BY:Positionspapiere/POS-063

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Reform der BEG bzw. des bayr. ÖPNV

Präambel

Für die Erbringung von Leistungen betreffend der öffentlichen Nahverkehrs erhält Bayern vom Bund sogenannte Regionalisierungsmitttel. Diese Mittel sind eine Kompensationszahlung für den Kompetenzübergang der öffentlichen Versorgungsaufgabe von der Bundesbahn auf die Länder. Diese werden mit weiteren Eigenmitteln aufgestockt, um damit den ÖPNV und im speziellen den SPNV in Bayern zu finanzieren.

In den letzten Jahren wurden die Regionalisierungsmittel seitens des Bundes nicht erhöht und teilweise sogar gekürzt.

Politisch wurde ein Betreiberkonzept eingeführt, bei dem sich mögliche spätere Betreiber von Regionalbuslinien oder Nahverkehrsliniennetzen um die Durchführung des Verkehrs im Rahmen von Ausschreibungen bewerben. Dieses teilprivatwirtschaftliche Modell ermöglichte eine Lernkurve bei den Betriebskosten im SPNV, so dass bei gleichbleibenden Regionalisierungsmitteln ein deutlich besseres Angebot erstellt werden konnte.

Dennoch hat dieses System strukturelle Schwächen behalten. Die Piratenpartei Bayern erklärt daher, dass es weitere umfangreiche Reformmaßnahmen für einen zukunftsfähigen ÖPNV und SPNV in Bayern braucht. Einerseits muss bei der erfolgten Bahnreform dringend nachjustiert werden. Ebenfalls hinterlässt die Regionalisierung, ebenfalls eine Reform des letzten Jahrtausends, an einigen Stellen bedarf zur überarbeitung.

Die Piraten wollen daher an den wunden Punkten dringend nachbessern und die vorhandenen Stärken des Systems weiter ausbauen wärend die Schwächen ausgemerzt werden.

Transparenz in der öffentlich beauftragten Bahnwirtschaft

DIe BEG vergibt im Auftrag des Freistaates Bayern die Nahverkehrsleistungen an Verkehrsunternehmen. Jedoch wird die Verwendung der Regionalisierungsmittel und der Eigenmittel nur von einem kleinem Kreis, dem Aufsichtsrat der BEG überwacht.

Die Piraten Bayern setzen sich dafür ein, dass in allen zukünftigen Ausschreibungen festgehalten wird, dass jedes eingehende Angebot mitsammt einer Stellungnahme zu dessen Annahme oder Ablehnung vollumfänglich veröffentlicht wird. Ebenso wird die endgültige, ggf. nachverhandelte Version des Vertrags veröffentlicht. Ferner treten die Piraten dafür ein, dass sämtliche Angebotsgemäß abgerechneten Leistungen sowie Straf- und Bonuszahlungen bei Zugausfällen/Verspätungen oder Kundenzufriedenheit mit jeweils einzelner Aufschlüsselung veröffentlicht werden.

Anmerkung: "öffentlich" ist auf jeden Falle mit gleichbedeutend "auf der Webseite der BEG"

Zentrale ÖPNV-Echtzeit-API und Datenverarbeitung im ÖPNV

Die Piratenpartei Bayern setzt sich dafür ein, dass zukünftig durch die BEG, eine Firma des Wirtschaftsministreiums, die den ÖPNV organisiert und bezahlt, eine ÖPNV-Echtzeit-API zur Verfügung gestellt wird. Diese soll für aufbauende Entwicklungen von beliebigen Programmierern offen ausgestaltet werden.

Auskunftsnutzen

Mit dieser API sollen

  • Fahrplanauskünfte,
  • Ticketauskünfte,
  • aktuelle Umsteigewege in Bahnhöfen (inkl. Beschreibung),
  • aktuelle Ausstattung der Fahrzeuge und Bahnhöfe,
  • die aktuelle Verfügbarkeit von Rolltreppen, Liftanlagen, Fahrradstell- und Parkplätzen
  • statistische Auslastung der jeweiligen Verbindungen sowie
  • Echtzeit-Positionen (bzw. Echtzeit-Verspätungen)

in offenen, maschienenlesbaren Datenformaten für Entwickler ohne weitere Vorbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Die Nutzung und der Zweck der Nutzung ist dabei unerheblich.

