BE:Transparenzgesetz

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Gesetz für die Offenlegung zukünftiger Verpflichtungen und Verträgen des Landes Berlin

Vertragstransparenzgesetz (VTG)

§1 Zielsetzung

Um die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahrnehmen zu können, muss die öffentliche Hand im Land Berlin regelmässig vertragliche Verpflichtungen eingehen. Für diese Verpflichtungen steht die Gemeinschaft der Berliner Bürger ein. Dieses Gesetz soll es allen Bürgern ermöglichen, sich vorab und im Einzelnen über Nutzen, Lasten und Risiken von Verträgen zu informieren, die die öffentliche Hand betreffen. Interessierte Bürger sollen der Regierung, der Verwaltung und anderen im öffentlichen Auftrag handelnden Stellen mit Rat und Hinweisen zur Seite zu stehen können, damit diese Stellen ihren Auftrag, bestmöglich im öffentlichen Interesse zu handeln, zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllen können. Es eröffnet darüber hinaus verschiedenen Stellen der öffentlichen Hand

Das Gesetz soll in vor allem das Vertrauen in das Handeln der öffentlichen Hand fördern, ohne ihre Handlungsfreiheit einzuschränken. Des weiteren soll das Gesetz Korruption und Vorteilsnahme erschweren.

§2 Anwendungsbereich

Die Pflichten aus diesem Gesetz gelten grundsätzlich für alle nach seinem Inkrafttreten geschlossenen Verträge, bei denen die öffentliche Hand im Land Berlin direkt oder indirekt Verpflichtungen eingeht. Dies ist gegeben, wenn eine der folgenden Stellen ein Partner in einem Vertrag oder Partei in anderweitigen Verpflichtungs- und/oder Verfügungsgeschäften ist:

  • 1. der Senat
  • 2. ein Bezirksamt
  • 3. eine dem Senat unterstellte oder von ihm beaufsichtigten Behörde
  • 4. eine einem Bezirksamt unterstellte oder von ihm beaufsichtigten Behörde
  • 5. eine Einrichtung oder juristische Person des Privatrechts, nichtrechtsfähige Vereinigung oder natürliche Person, soweit sie unter maßgeblichem Einfluss des Landes öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Hierzu zählen
    • a. Unternehmen, die von der öffentlichen Hand verwaltet oder betrieben werden.
    • b. Unternehmen, die ganz oder zu nennenswertem Teil im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder an denen die öffentliche Hand anderweitig nennenswert beteiligt ist. Als nennenswerte Beteiligung im Sinne dieses Gesetzes gelten die direkte oder indirekte Beteiligung an mehr als 25% des Stammkapitals, das Gewähren von Darlehen von mehr als 25% des Stammkapitals oder die Übernahme von Bürgschaften von mehr als 25% des Stammkapitals durch die öffentliche Hand.
    • c. Unternehmen oder Betriebe, die eine durch das Land Berlin staatlich genehmigte Monopolstellung einnehmen.
    • d. Einrichtungen oder juristische Personen des Privatrechts, deren Einnahmen überwiegend von staatlichen Stellen stammen.
    • e. Einrichtungen oder juristische Personen des Privatrechts, die aufgrund eines Landesgesetzes nicht vermeidbare Abgaben oder Gebühren erheben können.

§3 Ausnahmen

Von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind

  • 1. Verträge oder Vertragsteile, deren Veröffentlichung durch ein Gesetz verboten ist, das nicht in die Zuständigkeit des Landes Berlin fällt. In diesem Fall ist der Sachverhalt und der Umfang und Titel der fehlenden Vertragsbestandteile zu veröffentlichen.
  • 2. Verträge mit einem Gegestandswert unter 10.000 Euro mit Vertragspartnern, bei denen der Gegenstandswert aller mit der öffentlichen Hand bisher im Kalenderjahr geschlossenen Verträge 10.000 Euro unterschreitet
  • 3. Ernennungen, Beförderungen oder Versetzungen von Beamten
  • 4. Beschäftigungs- oder Dienstverträge von Angestellten
  • 5. Arbeitsverträge mit einem Jahresbruttogehalt von weniger als 33.000 Euro

§4 Umfang der Veröffentlichungen

Grundsätzlich sind sämtliche Bestandteile eines Vertrages einschliesslich aller Anhänge und Nebenabreden zu veröffentlichen, die im Streitfall der Parteien für die Begründung einer Rechtsposition herangezogen werden sollen. Nicht veröffentlichte Teile gelten im Streitfall als nicht vereinbart.

