BW:Schiedsgericht/Urteil LSG-BW 2011-10-12-1

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Landesschiedsgericht der Piratenpartei Baden-Württemberg

Aktenzeichen: LSG-BW 2011-10-12-1

Beschluss des Schiedsgerichts des Landesverbands Baden-Württemberg vom 29.11.2011

Antragsteller:  

Betroffener: 

Die mündliche Verhandlung am 01.10.2011 führte zu dem folgenden 

                                                    Urteil
                                                    im Namen der Piratenpartei Deutschland.

Zuständigkeit: Nach Prüfung  durch den Vorsitzenden Richter erklärt sich das Landesschiedsgericht  Baden-Württemberg für sachlich und örtlich zuständig. Das Verfahren wird  als Normenkontrollklage behandelt. Auf das Hinzuziehen  von Zeugen wird aufgrund des klaren Sachverhalts verzichtet. An der  Entscheidung beteiligt sind die Richter Bastian Haas und Marco Hauke  unter dem Vorsitz von Stefan Urbat.

Sachverhalt: Der Betroffene ist Mitglied eines Kreisvorstandes in  Baden-Württemberg. Während seiner Amtszeit wechselte er seinen Wohnort  jedoch aus dem Zuständigkeitsgebiet des Kreisverbandes hinaus. Er  beantragte beim Landesverband Baden-Württemberg gemaß § 3 Abs. 2a der  Bundessatzung seinen Verbleib in seinem bisherigen Kreisverband.   (Anmerkung: am neuen Wohnort bestand kein Kreisverband, so dass der  Landesverband als nächsthöhere Gliederung oberhalb des Bezirksverbandes  für die Entscheidung zuständig war.)  Dem  Antrag wurde durch den Vorstand des Landesverbandes Baden-Württemberg  stattgegeben. Da aufgrund der Formulierungen in den §§ 3 und 4 Zweifel  am aktiven und  passiven Wahlrecht des Betroffenen nach seinem Umzug  bestanden, wurde das Landesschiedsgericht durch den vorsitzenden Piraten des Kreisverbandes um Prüfung der Rechtmäßigkeit des beschriebenen Vorgangs gebeten.  

Beschluss: Der Verbleib des Betroffenen in seinem Kreisverband sowie seine Wahl in den Vorstand des Kreisverbandes ist rechtmäßig.  

Begründung

1. Gemäß  § 3 Abs. 1 1. Alternative der Bundessatzung ist ein Pirat in der  niedrigsten Gliederung Mitglied die seinen Wohnort umfasst. Die  Bundessatzung wurde durch den Bundesparteitag 2008.1 in Hannover um § 3  Abs. 2a und 2b ergänzt. Der Parteitag hat damit unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass ein Mitglied unter bestimmten Voraussetzungen Mitglied in einer Gliederung sein kann, die seinen postalischen  Wohnort nicht umfasst. Der gemäß den Regelungen in der Bundessatzung  für die Entscheidung zuständige Landesverband Baden-Württemberg hat im  vorliegenden Fall dem Antrag des Betroffenen entsprochen. Umstände,  welche die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung in Frage stellen könnten,  sind dem Sachverhalt nach nicht erkennbar.  

2. Allerdings bestimmen §4 Abs. 1 und Abs. 4 der Bundessatzung zusätzlich, dass ein Mitglied nur dort ein aktives und passives Wahlrecht hat, wo sich sein Wohnort befindet. In § 3 Abs. 2b der Bundessatzung wird darüber hinaus bestimmt, dass das Mitglied jegliches Wahlrecht in seiner alten Gliederung verliert, wenn es, wie im vorliegenden Fall, Mitglied einer von seinem Wohnort abweichenden Gliederung wird. Das betroffene Mitglied verliert  also bei wörtlicher Auslegung der Bundessatzung sowohl sein aktives,  als auch sein passives Wahlrecht. Dies verstößt gegen § 10 Abs. 2 Satz 1  des PartG, welches gleiches Stimmrecht für alle Mitglieder einer Partei  verlangt. Die Bundessatzung wäre somit in diesem Punkt rechtswidrig.  

3. Nach  Auffassung des Gerichts kann es dem Bundesparteitag 2008.1 jedoch nicht  unterstellt werden, bewusst eine Regelung erlassen zu haben, deren  praktische Anwendung dem PartG wiederspricht, da das betroffene Mitglied  dadurch sein Stimmrecht verliert. Vielmehr muss davon ausgegangen  werden, dass dem Bundesparteitag die Problematik nicht bewusst war oder  er aufgrund zeitlicher Zwänge nicht zum Erlass einer entsprechenden rechtsgültigen Regelung kam. Es wird daher davon ausgegangen, dass mit dem Stattgeben eines Antrags gemäß § 3 Abs. 2a der Bundessatzung das betroffene Mitglied abweichend von seinem postalischen Wohnsitz einen politischen Wohnsitz als Ort des gewöhnlichen politischen tätig Werdens begründet. Daher hat das Mitglied sowohl aktives als auch passives Wahlrecht gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 4 der Bundessatzung in den Gebietsverbänden, welche für seinen politischen Wohnsitz zuständig sind.  

4. Der Beschluss ergeht einstimmig. 

5. Das Landesschiedsgericht Baden-Württemberg empfiehlt dem Bundesparteitag die betreffenden Regelungen zu überarbeiten,  um eine unzweifelhafte Formulierung zu finden. Aufgrund der  bundesweiten Bedeutung des Urteils wird das Landesschiedsgericht  Baden-Württemberg den Fall dem Bundesschiedsgericht vorlegen, sofern der  Bundesparteitag 2011.2 in Offenbach nicht bereits der Empfehlung des  Gerichts folgt und eine entsprechende Regelung erlässt. 

6. Dem Kreisverband wird darüberhinaus empfohlen  den Betroffenen, unabhängig von seinem Amt im Kreisvorstand, zusätzlich  mit der kommissarischen Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben zu  beauftragen (Form: schriftliche Vollmacht zur Kontoführung wie für ein Schatzmeisteramt erforderlich). Dadurch kann der Rechtswidrigkeit der Aufgabenwahrnehmung im Falle einer abweichenden Entscheidung durch das Bundesschiedsgericht vorgebeut werden.

7.  Der E-Mail-Verkehr im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vom 01.11.2011  wird gemäß der Schiedsgerichtsordnung und der Geschäftsordnung des  Landesschiedsgerichts mit beigefügt.

gezeichnet Das Schiedsgericht des Landesverbands Baden-Württemberg der Piratenpartei Deutschland

Stefan Urbat, vorsitzender Richter
Marco Hauke, Richter
Bastian Haas, Richter