BE:Antragskommission/2011-07-02 WP035A - Wahlprogramm zur Schulpolitik in Berlin

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Antragsnummer

WP035A

Einreichungsdatum

02.07.2011

Antragstitel

Wahlprogramm zur Schulpolitik in Berlin

Antragsteller

MArtin Delius, Martin Haase

Antragstyp

Wahlprogramm

Antragstext

Wahlprogramm zur Schulpolitik in Berlin

Für jeden Schüler ist eine Ganztagsbetreuung mit Mittagessen und individuellen Lerngruppen oder einer Hausaufgabenhilfe am Nachmittag vorzusehen. Die PIRATEN Berlin setzen sich dafür ein, dass die schulische Ganztagsbetreuung von Kindern nicht die Familien in der Gestaltung ihrer Lebensentwürfe und Freizeit unangemessen einschränkt. Ein Ganztagsschulangebot soll ein echtes Angebot sein, das Familien Raum für Familienleben, Vereine, Hobbies, Hausaufgaben im Familienkreis oder ungeplante Kinderfreizeit lässt. Die Lehrer sind in ihrer Arbeit durch nicht-lehrendes Personal, wie Assistenten, Psychologen oder Sozialpädagogen, soweit zu unterstützen, dass sie sich auf die Vermittlung des Unterrichtsstoffes konzentrieren können. Im Sinne der Menschenrechte und einer Kultur des sozialen Miteinanders muss das Ziel einer jeden Schulpädagogik sein, Aus- und Abgrenzungen weitestgehend zu vermeiden. Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedürfnissen sollen nach den Prinzipien der Inklusionspädagogik weitestgehend in die allgemeinbildenden Schulen eingebunden werden. Bestehende bauliche Barrieren in Grundschulen und weiterführenden Schulen werden zügig beseitigt.

Primarstufe Die sechsjährige Primarstufe soll in Zukunft wesentlich mehr Kinder auf einen schulischen Bildungsweg vorbereiten, der mit dem Abitur abgeschlossen wird. Sie hat daher die Aufgabe, wesentlich mehr Kinder mit den dafür notwendigen Grundkompetenzen auszustatten. Dies kann nur durch eine individuelle Förderung der Schüler geschehen, deren Ziel es ist, insbesondere die herkunftsbedingten Leistungsunterschiede auszugleichen. Um diese individuelle Förderung zu gewährleisten, darf die Klassengröße 15 Schüler nicht überschreiten.

Fließende Schullaufbahn Jeder Schüler soll die Möglichkeit haben, seine Schullaufbahn individuell zu planen und zu absolvieren. Auch bei einer umfassenden Beseitigung von herkunftsbedingten Leistungsunterschieden wird es immer Unterschiede im Leistungsniveau der Schüler geben. Dies gilt es in der Sekundarstufe I zu berücksichtigen. Die PIRATEN Berlin schlagen deshalb eine Schule mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vor. Dazu werden die Klassenverbände nach einer zweijährigen Orientierungsstufe zugunsten eines flexiblen Kurssystems aufgelöst. Ein flexibles Kurssystem löst zahlreiche Probleme des existierenden Klassensystems. Mangelhafte Leistungen in einer bestimmten Zahl von Fächern haben nicht mehr die Wiederholung der ganzen Klasse zur Folge, sondern lediglich die Wiederholung der mangelhaft abgeschlossenen Kurse. Umgekehrt werden besonders leistungsfähige Schüler nicht mehr unterfordert oder zum Überspringen einer ganzen Klasse gezwungen, sondern können Kurse wählen, die ihrer Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Übergang in die Sekundarstufe II erfolgt fließend, sobald die entsprechende Zahl von Kursen der Sekunderstufe I erfolgreich abgeschlossen wurde. Damit wird auch die Problematik von G9 und G8 vermieden. Wenn mehrere Kurse derselben Leistungsstufe angeboten werden und der Schüler den Kurs und damit auch den Lehrer frei wählen kann, werden überdies viele Probleme vermieden, die daraus entstehen, dass die Schüler keinen Einfluss darauf haben, welche Lehrkraft sie unterrichtet. Schulabschlüsse wie der Hauptschulabschluss, die Fachoberschulreife oder das Abitur werden durch den erfolgreichen Abschluss einer bestimmten Zahl von Kursen mit einer besonderen weiteren Prüfung erlangt. Um das Leistungsniveau innerhalb einer Schule und berlinweit vergleichbar zu machen, müssen während der gesamten Schullaufbahn bestimmte Kurse durch eine zentrale Prüfung abgeschlossen werden. Ein Curriculum mit Pflicht- und Wahlkursen gewährleistet dem einzelnen Schüler ein hohes Maß an Freiheit bei der inhaltlichen Differenzierung seiner Schullaufbahn. Gleichzeitig wird garantiert, dass wichtige Grundkompetenzen im Sinne eines umfassenden Bildungsideals an alle Schüler vermittelt werden. Die PIRATEN Berlin sind sich bewusst, dass ein eingliedriges, kursbasiertes Schulsystem nur auf Basis eines breiten gesellschaftlichen Konsens und nicht von oben herab erfolgreich eingeführt werden kann.