Für die Anzeige der Echtzeit-Position sollen bis 2020 alle im Nahverkehr eingesetzten Fahrzeuge mit GPS-Empfängern und Funkübertragung ausgestattet werden.

Nutzen bei Umsteigeverbindungen

Bei Umsteigeverbindungen, soll die Möglichkeit bestehen, die Verbindung via API vor Fahrtantritt zu übermitteln und dadurch ein frühzeitiges Interesse an den Anschlussverbindungen zu signalisieren. Dadurch können Anschlüsse im Verspätungsfall zentral gesichert werden oder ggf. Ersatzfahrten organisiert werden. Dies passiert natürlich nur im Rahmen der Verhältnissmäßigkeit.

Ticketkauf

Eine Funktion des zentralen Ticketkaufs ist vorzusehen. Alle Tarifverbünde und beauftragten Bahn- / Busunternehmer sind dazu zu verpflichten, Ticketverkauf über die BEG und somit über diese API zu ermöglichen.

AST-Ruf

Der Ruf von Anruf-Sammel-Taxen, welche wir bayernweit einführen wollen (vgl. Positionspapier vom LPT Straubing), soll ebenfalls über diese API erfolgen können.

Festnetz-Serviceline

Alle Funktionen der API sollen Fahrgäste auch telefonisch wahrnehmen können. Dazu ist in der BEG eine Serviceline mit Festnetz-Vorwahl anzusiedeln.

Zuarbeit durch beauftragte Unternehmen

Verkehrsunternehmen die für die BEG die Verkehrsleistungen erbringen, sollen in den Verträgen oder durch Zusatzvereinbarungen zur Zuarbeit dieser API gezwungen werden. Dazu gehört unter anderem der Einbau von Kommunikationsgeräten in die Fahrzeuge, um Warteaufträge bei verspäteten Anschlusszubringern zu erhalten und umzusetzen.

Gelingt die kurzfristige Erweiterung der bestehenden Verkehrsdurchführungsverträge nicht, so soll bei der jeweils nächsten Ausschreibung darauf geachtet werden, dass dieser Punkt zum Anforderungskatalog gehört.

Ebenfalls sollen zukünftige Fahrzeuge mit geeigneten Sensoren ausgestattet werden um aktuelle Belegungszahlen bereitzustellen.

Datenschutz

Die API soll so ausgestaltet und programmiert werden, dass die BEG selbst keine personalisierbaren oder nachvollziehbaren Bewegungsprofile erhebt. Davon ausgenommen ist die statistische Erhebebung von Fahrgastströmen zur Angebotsoptimierung.

Beschwerdedienst

Der Fahrgast soll sich über diese API mit entsprechenden Angaben über Leistungen, verschmutzte Fahrzeuge, zerstörtes Bahnhofsinventar oder ähnliche Unannehmlichkeiten beschweren können. Die BEG veröffentlicht einmal monatlich einen Beschwerde-Report, der diese vom Fahrgast genannten Mängel aufarbeitet und den beauftragten Verkehrsunternehmen wichtigen Input in ihr QS gibt.

Erleichterungen für Reisende mit Unterstützungsbedürfnissen

Die Inanspruchnahme von Hilfsleistungen durch die derzeitige (kostenpflichtige) Hotline soll durch die API bzw. die oben genannte Festnetz-Serviceline abgelöst werden. Somit können weiterhin Hilfsleistungen bestellt werden und Informationen wie Bahnsteighöhen, Fahrzeughöhen, Fahrzeugeinrichtungen wie Rampen oder behindertengerechte WCs angezeigt werden.

Die API hat erweiterte Funktionalitäten für unterstützungsbedürftige Reisende. Desweiteren sind alle Anzeigen und Ausgaben der API so weit wie möglich barrierefrei zu gestalten. Die API soll neben grafischen und textuellen Ergebnissen auch eine vom Server bereitgestellte Sprachausgabe bieten.

