Archiv:2013/Manifest

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Manifest der Piratenpartei Deutschland (Entwurf Nr. 1)

Dieser Text ist angelehnt an das Gründungsmanifest der schwedischen Piratenpartei, ergänzt um weitere politische Motive. Eine Abstimmung sollte zunächst gesondert nach jedem einzelnen Abschnitt erfolgen, um die Akzeptanz der einzelnen Passagen zu prüfen. Momentan ist außerdem ein internationales Manifest für alle Piratenparteien in Arbeit.

Vorwort

Am 01. Januar 2006 wurde in Schweden eine Partei namens "Piratpartiet" [sic!] (wörtlich: Piratenpartei) gegründet. Sie tritt für das Recht auf Privatsphäre ein, und engagiert sich für eine Reform des Urheberrechts und die Abschaffung des Patentsystems. Diese Ziele wurden besonders von Internetnutzern aus aller Welt überwiegend positiv aufgenommen.

Als eine Schwesterpartei der schwedischen Piratenpartei verfolgt die deutsche Piratenpartei zunächst die selben Ziele im deutschen politischen Kontext, fügt diesen jedoch weitere, ähnlich gerichtete, hinzu. Politische Kernziele bleiben hierbei die Abwehr des präventiven Überwachungsstaates und die Schaffung einer freien Informationsgesellschaft - frei nach dem vom Chaos Computer Club geprägten Slogan "Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen." und der Schutz der Menschen- und Bürgerrechte.

Die von der schwedischen Piratenpartei angeprangerten Zustände sind in ganz Europa und somit auch in Deutschland vorzufinden. Organisationen wie etwa der Chaos Computer Club oder der Förderverein für Freie Informationelle Infrastruktur setzen sich bereits seit Jahren für ein Umdenken - etwa im Bereich des "geistigen Eigentums" - ein. Dennoch hat sich bisher keine etablierte politische Gruppierung hervorgetan, die drängenden Konflikte der Informationsgesellschaft in ihre Agenda aufzunehmen. Eine deutsche Piratenpartei nach schwedischem Vorbild ist daher als der nächste logische Schritt anzusehen, die aktuelle Situation zu ändern.

Philosophie / Gesellschaftsbild

Wissen und Information

Wissen und Information gewinnen mit der Entwicklung zur Wissensgesellschaft an entscheidender Bedeutung. Der Zugang zu Informationen bedingt zunehmend auch die gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb halten wir es für sehr wichtig, dass der Zugang zu Informationen nicht unnötig und unsinnig durch Gesetze beschränkt wird.

Freiwillige Kooperation

Durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten werden neuartige Wirtschaftsformen möglich. Der Erfolg von Projekten wie Wikipedia oder Linux zeigt, dass auch abseits traditioneller Geldströme große Leistungen und Werte geschaffen werden können. Diese Leistung basiert auf der Zusammenarbeit von Menschen mit ähnlichen Zielen und Werten. Wir bekennen uns deshalb ausdrücklich zum Konzept der Freiwilligen Kooperation.

Freiheit und Verantwortung

Freiheit ist die Möglichkeit sein Leben nach eigenem Willen zu gestalten. Dabei endet diese Freiheit dort, wo die Freiheit des Nächsten anfängt. Eigenverantwortung, gegenseitiger Respekt und Kooperation sind wichtige Grundsätze zum leben dieser Freiheit. Unnötige und anmaßende Eingriffe des Staates lehnen wir ab.

Dezentrale Strukturen und Selbstorganisation

Wir ziehen dezentrale Strukturen grundsätzlich zentral gesteuerten Systemen vor. Wie Redundanz in einem Netzwerk die Zuverlässigkeit erhöht, stabilisieren kleine, dezentrale, selbst-organisierende Einheiten die Gesellschaft und erlauben eine fortwährende Evolution.

Das Recht auf Privatsphäre

Nach den Ereignissen vom Elften September, den Zuganschlägen von Madrid und den Terroranschlägen in London bewegen wir uns immer mehr auf eine Gesellschaft zu, in der jeder Bürger ständig elektronisch überwacht wird für den Fall, dass er oder sie etwas Illegales oder Unerwünschtes tun könnte. Die "Bekämpfung des Terrorismus" ist mittlerweile zu einer Universalbegründung verkommen, die für diverse Eingriffe in die Privatsphäre europäischer Bürger herhalten muss.

