Antrag:Bundesparteitag 2015.1/Antragsportal/GP010

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2015.1. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

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Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer GP010
Einreichungsdatum
Antragsteller

Nico Kern

Mitantragsteller
  • Joachim Paul
  • Marc Olejak (Grumpy)
  • Marcus Najemnik
  • Sascha Köhle (Sakoelabo)
Antragstyp Grundsatzprogramm
Antragsgruppe Außenpolitik
Zusammenfassung des Antrags Die PIRATEN kritisieren die (neo-)kolonialen Strukturen von Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in ihrer erzeitigen Form und setzen sich daher für eine postkoloniale EZ mit dem Ziel ein, dass EZ in Zukunft nicht mehr notwendig ist.
Schlagworte Europa, Entwicklungspolitik, Außenpolitik
Datum der letzten Änderung 23.07.2015
Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit und Post-Development

Antragstext

Die PIRATEN setzen sich für eine postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit ein. Entwicklungszusammenarbeit muss dialogisch und partizipativ gestaltet werden und das Ziel verfolgen, dass sie mittel- und langfristig nicht mehr notwendig ist.


Die PIRATEN stehen für:


1. Überwindung des eurozentrischen und universalistischen Entwicklungsdiskurses

Der Entwicklungsdiskurs in Deutschland und der EU ist in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung in erster Linie eurozentrisch und universalistisch geprägt. Wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum als oberste Entwicklungsziele festzulegen dient dazu, die Vormachtstellung der Länder des globalen Nordens aufrecht zu erhalten und andere Gesellschaften nach den eigenen Vorstellungen zu formen. Entwicklungshilfe ist immer auch ein massiver Eingriff in eine andere Gesellschaft. Aus Sicht der PIRATEN sollen westliche Werte und Normen nicht unhinterfragt auf Gesellschaften in Ländern des globalen Südens übertragen und ein breiter und inklusiver Entwicklungsbegriff verwendet werden.

Für eine erfolgreiche und partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit muss die Frage, welche Ziele für die Menschen vor Ort primär wichtig sind, einen zentralen Stellenwert bekommen. Indigene Völker im Amazonasgebiet haben ein anderes Verständnis von Entwicklung als IT-Angestellte in Bangalore. Diese Unterschiede müssen unbedingt berücksichtigt und als gleichwertig erachtet werden.

Darüber hinaus ist für die PIRATEN eine Abkehr vom binären Entwicklungsverständnis, welches auf der Gegenüberstellung von "entwickelten" und "unterentwickelten" Ländern basiert, von zentraler Bedeutung. Die Definitonshoheit darüber, wer als entwickelt und wer als nicht entwickelt gilt, darf nicht allein bei den Ländern des globalen Nordens liegen.


2. Gegen die Fortführung von Abhängigkeiten und für Partizipation und Dialog

Die Dominanz der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Interessen der Länder des globalen Nordens im Entwicklungsdiskurs erinnert stark an den Kolonialismus. Durch Entwicklungszusammenarbeit wird die Kontinuität der Dominanz des globalen Nordens sichergestellt, sie wird zu einem Mittel der Machtausübung. Statt Abhängigkeiten abzuschaffen, werden diese bewusst fortgesetzt. Dies lehnen wir ab.

Die PIRATEN wollen eine Entwicklungszusammenarbeit, die Abhängigkeiten und Dominanzverhältnisse auflöst. Kolonialismus darf keine Fortsetzung in der Entwicklungszusammenarbeit finden, auch ist Entwicklungszusammenarbeit darüber hinaus kein Nebenschauplatz der Wirtschaftspolitik. Die PIRATEN wollen eine dialogische, partizipative und auf Augenhöhe aufgebaute Entwicklungszusammenarbeit, die die Interessen und Bedürfnisse der Menschen in den Ländern des globalen Südens priosisiert und sie dabei unterstützt, Abhängigkeitsmuster zu überwinden.


3. Postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit und Post-Development

Damit Entwicklungszusammenarbeit kein Tropfen auf dem heißen Stein bleibt ist eine Überwindung des derzeitigen, primär auf Wachstum ausgelegten globalen Wirtschaftssystems notwendig.

Entwicklungsprojekte, die zur Ernährungssicherheit beitragen wollen, bleiben unwirksam, wenn sich Konzerne und Staaten weiterhin große Landflächen zur Bedienung von Kapitalinteressen aneignen (sogenanntes „Landgrabbing“). Die Entwicklungszusammenarbeit kann Armut nicht effektiv bekämpfen, so lange mit Nahrungsmitteln an den internationalen Finanzmärkten spekuliert wird oder unregulierter Export von Waren, auch unter dem Deckmantel von Entwicklungshilfe, in den Zielländern zur Zerstörung lokaler wirtschaftlicher Strukturen, Landflucht und Arbeitslosigkeit führt.

Die PIRATEN setzen sich für eine in einer fairen und nachhaltigen Weltwirtschaftsstruktur eingebettete postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit ein. Das langfristige Ziel besteht darin, dass keine Entwicklungszusammenarbeit mehr notwendig ist, weshalb die PIRATEN die Forderungen von Post-Development Ansätzen unterstützen.

