BE:LiquidFeedback Themendiskussion/350

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Hier kann zur Initiative 'Unterstützung der Volksinitiative "Schule in Freiheit"' diskutiert werden.

Mehr Infos auch im Pressespiegel der Initiative.

Ich bin gegen die Unterstützung der Volksinitiative weil:

  • den Schulen in irgendeiner Form Ziele gesetzt werden müssen. Wenn Schüler eine Schule mit einem gewissen Abschluss verlassen, muss für Dritte ersichtlich sein, welche Kompetenzen der Abschluss beinhaltet. Ein kleinem Betrieb kann nicht zugemutet werden, dass er Bewerber anhand von obskuren Abschlüssen bewertet.
  • die Forderungen der Volksinitiative so verstanden werden können, dass tatsächlich den Schulen kompletter Freiraum bei den Lehrplänen gelassen wird. Dies kann aber dazu führen, dass z.B. jeder ein Abitur erhält. In den Forderungen der Volksinitiative habe ich nicht die zwingende (mMn sinnvolle) Forderung nach standardisierten Zwischen- und Abschlussprüfungen gefunden. Die Ergebnisse der Prüfungen, müssten veröffentlicht werden, sodass Eltern die Schulen, auf die sie ihre Kinder schicken wollen, einschätzen können. Auf Schulen, die zu schlecht abschneiden, werden weniger Eltern ihre Kinder schicken und müssen dann (weil von zu wenig Schülern besucht) geschlossen werden. So ein Modell wird z.B. in Kanada praktiziert. --Benutzer:Wobble (Nachgetragen von Jorges 14:52, 15. Jun. 2010 (CEST))

Die Initiative fordert ja:

Die Schulen erarbeiten selbständig ihr pädagogisches Konzept, stellen es öffentlich dar und entwickeln es ständig weiter.

Durch die Veröffentlichung des Konzepts soll auch klar werden, welche Bildungsziele sich eine Schule setzt und damit, welche Art Abschlüsse sie vergibt. Abschlüsse, die einen Standard widerspiegeln (sollen), z.B. Abitur, können und sollen dagegen weiterhin durch externe Kontrolle vergeben werden.

Nun stimmt natürlich, dass dadurch eine Vielfalt an Abschlüssen entstehen kann, die eine Übersicht erschwert. Wenn es aber tatsächlich so ist, dass die Mehrzahl der Arbeitgeber Standards wünscht, werden auch viele Schüler standardisierte Abschlüsse anstreben, also Schulen besuchen, die diese anbieten. Schließlich wollen die meisten ja erfolgreich im Berufsleben sein. Schon heute könnten ja viele nur einen Hauptschulabschluss machen, trotzdem bemühen sich die meisten um höhere Abschlüsse.

Bleibt noch die Vergleichbarkeit während der Schullaufbahn, falls man da wechselt. Ich halte es für sinnvoller, das mit Eingangs-Prüfungen zu gestalten statt mit Abschluss-Prüfungen. Denn Mobilität herrscht ja nicht nur zwischen Schulen in einem Bundesland, sondern auch bundesweit und sogar international. Weltweite Standards sind jedoch unrealistisch und genau genommen auch gar nicht wünschenswert (denn je nach Ort sind verschiedene Fähigkeiten gefragt). --Jorges 14:52, 15. Jun. 2010 (CEST)

Hmm ok, ich sehe das Gegenargument ein, werde also meine Position überdenken. --Wobble 18:23, 15. Jun. 2010 (CEST)


"Es ist nicht alles Gold, was glänzt."

Zu den Argumenten der Gegeninitiative:

Aus der Webseite von "Schule in Freiheit":

"Er regiert in die Schulen hinein, indem er die Lehrinhalte und die Bewertungsmaßstäbe bis hin zu den Abschlussprüfungen zentralistisch bestimmt. Das schränkt die Selbstbestimmung der Schulen ein und stört die kreative Entwicklung. "

Was der Staat hier macht ist nicht Einschränkung, sondern schaffen verbindlicher Mindeststandards. Lehrer haben auch in Schulen mit staatlich vorgegebenem Lehrplan Möglichkeiten innovative, tolle, eigene pädagogische Methoden anzuwenden. Zugegeben: Diese Lehrer sind momentan eher die Minderheit, aber diejenigen Lehrer, die eben nur faul und seit Jahrzehnten nach dem selben Prinzip den Lehrplan durchdrücken, werden durch die neu gewonne "Freiheit" nicht plötzlich einen Motivationsschub erhalten, nach dem Motto: "Wow, jetzt wo ich die Freiheit hab kann ich endlich meine Lehrer-Träume voll ausleben und muss den Kindern nicht mehr gelangweilt diesen ganzen Nonsens beibringen."