§5 Öffentlichkeit von Ausschreibungen

Die Ergebnisse von Ausschreibungen sind ebenfalls vollständig zu veröffentlichen. In den Ausschreibungsbedingungen ist auf das Gesetz und die Pflicht zur Veröffentlichung sämtlicher eingereichten Unterlagen hinzuweisen.

§6 Personenbezogene Daten

(1) Personenbezogene Daten in Veröffentlichungen können grundsätzlich geschwärzt werden, wenn es sich bei den Personen nicht um Vertragspartner handelt.

(2) Personenbezogene Daten von Vertragspartnern können geschwärzt werden, wenn durch ihre Veröffentlichung eine Gefahr für die Sicherheit der betroffenen Personen entsteht.

(3) Vor der Veröffentlichung ihrer Daten ist die Zustimmung der betroffenen Personen einzuholen; wird diese nicht erteilt, kommt kein Vertrag zustande.

§7 Form der Veröffentlichungen

Vertragstexte sind im Volltext in elektronischer Form zu veröffentlichen. Abgerufene Dokumente müssen maschinell durchsuchbar und ausdruckbar sein. Es ist ein elektronisch durchsuchbarer Dokumentenindex anzulegen und zugänglich zu machen, der Vertragsdatum, Laufzeit, Vertragspartner sowie Vertragsgegenstand benennt. Pläne, Tabellen, Bilder und sonstige Dokumente oder Vertragsanlagen sind derart zu veröffentlichen, dass die enthaltenen Informationen erhalten bleiben.

§8 Ort der Veröffentlichung

Zur Veröffentlichung der Verträge wird ein Landesvertragsanzeiger eingerichtet, der das zu veröffentlichte Material digital archiviert und mittels eines Internetdienstes allgemein zugänglich macht. Der lesende Zugang zu diesem Internetdienst zum Zweck der Einsichtnahme ist kostenlos und anonym möglich. Das Einstellen von Verträgen zum Zweck der Veröffentlichung ist ebenfalls über das Internet möglich. Vertragspartner erhalten zu diesem Zweck eine personalisierte und mindestens ein Jahr gültige Zugangsberechtigung, die das Hochladen von Vertragsbestandteilen ermöglicht. Für das Erteilen dieser Zugangsberechtigung kann eine Gebühr erhoben werden. Darüber hinaus gehende Nutzungsgebühren werden nicht erhoben. Liegt das zu veröffentlichende Material nicht in zur Veröffentlichung geeigneter digitaler Form vor, so kann dieses gegen Gebühr beim Landesvertragsanzeiger zur Digitalisierung oder Konvertierung und Veröffentlichung eingereicht werden. Diese Aufbereitung kann auch von privaten Unternehmen kommerziell erbracht werden, wobei das Land Berlin die Erlaubnis hierzu an Bedingungen knüpfen kann, um die Zuverlässigkeit der Dienstleister zu gewährleisten.

§9 Zeitpunkt und Dauer der Veröffentlichung

(1) Das Material ist grundsätzlich so rechtzeitig vor Vertragsschluss zu veröffentlichen, dass den Bürgern hinreichend Zeit zu einer Prüfung bleibt. Die Mindestfrist beträgt 30 Tage. Für Vertragswerke, deren Gesamtumfang einschliesslich alle Anhänge in gedruckter Form einhundert Seiten überschreitet, beträgt die Frist 50 Tage. Überschreitet der Gesamtumfang fünfhundert Seiten, beträgt die Frist 90 Tage.

(2) Die Dokumente sind mindestens bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren nach Ende der Vertragslaufzeit abrufbar zu halten.

§10 Hinweispflicht

In den Verträgen ist auf die Veröffentlichungspflicht hinzuweisen. Vertragspartner sind zu verpflichten, Unterverträge mit Lieferanten derart zu gestalten, dass diese einer Veröffentlichung nicht im Wege stehen.

§11 Altverträge

Altverträge, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen wurden, sind in Gänze zu veröffentlichen, wenn Änderungen oder Ergänzungen vereinbart oder neue Nebenabreden getroffen werden.

§12 Immaterialgüterrechte

Die Vertragspartner stellen sicher, dass zu veröffentlichende Dokumente frei von Rechten Dritter sind, die einer Veröffentlichung entgegenstehen. Jedermann hat das Recht, die veröffentlichten Dokumente frei zu nutzen, um die Ziele dieses Gesetzes zu fördern. Hierzu gehört auch das Weiterverbreiten und Wiederveröffentlichen von Dokumenten. Möglicherweise bestehende sonstige Immaterialgüterrechte an zu veröffentlichenden Dokumenten bleiben von dem Gesetz unberührt.