Fahrradtransport

Fahrradfahrer und andere Sportler mit großem Sportgepäck sollen per API ihre Reise mitsammt schweren Gepäck ankündigen können. Damit besteht - passendes Wagenmaterial vorrausgesetzt - für den Verkehrsdienstleister die möglichkeit darauf zu reagieren.

Andernfalls sollte wenigstens eine Anzeige der Lage der Fahrradstellplätze im Zug durch die API möglich sein.

Reisekomfort

Für geänderte Anschlussbeziehungen, geänderte Wagenreihungen oder Defekten Ausrüstungsgegenständen eines Triebwagens, soll die API einen Push-Service bieten, um auch während der Reise den Reisenden zu informieren.

Schieneninfrastruktur

Die Piratenpartei kritisiert die ständig steigenden Netzentgelte bei gleichbleibenden Regionalisierungsmitteln. Beides wird im Bund entschieden und wird langfristig katastrophale Auswirkungen auf den SPNV haben.

Da die Netzentgelte kilometerabhängig sind, verdoppelt sich bei einer Verdoppelung des Taktes auch die Kosten der Öffentlichkeit für das Netz. Jedoch skalieren die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung der Infrastruktur bei dem Betreiber, der DB NETZ AG nicht linear. Insofern schöpft hier die DB Netz AG Geld ab, dass über Dividenden an den Bund weitergerreicht wird.

Sicherstellung des SPNV

Da es unrealistisch ist, dass die Regionalisierungsmittel in Zukunft wieder stark angehoben werden, soll der Bund als Eigentümer der DB AG die Strecken ohne eigenwirtschaftlichen Fernverkehr inklusive Oberleitungsnetz und Bahnhöfen an die BEG eigentumsrechtlich übertragen. Dadurch muss das Land Bayern, nur noch die realen Kosten für den weiteren Ausbau des SPNV tragen, und kommt aus dem Konstrukt von Netzentgelten und Dividendenabführungen frei.

Dadurch passiert jedoch keine Privatisierung: Auch die BEG ist eigentumrechtlich dem Wirtschaftsministerium untergeordent. Die Infrastruktur wird von Bundeseigener Infrastruktur zu landeseigener Infrastruktur. Landeseigene Infrastrukturen sollen die gleiche juristische Einordnung wie Bundeseigene Infrastrukturen erhalten, zum Beispiel "Betrieb nach EBO" usw.

Integrierte Verkehrsdienstleister

Der Betrieb & Unterhalt der Strecken soll nach dem Willen der Piraten in Zukunft zusammen mit den Verkehrsleistungen ausgeschrieben werden. Damit sollen integrierte Verkehrsdienstleister entstehen, die sowohl Kompetenz im Betrieb der Fahrzeuge als auch beim Betrieb des Netzes haben.

Für den Fahrgast - um den es bei dieser Reform geht - erwächst daraus der Vorteil, dass das Verkehrsunternehmen sich nicht mehr auf das Abschieben von Verantwortung an DB Netz zurückziehen kann. Diese verantwortung soll ebenfalls in Bonus- und Strafsystem einfließen: Nur wenn die Infrastruktur einen guten Zustand hat, kann der Zugbetrieb pünktlich abgewickelt werden. Durch Vertragsstrafen bei netzbedingter Unpünktlichkeit wird es für das Verkehrsunternehmen also nicht interessant, die Aufgaben bei der Verwaltung der Infrastruktur schleifen zu lassen.

Ebenfalls wird die Verantwortung für die Pflege der Stationen übergeben; Hier findet ein entsprechendes Bonus- und Strafsystem für Sauberkeit, Räumdienst, Informationsangebot usw. Anwendung.

Zur Gewährleistung von diskriminierungsfreiem Zugang (Beispielsweise für Güterverkehr durch einen Dritten Eisenbahnverkehrsunternehmer) gibt es die bestehenden rechtlichen Rahmen, die hier analog angewendet werden müssen. Als Anreiz der Förderung solcher Verkehre sollen die Infrastrukturnutzungsgebühren die durch Dritte zu entrichten sind, im beauftragten und für die Infrastruktur verantwortlichem Verkehrsunternehmen verbleiben.

