Archiv:2012/AG Rente/Renten-FAQ
F: Was sind die Herausforderungen die unser Rentensystem bewältigen muss?
A: Durch den demografischen Wandel steigt der Anteil der Menschen an, die alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten - deren Lebensunterhalt muss von den arbeitenden Menschen aufgebracht werden. Dazu ist es notwendig eine Riesenmenge Geld umzuverteilen. Die verdienten Ansprüche der Rentner und das Interesse der Arbeitenden, ihren Lohn für sich selbst verwenden zu können, sind dabei entgegengesetze Ziele, die das Rentensystem ausgleichen muss.
F: Wie ist die aktuelle Situation?
A: 90 % der aktuellen Einnahmen der DRV werden für die Altersrenten verwendet; das sind ca. 220 Mrd. € (bzw. ca. 248 Mrd. insgesamt). Es gibt knapp 20 Mio. Rentenempfänger in Deutschland; die aktuellen Einnahmen betragen etwas über 182 Mrd. €; so dass es einen jährlichen (!) Fehlbetrag von über 60 Mrd. € gibt; welche durch Steuergelder ausgeglichen wird. Die durchschnittliche monatliche Altersrente beträgt je nach Sichtweise ca. 920 € je Rentenbezieher. Durch die Ausfinanzierung des Fehlbetrages durch Steuergelder aus dem Bundeshaushalt kommt es zu einer ungerechten Finanzierung durch Steuerzahler, welche keine Leistungen der DRV beziehen können (weil nicht Versicherungspflichtig o.ä.) bzw. berechtigt sind.
F: Warum kann unser bestehendes Rentensystem das nicht mehr leisten?
A: Wir haben derzeit für alle Arbeitnehmer ein umlagebasiertes Rentensystem, bei dem die Arbeitenden einen Teil ihres Lohns für die Renten abführen. Durch die steigende Anzahl von Leistungsempfängern steigt die Belastung der Arbeitnehmer stark an. Weil Beiträge zur Rentenversicherung nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze erhoben werden, werden die hohen Einkommen nur teilweise zur Finanzierung dieses Bedarfs herangezogen und die unteren bis mittleren Einkommensklassen werden überproportional beteiligt. Die vergangenen Bundesregierungen haben sich leider entschlossen, dieses Problem lediglich auf der Ausgabenseite kosmetisch durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters anzugehen, was praktisch zu einer Rentenkürzung bei den Leistungsempfängern führt. Die strukturellen Probleme bei der gegenwärtigen Demografie blieben aber unverändert.
F: Eine kapitalgedeckte Altersversorgung hätte weniger Probleme?
A: Nicht weniger, sondern andere, denn auch eine kapitalgedeckte Altersversorgung kann das eingezahlte Geld nicht einfach in den Sparstrumpf stecken. Zumindest zum Ausgleich der Inflation muss das Geld angelegt werden. Damit ist sie abhängig von der aktuellen Wirtschaftslage. Eine länge dauernde Rezession würde unweigerlich zu Verlsten bei den Rentnern führen - eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit der Versicherer dazu, dass staatliche Garantien in Anspruch genommen werden müssen. Trotzdem verfolgt die aktuelle Bundesregierung den Kurs, die Alterversorgung immer mehr zu privatisieren. Das ist für die Arbeitnehmer ein schmerzvoller Prozess, da sie einerseits in die aktuelle Rentenumlage einzahlen müssen aber andererseits auch Geld für ihre eigene kapitalgedeckte Versorgung zurücklegen müssen.
F: Wie sähe ein Rentensystem aus, das diese Nachteile nicht hätte?
A: Erstens: Ein gerechtes Rentensystem muss einheitlich für alle Bürger gelten - jegliche Art von Einkommen - egal ob als Arbeitnehmer, Vermieter, Selbständiger oder Kapitalanleger - muss zu seiner Finanzierung herangezogen werden und zu Ansprüchen berechtigen. Zweitens: Für jeden Rentner muss der grundlegende Lebensunterhalt letzen Endes aus dem laufend erwirtschafteten Volkseinkommen aufgebracht werden - diese Absicherung gehört daher vollständig in die staatliche Hand. Drittens: Die Stellschrauben dieser Versicherung: Rentenhöhe und -eintrittsalter, sowie Beitragssatz und -bemessungsgrenze müssen so gestaltet werden, dass jederzeit die laufenden Renten aus den Einnahmen gedeckt werden können. Außerdem sollte ein gerechtes Rentensystem so gestaltet sein, dass seine Kosten und Einnahmen transparent und unabhängig von anderen Wirtschaftskennzahlen sind: Es sollte sich selbst tragen können und es sollte klar sein, dass die Einzahlungen nur für das Rentensystem verwendet werden.