§13 Verstösse gegen das Gesetz

Verstösse gegen die Veröffentlichungspflicht führen zur Unwirksamkeit der unveröffentlichten Vertragsteile. Diese gelten als nicht vereinbart. Wenn es sich hierbei um wesentliche Bestandteile handelt, wird der gesamte Vertrag schwebend unwirksam. Eine nachträgliche Heilung ist dann nur möglich, indem ein Vertrag unter Beachtung aller Pflichten aus diesem Gesetz neu geschlossen wird.

§14 Schadenersatz- und Sorgfaltspflichten

Alle Vertragspartner sind in der Pflicht, eine ordnungsgemäße Veröffentlichung sicherzustellen. Sie haften gemeinschaftlich bei Verstössen gegen dieses Gesetz.

§15 Straftaten

Wer vorsätzlich nach diesem Gesetz veröffentlichungspflichtige Dokumente geheimzuhalten versucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt ist jeder Berliner Bürger.

§16 Ermächtigung

(1) Der Berliner Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei Bedarf folgende Regelungen anzupassen, zu erweitern oder zu konkretisieren:

  • a. Die in §3 (Ausnahmen) bezifferten Betragsgrenzen
  • b. Die in §7 (Form der Veröffentlichung) enthaltenen Regelungen zum Einstellen und der Verwaltung der Dokumente
  • c. Die in §9 (Zeitpunkt der Veröffentlichung) enthaltenen Fristen und Umfänge von Vertragswerken

(2) Der Berliner Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelungslücken zu schliessen und etwaige Widersprüche zu anderen Verordnungen und Gesetzen auszuräumen.

(3) Der Berliner Senat wird ermächtigt, dieses Gesetz durch Rechtsverordnung anzupassen, wenn sich durch die Anwendung unbillige Härten für bestimmte Personengruppen ergeben oder an einzelnen Stellen exzessiver Verwaltungsaufwand entsteht und der Zweck des Gesetzes dadurch nicht beeinträchtigt wird.

§17 Inkrafttreten, Geltungsdauer

(1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf die Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin folgenden zwölften Kalendermonats in Kraft.

(2) Dieses Gesetz tritt nach Ablauf von zwanzig Jahren nach seinem Inkrafttreten außer Kraft.

Erläuterung/Begründung:

Die Piratenpartei Berlin fordert ein Gesetz, nach dem sämtliche zukünftigen Ausgaben und Verpflichtungen des Landes Berlin den Berliner Bürgern im Internet ausnahmslos und umfassend zugänglich gemacht werden müssen.

Das Gesetz soll bestimmen, dass neue Verträge der öffentlichen Hand im Land Berlin nur rechtswirksam werden, wenn sie vorab vollständig veröffentlicht werden.

Die gleiche Verpflichtung soll für Unternehmen gelten, die in erheblichem Umfang mit öffentlichen Geldern wirtschaften, um ein Umgehen der Offenlegungspflicht durch Ausgründung von Unternehmen zu verhindern.

Das Land Berlin ist seit den 1970 Jahren immer wieder von Finanz- und Korruptionsskandalen geplagt. Vor der Einheit die Kreisel-Affäre, die Garski-Affäre und der Antes-Skandal, danach der Bankenskandal, das Boran-Fiasko, die Howoge/Fundus-Geschäfte, der BBI-Skandal, die Treberhilfe, die Klinikskandale, die Wasserprivatisierung und das S-Bahn-Chaos allein zeigen, dass es so nicht weiter gehen kann.

Der nächste grosse Skandal ist nur eine Frage der Zeit, wenn wie bisher überforderte oder von Eigeninteresse geleitete Akteure mit unserem Geld weitgehend im Verborgenen wirtschaften. Die Parlamente können ihrer Aufsichtsfunktion nicht gerecht werden. Auf jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses kommen allein mehr als 1000 im öffentlichen Dienst Beschäftigte.

Je Abgeordneten hat das Land 375 Mio. Euro Schulden, und jeder einzelne Abgeordnete ist rechnerisch für einen jährlichen Haushalt von über 130 Millionen verantwortlich.

Dass das Parlament mit der Kontrolle der Regierung und Verwaltung überfordert ist, das bestreiten selbst die meisten Abgeordneten nicht. Hier bedarf es offenbar der Hilfe durch die Bürger.

Das Gesetz zur Offenlegung aller Verträge im Vorfeld würde es zukünftig es allen Berliner Bürgern ermöglichen, selbst zu sehen, was mit ihrem gemeinsamen Geld und Vermögen geschieht.