Schienenverkehrsfahrzeugpool

Schienenfahrzeuge sind nicht ähnlich schnell beschafft wie PKW und haben auch ganz andere Nutzungszeiträume. Aus der Ausschreibungspraxis der zwei vergangenen Jahrzehnte lässt sich jedoch erkennen, dass Fahrzeuge nicht über die tatsächliche Lebensdauer genutzt werden, da diese etwa 40 Jahre beträgt und nach 10 - 15 Jahren der Verkehrsvertrag neu ausgeschrieben wird.

Da der Verkehrsunternehmer damit rechnen muss, dass er nach dieser Nutzungsperiode keinen Nachnutzer und somit keinen adäquaten Preis für sein Gebrauchtfahrzeug findet, soll die BEG zukünftig einen eigenen Fahrzeugpool für Schienenfahrzeuge pflegen. Aus diesem werden die Fahrzeuge den Verkehrsunternehmern zur Erbringung der Verkehrsleistungen beigestellt.

Dadurch können die Fahrzeuge trotz mehrerer Vertragswechsel die gesamte Lebensdauer hindurch eingesetzt werden. Die Entgelte der beauftragten Verkehrsunternehmer vergünstigen sich dadurch.

Der Fahrzeugpool ist so aufzubauen, dass die Kompatibilität der einzelnen Fahrzeugtypen miteinander im Fahrzeugpool gegeben ist.

Da kein Fahrzeugkauf durch das beauftragte Verkehrsunternehmen mehr nötig ist, beschleunigt sich außerdem der Vertragswechsel. Diese Zeit soll für eine intensivere Beteiligung von Fahrgästen und Bürgern genutzt werden.

Nachtverkehre ausbauen und effizienter gestalten

An den Tagesrändern sind Züge oft schlecht, manchmal auch gar nicht ausgelastet. Da jedoch der Zugkilometer deutlich mehr kostet wie der Buskilometer, soll die BEG in zukünftigen Ausschreibungen zwischen 23:30 und 04:45 Uhr auf die Bestellung von Zügen verzichten und stattdessen Buslinein auf den gleichen Routen bestellen. Die Überlappungszeit kann Linienindividuell bemessen werden.

Da die Busse Nachts ohnehin sonst keine Verwendung hätten, entstehen hier keine weiteren Anschaffungs- bzw. Fix- sondern lediglich die variablen Betriebskosten. Dadurch wird der Nachtbusbetrieb besonders günstig. Ebenfalls entsteht ein größeres "Nachtfenster", in dem an der Schieneninfrastruktur Wartungs- Reparatur und Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werden können, hierdurch werden die Instandhaltungskosten sinken.

Durch die Kosteneinsparungen soll auf möglichst allen Regionalexpress- sowie allen S- und U-Bahnlinein und möglichst vielen Regionalbahnlinien ein durchgängiger Nachtbusverkehr eingeführt werden. Dieser ist von den Relationen her wie der Schienenverkehr zu vertakten und soll, um keine Umstellungen der Gewohnheiten bei den Nutzern des ÖPNV zu erzwingen, möglichst die direkte Bahnhofsnähe anbinden. Ein längerer Fahrweg sollte dafür in Kauf genommen werden.

Bürgerbeteiligung vor Nahverkehrsausschreibungen

Bürger sind letztendlich die Zielgruppe des ÖPNV, da der Staat seinen Bürgern im Sinne einer Infrastrukturversorgung ÖPNV vorhalten muss. Daher fordern die Piraten, dass vor jeder Nahverkehrsausschreibung nicht nur die Parlamentarier, sondern auch jeder Bürger die Möglichkeit hat, aktiv durch Gestaltungsideen mitzuwirken.

Die Piraten wollen die BEG, welche die Ausschreibungen im Namen des Freistaates durchführt, dazu verpflichten, vor Ausschreibungsbeginn jedem Bürger Bayerns die Möglichkeit zu geben, konkrete Ideen zur Ausschreibung einzureichen.


Beschluss

Dieser Antrag wurde auf dem Landesparteitag 2013.1 (Protokoll) in Unterhaching als PP032, PP053, PP033, PP034, PP036, PP052, PP054 angenommen.