F: Welche Rolle spielt in diesem System die private Vorsorge?
A: Private Vorsorge soll und muss natürlich weiterhin möglich sein - allerdings darf diese nicht weiterhin staatlich subventioniert oder garantiert werden, denn diese Subventionen bedeuten letzlich eine Umverteilung des Vermögens vom Staat hin in die Privatwirtschaft - etwas, das wir uns angesichts unserer Staatshaushalte nicht länger leisten sollten.
F: Was ist mit der Beitragsbemessungsgrenze?
A: Das ist eine der Stellschrauben, mit der die Einnahmen aber auch die Ausgaben der Rentenversicherung gesteuert werden können. Da Einkommen oberhalb der BBG nicht mehr zur Finanzierung herangezogen werden und nicht mehr zu Ansprüchen berechtigen, stellt sie die Bengrenzung der staatlichen Vorsorge nach oben dar. Damit ist sie aber auch für eine Asymmetrie in der Altersversorgung verantwortlich: Jede Rentner hat einen garantierten Mindestunterhaltsanspruch unabhängig von seinen Einzahlungen - wenn sich also die Einzahlungsverteilung nach unten verschiebt, was wir derzeit beobachten, sinken die staatlichen Ausgaben nicht im gleichen Maß. Bei einem eventuellen Anstieg der Einkommen fließt aber lediglich Geld aus der staatlichen Rentenversicherung in die private Altersvorsorge. Die letzten Bundesregierungen seit 1982 haben die BBG verglichen mit dem langjährigen Mittel und dem Einkommenszuwachs sehr gering erhöht, dieser Umverteilung also Vorschub geleistet. Dem gilt es entgegen zu steuern.
F: Die Bundesregierung hat zuletzt eine Initiative unternommen, Selbständige in die Rentenversicherung zu integrieren - das ist doch schon ein Schritt in die richtige Richtung, oder?
A: Vordergründig ist sie damit einen unserer Kritikpunkte am derzeitigen Rentensystem angegangen. Sie hat dazu aber einen Weg gewählt, der die eigentlichen Ziele einer Rentenreform vollständig verfehlt, denn z.B.:
- die Zuschussrente wird nicht nur aus Beiträgen sondern auch aus Steuermitteln finanziert, damit werden die Staatshaushalte weiter belastet und die höheren Einkommen nur außerhalb des Systems über Steuern zur Finanzierung herangezogen. Die unserer Ansicht nach korrekte Alternative wäre: die Einnahmensituation der Rentenversicherung so zu verbessern, dass die Zuschussrente aus Mitteln der Rentenversicherung bezahlbar ist. Ein diskutierter Vorschlag dazu wäre, die Beitragsbemessungsgrenze ohne zusätzliche Rentenansprüche zu erhöhen, aber es kommen auch andere Ansätze in Frage.
- die Versicherungspgflicht für Selbständige wird lediglich durch einen Pazschalbeitrag abgegolten - das belastet gerade junge Selbständige mit nur geringen Erträgen überproportional während es etablierte Selbständige mit hohen Erträgen über Gebühr schont.
Mit diesem Gesetzesentwurf verschärft die Bundesregierung die Situation im Rentenbereich zu Lasten der jungen und geringverdienenden Menschen, die schon derzeit einen Großteil der Lasten unseres Staats tragen müssen, während sie die Teil der Bevölkerung schont, die Kapazitäten haben, den Staat zu unterstützen, dessen Leistungen sie in Anspruch nehmen. Perfiderweise geht die Bundesregierung mit diesem inhaltlich grundsätzlich falschen Entwurf auf den ersten Blick auf die vernünftigen Forderungen der Piraten und anderer Oppositionsparteien ein.