Individuelle Förderung Durch den Aufbau eines schulinternen Fördersystems sollen Schüler, deren Leistung nicht befriedigend ist, individuell unterstützt werden. Die dafür zusätzlich benötigten Lehrkräfte sind sofort einzustellen. Die Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer durch nicht-lehrendes Personal ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der individuellen Förderung. Um einen Unterricht zu gewährleisten, der allen Schülern gerecht wird, darf die Klassen- beziehungsweise Kursgröße in den Sekundarstufen I und II maximal 15 Schüler betragen. Dort wo es pädagogisch notwendig ist, wie beispielsweise in speziellen Fördergruppen, muss diese Zahl entsprechend niedriger sein.

Benotung und Bewertungskriterien Die Aussagekraft einer Note außerhalb der Rahmenbedingungen, in der sie erhoben wurde, ist sehr gering. Eine Bewertung der Leistung kann nur als Orientierungshilfe für Schüler, Eltern und Lehrer innerhalb der Schullaufbahn dienen. Um diesen Zweck zu erfüllen, sollte die Bewertung von Schülern differenzierter als durch Noten erfolgen. Dazu gibt es zahlreiche Ansätze, die in der täglichen Praxis stärker umgesetzt werden müssen. Insbesondere in einem künftigen Kurssystem sind detailliert aufgeschlüsselte fachliche Bewertungen wünschenswert, um darauf aufbauend die weitere Kurswahl gezielt vorzunehmen. Kopfnoten lehnen die Piraten grundsätzlich ab.

Unterstützende und flankierende Maßnahmen für das Schulsystem - IT und Lernmittel Die Ausstattung mit digitalen Arbeitsmitteln und ein Internetzugang für alle Lernenden ist eine Grundvoraussetzung für den Zugang zur Informations- und Wissensgesellschaft und einer aktiven Teilhabe an dieser. Das erhebliche Ungleichgewicht zugunsten der papiergebundenen und nicht-netzwerkfähigen Bereitstellung von Lernmitteln ist historisch bedingt und stellt eine Momentaufnahme der aktuellen Entwicklung dar. Die PIRATEN Berlin regen eine deutliche Verschiebung dieser Verhältnisse an. So werden zudem Innovationsprozesse in den entsprechenden Branchen, etwa Schulbuchverlagen, Anbietern von Digitalmedien und IT-Dienstleistern, stimuliert.

Digitale Medien Unterrichtsmaterial für Lehrer und Schüler sollte unter einer freien Lizenz zugänglich gemacht werden. Das vereinfacht den Lehrkräften die Erarbeitung von eigenen Unterrichtsmaterialien. Die Erstellung und Freigabe qualitativ hochwertiger Materialien durch Lehrer und Fachbuchautoren wird durch das Land entsprechend vergütet.

IT für Schulen Die Bereitstellung von Computern für allgemein- und berufsbildende Schulen erschöpft sich zurzeit in stationären Desktop-Geräten und gegebenenfalls Notebooks, die in der Schule ausgeliehen werden können. Die Geräte kommen hauptsächlich in Computerräumen und Medienecken zum Einsatz. Die Nutzungskultur von Desktop-Geräten für die Unterrichtsvorbereitung, die Hausaufgaben sowie allgemeine Bildungsaspekte ist stark abhängig von der jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Situation der Elternhäuser.