Der bisher wohl bedrohlichste Auswuchs dieser Entwicklung ist die europäische Wikipedia-logo.pngRichtlinie über die Vorratsdatenspeicherung Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Sie schreibt vor, dass Kommunikationsunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet sind, sämtliche Verbindungsdaten für mindestens sechs Monate zu speichern - auch ohne konkreten Verdacht. Dies schließt die Speicherung der Beteiligten, des Zeitpunkts und des Ortes jeder Kommunikation über Email, SMS, Instant Messages und Telefonnetz ein.

Die Argumente für den Überwachungsstaat mögen zunächst überzeugend klingen. Doch gerade wir in Deutschland sollten wissen, dass umfassende Überwachungsmaßnahmen vor allem Kennzeichen totalitärer Systeme sind. Auch die vor kurzem aufgedeckte Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst zeigt, dass die Gefahren des Missbrauchs höchst real sind: Weitreichende Überwachungsmöglichkeiten stellen eher ein Risiko für die Demokratie denn eine wirksame Methode zur Verbrechensvorbeugung dar.

Die pauschale Verdächtigung aller Bürger ist einer freien und demokratischen Gesellschaft unwürdig: Meinungsvielfalt und Offenheit leiden unter einer permanenten Überwachung. Die Piratenpartei stellt sich daher klar gegen den Abbau der Bürgerrechte und damit einhergehenden Verlust der Privatsphäre in Deutschland und Europa. Wir fordern, dass jeder Bürger umfassende Kontrolle über seine persönlichen Daten erhält.

Reform des Copyrightsystems

[...] - 5 bis 20 (?) Jahre Exklusivrecht - nichtkommerzielles Kopieren nicht strafbar - Verbot von DRM (Durchsetzbarkeit? Ersatzweise Erlaubniss zum disassembling und Umgehung des DRM)

Abschaffung des Patentsystems

Das offizielle Ziel des Patentsystems ist, Innovationen zu fördern und somit dem Gemeinwohl zu nützen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass dem Patentinhaber ein zeitlich beschränktes Monopol zugesprochen wird. Es ist allerdings hinreichend bekannt, dass Monopole dem Wohle der Allgemeinheit eher schaden als Nutzen. So besteht etwa mangels Konkurrenzdrucks für den Monopolinhaber kein Anreiz zur Weiterentwicklung. Eine solche Vorgehensweise steht also offensichtlich im Gegensatz zu den Vorteilen des freien Wettbewerb.

Beispiele dafür, wie und wo Patente der Allgemeinheit schaden, sind nicht schwer zu finden: So hat die Bedrohung durch die Vogelgrippe gezeigt, dass selbst das Horrorszenario einer weitreichenden Pandemie globale Konzerne nicht davon abhält, ihre Monopolstellung auszunutzen. Als das von Aids geplagte Südafrika im Jahr 2001 versuchte, gegen geltendes Patentrecht billige Wikipedia-logo.pngGenerika einzuführen - für die meisten Länder der dritten Welt sind die Marktpreise der von den Pharmafirmen lizensierten "Originalmedikamente" nicht bezahlbar, wurde es von 39 internationalen Pharmakonzernen verklagt. Mittlerweile existieren sogar Personen und Unternehmen, deren maßgebliche Tätigkeit darin besteht, Lizenzgebühren für von ihnen gehaltene Patente einzutreiben, ohne die beschriebene technische Errungenschaft je zu produzieren oder einzusetzen.

Neben dem durch Patente hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Schaden, gibt es einen Trend zu sogenannten "Trivialpatenten", die einfachste Ideen und Konzepte unter den Patentschutz stellen und so eine Weiterentwicklung auf Basis dieser einfachen Bausteine verhindern und so Innovativen Entwicklungen das Wasser abgraben.

Die Abschaffung des Patentsystems kann Europa einen definitiven Standortvorteil verschaffen.

