BY:Positionspapiere/POS-065
Inhaltsverzeichnis
Neuanfang bei der Güterverladung in Bayern
Wir setzen uns dafür ein, den Güterverkehr in Bayern auf die Schiene zu verlagern. Die Gründe sind vielfältiger Natur, beispielsweise der hohe Wasserkraftanteil im Bahnstrom Bayerns und damit verbundene Überlegungen hinsichtlich der Erdölautarkie, der deutlich energieeffizientere Transport großer Massen und Volumen über weite Wege auf der Bahn, die Entlastung der Straßenverkehrswege oder wirtschaftliche Überlegungen.
Wir sehen u.a. den Eisenbahngüterverkehr hindernde Defizite bei der Verladung, sowohl bei den zur Verfügung stehen Verladekapazitäten wie auch bei den sehr weit auseinander gestreuten Verladestationen, die wirklich neutral von jedem Spediteur und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) genutzt werden können.
Die letzten 2 Jahrzehnte
In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich unter anderem massive Entwicklungen in der Siedlungs- und Gewerbestruktur bemerkbar gemacht. Innerorts wird nur noch selten produziert, dafür immer mehr gewohnt. Die Produktion von Gütern ist häufig an den Ortsrändern in neu ausgewiesenen Gewerbegebieten angesiedelt. Damit macht auch eine Güterverladung oder die Aufrechterhaltung von Laderampeninfrastruktur innerorts, wo diese historisch an den Bahnhöfen ihren angestammten Platz hatten, nur noch wenig Sinn. Die Lärmemissionen und die Verkehrsbelastungen des Hol- und Bringverkehrs zu solchen Verladestationen würde innerorts die Anlieger massiv stören.
Ebenfalls hat sich die Arbeits- und Gewerbestruktur im Markt verändert. Statt großer Betriebe, welche alleine einen Eisenbahnanschluss auslasten, sind immer mehr spezialisierte Betriebe mit einer kleineren Produktpalette und somit deutlich kleineren Warenströmen zu finden. Da die Eisenbahn nach wie vor ein Massentransportmittel ist, lohnt sich die Anbindung solcher mittelständischer Betriebe mit einem eigenen Anschluss an die Eisenbahn nicht und der Transport mit dem LKW hat massiv zugenommen.
Neuanfang
Doch fast alle Gewerbegebiete, die neu entstanden sind, haben eins gemeinsam: Die Anbindung an Fernstraßen ist oft Ampel- und höhengleich kreuzungsfrei. Die Rampen zum Be- und Entladen an modernen Lager- und Produktionsstätten sind fast durchgängig auf die Standardmaße von LKW-Aufliegern und Sattelzügen gebaut. An solchen standardisierten Rampen lassen sich aber auch auf LKW-Anhängern lagernde Container und Ladebrücken be- und entladen.
Damit sind seitens der Gewerbetreibenden die Grundvoraussetzungen für kombinierten Verkehr gegeben. Die Politik hat es jedoch dank der Ideologie, dass Staatsbetriebe, welche wesentliche Infrastrukturaufgaben erbringen, Gewinne erzielen müssten, versäumt, diese positiven Grundvoraussetzungen zu bemerken und darauf zu reagieren.
Wir treten daher dafür ein, dass Gemeinden, Städte oder Landkreise im Rahmen der Standort- und Wirtschaftsförderung Verladeinfrastrukturen errichten und dabei von der Staatsregierung gefördert werden. Diese sollten am besten an Kreuzungspunkten von Eisenbahnen und Fernstraßen, welche wiederum Gewerbegebiete erschließen, liegen. Um eine Abhängigkeit von zentralen Entscheidungsketten in Großkonzernen (Börsengang, DB AG; u.v.m.) zu vermeiden und aus Überlegungen der Neutralität dieser Infrastruktur gegenüber bedienenden Spediteuren und EVU, würden wir die Ansiedlung dieser Verladeinfrastruktur insbesondere in Gemeinde- und Stadtwerken oder eigenen kommunalen Zweckgesellschaften begrüßen.
Förderung
Die Förderung seitens des Freistaates soll vor allem durch Bürgschaften und eine Teilübernahme der Anschlusskosten an die bestehende Eisenbahninfrastruktur geschehen.
Auf Strecken mit modernen elektronischen Stellwerken (ESTW) haben die Aufwendungen für einen Anschluss an die Eisenbahninfrastruktur oft einen großen Anteil an einem solchen Projekt. Die Fähigkeit zur Güterverladung darf jedoch nicht im Interessenskonflikt mit moderner Eisenbahninfrastruktur stehen.