Die PIRATEN Berlin regen eine "IT-Initiative Bildungsinnovation" an. Diese beinhaltet, die Bereitstellung personalisierbarer standardisierter multimediafähiger Notebooks oder Netbooks für alle Schülerinnen und Schüler ab dem fünften Schuljahr stetig auszubauen. Die Anschaffung soll über Leasingverträge mit Versicherung und 24-Stunden-Supportservice stattfinden. Die notwendige Standardsoftware kann zu neunzig bis hundert Prozent aus Open-Source-Angeboten bestehen. Außerdem ist vorgesehen, das Angebot serverbasierter virtueller Lernumgebungen oder Lernmanagementsysteme für alle Schulformen auszubauen.

Lehrkräftefortbildungen

Die PIRATEN Berlin regen an, den Umgang mit Lernmanagementsystemen und Online-Medien im Rahmen der IT-Initiative in die reguläre Lehrerfortbildung zu übernehmen. Hierzu ist es erforderlich, landesweit insgesamt 100 medien- und IT-affine Lehrkräfte und Dozenten zur Durchführung dieser Fortbildungen frei- oder einzustellen. Die zusätzlich notwendigen Investitionen sind in der jährlichen Steigerungsrate der Bildungsinvestitionen enthalten. Die PIRATEN Berlin wollen die verpflichtende Lehrkräftefortbildung auf zehn Tage pro Jahr ausbauen. Drei Tage der Lehrkräftefortbildung sollen in universitärer Verantwortung liegen und an universitären Pädagogik- oder Fachseminaren durchgeführt werden. Dies dient einem schnelleren und effizienteren Transfer universitärer Erkenntnisse in die berufliche Praxis. Außerdem werden die entsprechenden Fachbereiche der Universitäten dazu angehalten, sich stärker in der beruflichen Fortbildung zu engagieren. Sie bereiten sich durch entsprechende Fortbildungsangebote auf eine allgemein anzustrebende Kultur des lebenslangen und berufsbegleitenden Lernens vor und sind in diesen Prozess aktiv eingebunden. Die Lehrkräfte entscheiden selbst, welche Fortbildungsangebote sie aus dem universitären Portfolio wahrnehmen möchten.

Schulkultur Schulkultur bedeutet für die PIRATEN Berlin den vertrauensvollen und partnerschaftlichen Umgang aller Beteiligten. Das schließt neben Schülern, Lehrern und Eltern auch das nicht-pädagogische Personal der Schulen und Kooperationspartner mit ein. Toleranz und gegenseitiger Respekt sind Grundvoraussetzungen für das Gelingen von Inklusionspädagogik. Hier müssen die Schulen gestärkt und zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Schüler verbringen durch die Ganztagsbetreuung immer mehr Zeit in der Schule. Daher ist die Umgestaltung der Schulen von einem bloßen Lernraum zu einem echten Lern- und Lebensraum zentraler Punkt der Schulkultur. Mensa, Aufenthaltsräume, Ruhezonen, Sportbereiche, Bibliotheken und gestaltete Außenbereiche sollen weiter ausgebaut werden. Schule kann auf diese Weise zu verschiedensten Aktivitäten von Schülern, Eltern und anderen einladen, die damit positiv auf das Lernklima zurückwirken. In der unterrichtsfreien Zeit und in nichtgenutzten Räumen können Veranstaltungen von der Schulgemeinschaft und für die Schulgemeinschaft stattfinden. Das Thema Schulkultur muss in der Aus- und Fortbildung von Lehrern mehr Berücksichtigung finden. Teamstrukturen müssen in der Schule weiter gestärkt werden. Vor allem in großen Systemen ist es notwendig, für alle Schüler überschaubare Strukturen zu schaffen, die ein positives Lernklima begünstigen. Hilfreich sind hier verschiedene feste Lehrerteams, die sich austauschen und koordinieren und dem Schüler als Ansprechpartner zur Seite stehen. Neben den äußeren Strukturen wird die soziale Kompetenz der Schüler durch den Einsatz von vielfältigen Unterrichtsformen gefördert. Gemeinsame Aktivitäten, zum Beispiel Fahrten und Feiern, müssen wieder einen höheren Stellenwert erlangen. Internationale Themenprojekte, auch in Kooperation mit Ländern außerhalb Europas, können mit Hilfe der neuen Medien verstärkt Eingang in den Unterricht finden und die Orientierung in einer globalisierten Welt erleichtern.

Antragsbegründung

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Datum der letzten Änderung

-Heiko Herberg 10:21, 2. Jul. 2011 (CEST)