Zudem garantieren die staatlich vorgebenen Standards wenigstens ansatzweise, dass ein wie auch immer bedingter notwendiger Schulwechsel, die Kinder nicht plötzlich vor ein Nichts stellt, weil ihre frühere Schule nicht das für wichtig hielt, was die neue Schule an Methoden, Bewertungsmaßstäben, sonst was wertschätzt.

Die Kreativität der Schüler fördert man nicht, indem man den Schulen mehr vermeintliche Freiheit gibt, sondern indem mehr Lehrer eingestellt werden, der Klassenteiler herabgesetzt wird und so eine individuelle Förderung überhaupt erst ansatzweise möglich macht. Oder soll sich die Kreativität der Schüler verdammt noch mal an das anpassen, was die Schule für wichtig hält und basta?

Nein, die Schule soll sich den Bedürfnissen der Schüler anpassen. Und die Frage ist: Welche Strukturen braucht es, damit sie das tut? (Siehe dazu auch nächster Absatz.)
Was nützt ein Lehrer auf 10 Schüler, wenn er trotzdem den genau vorgegeben Lehrplan des Bildungsministeriums umsetzen muss und dabei kaum Raum hat für die eigenen Interessen der Kinder? Gerade im internationalen Vergleich sind die deutschen Standards sehr spezifisch.
Es herrscht auch das Irrtum, dass das Vorgeben von Standards automatisch zur Erfüllung der Standards führt: Viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss und wir haben 4 Millionen funktionale Analphabeten.
Ich glaube auch, dass der Staat "es gut meint", indem er so eng umrissene Mindeststandards setzt. Diese Motivation ist auch sinnvoll, aber eben nicht die Umsetzung.
Der Staat hat die Befürchtung, dass Schüler zurückbleiben könnten und diese Gefahr versucht er mit strikter Kontrolle zu bekämpfen. Irgendwie erinnert mich das an unser Zitat "Freiheit statt Angst". :) --Jorges 14:02, 16. Jun. 2010 (CEST)
Nachtrag: Das bedeutet natürlich (wie bei "Freiheit statt Angst") nicht den Umkehrschluss, keine Kontrolle mehr auszuüben. Es geht nur darum, dass im "Normalfall" Freiheit gilt (also vom mündigen Bürger ausgegangen wird, der das Beste für seine Kinder / sich selbst will, also auch die richtige Schule auswählt) - und nur im Ausnahmefall nicht.
Die Initiative fordert, dass der Staat weiterhin die Rechtsaufsicht über die Schulen ausüben soll und offenbar auch "Gütesiegel" vergeben könnte:
Auf die Frage, wie in solch einem Modell einheitliche Standards und ein gleichmäßiges Qualitätsniveau aufrechten erhalten werden sollen, antwortete Wilhelmi mit einem Vergleich von Gütesiegeln für Lebensmittel: Jede Schule, jeder Abschluss stehe im jeweiligen Bereich für ein bestimmtes Niveau. [1]

"Schule in Freiheit" weiter:

"Wo Menschen sich engagieren, entstehen Schulen, die gelingen."