Ebensowenig darf die Güterverladung mit vorhandenen Verkehren, etwa Regional- oder Fernverkehr in einen Interessenskonflikt treten. Da viele Eisenbahnstrecken so weit zurückgebaut wurden, dass weiterer Verkehr defakto nicht mehr fahren kann, soll der Freistaat auch beim Ausbau der Schienenwege helfen. Beim Bau einer neuen Verladestation soll der Streckenbetreiber mindestens alle 6 Stunden eine Fahrplantrasse zur und von der Verladestation einkalkulieren. Ist dies aufgrund der Gegebenheiten der Strecke unmöglich, muss diese ausgebaut werden. Der Freistaat Bayern soll dabei dem Betreiber der Strecke ein zinsloses Darlehen anbieten und ein Drittel der Kosten des Ausbaus, jedoch maximal 15 Mio. Euro je Verladestation übernehmen.
Die Neutralität der Verladestation hinsichtlich der Bedienung von Straßen- wie von Eisenbahnseite sehen wir als ein zentrales Förderkriterium.
Ebenfalls sollen alle durch dieses Programm geförderten Maßnahmen (Verladestationen, Netzanschlüsse, Streckenausbau) erfasst, katalogisiert und dokumentiert werden. Dazu gehöhren unter anderem die Anzahl der abgehenden und ankommenden Züge, das Verladevolumen und die Ziele der Ladungen. Diese Dokumentation soll öffentlich einsehbar sein. Nach 10 Jahren soll diese Förderung hinsichtlich der Wirksamkeit bei der Verlagerung von Verkehr auf die Bahn wissenschaftlich untersucht werden um weitere Verbesserungspotenziale zu erkennen.
Ausgestaltung
Wir fordern, dass diese Verladeinfrastruktur mindestens den Anforderungen einer „Ausweichanschlussstelle“ (Awanst) im Sinne der Eisenbahnbetriebsordnung (EBO) entspricht. Optional könnte dies auch mit voller Hauptsignaldeckung als Abzweigstelle realisiert werden, damit die Güterzüge eine höhere Geschwindigkeit bis zum nächsten Bahnhof fahren dürfen. In der Station wäre ein Gleis zur Umfahrung der Lokomotive wünschenswert, eine Ausgestaltung des Schutzweichengleises zu einem Ausziehgleis würde Rangiermöglichkeiten eröffnen und somit die Nutzbarkeit weiter steigern.
Die Verladeeinrichtung sollte mit technisch minimalstem Aufwand betrieben werden können, damit man diese Stationen in eine Art „Ruhemodus“ versetzen kann. Mit diesem „Ruhemodus“ sollen die laufenden Kosten so weit gesenkt werden, dass ein Rückbau und die Aufgabe dieser Infrastruktur nicht mehr in Frage kommt. Deshalb sollen statt fest installierten Containerkränen eher Gabelstabler-ähnliche „Containerheber“ zum Einsatz kommen, welche man auch von einer Verladestation zu einer anderen ohne riesigen Demontageaufwand verlegen kann. Anstelle ferngestellter Weichen und der dazugehörenden aufwendigen Sicherungs-, Überwachungs- und Steuerungstechnik sollten in der Verladeeinrichtung lediglich handgestellte Weichen verwendet werden. Ebenfalls soll auf die Oberleitung in der Verladeeinrichtung verzichtet werden. Mit einer Oberleitung könnten Züge zwar elektrisch in die Awanst einfahren, jedoch macht diese auch den Ruhemodus unnötig teurer und erfordert ggf. bei der Verladung besondere Sicherungsmaßnahmen.
Saisonverladung und Agrarrohprodukte
Die Stationen sollten auch, je nach regionalen Gegebenheiten, auf die Verladung von Agrarrohprodukten oder zusätzliche Saisonverladungen ausgelegt werden. Hierzu zählen zum Beispiel Zuckerrüben, Stärkekartoffeln, Getreide, Erden und Kiese oder Hölzer als Stamm- oder Hackgut. Hierbei kann mit erhöhten und abgesenkten Niveaus die Verladung durch Kippen und Schütten ohne weitere technische Hilfsmittel erfolgen. Stämme werden i.d.R. mit dem am LKW montiertem Greifer verladen. Der Bau einer Rampe zum Abkippen dieser Güter ist zwar einmalig relativ teuer, hat dafür aber kaum laufende Kosten.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Die Neutralität und Verfügbarkeit solcher Verladestationen erlaubt es, dass jeder Betrieb darüber seine Warenströme abwickelt. Da auf sehr langen Strecken der LKW schon heute im Kostennachteil gegenüber der Bahn liegt, wird es damit dem bayerischen Mittelstand möglich, die eigenen Produkte billiger an die Seehäfen Europas zu bringen und zu exportieren. Gerade Bayern ist besonders weit von den Seehäfen entfernt und hat trotzdessen einen besonders stark vom Export abhängigen Mittelstand.
Beschluss
Dieser Antrag wurde auf dem Landesparteitag 2013.1 (Protokoll) in Unterhaching als PP102 angenommen.