefühlskälte, Hartherzigkeit und Mitleidlosigkeit, ja sogar mit Brutalität und Unbarmherzigkeit durchaus treffend beschreiben lassen. Wenn ich mit solchen Leuten zu tun habe, stehen mir manchmal geschichtliche Gestalten wie Hernan Cortés, der Eroberer von Mexiko, oder Roland Freisler, der Präsident des Volksgerichtshofs, oder einer dieser schrecklichen Päpste des Mittelalters vor Augen. Psychopathen, die über Leichen gingen. Und ich finde in den Verhaltensweisen unserer sogenannten Eliten deutliche Parallelen zu ihren historischen Vorgängern, wenngleich heutzutage nicht mehr so offen betrogen, geraubt, gefoltert und gemordet wird, jedenfalls nicht in unseren Gegenden.

Die Reichen brauchen keinen Staat. Soweit möglich, vermeiden sie es, Steuern zu zahlen. Die Inflationsrate und Mehrwertsteuererhöhungen sind für sie – anders als für die übrige Bevölkerung – keine Bedrohung. Sie leisten sich private Schulen und Universitäten, private Sicherheitsdienste, Söldnerarmeen, eigene Wohnbereiche. Während die Wegnahme einer Frikadelle mit fristloser Entlassung bestraft wird, können Spekulanten zu ihrem Vorteil straflos auf den Bankrott von Staaten wetten: Kapitalverbrechen, die von dieser Gesellschaft nicht sanktioniert werden, obwohl die Verbrecher, die Millionen Menschen in Not und Elend treiben, zu benennen wären.

»Die deutsche Wirtschaft ist wieder in Partylaune« sagte kürzlich der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Was ist das für eine Welt, in der wir leben? Was sind das für Politiker und Wirtschaftsführer, die derartige Entwicklungen zu verantworten haben?

Diese Leute haben keine Probleme mit der Inflationsrate, mit Mieterhöhungen, kommunalen Gebühren und Abgaben, mit ihrer Altersversorgung, schon gar nicht mit Heizkosten, Krankenversicherung oder Elterngeld. Sie haben den Kontakt zur großen Mehrheit der Bevölkerung – zur »Basis«, wie man so sagt – schon lange verloren.

Nun wäre es ja einfach und auch legitim, sich zu wünschen, dass die Bevölkerung sich das alles nicht mehr bieten läßt, dass sie aufsteht und diese Marionetten, Larven, Zocker, Parasiten und das sonstige Gesindel davonjagt. Aber leider geht die Entwicklung zur Zeit in die entgegengesetzte Richtung, und solange die Leitmedien so sind, wie sie sind, wird die Mehrheit der Bevölkerung zwischen Fußballweltmeisterschaft, Lena-Geträller und Horror-, Sex- und Crime-TV weiterhin Unpersonen wie Berlusconi, Politclowns wie Sarkozy oder Politikerdarsteller wie Frau Merkel und Herrn Westerwelle wählen, die dafür stehen, dass sich nichts Wesentliches ändert, jedenfalls nicht zum Positiven.

Fraglich, ob wir noch in einer Demokratie leben, oder vielmehr – ebenso wie die USA – in einer Staatsform, die nach dem negativen Vorbild der römischen Dekadenz Plutokratie genannt werden kann, also Herrschaft des Geldes, der Besitzenden, des Kapitals. Diejenigen, die oben sind, die es »geschafft« haben, was immer das bedeuten mag (im Zweifel sind es Halsabschneider und Kistenfüller), trachten danach, ihren Einfluß und ihre Pfründen zu behalten. Sie igeln sich ein. In den USA mit Gesetzen wie dem Patriot Act, bei uns in Deutschland ebenfalls mit weitreichenden Eingriffen in die Bürgerrechte; man denke nur an das BKA-Gesetz, das den Weg in den Überwachungsstaat ebnet.