Antragsbegründung

Entwicklungszusammenarbeit in ihrer gegenwärtigen Form dient den Interessen der Länder des globalen Nordens. Im Vordergrund stehen häufig wirtschaftliche und geostrategische Ziele der Geberländer. Auch die Interessen der Entwicklungshilfeindustrie entsprechen nicht zwingend denen der Menschen in den Empfängerländern. Dadurch schadet Entwicklungszusammenarbeit den Menschen in Ländern des globalen Südens mehr, als dass sie ihnen nutzt.

Ein zentraler Grund dafür ist, dass Hilfsleistungen an von Geberländern auferlegte Konditionen geknüpft sind. Unterstützung bekommen jene Partner, die die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Vorgaben der Geberländer widerspruchslos übernehmen. So entscheiden sich manche Regierungen in Ländern des globalen Südens beispielsweise für die Förderung von industrieller Landwirtschaft, obwohl die Förderung von Subsistenzwirtschaft und kleinbäuerlichen Strukturen für die eigenen Entwicklungsziele sinnvoller wären.

Darüber hinaus sind die Liberalisierung der nationalen Wirtschaft sowie die Vereinbarung von Private-Public-Partnerships (PPP) mit Firmen aus Ländern des globalen Nordens sehr häufig eine Bedingung dafür, dass Projekte der Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt und finanzielle Unterstützung geleistet wird. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist, dass die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in den größten Agrarkonzern Sambias, nämlich Zambeef, investiert. Im Besitz von Zambeef konzentriert sich eine enorme Menge Land, was im Kontext von Sambia und der Entwicklung des Landes als sehr problematisch geltend zu machen ist, da Kleinbäuerinnen und Kleinbauern kaum über Landflächen verfügen und die Verteilung von Land ein essenzielles Problem darstellt. Damit wird das Armutsrisiko für die ländliche Bevölkerung gesteigert statt bekämpft.

Die Geber-Empfänger-Beziehungen zeichnen sich durch ein starkes Machtgefälle aus. Vermeintliche "Entwicklungsexperten" bestimmen, was, wer und wie entwickelt werden muss. Lokales Wissen und lokale Expertise finden dabei nur selten Berücksichtigung. Die Deutungshoheit darüber, wer als entwickelt und wer als unterentwickelt gilt, liegt weiterhin bei den Ländern des globalen Nordens.

Außerdem ist der Entwicklungsdiskurs von Rassismen geprägt und greift auf stereotype Repräsentationsmuster zurück, wie sie auch im kolonialen Diskurs verwendet werden. An dieser Stelle sei beispielhaft auf die Bilder von abgemagerten afrikanischen Kindern mit Fliegen in den Augen oder das Bild der unterdrückten, kopftuchtragenden Frau in islamischen Gesellschaften verwiesen. Diese Diskurstechniken machen es möglich, dass unter dem moralischen Deckmantel der Wohltätigkeit die Länders des globalen Südens weiterhin materiell ausgebeutet werden und Entwicklungszusammenarbeit selbst nicht infrage gestellt wird.

Die PIRATEN setzen sich daher für eine postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit ein. Eine solche ist bewusst darauf ausgerichtet, dass (neo-)koloniale Strukturen und Beziehungsmuster durchbrochen werden. Ein Fortbestehen der Dominanz und Abhängigkeit von den Ländern des globalen Nordens wird abgelehnt. Darüber hinaus geht es auch darum, dass keine stereotypen Bilder und Diskurse über die "Anderen" in Ländern des globalen Südens produziert und verbreitet werden.

Postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit basiert auf einem Dialog auf Augenhöhe, bei dem die Interessen und Entwicklungsziele der Partnerinnen und Partner in den Ländern des globalen Südens priorisiert werden. In diesem Dialog wird bewusst auf strereotype Repräsentationsmuster und Degradierung der Menschen in Ländern des globalen Südens verzichtet. Lokales Wissen wird als gleichberechtigt betrachtet und Projekte der Entwicklungszusammenarbeit werden dialogisch und partizipativ geplant, umgesetzt und ausgewertet.

Die PIRATEN gehen noch einen Schritt weiter und fordern faire Weltwirtschaftsstrukturen, die Entwicklungszusammenarbeit überflüssig machen. Damit unterstützen die PIRATEN aktiv die Forderungen aus Ländern des globalen Südens nach "Post-Development", also einer Welt ohne Entwicklungszusammenarbeit.

Die Notwendigkeit einer solchen Forderung lässt sich am Beispiel des Problems von Hunger verdeutlichen. So lange, wie an den internationalen Finanzmärkten mit Nahrungsmittelpreisen spekuliert wird, bleiben Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, die auf die Bekämpfung von Hunger und die Herstellung von Ernährungssouveränität abzielen, wirkungslos.

Deshalb setzen sich die PIRATEN für eine postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit ein, die auf das Ende der Notwendigkeit von Entwicklungszusammenarbeit abzielt.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


Konkurrenzanträge