Da haben sie recht. Allerdings hat das relativ wenig mit der Volksinitiative oder ihren Forderungen zu tun. Engagement ist in herkömmlichen Schulen genauso möglich. Es muss allerdings auf fruchtbaren Boden treffen: Wo engagierte Eltern, die das beste für ihre Kinder wollen auf motivierte Lehrer und eine offene und kooperationswillige Schulleitung treffen, da wird das Engagement auch wirken. Auch an bisherigen Schulen. Vielleicht sind die Initiatoren der "Schule in Freiheit" nicht auf diese Rahmenbedingungen gestoßen als sie zur Schule gingen oder wo ihre Kinder jetzt zur Schule gehen. Vom Staat ein radikales Umkrempeln des Schulwesens zu fordern ist aber schlicht an der falschen Stellen angesetzt. Es liegt an den oben genannten drei Partnern die miteinander klarkommen müssen, damit Engagement Früchte tragen kann. Was bringt eine "Schule in Freiheit", wenn engagierte Eltern bei der Schulleitung auf taube Ohren stoßen oder die Lehrer schlicht keinen Bock haben, sich zusätzliche Arbeit aufzubrummen.

Traurig, oder? Wie könnte man diesen Eltern da helfen?
Engagierte Eltern, aber die Schule hat keine Lust - das einzige, was den Eltern übrig bleibt, ist politisches Engagement oder die Gründung einer eigenen Schule in freier Trägerschaft, die aber gegenüber staatlichen Schulen finanziell massiv benachteiligt ist, so dass sich das finanziell schwache Eltern oft gar nicht leisten können.
Die Initiative fordert daher finanzielle Gleichberechtigung, so dass freie Schulen nichts kosten und somit kein Privileg für Reiche bleiben müssen. Unflexiblen Schulen würden so die Schüler abhanden kommen bzw. die Gefahr dessen könnte diese Schulen zu Flexibilität bewegen. --Jorges 14:02, 16. Jun. 2010 (CEST)

Es ist eine Utopie zu glauben, kaum dass alle Schulen frei seien plötzlich die allgemeine Arbeits- und Schaffenswut ausbräche, die vorher vom bösen Staat unterdrückt wurde, weil er zentrale Prüfungen vorgegeben hat.

"Soll die Möglichkeit bestehen, dass Schulen aus ihrer pädagogischen Konzeption heraus eine eigene Form des Schulabschlusses entwickeln und die Schüler mit diesem Abschluss dann studieren können?"

Nochmal... es geht um Mindeststandards. Eigene pädagogische Konzepte sind schön und gut, solange man am Schluss von allen das selbe erwarten kann.

Das ist die spannende Frage: Wollen wir ein Bildungssystem, wo am Ende alle die gleichen Inhalte beherrschen? Ist das für den heutigen Arbeitsmarkt tatsächlich sinnvoll?
Ich glaube, der Wunsch nach Standardisierung wurzelt noch in der Industriegesellschaft, wo es viele gleichförmige Arbeitsplätze gab. Da war es sinnvoll, dass viele Menschen das gleiche konnten, damit sie universell "einsetzbar" waren.
Mit der Informationsgesellschaft wird aber kaum ein Arbeitsplatz, kaum eine Tätigkeit mehr der anderen gleichen. Hier ist und wird vor allem die Fähigkeit gefragt sein, erstmal selbst zu erkennen, welche Tätigkeit sinnvoll ist bzw. gebraucht wird sowie die Fähigkeit, selbst die Inhalte zu erkennen und sich anzueignen, die für diese Tätigkeit notwendig sind.
Ein Bildungssystem, dass zu so einer Freiheit befähigen soll, muss selbst so frei gestaltet sein.
Das schließt Standards nicht aus. Sie sind da sinnvoll, wo klar definiert ist, was jemand können muss. Das geht naturgemäß besser "vor einer Aufgabe" als "nach einer Ausbildung" - Eingangsprüfungen sind also sinnvoller als Abschlussprüfungen. Statt Abitur könnte man z.B. eine (bundes-/landesweit) einheitliche Prüfung für die Aufnahme eines Mathe-Studiums anbieten. Wer ein solches anstrebt, könnte sich über die Prüfungsinhalte informieren und sich auf sie vorbereiten. --Jorges 14:02, 16. Jun. 2010 (CEST)

Es ist nicht alles Gold was glänzt: Nur weil die Initiative oft das Wort Freiheit verwendet (wohl gemerkt: nicht die des Individuums), ist sie noch lange nicht unterstützenswert.

Welche Forderungen im Bildungswesen könnten denn stattdessen die Freiheit des Individuums fördern? --Jorges 14:02, 16. Jun. 2010 (CEST)