Netzpolitik

Die informationstechnologische Revolution der letzten Jahrzehnte hat die heutige Gesellschaft bedeutend geprägt. Eine besondere Bedeutung hat hierbei das Aufkommen des Internets, das mit dem Kommunikationsschema der traditionellen Massenmedien nichts gemein hat. Die Verbreitung von Inhalten über Radio und Fernsehen ist denen vorbehalten, die es sich leisten können, sie erfordert teure Lizenzen und technische Ausrüstung. Jeder der einen Computer und eine Internetverbindung hat, kann jedoch Millionen Menschen erreichen: Das Internet ist das "demokratischste" Massenmedium überhaupt, es ermöglicht Menschen schnelle Publikation und Recherche von Informationen sowie vollkommen neue Formen der Kommunikation.

Eine wichtige Grundlage für den Erfolg des Internets sind zunächst die relativ geringen Zugangskosten: Beinahe jedem Haushalt in Deutschland ist ein Internetzugang finanziell zumutbar, zumal auch die bereits vorhandenen Telefonleitungen genutzt werden können. Doch sehr wichtig ist auch das Prinzip der Netzneutralität: Im heutigen Internet werden Daten idealerweise ohne Auswertung des Inhalts vom Sender zum Empfänger geleitet. Erst durch diese Vereinbarung ist der globale Datentransfer zwischen Kunden verschiedener Telekommunikationsanbieter frei und zuverlässig möglich. Das Internet ist Transporteur der Daten und muß daher, wie Telefonanbieter oder die Briefpost, das transportierte neutral weiterleiten, ohne Rücksicht auf den Inhalt der Nachricht.

Die Piratenpartei fordert, das Internet als ein freies und offenes Netzwerk zu erhalten.

Staatliche Transparenz

Jeder Staat hat die Pflicht, die ihm aufgetragenen Aufgaben vertrauensvoll und effizient zu erledigen. In einer Demokratie soll dieses Ziel unter Anderem dadurch realisiert werden, dass die Konsequenzen der getroffenen Entscheidungen auf der Grundlage von Wahlen vom Volk bewertet werden. Dies kann allerdings nicht passieren, wenn vorliegende Informationen, auf deren Grundlagen politische Entscheidungen getroffen werden, nicht veröffentlicht werden.

Ein Beispiel für einen solchen Vorfall ist die Geheimhaltung der Verträge zum LKW-Mautsystem des Konsortiums Wikipedia-logo.pngToll Collect: Mit Verweis auf "Geschäftsgeheimnisse" und "Sicherheitsbedenken" wird dem mündigen Bürger und selbst Bundestagsabgeordneten die Möglichkeit genommen, zu prüfen, auf welche Weise die dem Staat gezahlten Steuern verwendet wurden. Mit ähnlichen Begründungen wird die Herausgabe der Spezifikationen der - bereits weithin eingesetzten - Wikipedia-logo.pngWahlmaschinen der Firma Nedap verweigert. In anderen Fällen wurde für die Herausgabe von Kopien bereits vorliegender Dokumente unangemessen hohe Bearbeitungsgebühren verlangt.

Alle diese Vorfälle beschädigen das Vertrauen der Bürger in staatliches Handeln. Denn für den Bürger gibt es gute Gründe, sich näher über verschiedene Aspekte der betreffenden Entscheidungen informieren zu wollen: So ist das LKW-Mautsystem zunächst fehlerhaft angelaufen und hat dem deutschen Staat einen wirtschaftlichen Milliardenschaden verursacht. Im Fall der Wahlmaschinen ist sogar fragwürdig, ob eine verfassungsgemäße Auszählung der abgegebenen Stimmen überhaupt möglich ist, schließlich lässt sich nicht nachweisen, ob eine Auszählung korrekt erfolgt. Die oft genannten Sicherheitsbedenken sind dabei wohl eher ein Argument für eine Offenlegung der Funktionsweise: Quelloffen entwickelte Software wird im Allgemeinen als sicherer als proprietäre Entwicklungen angesehen.

Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz in der Verwaltung könnten die Effizienz staatlichen Handelns fördern und Misswirtschaft unterbinden. Die Piratenpartei fordert daher ein bundesweites Informationsfreiheitsgesetz, das die bisherigen Zugangsbeschränkungen zu staatlichen Daten auf ein Minimum reduziert. Betroffene Dokumente sollten ohne größere Kosten für jeden Bürger in offenen Standardformaten verfügbar sein.